01 Corporate Social Responsibility – Ein Weg zu mehr gesellschaftlicher und ökologischer Verantwortung von Unternehmen? BAU Steine Arbeit und Umwelt - 01 BAU Steine Arbeit und Umwelt – 01 Der Autor Fritz Heil M.A., Jahrgang 1980, studierte Politikwissenschaft und Romanistik in Frankfurt/ Main und Bordeaux. Nach einem einjährigen Studienaufenthalt in Brüssel ist er seit 2006 Beauftragter für den internationalen sozialen Dialog der Stiftung Soziale Gesellschaft – Nachhaltige Entwicklung. Impressum Herausgeber: Stiftung Soziale Gesellschaft – Nachhaltige Entwicklung Luisenstraße 38 10117 Berlin [email protected] www.stiftung-soziale-gesellschaft.de © 2006 Alle Rechte vorbehalten V.i.S.d.P. Holger Bartels Redaktion: Holger Bartels, Christine Hofmann Gestaltung: Plural Kilian Krug ׀www.pluralnet.de 3 BAU Steine Arbeit und Umwelt - 01 4 BAU Steine Arbeit und Umwelt – 01 Vorwort Nachhaltig handeln – unsere Gesellschaft zukunftsfähig gestalten. Nachhaltige Entwicklung ist in aller Munde. Trotzdem bleibt immer noch Vielen die Idee fremd, weil sie zu abstrakt ist. Politikern, Wissenschaftlern und anderen in der Gesellschaft ist es bisher zu wenig gelungen, wirklich begreiflich zu machen, was nachhaltiges Handeln bedeutet. Die Stiftung Soziale Gesellschaft Nachhaltige Entwicklung hat sich zum Ziel gesetzt, die Idee der Nachhaltigen Entwicklung mit Leben zu füllen. Als Stiftung der Industriegewerkschaft Bauen–Agrar-Umwelt (IG BAU) beschäftigen wir uns insbesondere mit sozialer Nachhaltigkeit. Mit der Reihe BAU-Steine Arbeit und Umwelt wollen wir an konkreten Beispielen zeigen, wie Fragen nachhaltiger Entwicklung das Leben jedes Einzelnen betreffen. Die Beiträge sollen die Diskussion sowohl innerhalb der Gewerkschaft anregen, als auch andere Akteure aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zum Dialog auffordern. Primäres Ziel ist, die Debatte um soziale Nachhaltigkeit und die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft mit neuen Anstößen zu bereichern - und nicht politische Positionen zu zementieren. Die Stiftung freut sich, vor allem junge Autorinnen und Autoren für die Reihe zu gewinnen. Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Holger Bartels Geschäftsführer der Stiftung Soziale Gesellschaft Nachhaltige Entwicklung 5 BAU Steine Arbeit und Umwelt - 01 Corporate Social Responsibility (CSR): Ein Weg zu mehr gesellschaftlicher und ökologischer Verantwortung von Unternehmen? Globalisierung erfordert Nachdenken über neue Instrumente zur Durchsetzung gewerkschaftlicher Interessen/ Freiwilliger Ansatz von CSR steht zur Debatte/ EU-Kommissar Verheugen präsentiert Kommunikation zu Corporate Social Responsibility (CSR)/ Geteiltes Echo, Gewerkschaften bleiben skeptisch 1. Warum CSR? Die Globalisierung der Märkte, das heißt der grenzüberschreitende Warenaustausch, international agierende Unternehmen, die Dominanz wirtschaftsliberalen Denkens in der politischen Diskussion, all das fordert die Gewerkschaften: Es ist ein Nachdenken über neue Ansätze nötig, um auch in Zukunft eigene Interessen erfolgreich durchsetzen zu können. Corporate Social Responsibility, also sozial verantwortliches Handeln von Unternehmen, stellt eine Möglichkeit dar. Gewerkschaften müssen Stellung beziehen: Von Unternehmerseite aber auch von Seiten i der Politik (z.B. Mitteilung der Europäischen Kommission zu CSR von März 2006) werden Gewerkschaften mit Corporate Social Responsibility konfrontiert. Die Idee von Corporate Social Responsibility: Das Konzept soll aufzeigen wie Unternehmen über staatliche Vorgaben hinaus - freiwillig dazu gebracht werden soziale und ökologische Belange in ihre Unternehmenstätigkeit zu integrieren. Die Globalisierung lässt nicht nur Märkte wachsen, sondern auch die Verantwortung der Wirtschaft für die Umwelt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Unternehmen