Welche Entscheidungen sind im Verlauf von psychischen Erkrankungen wichtig? Ergebnisse unserer Online-Befragung Dipl. Psych. Sarah Liebherz Dr. phil. Lisa Tlach Dr. PH Sylvia Sänger Prof. Dr. med. Dr. phil. Martin Härter Dr. phil. Jörg Dirmaier 1 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................................................... 2 Allgemeine Informationen zur Befragung ................................................................................................. 3 Wer hat teilgenommen?............................................................................................................................. 4 Rücklauf .....................................................................................................................................................................4 Alter und Geschlecht ..................................................................................................................................................4 Betroffene................................................................................................................................................... 5 Über welche Beschwerden und Behandlungserfahrungen wurde berichtet? .................................................................5 Wie häufig wurde das Internet genutzt und nach welchen Informationen wurde gesucht? .............................................5 Welche Entscheidungen sind im Verlauf der Erkrankung wichtig? ................................................................................9 Wer soll die Behandlungsentscheidungen treffen und von wem wurden sie getroffen?..............................................9 Welche Entscheidungen wurden im Verlauf der Erkrankung schon einmal getroffen? ............................................. 11 Ergebnisse bei einzelnen Erkrankungen ............................................................................................................................................ 12 Welche Behandlungsentscheidungen wurden als besonders schwierig empfunden? .............................................. 17 Ergebnisse bei einzelnen Erkrankungen ............................................................................................................................................ 18 Welche Entscheidungen waren noch wichtig? ....................................................................................................... 19 Anmerkungen zur Befragung .................................................................................................................................... 20 Anmerkungen zur Befragung direkt ....................................................................................................................... 20 Anmerkungen zur Versorgung psychisch erkrankter Menschen ............................................................................. 21 Schwerer Zugang zur richtigen Behandlung oder zu den richtigen Informationen ........................................................................... 21 Eigenständigkeit bei Entscheidungen ................................................................................................................................................. 21 Erfahrung von Stigmatisierungen........................................................................................................................................................ 21 Allgemeine Anmerkungen ..................................................................................................................................... 22 Angehörige................................................................................................................................................23 Über welche Beschwerden und Behandlungserfahrungen wurde berichtet? ............................................................... 23 Wie häufig wurde das Internet genutzt und nach welchen Informationen wurde gesucht? ........................................... 23 Welche Entscheidungen sind im Verlauf der Erkrankung wichtig? .............................................................................. 26 Wer soll die Behandlungsentscheidungen treffen und von wem wurden sie getroffen?............................................ 26 Welche Entscheidungen wurden im Verlauf der Erkrankung schon einmal getroffen? ............................................. 27 Ergebnisse bei einzelnen Erkrankungen ............................................................................................................................................ 28 Welche Behandlungsentscheidungen wurden als besonders schwierig empfunden? .............................................. 33 Ergebnisse bei einzelnen Erkrankungen ............................................................................................................................................ 34 Welche Entscheidungen waren noch wichtig? ....................................................................................................... 35 Anmerkungen zur Befragung .................................................................................................................................... 35 Anmerkungen zur Befragung direkt ....................................................................................................................... 36 Anmerkungen zur Versorgung psychisch erkrankter Menschen ............................................................................. 36 Allgemeine Anmerkungen ..................................................................................................................................... 