Ballhaus Naunynstraße Sag mal, dass wir nicht zu Hause sind Sag mal, dass wir nicht zu Hause sind von Rashid Novaire Uraufführung 11.12.2013, 20 Uhr 12.-14.12.2013, 20 Uhr Ich bin Teil deiner Familie. Wenn du eine Endlösung willst, musst du erst deine eigene Familie vergasen. Eigentlich hätte Aydın Bayad allen Grund, sich zu freuen. Hat doch ein Verleger ausgerechnet ihm, dem noch unbekannten Nachwuchsautor, die allerletzte Subvention angeboten, um über seine Herkunft zu schreiben. Da muss sein geplanter Roman über die letzten Scherenschleifer auf Grönland eben noch warten. Widerstrebend lässt Aydın sich auf die unterschiedlichen Fäden ein, die in die Vergangenheit seiner Familie gesponnen werden können. Zwischen Berliner Altersheim, kurdischer Bergluft und vergilbten Familienfotos stößt er auf ungeahnt Erzählenswertes. Ausgerechnet unter den ganz hinten im Schrank verstauten Stapeln der ehemals weißesten Wäsche von Brandenburg: Ist es wahr, dass seine deutsche Großmutter vom Führer persönlich das Mutterkreuz bekommen hat für die vielen Kinder, die sie dem Vaterland schenkte? Und was würde er eigentlich sagen, wenn er seiner kurdischen Großmutter gegenüberstünde, die sich weigerte, seinen Vater zu stillen? Regie: Bêrîvan Kaya Bühne/Kostüm: Peter Schultze Musik: Elyas Khan Dramaturgie: Nora Haakh, Dramaturgieassistenz: Philipp Khabo Koepsell Mit: Vernesa Berbo, İsmail Deniz, Ferhat Keskin Ich schaue in Gedanken, wie diese Familiengeschichten wegwirbeln und dann hoffe ich, dass sie hinausgehen, hinauf aufs offene Meer. Ich hoffe, dass es unter Wasser ein Orchester gibt, das in der Lage ist, sie so zu lesen, dass die Musik, die dann erklingt, so stark und vielleicht auch schön ist, dass sie gehört werden wird. Aydın Bayad klopft an eine Tür in die 30er Jahre. In Zusammenarbeit mit der ostpreussisch-kurdischen Regisseurin Bêrîvan Kaya hat der niederländische Autor Rashid Novaire seinen Roman Afkomst (Herkunft) für die Bühne adaptiert. Damit setzen Bêrîvan Kaya und Rashid Novaire ihre langjährige Zusammenarbeit in einer grotesken Geschichts-Science Fiction fort, die starke autobiographische Züge von beiden Künstlern trägt. Eine längst überfällige Gegenwartsbewältigung als aberwitzige Zeitreise voller Poesie, die die deutsche Exklusivität der Teilhabe an der kollektiven Erinnerung hierzulande radikal in Frage stellt. Ballhaus Naunynstraße Naunynstraße 27, 10997 Berlin Online-Tickets: www.ballhausnaunynstrasse.de Reservierungen (030) 75453725 Preis: 14 €/ermäßgt 8 Verena Schimpf: [email protected] Eine Produktion von Kultursprünge im Ballhaus Naunynstraße gemeinnützige GmbH, gefördert durch die Interkulturelle Projektförderung des Landes Berlin und die Maria-Wimmer-Stiftung. Mit freundlicher Unterstützung der Botschaft des Königreichs der Niederlande und des Niederländischen Literaturfonds. 030 - 3474598-44 Ballhaus Naunynstraße Sag mal, dass wir nicht zu Hause sind Rashid Novaire veröffentlichte mit 19 seine erste Kurzgeschichtensammlung Reiher in Kairo, die sich laut Presseberichten liest „wie eine Reise um die Welt und in den eigenen Schädel zugleich“. Kurz danach war er Staatsgast im Internationalen Künstlerhaus „Villa Concordia“ in Bamberg. Diese Reisen haben ihm seitdem vier Romane, Musiktheaterstücke und Nominierungen für zahlreiche prestigereiche Preise eingebracht. Erst nach seinem fiktiven Porträt der chinesischen Chang-Dynastie (11. Jh.v.Chr.) und dem Amsterdam des 19. Jahrhundert durch die Augen eines umherziehenden transsexuellen Jungen machte sich Rashid Novaire auf die Suche nach einer autobiographischen Geschichte. Durch eine Begegnung mit der Regisseurin und Schauspielerin Bêrîvan Kaya auf einer Tournee mit europäischen Schriftstellern wurde ihm der Wert seiner familiären Wurzeln bewusst sowie der Umstand, dass man als "fremd" behandelt wird, und dabei doch die großen Fragen jüngster europäischer Geschichte innerhalb der eigenen Familie teilt: mit seiner Großmutter aus Bottrop, die in der undurchsichtigen Vergangenheit schwelgte, an der ihre Brüder aktiv beteiligt gewesen waren. Oder mit seinem marokkanischen Vater, der früher als Schauspieler in "Nathan der Weise" auf der Bühne stand und kaum erklären konnte, wie seine arabische Jugend ausgesehen hatte. Oder all die Male, wo er denken musste, „Sag mal, dass wir nicht zuhause sind“. Bêrîvan Kaya studierte Tanz in München und Rio de Janeiro, hospitierte u.a. bei Ariane Mnouchkine in Paris und absolvierte dann ihre Schauspielausbildung an der staatlichen Hochschule für Musik und Theater Hannover. Neben zahlreichen Auftritten in Film und Fernsehen (im Kino zuletzt u.a. in "Almanya – Willkommen in Deutschland", 2009) und im Theater (Arbeit u.a.mit Christoph Schlingensief, Volksbühne Berlin und Dieter Dorn, Münchner Kammerspiele) ist Berivan Kaya auch als Musikerin und aktiv, u.a. mit ihrer Band Absolut schön und kleinkariert. Seit rund 10 Jahren inszeniert sie auch selbst. Die Projekte der ostpreussisch-kurdischen Schauspielerin/Sängerin/Regisseurin beschäftigen sich mit Reibungspunkten, Grenzgängen, Zwischenräumen, in denen Welten aufeinander prallen. Sie inszenierte u.a. Das ungeschriebene Buch der Kurden (2003, Roter Salon der Volksbühne, Berlin) und Weh mir, wo soll ich wohnen, wo soll ich bleiben beim Internationalen Literaturfestival Berlin 2007. Seit Gegenreise-Returning (2009, Bayerisches Staatsschauspiel, München) und Hikiko Mori Goes Utopia (2010, Bayerisches Staatsschauspiel, München) arbeitet sie intensiv mit dem Schriftsteller und Performer Rashid Novaire zusammen. Verena Schimpf: [email protected] 030 - 3474598-44