sehen sich zunehmend kritischen Verbrauchern gegenüber. Kann das Unternehmen nachweisen, dass Produkte nicht aus Kinderhand gefertigt sind? Werden die Mitarbeiter im Ausland und die von internationalen Zulieferbetrieben anständig bezahlt und arbeiten sie zu vernünftigen Arbeitszeiten? Haben sie das Recht sich zu organisieren und ihre Interessen zu vertreten? Achtet das Unternehmen darauf, dass es im Ausland die Luft nicht verpestet auch wenn dortige Gesetze keine Grenzwerte vorschreiben? Setzt das Unternehmen Technologien ein, die sorgsam mit den natürlichen Ressourcen umgehen? Wird versucht Energieverbrauch und den Ausstoß von Treibhausgasen zu verhindern, um die Erwärmung des Klimas zu vermeiden? Ein gutes Image macht sich nicht alleine an der Umsatzrendite, sondern auch am Einsatz für die Gesellschaft, der Wahrung der Mitarbeiterinteressen und nachhaltigen und ökologischen Produktionsstandards fest. Nachhaltiges Wirtschaften wird auch von der Börse quittiert. Denn „Nachhaltigkeitsfonds“ investieren die Anlagen ihrer Kunden nur in Unternehmen, die Kriterien wie die Einhaltung von Mitarbeiterinteressen und Ressourcen schonende Produktionsstandards einhalten. Zwar 6 BAU Steine Arbeit und Umwelt – 01 bedienen Nachhaltigkeitsfonds bisher nur einen Nischenmarkt; sie gelangen jedoch seit Jahren zu einer immer höheren Bedeutung. Sozial-ökologische Fragen stehen somit im direkten wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens. 2. Was genau ist eigentlich CSR? Corporate Social Responsibility wird ins Deutsche meist mit sozialer und ökologischer Verantwortung von Unternehmen übersetzt. Was darunter genau zu verstehen ist, welche Normen und Regeln sich für Unternehmen daraus ableiten, bildet den Kern der Diskussion um CSR. Die EU-Kommission definiert CSR als „ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit ii iii und in ihre Wechselbeziehung mit den Stakeholdern zu integrieren.“ Corporate Social Responsibility steht dabei als Kurzbegriff für eine Unternehmensstrategie, die auf eine nachhaltige, langfristig orientierte Unternehmensentwicklung abstellt und ökonomische, soziale und ökologische Ziele auf einander abgestimmt verfolgt. Staatliche Vorgaben haben dabei allenfalls einen flankierenden Charakter. Im Zusammenhang mit CSR werden verstärkt Instrumente wie internationale Leitlinien, Verhaltenskodizes, Nachhaltigkeitsberichte, Gütesiegel oder „Internationale Rahmenvereinbarungen“ zwischen Unternehmen und Stakeholdern eingesetzt. Beispiele für CSR-Instrumente Eine Vielzahl von Initiativen fördert auf internationaler Ebene unterschiedliche Aspekte der iv CSR-Diskussion. Der UN Global Compact der Vereinten Nationen verpflichtet die teilnehmenden Unternehmen auf die weltweite Befolgung von Sozial- und Umweltstandards. Er wurde vom UNO Generalsekretär Kofi Annan ins Leben gerufen und umfasst in der Zwischenzeit 3500 große, weltweit tätige Unternehmen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und v Entwicklung (OECD) mit ihren Leitsätzen für international agierende Unternehmen . Sie enthalten umfangreiche Prinzipien, die sich auf alle Bereiche unternehmerischen Handelns beziehen und schließen die Offenlegung von Informationen, die Gestaltung von Arbeitsbeziehungen, Umweltschutz, Korruptionsbekämpfung, Verbraucherinteressen, Wissenschaft und Technologie sowie Wettbewerbs- und Steuerfragen ein. Die OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen beziehen sich auf wichtige internationale Verpflichtungen wie die Menschenrechte und die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation. Im Gegensatz zum Global Compact, der keinen Kontrollmechanismus vorsieht, besitzen sie einen Umsetzungs- und Beschwerdemechanismus, der über nationale Kontaktstellen in allen OECD-Ländern, das heißt allen Industrieländern, gewährleistet wird. Viele, vor allem große Unternehmen, sind dazu übergegangen jährlich „Nachhaltigkeitsbevi richte“ zu veröffentlichen, in denen sie ihre Aktivitäten und Bilanzen im Bereich Umwelt und Soziales darstellen. In der Baubranche hat HOCHTIEF den umfassendsten Bericht. 