36 2 Allgemeine Informationen zur Befragung Auf unserem Webportal www.psychenet.de haben wir eine Online-Befragung zu wichtigen Behandlungsentscheidungen bei psychischen Erkrankungen durchgeführt. Ziel der Befragung war, zu erfahren, nach welchen Informationen Betroffene und Angehörige online suchen, welche Behandlungsentscheidungen schon getroffen werden mussten und welche Entscheidungen besonders schwierig waren. Diese Informationen wollen wir verwenden, um sogenannte Entscheidungshilfen zu erstellen – strukturierte Patienteninformationen, die helfen, die richtige Entscheidung zum Umgang mit der Erkrankung zu treffen. Für das große Interesse an der Befragung möchten wir uns herzlich bedanken. Wir möchten die Ergebnisse der Befragung den Teilnehmern und allen Interessierten hier zur Verfügung stellen. Genauere Informationen zur Befragung sowie zur Methodik der Auswertung sind in folgendem Artikel zu finden: http://link.springer.com/article/10.1007/s40271-015-0116-1 Dauer der Online Befragung: 28.01.2013 bis 28.04.2013 Anzahl der Teilnehmer: 493 Betroffene und 185 Angehörige Anmerkung zur Auswertung der Befragung und zur Darstellung der Ergebnisse: Manche Auswertungen beziehen sich auf alle Betroffenen bzw. Angehörigen, manche Auswertungen sind speziell für einzelne Erkrankungsgruppen dargestellt. Bei allen Untergruppen zu denen weniger als 20 Teilnehmer geantwortet haben, sind die Ergebnisse nicht dargestellt. An einigen Stellen (z.B. in Graphiken) haben wir darauf verzichtet, beide Geschlechter explizit zu benennen (z.B. Ärzte / Ärztinnen und Therapeuten / Therapeutinnen), da dies zu einer unübersichtlichen Darstellung geführt hätte. Selbstverständlich sind alle Geschlechter gemeint. 3 Wer hat teilgenommen? Rücklauf Insgesamt 930 Betroffene und 437 Angehörige haben im Befragungszeitraum vom 28.01.13 bis 28.04.13 mit der Online-Befragung begonnen. 493 Betroffene und 185 Angehörige erklärten sich mit der Verwendung ihrer Daten einverstanden. Auf diese Teilnehmer/innen beziehen sich die folgenden Auswertungen. Alter und Geschlecht Sowohl bei den Betroffenen als auch bei den Angehörigen gab es überwiegend weibliche Teilnehmerinnen (69 bzw. 77 Prozent). Die Teilnehmer/innen sind 18 bis 82 Jahre alt, durchschnittlich 41 Jahre (Betroffene) bzw. 49 Jahre (Angehörige). Im den folgenden Abschnitten werden zuerst die Ergebnisse von den Teilnehmern dargestellt, die selbst von einer psychischen Erkrankung betroffen waren, danach folgen die Ergebnisse der Angehörigen. 4 Betroffene Über welche Beschwerden und Behandlungserfahrungen wurde berichtet? Fast die Hälfte der Teilnehmer/innen berichteten über eine bipolaren Störung bzw. Manie (43%). Am zweithäufigsten waren mit 23% Depressionen vertreten, am dritthäufigsten Angststörungen (12%). Alle anderen Erkrankungen wurden von weniger als 10 Prozent der Teilnehmer/innen genannt. Viele Teilnehmer/innen litten schon seit langem unter ihrer Erkrankung, im Durchschnitt seit 16 Jahren. Es wurden Erkrankungsdauern zwischen 0 und 60 Jahren angegeben. Die Mehrheit (85 Prozent) ist schon einmal wegen der Erkrankung in Behandlung gewesen. Die erste Behandlung hatte im Durchschnitt vor 13 Jahren stattgefunden. Wie häufig wurde das Internet genutzt und nach welchen Informationen wurde gesucht? Fast alle Betroffenen (90%) gaben an, das Internet (fast) täglich zu nutzen. In Abbildung 1 ist dargestellt, wie häufig die Teilnehmer/innen das Internet zur allgemeinen Suche nach Informationen über Gesundheitsthemen oder Erkrankungen nutzen. 5 100 90 80 70 60 50 40 31 30 20 26 27 14 10 2 0 (fast) täglich mindestens einmal pro Woche mindestens einmal im Monat seltener als einmal im Monat nie Abbildung 1: Wie häufig nutzen Sie das Internet zur allgemeinen Suche nach Informationen über Gesundheitsthemen oder Erkrankungen? (493 Betroffene; Angaben in %) 6 Für jede Erkrankung wurde getrennt ermittelt und ausgewertet, aus welchen Gründen Betroffene ins Internet gehen und nach welchen Informationen sie dort suchen. Die Ergebnisse der Gründe für die Internetnutzung sind in Abbildung 2 dargestellt. Die „allgemeine Suche nach Informationen“ wurde hier besonders häufig genannt. nicht ausreichende Informationen von Arzt / Psychotherapeut 5 10 0 nicht einverstanden mit den Informationen von Arzt oder Psychotherapeut 10 5 25 15 14 14 Suche wurde von Arzt / Psychotherapeut empfohlen 3 39 14 4 5 unverständliche Informationen von Arzt / Psychotherapeut 34 21 20 22 5 14 18 16 Suche nach Arzt / Psychotherapeut 20 14 25 68 allgemeine Suche nach Informationen 70 55 0 10 20 Schizophrenie / Psychose (N = 28) Bipolare Störung / Manie (N = 210) Angststörung (N = 60) Essstörung (N = 22) 30 40 50 60 70 75 75 80 Depression (N = 112) Abbildung 2: Aus welchen Gründen haben Sie im Internet nach Informationen über … gesucht? (493 Betroffene; Angaben in %) 7 Abbildung 3 gibt einen Überblick für welche Themen sich die Informationssuchenden interessiert haben. 68 Allgemeine Informationen überdie Erkrankung 59 41 57 56 Informationen über Behandlungsmöglichkeiten 27 75 60 54 Informationen über Heilungschancen, Risiken und Nebenwirkungen der Behandlungsmöglichkeiten 33 41 14 Informationen über Psychotherapeuten, Ärzte, Krankenhäuser 31 18 40 23 30 14 Informationen für Angehörige 8 9 14 12 67 45 43 Informationen über Selbsthilfegruppen / Austausch mit Betroffenen / Erfahrungsberichte von Betroffenen 59 35 22 64 Tipps zum Umgang mit der Erkrankung 46 0 10 74 73 20 Schizophrenie / Psychose (N = 28) Bipolare Störung / Manie (N = 210) Angststörung (N = 60) Essstörung (N = 22) 30 40 50 56 58 60 70 73 80 Depression (N = 112) Abbildung 3: Nach welcher Art von Informationen über … haben Sie gesucht? (493 Betroffene; Angaben in %) 8 Welche Entscheidungen sind im Verlauf der Erkrankung wichtig? Wer soll die Behandlungsentscheidungen treffen und von wem wurden sie getroffen? Die Betroffenen wurden gefragt, wer aus ihrer Sicht wichtige Behandlungsentscheidungen treffen soll und wer bei der letzten Entscheidung tatsächlich entschieden hat (Patient, Arzt / Psychotherapeut oder beide gemeinsam). Die Mehrzahl der Befragten bevorzugt gemeinsame Entscheidungen von Arzt und Patient. In fast der Hälfte der Fälle wurden die letzte Entscheidung tatsächlich auch gemeinsam getroffen (siehe Abbildung 4). 18 17 nur ich selbst 21 hauptsächlich ich selbst 26 ich und mein Arzt bzw. Psychotherapeut 57 43 hauptsächlich mein Arzt bzw. Psychotherapeut 4 9 1 nur mein Arzt bzw. Psychotherapeut 5 0 Wer soll entscheiden? 10 20 30 40 50 60 70 80 Wer hat die Entscheidung getroffen? Abbildung 4: Wer soll entscheiden und wer hat die Entscheidung getroffen? (493 Betroffene) In den folgenden Abschnitten geht es darum, welche Entscheidungen im Verlauf der Erkrankung schon einmal getroffen wurden und wie schwierig diese waren. Wir haben dabei nach Entscheidungen bezüglich der Behandlungsmöglichkeiten gefragt, die ihre Wirksamkeit wissenschaftlich nachweisen konnten. Natürlich müssen im Verlauf eines Lebens – mit oder ohne Erkrankung – viele weitere wichtige Entscheidungen getroffen werden, z.B. ob man seinen Arbeitsplatz behält oder wechselt, ob die eigene Wohnsituation verändert werden soll oder ob man seine Partnerschaft beenden oder einen Neustart wagen soll. Dies war nicht Thema unserer Befragung. Um trotzdem abbilden zu können, welche weiteren Entscheidungen besonders von 9 Menschen mit psychischen Erkrankungen als wichtig empfunden werden, gab es die Möglichkeit von Freitext-Antworten, die hier ebenfalls dargestellt werden. Die Themenbereiche, nach denen zu Behandlungsentscheidungen gefragt wurde, sind: 1. Behandlung ambulant oder in einer Klinik 2. Sofort mit der Behandlung beginnen oder erst einmal abwarten 3. Behandlung mit Medikamenten 4. Psychotherapeutische Unterstützung 5. Kombinationsbehandlung (Psychotherapie und Medikamente) 6. andere Behandlungsalternativen Manche Behandlungsformen kommen nur für bestimmte Erkrankungen infrage; daher wurde nur dort dazu Fragen gestellt. 10 Welche Entscheidungen wurden im Verlauf der Erkrankung schon einmal getroffen? In Abbildung 5 ist – geordnet nach Häufigkeit – dargestellt, welche Behandlungsentscheidungen von den Betroffenen (oder ihren Ärzten und Therapeuten) schon einmal getroffen wurden. Je dunkler die Farbe in der Darstellung, desto häufiger wurde die Entscheidung schon getroffen. ob ich eine Psychotherapie mache oder nicht 85 ob ich Medikamente nehme oder nicht 85 welches Medikament ich nehme 77 ob ich ein Medikament weiternehme oder wieder absetze 76 ob ich mich ambulant oder in einer Klinik behandeln lasse 75 ob ich ein anderes Medikament oder eine andere Dosis nehme 74 ob ich Sport mache oder nicht 71 ob ich zusätzlich zur medikamentösen Behandlung eine Psychotherapie mache oder nicht ob ich eine verhaltenstherapeutische, tiefenpsychologisch fundierte oder analytische Psychotherapie mache ob ich zusätzlich zu meiner laufenden Psychotherapie Medikamente (Psychopharmaka) nehme oder nicht 64 61 59 ob ich ein Selbsthilfebuch durcharbeite oder nicht 50 ob ich meine laufende Psychotherapie beenden soll oder nicht 48 ob ich alternativmedizinische Angebote in Anspruch nehme oder nicht 46 ob ich entweder eine Psychotherapie mache oder ein Medikament nehme 27 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Abbildung 5: Welche Entscheidungen mussten schon einmal getroffen werden (Nennungen der 493 Betroffenen; Angaben in %) 11 Ergebnisse bei einzelnen Erkrankungen Die Entscheidung, sich ambulant oder in einer Klinik behandeln zu lassen, musste am häufigsten von Menschen mit bipolarer Störung / Manie, am wenigsten häufig von Menschen mit Angststörungen getroffen werden (siehe Abbildung 6). ob ich mich ambulant oder in einer Klinik behandeln lasse ob ich zunächst eine Zeit abwarte und beobachte, ob meine Beschwerden von selbst besser werden oder ob ich gleich mit der Behandlung beginne 0 10 20 30 40 50 60 70 Schizophrenie / Psychose (N = 28) Bipolare Störung / Manie (N = 210) Depression (N = 112) Angststörung (N = 60) 80 90 Essstörung (N = 22) Abbildung 6: Welche Entscheidungen bezüglich des Behandlungssettings mussten schon einmal getroffen werden (Betroffene, Angaben in %)1 1 Leichte Depressionen sind die einzige hier angesprochene Erkrankung, bei der es als wissenschaftlich gesichert gilt, dass sie sich auch ohne Behandlung bessern können. Daher wurde die Option „Abwarten“ nur bei den depressiven Erkrankungen benannt. 12 Entscheidungen bezüglich medikamentöser Behandlung mussten am häufigsten von Menschen mit Schizophrenie / Psychose bzw. bipolarer Störung / Manie getroffen werden, am wenigsten häufig von Menschen mit Angst- bzw. Essstörung (siehe Abbildung 7). ob ich Medikamente (Psychopharmaka) nehme oder nicht welches Medikament (Psychopharmaka) ich nehme ob ich ein anderes Medikament oder eine andere Dosis nehme ob ich ein Medikament weiternehme oder wieder absetze ob ich zusätzlich zum Neuroleptikum ein Antidepressivum nehme oder nicht ob ich die Medikation täglich als Tablette oder als Depotmedikation (Spritze, deren Wirkung mehrere Wochen anhält) nehme ob ich ein phasenprophylaktisches Medikament (z.B. Lithium) nehme oder nicht 0 10 20 30 40 50 60 70 Schizophrenie / Psychose (N = 28) Bipolare Störung / Manie (N = 210) Depression (N = 112) Angststörung (N = 60) 80 90 100 Essstörung (N = 22) Abbildung 7: Welche Entscheidungen bezüglich Medikamenten mussten schon einmal getroffen werden (Betroffene, Angaben in %) 13 Bei der Psychotherapie ging es am häufigsten darum ob man sie überhaupt machen soll, oder nicht. Diese Entscheidung wurde von allen Betroffenen unabhängig von der Art der Erkrankung in etwa gleich häufig getroffen (siehe Abbildung 8). ob ich eine Psychotherapie mache oder nicht ob ich meine laufende Psychotherapie beenden soll oder nicht ob ich eine verhaltenstherapeutische, tiefenpsychologisch fundierte oder analytische Psychotherapie mache 0 10 20 30 40 50 60 70 Schizophrenie / Psychose (N = 28) Bipolare Störung / Manie (N = 210) Depression (N = 112) Angststörung (N = 60) 80 90 100 Essstörung (N = 22) Abbildung 8: Welche Entscheidungen bezüglich Psychotherapie mussten schon einmal getroffen werden (Betroffene, Angaben in %) 14 Die Entscheidung, eine Kombinationsbehandlung zu machen oder nicht, wurde am häufigsten von den Teilnehmern mit bipolarer Störung getroffen. Nur ein kleiner Teil der Befragten gab an, direkt vor der Frage „Psychotherapie ODER Medikamente“ gestanden zu haben (siehe Abbildung 9). ob ich zusätzlich zu meiner laufenden Psychotherapie Medikamente (Psychopharmaka) nehme oder nicht ob ich zusätzlich zur medikamentösen Behandlung eine Psychotherapie mache oder nicht ob ich entweder eine Psychotherapie mache oder ein Medikament nehme 0 10 20 30 40 50 60 70 Schizophrenie / Psychose (N = 28) Bipolare Störung / Manie (N = 210) Depression (N = 112) Angststörung (N = 60) 80 90 Essstörung (N = 22) Abbildung 9: Welche Entscheidungen bezüglich Kombinationsbehandlung mussten schon einmal getroffen werden (Betroffene, Angaben in %) 15 Es ist wissenschaftlich belegt, dass es neben der Psychotherapie und der Behandlung mit Medikamenten weitere wirksame Möglichkeiten gibt, um sich wieder besser zu fühlen, wie zum Beispiel Sport bei Depressionen. Wir haben gefragt, ob die Betroffenen auch solche Entscheidungen schon einmal getroffen haben (siehe Abbildung 10). ob ich ein Selbsthilfebuch (Ratgeber) durcharbeite oder nicht ob ich alternativmedizinische Angebote (z.B. pflanzliche Medikamente, Akupunktur, Entspannungsverfahren) in Anspruch nehme oder nicht ob ich Sport mache oder nicht 0 10 20 30 40 50 60 70 Schizophrenie / Psychose (N = 28) Bipolare Störung / Manie (N = 210) Depression (N = 112) Angststörung (N = 60) 80 90 Essstörung (N = 22) Abbildung 10: Welche Entscheidungen bezüglich anderen Behandlungsalternativen mussten schon einmal getroffen werden (Betroffene, Angaben in %) 16 Welche Behandlungsentscheidungen wurden als besonders schwierig empfunden? Im folgenden Abschnitt ist dargestellt, welche bereits getroffenen Entscheidungen als schwierig angesehen wurden. Als schwierigste Entscheidung wurde von den Betroffenen die Entscheidung, sich ambulant oder in einer Klinik behandeln zu lassen, angegeben. Weiterhin wurden Entscheidungen bezüglich der medikamentösen Behandlung als besonders schwierig empfunden (siehe Abbildung 11). ob ich mich ambulant oder in einer Klinik behandeln lasse 45 ob ich Medikamente (Psychopharmaka) nehme oder nicht 42 ob ich ein anderes Medikament oder eine andere Dosis nehme 41 ob ich ein Medikament weiternehme oder wieder absetze 40 welches Medikament (Psychopharmaka) ich nehme 38 ob ich eine Psychotherapie mache oder nicht 30 ob ich eine verhaltenstherapeutische, tiefenpsychologisch fundierte oder analytische Psychotherapie mache 28 ob ich meine laufende Psychotherapie beenden soll oder nicht 27 ob ich zusätzlich zu meiner laufenden Psychotherapie Medikamente (Psychopharmaka) nehme oder nicht 23 ob ich Sport mache oder nicht 22 ob ich zusätzlich zur medikamentösen Behandlung eine Psychotherapie mache oder nicht 18 ob ich entweder eine Psychotherapie mache oder ein Medikament nehme 9 ob ich alternativmedizinische Angebote (z.B. pflanzliche Medikamente, Akupunktur, Entspannungsverfahren) in Anspruch nehme oder nicht 9 ob ich ein Selbsthilfebuch (Ratgeber) durcharbeite oder nicht 6 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Abbildung 11: Welche Behandlungen wurden als eher schwierig oder sehr schwierig empfunden? (493 Betroffene; Angaben in %) 17 Ergebnisse bei einzelnen Erkrankungen Im folgenden Abschnitt sind für alle Befragten jeweils die drei schwierigsten Entscheidungen angegeben. Benannt wird auch die Prozentzahl derjenigen, die diese Entscheidung als „eher schwierig“ oder „sehr schwierig“ empfunden haben. Von Menschen mit Psychose, bipolarer Störung oder Depressionen werden die Entscheidungen bezüglich des Behandlungssettings (ambulant oder stationär) sowie bezüglich Medikation (welches Medikament, Medikamenten- oder Dosisänderung, Medikament weiter nehmen oder absetzen) als die schwierigsten Behandlungsentscheidungen benannt. Bei Menschen mit Angst- oder Essstörungen zählen auch Entscheidungen bezüglich Psychotherapie sowie Entscheidungen zur Medikamenteneinnahme generell (ja oder nein) zu den schwierigsten Entscheidungen. Erkrankung Die schwierigsten Entscheidungen Schizophrenie / ob sie ein Medikamenten weiternehmen oder wieder absetzen (54%) Psychose ob sie ein anderes Medikament oder eine andere Dosis nehmen (43%) welches Medikament (Psychopharmakon) sie nehmen (39%) ob sie sich ambulant oder in einer Klinik behandeln lassen (39%) Bipolare Störung / ob sie sich ambulant oder in einer Klinik behandeln lassen (53%) Manie ob sie ein anderes Medikament oder eine andere Dosis nehmen (51%) ob sie ein Medikamenten weiternehmen oder wieder absetzen (49%) ob sie sich ambulant oder in einer Klinik behandeln lassen (43%) ob sie ein anderes Medikament oder eine andere Dosis nehmen (43%) ob sie Medikamente (Psychopharmaka) nehmen oder nicht (42%) ob sie eine Psychotherapie machen oder nicht (33%) ob sie sich ambulant oder in einer Klinik behandeln lassen (32%) ob sie Medikamente (Psychopharmaka) nehmen oder nicht (30%) ob sie ihre laufende Psychotherapie beenden sollen oder nicht (55%) ob sie ein Medikament weiternehmen oder wieder absetzen (50%) ob sie Medikamente (Psychopharmaka) nehmen oder nicht (46%) ob sie eine Psychotherapie machen oder nicht (46%) Depressionen Angststörungen Essstörungen 18 Welche Entscheidungen waren noch wichtig? Um zu erfragen, welche weiteren Entscheidungen – außer den Behandlungsentscheidungen – noch wichtig sind, gab es in der Befragung die Möglichkeit freie Antworten zu formulieren. Es wurden einerseits Entscheidungen genannt, die mit der Behandlung in Zusammenhang stehen, andererseits Entscheidungen, die die allgemeine Lebensgestaltung betreffen. Umgang mit der Erkrankung Behandlung Selbstfürsorge