7 BAU Steine Arbeit und Umwelt - 01 vii Die Global Reporting Initiative ist ein globales Forum, das Unternehmen Gewerkschaften und gesellschaftliche Vertreter zusammenbringt, die Richtlinien für Sozial- und Umweltberichterstattung erarbeiten, an denen sich die Unternehmen orientieren können. Internationale Rahmenvereinbarungen werden zwischen transnationalen Firmen und Gewerkschaften auf globaler Ebene mit dem Ziel ausgehandelt die Rechte von Arbeitnehmer in jeder Unternehmensniederlassung weltweit sicherzustellen. Normalerweise orientieren sich die Vereinbarungen an den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation. Eine solche Vereinbarung existiert zum Beispiel zwischen der Bau- und Holzarbeiter Internaviii tionalen (BHI) und IKEA (Schweden). 3. CSR aber wie? Corporate Social Responsibility an sich sowie seine Ausgestaltung erregt innerhalb der Gewerkschaft wie auch zwischen den politischen Lagern lebhafte Diskussion. 3.1 CSR und Gewerkschaften Zentrale Frage innerhalb der Gewerkschaften ist, ob CSR überhaupt ein sinnvolles Instrument sein kann, um die soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen zu stärix ken. Gewerkschaftsvertreter äußern die Befürchtung, dass CSR „elitär“ und „etwas für Experten“ sowie mehr ein „Diskussionsthema zwischen Unternehmen als zwischen Gewerkschaften“ x sei. Dabei ergeben sich Anknüpfungspunkte für Arbeitnehmervertretungen und für Gewerkxi schaften : • Bei der Definition von sozialen und ökologischen Unternehmenszielen. • Bei der Einführung von CSR-Managementsystemen. • Bei der Einführung von Umwelt- und Sozialberichten, vor allem bei der Frage welche Inhalte abgebildet werden sollen. • Bei der Einführung von Verhaltenkodizes. • Bei der Organisation von Stakeholderdialogen und der Frage welche Vertreter teilnehmen sollen. Ein Beispiel für die Beteiligung von Gewerkschaften an CSR Prozessen ist das von der IG xii BAU unterstützte Gütesiegel „XertifiX“ für Grabsteine und Steinimporte aus Indien Es gibt Unternehmen die Möglichkeit nachzuweisen, dass die in Deutschland vertriebenen Importe nicht aus Steinbrüchen stammen, in denen Kinder arbeiten. Im März 2000 unterschrieb die IG BAU und die Internationale Gewerkschaft für Bau- und xiii Holzarbeiter eine Internationale Rahmenvereinbarung mit HOCHTIEF. HOCHTIEF verpflichtet sich zu einem Verhaltenskodex, der auf den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation beruht. Auch Subunternehmen müssen sich dazu bekennen. Die Arbeit- 8 BAU Steine Arbeit und Umwelt – 01 nehmervertreter wirken bei der Überwachung der Kodizes mit und werden bei Verstößen gegen diese informiert. 3.2 CSR in der politischen Diskussion Geht es innerhalb der Gewerkschaften um die Frage, ob CSR überhaupt ein Mittel zur Stärkung von unternehmerischer Verantwortung ist, so streitet man sich auf politischer Ebene zwischen den verschiedenen Lagern um die konkrete Ausgestaltung. Die Vielzahl an Positionen wurde in der Diskussion um die neue Mitteilung der Europäixiv schen Kommission vom März 2006 zu CSR deutlich. Da CSR ein „nicht geschütztes Gütesiegel“ ist befürchtet man von Seiten der Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen, dass sich Unternehmen mit CSR schmücken, weil sie lokale Vereine unterstützen oder Wohltätigkeitsspenden machen, ihre Geschäftspraxis jedoch nicht grundsätzlich ändern. Auf Unternehmensseite wird versucht, CSR-Politik nicht zu einem Einfallstor für neue Regulierung im Sozial- und Umweltbereich zu machen. Die neue Mitteilung der Kommission enttäuscht die Gewerkschaften, da sie als wichtigste konkrete Maßnahme die Einrichtung