Akzeptanz: Akzeptiere ich die Erkrankung überhaupt? Gestehe ich mir und meinen Behandlern meine Schwierigkeiten ein? Outing / Vertrauen: Erzähle ich anderen Menschen von meiner Erkrankung und wenn ja, wem? Wem kann ich mich generell anvertrauen? Nehme ich Hilfe von anderen an? Beziehe ich meine Angehörigen mit ein? Sich den Problemen stellen: Stelle ich mich schwierigen / angstbesetzten Situationen? Prophylaxe: Welches sind meine Frühwarnsymptome und welche Situationen muss ich vermeiden, um eine Verschlechterung der Symptome zu verhindern? Sucht / Bewältigung der Symptome: Soll ich aufhören Alkohol zu trinken? Bleibe ich abstinent? Setze ich Alkohol weiter ein, um mit meinen Problemen umzugehen oder wähle ich andere Methoden? Fange ich bei einer Essstörung an wieder zu essen? Höre ich auf, mich zu erbrechen? Weiterkämpfen: Möchte ich dem Leben eine Chance geben? Ist Suizid für mich eine Option? Soll ich anderen von meinen Suizidgedanken erzählen? Behandlungsbeginn: Beginne ich überhaupt mit einer Behandlung bzw. begebe ich mich auf die Therapieplatzsuche? Welche Klinikart ist für mich die richtige? Behandlungssetting: Wer sorgt für meine Kinder, wenn ich mich stationär behandeln lasse? Kommt eine tagesklinische Behandlung für mich infrage? Wechsel des Behandlers oder der Behandlungsform: Kommt für mich ein anderer Behandler oder eine andere Behandlungsform (z.B. Verhaltenstherapie statt analytischer Therapie oder umgekehrt) infrage? Neubeginn der Behandlung: Lasse ich mich – nach einer evtl. erfolglosen Behandlung – wieder auf eine Behandlung ein? Aufgabe der Behandlungsplatzsuche: Soll ich die Suche aufgeben? Andere Behandlungsangebote: Mache ich eine Ergotherapie? Kommt eine Tagesstätte für mich infrage? Behandlungsdauer- und Behandlungsfrequenz: Soll ich über die Behandlungsdauer mitentscheiden? In welcher Frequenz soll die Behandlung stattfinden? Betreuung: Brauche ich eine gesetzliche Betreuung? Selbsthilfe: Besuche ich eine Selbsthilfegruppe? Gründe ich selbst eine Gruppe? Eigenständigkeit: Kann ich meinem eigenen Wissen / meinen Gefühlen vertrauen? Brauche ich Unterstützung? Gebe ich Verantwortung ab? Umgang mit Tätern: Zeige ich den Täter an? Breche ich den Kontakt ab? Patientenverfügung: Soll ich eine Patientenverfügung verfassen? Eigenverantwortung: Soll ich mich selbst für mich und meine Gesundung einsetzen und daran arbeiten? Soll ich selbst Verantwortung für meine Behandlung übernehmen? Setze sich mich für meine Rechte ein? Hinterfrage ich Entscheidungen der Ärzte und treffe ich ggf. Entscheidungen gegen die Empfehlung des Arztes? 19 Lebensumstellung und Lebensplanung Lebensführung: In welchen Punkten muss ich mein Leben an die Erkrankung anpassen oder mich dafür entscheiden, mein Leben trotz der Erkrankung nicht einschränken zu lassen? Wie kann ich meinen Alltag und meine Freizeit gestalten? Soll ich mir ein Haustier anschaffen? Familienplanung: Soll ich Kinder bekommen? Kann ich die Schwangerschaft ohne Medikamente durchstehen? Neugestaltung von Beziehungen: Beende ich eine Ehe / Partnerschaft oder den Kontakt zu meiner Familie? Breche ich die Kontakte zu anderen Menschen ab? Wohnen: Kann ich allein wohnen oder kommt für mich das betreute Wohnen infrage? Soll ich in der Nähe oder bei meinen Eltern wohnen? Soll ich die Wohnung wechseln oder umgestalten? Beruf: Bin ich arbeitsfähig? Soll ich mich krankschreiben lassen? Welche berufliche Perspektive ist für mich die richtige? Soll ich arbeiten oder mit berenten lassen? Kommt eine Erwerbsminderungsrente infrage? Soll ich eine Berufsausbildung fortsetzen? Schwerbehindertenantrag: Soll ich einen Antrag auf Schwerbehinderung stellen? Anmerkungen zur Befragung Am Schluss der Befragung gab es die Möglichkeit, noch eigene Anmerkungen zu formulieren. Diese haben wir hier zusammengefasst. Manche Anmerkungen richten sich direkt an die Befragung, in manchen geht es aber auch um die Versorgungssituation oder den Umgang mit psychisch erkrankten Menschen allgemein. Anmerkungen zur Befragung direkt Viele Betroffene äußerten sich positiv zur Befragung. Beispielsweise wurde erwähnt, dass man durch die Befragung mehr über die jeweiligen Erkrankungen und deren Behandlung herausfindet. Auch wurde gelobt, dass Betroffene einbezogen werden und so die gesellschaftliche Akzeptanz von psychischen Erkrankungen erhöht wird. Einige Befragte haben den Wunsch, ihr Wissen aus eigener Erfahrung weiterzugeben und bieten ihre Unterstützung an oder sind interessiert an den Ergebnissen der Befragung. Es wird auch der Wunsch geäußert, dass Betroffene mehr in das Forschungsdesign einbezogen werden sollen, z.B. bei der Auswahl relevanter Fragen. Folgende Punkte wurden kritisiert bzw. angeregt: Oberflächliche Formulierungen Wunsch nach einem strukturierten Teil für freie eigene Texte Gezieltere Fragen zum Arzt-Patient-Verhältnis Zwangsstörungen fehlen Formulierungen in der männlichen und der weiblichen Form gewünscht 20 Ziel der Befragung sollte genauer erklärt werden Es sollte die Möglichkeit geben, mehrere Diagnosen anzugeben. Fragenbogen ist zu lang und überfordernd Es sollte danach getrennt werden, ob man selbst oder der Arzt die Entscheidung trifft/getroffen hat Anmerkungen zur Versorgung psychisch erkrankter Menschen Schwerer Zugang zur richtigen Behandlung oder zu den richtigen Informationen Über einige Unterstützungsangebote erfährt man nur durch gut informierte Behandler oder aufwendige eigene Bemühungen. Allgemein- und Hausärzte sollten besser sensibilisiert werden, dann gäbe es schneller die richtige Behandlung. Psychiater müssten noch besser geschult sein; ihnen sollten z.B. die Ergebnisse der Befragung zugänglich gemacht werden. Es ist schwierig, einen Psychotherapieplatz zu finden, die Wartezeiten sind zu lang. Nach dem Ausprobieren vieler Medikamente fühlt man sich wie ein Versuchskaninchen. Praktische Ärzte verschreiben zu schnell Psychopharmaka. Während des Entscheidungsprozesses sollte man stärker unterstützt und mehr informiert werden, z.B. zu Nebenwirkungen von Medikamenten. Eigenständigkeit bei Entscheidungen Wenn man eine bipolare Störung hat, wird einem in Krisensituationen der eigene Wille entzogen. Früher wurde über die Behandlung häufig ohne die Patienten oder sogar gegen ihren Willen entschieden. Das hat sich gebessert. Erfahrung von Stigmatisierungen Menschen mit sogenannten „psychischen Erkrankungen“ sollten nicht als „Kranke“ in eine Schublade gesteckt werden. Als Mensch mit psychischer Erkrankung wird man als „Mensch zweiter Klasse“ behandelt. 