eines „Europäischen Bündnis für die soziale Verantwortung von Unternehmen“ vorsieht und damit weiterhin keine festen Kriterien für CSRPraktiken festlegt. Günther Verheugen hierzu: CSR solle ein allgemeines Klima schaffen, „in dem Unternehmer nicht nur geachtet werden, weil sie gute Gewinne erzielen, sondern weil sie einen fairen Beixv trag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme leisten“, so Günther Verheugen. Zwar gibt die Kommission zu, dass „CSR-Praktiken kein Allheilmittel“ und „kein Ersatz für politische Maßnahmen“ seien. Sie macht sich jedoch eindeutig für den freiwilligen Ansatz stark. „Da es bei CSR im Wesentlichen um ein freiwilliges Tätigwerden der Unternehmen geht, könnte sich ein Konzept, das zusätzliche Verpflichtungen und administrative Anforderungen an die Unternehmen beinhaltet, als kontraproduktiv erweisen.“ Der Europäische Gewerkschaftsbund warnt vor einem „einseitigen, unausgewogenen Anxvi satz der vor allem den Standpunkt eines Akteurs: der Unternehmen“ berücksichtige. Obwohl der Europäische Gewerkschaftsbund den freiwilligen Ansatz von CSR anerkennt, wird betont, „dass es unerlässlich ist auf europäischer Ebene Richtlinien zu CSR festzusetxvii zen“. Zu den Forderungen gehören : • Firmen sollten verpflichtet werden jährlich einen Unternehmensbericht zu den sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer Aktivitäten zu veröffentlichen. • Standards und Labels aller Art zu sozialer und ökologischer Unternehmensführung sollen gefördert werden. Dazu gehört die Zertifizierung von Endprodukten, wie auch Transparenz und Qualität während des Produktionsprozesses • Die Vergabe von EU-Geldern und Aufträge von der EU sollen an CSR-Kriterien gebunden sein. Nur Firmen, die soziale und ökologische Verantwortung übernehmen sollen öffentliche Aufträge erhalten. 9 BAU Steine Arbeit und Umwelt - 01 • Verhaltenskodizes, Labels und ähnliche Normen für Unternehmen sollen in Zusammenarbeit mit Gewerkschaft und Nichtregierungsorganisationen erarbeitet werden. • Instrumente oder Zertifizierungsagenturen sollen geschaffen werden, die unabhängig CSR-Praktiken von Unternehmen auf ihren wahren Gehalt und ihre Repräsentativität überprüfen. Thomas Mann, CDU-Abgeordneter im Europäischen Parlament und Vize-Vorsitzender des Sozialausschusses findet, dass man bei CSR beim Prinzip der Freiwilligkeit bleiben solle. Es sei „völlig utopisch“ zu glauben, dass man durch gesetzliche Verordnungen Unternehmen dazu bringen könne Sozial- und Umweltstandards einzuhalten. „Unternehmen sind gar nicht auf Europa angewiesen“ vielleicht auf die Kaufkraft aber nicht auf Europa als Produktionsstandort. Die Antwort von Unternehmen auf mehr gesetzliche Verordnung ist „wir gehen weg“. CSR, das heißt unternehmerische Verantwortung, „hat es immer schon gegeben“. Die europäische CSR-Politik hat jetzt jedoch die Möglichkeit geschaffen, dass sich Unternehmen öffentlich zu ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung verpflichten können. Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament vertreten eine andere Position. Generell sollte man sich fragen, welche Relevanz das Thema CSR in der Sozialpolitik hat. Bernhard Rapkay, der Sprecher der Sozialdemokraten und langjähriges IG Bauen-AgrarUmwelt Mitglied, hat nichts gegen CSR. Den Ansatz allerdings, alleine über freiwillige Instrumente zu mehr Unternehmensverantwortung zu kommen, hält er für falsch. „Wir brauchen sozialpolitische Regulierung, z. B. Arbeitsschutzregeln, Mitbestimmung und die europäischen Betriebsräte.“ Seine Erfahrung sagt ihm: „Ohne Regulierung kommen wir nicht weiter.“ Das Argument von Thomas Mann, dass Unternehmen Europa schnell verlassen werden, wenn man ihnen Regulierung aufzwingt hält er für ein „Totschlagargument“. Unternehmen sind intelligenter als man denke und gehen in Regionen „in denen die Verwertungsbedingungen stimmen“. Rapkay fragt sich, wo man beispielsweise im Umweltschutz wäre, „wenn man nur auf freiwillige Selbstverpflichtung gesetzt hätte.