21 Allgemeine Anmerkungen Bei der Vorbeugung neuer Erkrankungsepisoden geht es nicht nur um die Dosierung der Behandlungsmaßnahmen, sondern auch darum, sein soziales Umfeld richtig zu gestalten, z.B. manche Kontakte abzubrechen. Es ist hilfreich, sich über seine Erkrankung zu informieren und sie zu akzeptieren. Die medikamentöse Behandlung bei einer bipolaren Störung sollte rechtzeitig begonnen werden. Es ist wichtig, die Ursache der Erkrankung zu erkennen. Therapie- und Informationsangeboten gehen oft davon aus, dass es helfende Angehörige gibt; als alleinstehende Person ist es besonders schwer, mit der Erkrankung zurechtzukommen. 22 Angehörige Über welche Beschwerden und Behandlungserfahrungen wurde berichtet? Es nahmen hauptsächlich Angehörige von Menschen mit bipolarer Störung / Manie (45%), aber auch von Menschen mit Schizophrenie / Psychose (21%) oder Depressionen (15%) teil. Alle anderen Erkrankungen wurden von weniger als 10 Prozent der Angehörigen genannt. Als Angehörige am häufigsten betroffen sind Kinder (35%), Partnerin oder Partner (34%) und Eltern (22%). Wie häufig wurde das Internet genutzt und nach welchen Informationen wurde gesucht? Fast alle Angehörigen (91%) gaben an, das Internet (fast) täglich zu nutzen. In Abbildung 12 ist dargestellt, wie häufig die Angehörigen das Internet zur allgemeinen Suche nach Informationen über Gesundheitsthemen oder Erkrankungen nutzen. 100 90 80 70 60 50 40 32 31 30 20 21 14 10 2 0 (fast) täglich mindestens einmal pro Woche mindestens einmal im Monat seltener als einmal im Monat nie Abbildung 12: Wie häufig nutzen Sie das Internet zur allgemeinen Suche nach Informationen über Gesundheitsthemen oder Erkrankungen? (185 Angehörige; Angaben in %) 23 Auch die Angehörigen wurden gefragt, aus welchen Gründen sie sich online auf die Suche nach Informationen begaben und nach welcher Art von Informationen gesucht wurde. Als Gründe für die Suche gaben die Angehörigen besonders oft „nicht ausreichende Informationen von Arzt / Psychotherapeut“ und „allgemeine Suche nach Informationen“ an (siehe Abbildung 13). nicht ausreichende Informationen von Arzt / Psychotherapeut 33 unverständliche Informationen von Arzt / Psychotherapeut 44 13 8 7 16 13 11 nicht einverstanden mit den Informationen von Arzt oder Psychotherapeut 3 Suche wurde von Arzt / Psychotherapeut empfohlen 7 4 5 Suche nach Arzt / Psychotherapeut 10 22 66 allgemeine Suche nach Informationen 59 0 Schizophrenie / Psychose (N = 38) 58 10 20 30 40 Bipolare Störung / Manie (N = 84) 50 60 70 70 80 Depression (N = 27) Abbildung 13: Aus welchen Gründen haben Sie im Internet nach Informationen über … gesucht? (Angehörige; Angaben in %) 24 Zusätzlich wurden die Angehörigen ebenfalls gefragt, nach welcher Art von Informationen gesucht wurde. Die Ergebnisse hierzu sind in Abbildung 14 dargestellt. Allgemeine Informationen überdie Erkrankung Informationen über Behandlungsmöglichkeiten 61 59 Informationen über Heilungschancen, Risiken und Nebenwirkungen der Behandlungsmöglichkeiten 57 33 Informationen über Psychotherapeuten, Ärzte, Krankenhäuser 76 68 68 24 25 26 Informationen über Selbsthilfegruppen / Austausch mit Betroffenen / Erfahrungsberichte von Betroffenen 42 54 33 66 Informationen für Angehörige 81 52 Tipps zum Umgang mit der Erkrankung 74 70 37 0 Schizophrenie / Psychose (N = 38) 70 56 10 20 30 40 Bipolare Störung / Manie (N = 84) 50 60 70 80 90 Depression (N = 27) Abbildung 14: Nach welcher Art von Informationen haben Sie gesucht? (Angehörige; Angaben in %) 25 Welche Entscheidungen sind im Verlauf der Erkrankung wichtig? Wer soll die Behandlungsentscheidungen treffen und von wem wurden sie getroffen? Die Angehörigen wurden ebenfalls gefragt, ob aus ihrer Sicht der erkrankte Angehörige, sein Arzt oder beide die Entscheidung treffen sollten. Die Mehrheit der Angehörigen (65%) wünscht sich für ihren kranken Angehörigen eine gemeinsame Entscheidung von Arzt und Patient, nur 38 Prozent erlebten dies bei der letzten Entscheidung auch so (siehe Abbildung 15). 6 nur mein Angehöriger 15 13 17 hauptsächlich mein Angehöriger mein Angehöriger und sein Arzt bzw. Psychotherapeut 65 38 hauptsächlich der Arzt bzw. Psychotherapeut 15 22 2 nur der Arzt bzw. Psychotherapeut 8 0 Wer soll entscheiden? 10 20 30 40 50 60 70 80 Wer hat die Entscheidung getroffen? Abbildung 15: Wer soll entscheiden und wer hat die Entscheidung getroffen? (185 Angehörige) In den folgenden Abschnitten geht es darum, welche Entscheidungen im Verlauf der Erkrankung schon einmal getroffen wurden und wie schwierig diese waren. 