“ Nichtregierungsorganisationen und Verbraucherverbände wandten sich 2004 in einem ofxviii fenen Brief an die Europäische Kommission. Dort unterstrichen sie, dass CSR nur unter folgenden Bedingungen ein glaubhaftes Instrument sein kann: • CSR muss auf international anerkannten Standards und Prinzipien basieren. • CSR bezieht alle Interessensgruppen im frühen Stadium der Entwicklung von CSRStrategien ein. • Es gibt eine unabhängige Begleitung und Überwachung von CSR-Praktiken. 10 BAU Steine Arbeit und Umwelt – 01 3.3 CSR-Politik in Europa Die neue Mitteilung der Kommission ist das Ergebnis von fünf Jahren CSR-Politik in Europa. Im Juli 2001 legte die Europäische Kommission ein Grünbuch mit dem Titel “Europäische xix Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen” vor. Mit diesem hatte die Europäische Kommission einen Politik- und Konsultationsprozess zu einer europaweiten CSR-Strategie eingeleitet. xx Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte 2001 in seiner Stellungnahme das Grünbuch als einen wichtigen „Anstoß auf europäischer Ebene zum Thema soziale Verantwortlichkeit von Unternehmen.“ Er machte jedoch schon damals seine Skepsis gegenüber dem freiwilligen Ansatz deutlich: „Der DGB erachtet dies als unzureichend.“ Das Ergebnis des Beratungsprozesses zum Grünbuch war die erste Mitteilung der Kommissixxi on aus dem Jahre 2002 . Im Gegensatz zur neuen Mitteilung von 2006 spricht die erste Kommissionsmitteilung sehr konkret von schon existierenden Rahmenwerken zur unternehmerischen Verantwortung. Hierzu zählen die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und die Leitlinien der OECD für multinationale Unternehmen. Im Lichte der Kontroversen wurde die Veröffentlichung der zweiten Mitteilung immer wieder verschoben. Dies ist ein Indiz für kommissionsinterne Unstimmigkeiten. Insbesondere stehen sich die eher wirtschaftliberal orientierte Generaldirektion Unternehmen und Industrie den Generaldirektionen Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit und Umwelt gegenüber. Die primäre Verantwortung für eine europäische CSR-Politik ist erst kürzlich von der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit zur Generaldirektion Unternehmen und Industrie gewechselt. 4. CSR aus Gewerkschaftssicht: 5 politische Forderungen • Corporate Social Responsibility ist kein Ersatz für sozialpolitische Regulierung. CSR stellt eine Ergänzung zu bestehenden gesetzlichen Regelungen dar. Priorität in gewerkschaftlicher Arbeit haben weiterhin die Stärkung der Arbeitnehmerrechte und die Verbesserung der sozialen Bedingungen durch gesetzliche Regulierung. • CSR-Praktiken müssen an verbindliche Normen gebunden sein. Nicht jede soziale Praxis von Unternehmen ist gleichzusetzen mit Corporate Social Responsibility. CSR kann nur dann ein sinnvolles Instrument sein, wenn Unternehmen im Kerngeschäft ihr Verhalten an sozialen und ökologischen Standards orientieren. Internationale Normen wie die UN-Menschenrechtscharta und die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation müssen verbindliche Grundlage für weltweit agierende Unternehmen werden. Sie müssen auch für Zulieferer und Subunternehmen gelten. • Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter spielen eine zentrale Rolle bei der Ausgestaltung und der Kontrolle von CSR. 11 BAU Steine Arbeit und Umwelt - 01 Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter sind die kompetentesten Ansprechpartner wenn es um Verantwortung von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft und den eigenen Mitarbeitern geht. Sie sind deshalb in der Ausformulierung von unternehmerischen CSR-Strategien wie bei ihrer Kontrolle aktiv mit einzubeziehen. Dafür ist die Transparenz der CSR-Politik des Unternehmens oberstes Gebot. Gewerkschaften sind auch für Regierungen und die europäische Kommission erster Ansprechpartner, wenn es um CSR und die soziale Verantwortung von Unternehmen geht. • Gewerkschaften setzen sich aktiv für mehr unternehmerische Verantwortung ein Dort wo CSR nicht in Konkurrenz zu sozialpolitischer Regulierung steht arbeiten Gewerkschaften aktiv an der Ausgestaltung von CSR-Instrumenten mit. Dies betrifft die Erarbeitung von Leitlinien für die soziale Verantwortung von Unternehmen, die Einführung von Internationalen Rahmenvereinbarung mit Unternehmen, die Erarbeitung von Standards zu Produkt- und Produktionszertifizierung, etc. • Unternehmen, die deutsche Bundesregierung und die europäische Kommission werden aufgefordert, verbindliche Standards für CSR zu erarbeiten Die neue Mitteilung der europäischen Kommission ist ein Rückfall hinter bisher erreichtes. Die folgenden politischen Schritte müssen deshalb darauf hinwirken, dass verbindliche und einheitliche Kriterien für CSR-Praktiken formuliert werden. Diese sollen durch unabhängige Instanzen überprüft werden können. 5. Bibliographie Beaujolin, F. (2004): European Trade Unions and Corporate Social Responsibility. 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(2004): European Trade Unions and Corporate Social Responsibility. Final Report by the European Trade Union Confederation (ETUC), http://www.etuc.org/IMG/doc/CSRCESfinal3_EN1.doc x Verschieden Statements zu CSR in Beaujolin 2004: 13 xi Hauser-Ditz, A./ Wilke, P. (2005): Diskussionspapier Corporate Social Responsibility – Soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen. Eine Betriebsrätebefragung zu den Handlungsfeldern für Arbeitnehmervertretungen, Hamburg xii http://www.xertifix.de/ xiii http://www.ifbww.org/index.cfm?n=194&l=2&on=7 xiv Europäische Kommission (2006): Umsetzung der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung: Europa soll auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend werden, KOM(2006)136 endgültig, http://europa.eu.int/eurlex/lex/LexUriServ/site/de/com/2006/com2006_0136de01.pdf xv Europäische Kommission (2006): „Europäisches Bündnis für die soziale Verantwortung von Unternehmen“ wird ins Leben gerufen, IP/ 06/ 358 http://www.europa.eu.int/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/06/358&format=HTML& aged=0&language=DE&guiLanguage=en xvi European Trade Union Confederation, 2006: Corporate Social responsibility and European trade union: danger of rift, press release 14/03/2006, http://www.etuc.org/a/2190 xvii Vgl. European Trade Union Confederation, 2006: Corporate Social responsibility and European trade union: danger of rift, press release 14/03/2006, http://www.etuc.org/a/2190 14 BAU Steine Arbeit und Umwelt - 01 xviii Parent, A-.S. (Vorsitzende der “Sozialen Plattform“) u.a. (2004): NGOs call on Commission and Council to shift gears after Multi-Stakeholder Forum: European CSR process must move from dialogue to action, http://www.foeeurope.org/corporates/ NGO%20CSR%20open% 20letter%20290604.pdf xix Europäische Kommission (2001): Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen, KOM (2001) 366 endgültig, http://europa.eu.int/eurlex/de/com/gpr/2001/com2001_0366de01.pdf xx Deutscher Gewerkschaftsbund (2001): DGB-Stellungnahme zum Grünbuch der Europäischen Kommission „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“, KOM (2001) 366 endg., http://europa.eu.int/comm/employment_social/socdial/csr/pdf/082-SPTUNAT_DGB_DE_011231_de.pdf xxi Europäische Kommission (2002): Mitteilung der Kommission betreffend die soziale Verantwortung der Unternehmen: ein Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung, KOM (2002) 347 endgültig, http://europa.eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/site/de/com/2002/com2002_0347de01.pdf 15