26 Welche Entscheidungen wurden im Verlauf der Erkrankung schon einmal getroffen? In Abbildung 16 ist – geordnet nach Häufigkeit – dargestellt, von welchen Entscheidungen die Angehörigen glaubten, dass sie schon einmal getroffen wurden. Je dunkler die Farbe in der Darstellung, desto häufiger wurde die Entscheidung schon getroffen. ob sie/er Medikamente nimmt oder nicht 88 ob sie/er sich ambulant oder in einer Klinik behandeln lässt 87 ob sie/er eine Psychotherapie macht oder nicht 82 welches Medikament sie/er nimmt 78 ob sie/er ein Medikament weiternimmt oder wieder absetzt 76 ob sie/er ein anderes Medikament oder eine andere Dosis nimmt 71 ob sie/er Sport macht oder nicht 70 ob sie/er zusätzlich zur medikamentösen Behandlung eine Psychotherapie macht oder nicht 63 ob sie/er zusätzlich zu ihrer/seiner laufenden Psychotherapie Medikamente nimmt oder nicht 58 ob sie/er eine verhaltenstherapeutische, tiefenpsychologisch fundierte oder analytische Psychotherapie macht 56 ob sie/er ihre/seine laufende Psychotherapie beenden soll oder nicht 48 ob sie/er ein Selbsthilfebuch durcharbeitet oder nicht 45 ob sie/er alternativmedizinische Angebote in Anspruch nimmt oder nicht 40 ob sie/er entweder eine Psychotherapie macht oder ein Medikament nimmt 38 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Abbildung 16: Welche Entscheidungen mussten schon einmal getroffen werden (Nennungen der 185 Angehörigen; Angaben in %) 27 Ergebnisse bei einzelnen Erkrankungen Angehörige von Menschen mit verschiedenen psychischen Erkrankungen wurden ebenfalls gefragt, ob ihr/e Partner/in/ ihre Kinder oder Eltern bzw. Freund/in schon einmal die folgenden Behandlungsentscheidungen getroffen haben. Immer spielte die Entscheidung „ambulant oder Klinik“ eine wichtige Rolle (siehe Abbildung 17). ob er sich ambulant oder in einer Klinik behandeln lasse ob er zunächst eine Zeit abwartet und beobachtet, ob sein Beschwerden von selbst besser werden oder ob er gleich mit der Behandlung beginnt 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Schizophrenie / Psychose (N = 38) Bipolare Störung / Manie (N = 84) Depression (N = 27) Abbildung 17: Welche Entscheidungen bezüglich des Behandlungssettings mussten schon einmal getroffen 2 werden (Angehörige, Angaben in %) 2 Da es – laut wissenschaftlichen Erkenntnissen – bei Psychose oder bipolaren Störungen grundsätzlich ratsam ist, gleich mit der Behandlung zu beginnen, bei leichten Depressionen jedoch die Möglichkeit besteht, dass sie auch ohne Behandlung verschwinden, wurde die Option „Abwarten“ nur bei den depressiven Erkrankungen benannt. 28 Ob schon einmal Entscheidungen über medikamentöse Behandlung getroffen wurden, hängt von der Erkrankung ab: Angehörige von Menschen mit bipolarer Störung oder Psychose gaben häufiger an, dass Entscheidungen über Medikamente schon getroffen wurden als Angehöriger von Menschen mit Depressionen (siehe Abbildung 18). ob er Medikamente (Psychopharmaka) nimmt oder nicht welches Medikament (Psychopharmaka) er nimmt ob er ein anderes Medikament oder eine andere Dosis nimmt ob er ein Medikament weiternimmt oder wieder absetzt ob er zusätzlich zum Neuroleptikum ein Antidepressivum nimmt oder nicht ob er die Medikation täglich als Tablette oder als Depotmedikation (Spritze, deren Wirkung mehrere Wochen anhält) nimmt ob er ein phasenprophylaktisches Medikament (z.B. Lithium) nimmt oder nicht 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Schizophrenie / Psychose (N = 38) Bipolare Störung / Manie (N = 84) Depression (N = 27) Abbildung 18: Welche Entscheidungen bezüglich medikamentöser Behandlung mussten schon einmal getroffen werden (Angehörige, Angaben in %) 29 Entscheidungen bezüglich Psychotherapie hingegen gaben die Angehörigen von Menschen mit Psychose / Schizophrenie seltener an als die Angehörigen von Menschen mit depressiven und bipolaren Erkrankungen (siehe Abbildung 19). ob er eine Psychotherapie macht oder nicht ob er seine laufende Psychotherapie beenden soll oder nicht ob er eine verhaltenstherapeutische, tiefenpsychologisch fundierte oder analytische Psychotherapie macht 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Schizophrenie / Psychose (N = 38) Bipolare Störung / Manie (N = 84) Depression (N = 27) Abbildung 19: Welche Entscheidungen bezüglich des Psychotherapie mussten schon einmal getroffen werden (Angehörige, Angaben in %) 30 Ergebnisse zu den Entscheidungen bezüglich Kombinationsbehandlung sind in Abbildung 20 dargestellt. ob er zusätzlich zu seiner laufenden Psychotherapie Medikamente (Psychopharmaka) nimmt oder nicht ob er zusätzlich zur medikamentösen Behandlung eine Psychotherapie macht oder nicht ob er entweder eine Psychotherapie macht oder ein Medikament nimmt 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Schizophrenie / Psychose (N = 38) Bipolare Störung / Manie (N = 84) Depression (N = 27) Abbildung 20: Welche Entscheidungen bezüglich Kombinationsbehandlung mussten schon einmal getroffen werden (Angehörige, Angaben in %) 31 Bezüglich der abgefragten anderen Behandlungsalternativen wurde von Angehörigen psychisch kranker Menschen mit der Diagnose Schizophrenie, bipolare Störung und Depression „Sport ja oder nein“ als häufigste Entscheidung genannt (siehe Abbildung 21). ob er ein Selbsthilfebuch (Ratgeber) durcharbeitet oder nicht ob er alternativmedizinische Angebote (z.B. pflanzliche Medikamente, Akupunktur, Entspannungsverfahren) in Anspruch nimmt oder nicht ob er Sport macht oder nicht 0 Schizophrenie / Psychose (N = 38) 10 20 30 40 50 Bipolare Störung / Manie (N = 84) 60 70 80 90 100 Depression (N = 27) Abbildung 21: Welche Entscheidungen bezüglich anderer Behandlungsalternativen mussten schon einmal getroffen werden (Angehörige, Angaben in %) 32 Welche Behandlungsentscheidungen wurden als besonders schwierig empfunden? Im folgenden Abschnitt ist dargestellt, welche bereits getroffenen Entscheidungen als schwierig angesehen wurden. Aus der Sicht der Angehörigen war die Entscheidung, ob die Behandlung der Kranken ambulant oder in einer Klinik stattfindet besonders schwierig. Auch die Frage, ob Medikamente genommen werden sollen oder nicht bzw. abgesetzt werden sollen, wird von über der Hälfte der Angehörigen als besonders schwierig erinnert (siehe Abbildung 22). ob er sich ambulant oder in einer Klinik behandeln lasse 70 ob er Medikamente (Psychopharmaka) nimmt oder nicht 58 ob er ein Medikament weiternimmt oder wieder absetzt 57 ob er ein anderes Medikament oder eine andere Dosis nimmt 49 ob er eine Psychotherapie macht oder nicht 48 welches Medikament (Psychopharmaka) er nimmt 48 ob er eine verhaltenstherapeutische, tiefenpsychologisch fundierte oder analytische Psychotherapie macht ob er zusätzlich zur medikamentösen Behandlung eine Psychotherapie macht oder nicht ob er zusätzlich zu seiner laufenden Psychotherapie Medikamente (Psychopharmaka) nimmt oder nicht ob er seine laufende Psychotherapie beenden soll oder nicht 37 37 37 32 ob er Sport macht oder nicht 24 ob er entweder eine Psychotherapie macht oder ein Medikament nimmt ob er ein Selbsthilfebuch (Ratgeber) durcharbeitet oder nicht ob er alternativmedizinische Angebote (z.B. pflanzliche Medikamente, Akupunktur, Entspannungsverfahren) in… 0 23 20 19 10 20 30 40 50 60 70 80 Abbildung 22: Welche Behandlungen wurden als eher schwierig oder sehr schwierig empfunden? (185 Angehörige; Angaben in %) 33 Ergebnisse bei einzelnen Erkrankungen Auch für die Angehörigen sind im folgenden Abschnitt jeweils die drei schwierigsten Entscheidungen aufgelistet. Hierbei fällt auf, dass alle Untergruppen jeweils die drei gleichen Entscheidungen benennen: Angehörige von Menschen mit Psychose, bipolarer Störung oder Depressionen scheinen jeweils die Entscheidungen über das Behandlungssetting (ambulant oder Klinik) sowie die Frage nach der Medikamenteneinnahme (Medikamente ja oder nein) als die schwierigsten Entscheidungen zu erinnern. Erkrankung des Angehörigen Schizophrenie / Psychose Bipolare Störung / Manie Depressionen Die schwierigsten Entscheidungen ob sie/er Medikamente (Psychopharmaka) nimmt oder nicht (66%) ob sie/er sich ambulant oder in einer Klinik behandeln lässt (66%) ob sie/er ein Medikament weiternimmt oder wieder absetzt (55%) ob sie/er sich ambulant oder in einer Klinik behandeln lässt (79%) ob sie/er ein Medikament weiternimmt oder wieder absetzt (71%) ob sie/er Medikamente (Psychopharmaka) nimmt oder nicht (66%) ob sie/er sich ambulant oder in einer Klinik behandeln lässt (63%) ob sie/er Medikamente (Psychopharmaka) nimmt oder nicht (56%) ob sie/er ein Medikament weiternimmt oder wieder absetzt (52%) 34 Welche Entscheidungen waren noch wichtig? Um zu erfragen, welche weiteren Entscheidungen – außer den Behandlungsentscheidungen – noch wichtig sind, gab es auch die der Befragung für die Angehörigen die Möglichkeit, freie Antworten zu formulieren. Diese Entscheidungen sowie weitere Fragen und Themen, die genannt wurden, sind in der folgenden Tabelle dargestellt. Umgang mit der Erkrankung Behandlung Einbezogen werden und Selbstfürsorge Lebensumstellung und Lebensplanung Sollen andere Angehörige oder der Arbeitsgeber über die Erkrankung informiert werden? Ab wann merke ich, dass eine Krankheitsphase wieder beginnt? Was mache ich, wenn mein Angehöriger keine Krankheitseinsicht hat? Welches Krankenhaus, welcher Arzt oder Psychotherapeut ist am besten? Wäre eine andere Behandlung oder eine andere Klinik hilfreich? Soll der Arzt/Therapeut gewechselt werden? Sollen wir uns überhaupt dem Hilfesystem anvertrauen? Wie geht es nach dem Behandlungsende weiter? Muss mein Angehöriger zwangseingewiesen werden? Wie sehr kann und soll ich in die Behandlung und das Leben meines Angehörigen einbezogen werden? Was kann und muss sich tun, um mich selbst und andere Angehörige zu schützen? Wer unterstützt mich als Angehöriger? Kann ich die Belastung aushalten? Soll ich zu meinem erkrankten Angehörigen (während bestimmter Phasen) Kontakt haben? Ist eine gesetzliche Betreuung notwendig? Wie viel Selbstständigkeit und wie viel Kontrolle braucht mein Angehöriger? Welches ist die beste Wohnform (z.B. Wohnungswechsel, betreutes Wohnen)? Soll ich mich von meinem erkrankten Partner trennen? Welches ist eine geeignete berufliche Tätigkeit für meinen Angehörigen? Wie viel kann sie / er arbeiten? Soll sie /er überhaupt arbeiten? Soll er / sie sich krankschreiben lassen? Soll eine Erwerbsunfähigkeitsrente beantragt werden? Welches ist der richtige Träger für eine berufliche Wiedereingliederung? Wie sollen wir mit dem Arbeitgeber umgehen? Soll ein Schwerbehindertenausweis beantragt werden? Soll ich als Angehöriger selbst meine berufliche Tätigkeit aufgeben? Anmerkungen zur Befragung Am Schluss der Befragung gab es die Möglichkeit, noch eigene Anmerkungen zu formulieren. Diese haben wir hier zusammengefasst. Auch bei den Angehörigen richten sich manche Anmerkungen direkt an die Befragung, in manchen geht es um die Versorgungssituation oder den Umgang mit psychisch erkrankten Menschen allgemein. 35 Anmerkungen zur Befragung direkt Als positiv wurde angesehen, dass Angehörige auch in die Befragung einbezogen werden. Folgende Punkte wurden an der Befragung kritisiert: Unzureichende Informationen zu den Zielen der Befragung Einseitigkeit der Befragung, zu „medizinlastig“ Wunsch nach detaillierten Antwortmöglichkeiten (Möglichkeit „weiß nicht“ anzugeben, Möglichkeit anzugeben, dass man als Angehöriger an der Entscheidung beteiligt war) Wunsch, auch andere Erkrankungsbilder (z.B. Persönlichkeitsstörungen) direkt zu benennen Wunsch nach mehr Fragen zur Beteiligung, zu Wünschen und zur Zufriedenheit der Angehörigen Der Fragebogen eignet sich nicht für Menschen, deren erkrankte Angehörige nicht krankheitseinsichtig sind, weil dann kein Einblick in die Behandlungsentscheidungen besteht. Die Fragen nach den Behandlungsentscheidungen waren nicht sinnvoll. Anmerkungen zur Versorgung psychisch erkrankter Menschen Angehörige (z.B. Kinder) sollen mehr einbezogen / berücksichtigt werden. Weder die therapeutische noch die medikamentöse Behandlung hilft. Ärzte sollen selbst besser informiert sein und die Erkrankung besser erklären. Insgesamt werden Menschen ohne Krankheitseinsicht bei der psychiatrischen Versorgung zu wenig berücksichtigt. Die Bedürfnisse von Angehörigen werden zu wenig berücksichtigt (z.B. zu wenig Ratgeber, zu wenig Beteiligung bei der Behandlung). Allgemeine Anmerkungen Hilflosigkeit als Angehöriger Kontakte zu anderen Betroffenen (z.B. Selbsthilfegruppen) sind wichtig 36