Interessengruppen und Interessendurchsetzung in der Umweltpolitik Freie wissenschaftliche Arbeit an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam eingereicht von Denise Heger Neuendorfer Str. 27 14770 Brandenburg Brandenburg, den 31.12.2005 Inhaltsverzeichnis Seite 1 Einleitung ....................................................................................................................1 2 Umweltpolitik im Allgemeinen...................................................................................1 3 4 2.1 Prinzipien ...........................................................................................................2 2.2 Instrumente.........................................................................................................2 2.3 Rolle des Staates ................................................................................................4 Rolle der Interessengruppen........................................................................................5 3.1 Strukturmerkmale...............................................................................................6 3.2 Olsons Theorie des kollektiven Handelns..........................................................7 Interessengruppen der Umweltpolitik im Speziellen ..................................................8 4.1 Umweltschützer .................................................................................................8 4.2 Management in der Emittenten- und Pro-Umweltschutzindustrie...................10 4.3 Beschäftigte in der Emittenten- und Pro-Umweltschutzindustrie....................12 4.4 Konsumenten ...................................................................................................13 5 Zusammenfassung und Ausblick ..............................................................................14 6 Literaturverzeichnis ..................................................................................................16 1 Einleitung Das Thema Umweltpolitik hat in den letzten Jahren aufgrund der zunehmenden Beeinträchtigung unserer natürlichen Umwelt und der wachsenden öffentlichen Wahrnehmung von Umweltproblemen immer mehr an Bedeutung gewonnen. Umweltkatastrophen wie Hochwasser, Hurrikans und Flutwellen sind nur einige der prominentesten Themen in der Öffentlichkeit und in den Massenmedien gewesen. Hinzu kommen viele Einzeldebatten über Sinn und Unsinn umweltpolitischer Maßnahmen und Engagements, wie etwa im Klimaschutz und in der Energiepolitik. An Themen und Aufgaben mangelt es der Umweltpolitik nicht. Dabei prallen jedoch die Interessen und Ansprüche unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen aufeinander, wobei es der Politik zufällt, einen Kompromiss zu finden. Ziel dieser Seminararbeit ist es, die einzelnen Interessengruppen der Umweltpolitik vorzustellen und die Möglichkeit der Durchsetzung ihrer Interessen zu beleuchten. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Nach diesem einleitenden Abschnitt werde ich kurz auf den zentralen Begriff der Umweltpolitik im Allgemeinen eingehen, die wichtigsten Prinzipien und Instrumente vorstellen sowie die Rolle des Staates. In Kapitel 3 werde ich mich mit den Interessengruppen im Allgemeinen unter Einbezug ihrer Strukturmerkmale und Olsons Theorie des kollektiven Handelns auseinandersetzen. Im Anschluss beschäftigt sich Kapitel 4 ausführlich mit den eigentlichen Interessengruppen der Umweltpolitik. Kapitel 5 fasst die wesentlichen Erkenntnisse zusammen und gibt einen Ausblick. 2 Umweltpolitik im Allgemeinen In der Literatur finden sich verschiedene Definitionen für den Begriff der Umweltpolitik. Olsson/Piekenbrock (1998, S. 326) verstehen darunter „...die Gesamtheit der Maßnahmen, die notwendig sind, die natürlichen Lebensgrundlagen und Ressourcen auch für die nachfolgenden Generationen zu erhalten und zu verbessern.“ Die Maßnahmen zur Sicherung und Erhaltung der elementaren Lebensgrundlagen werden bei Olsson/Piekenbrock beschrieben mit der Verbesserung der 1 Umweltqualität, der Verringerung der Umweltbelastungen und/oder der Schonung der natürlichen Umwelt und der natürlichen Ressourcen (vgl. ebd., S. 326). 2.1 Prinzipien Politik bedarf immer gewisser Orientierungen, anhand derer sie ihre Aktivitäten ausrichtet. Im Bereich der Umweltpolitik lassen sich die Folgenden als weitgehend akzeptiert hervorheben (vgl. Pätzold/Mussel 1996, S. 51): • Verursacherprinzip • Gemeinlastprinzip • Kooperationsprinzip • Vorsorgeprinzip Das Verursacherprinzip besagt, dass der Verursacher einer Umweltbelastung auch die Kosten der Beseitigung bzw. Vermeidung tragen soll (vgl. Pätzold/Mussel 1996, S. 51). In der Realität gilt aber noch in starkem Maße das Gemeinlastprinzip, nach dem die Gemeinschaft bzw. Allgemeinheit für (Umwelt-)Schäden aufkommt, die u.U. nicht (mehr) zurechenbar oder nur durch wenige Personen Verursacht wurden (vgl. Pätzold/Mussel 1996, S. 53). Das Kooperationsprinzip besagt, dass unter Einbezug wichtiger gesellschaftlicher Gruppen auf eine möglichst einvernehmliche Verwirklichung umweltpolitischer Ziele hingearbeitet werden soll. Nur so ist eine wirksame Umsetzung umweltpolitischer Maßnahmen zu erwarten. (vgl. Holzinger 1998, S. 2 f.) Nach dem Vorsorgeprinzip sollen Umweltschäden jedoch gar nicht entstehen, d.h. präventive umweltpolitische Maßnahmen und vorausschauendes Handels sollen potenzielle Umweltgefahren vermeiden (vgl. Pätzold/Mussel 1996, S. 53 f.). 2.2 Instrumente Zur Durchsetzung einer effektiven Umweltpolitikbedarf es der Auswahl und Anwendung geeigneter Instrumente. Das Spektrum der möglichen umweltpolitischen Instrumente ist aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben, der divergierenden In 2 teressen der Akteure sowie der Kreativität von Politik im Allgemeinen breit gefächert (vgl. Simonis 2001, S. 6). Eine mögliche Einteilung ist die Systematisierung nach dem Grad der staatlichen Einflußnahme, d.h. wie sehr sich die entsprechenden Maßnahmen und Instrumente zwischen staatlichem Zwang und Freiwilligkeit unterscheiden (vgl. Jänicke u.a. 2003, S. 100 ff.). Aufgrund der gebotenen Kürze dieser Seminararbeit und der Themeneingrenzung werde ich die wichtigen umweltpolitischen Instrumente nachfolgend vereinfacht in einer Tabelle darstellen: Instrumentengruppe Instrumente Grad der staatl. Verhaltensdeterminierung - Ge- und Verbote Ordnungsrechtliche Instrumente - Genehmigungen - Produktstandards hoch - Prozessstandards - Umweltstrafrecht - Raumordnungspläne Planerische - Landschaftspläne Instrumente - Luftreinhaltepläne hoch bis mittel - Abfallswirtschaftspläne Öffentliche Einnahmen: - Umweltsteuern - Umweltabgaben - Gebühren - Lizenzen, Zertifikate Marktwirtschaftliche Öffentliche Ausgaben: Instrumente - Steuervergünstigungen - Subventionen - Umweltbewußte Beschaffung mittel Andere: - Benutzervorteile - Umwelthaftung 3 Instrumentengruppe Instrumente Grad der staatl. Verhaltensdeterminierung - Verhandlungen Kooperation - Netzwerkbildung - Branchenabkommen mittel bis niedrig - Selbstverpflichtungen - Information und Aufklärung durch staatliche Institutionen Information - Standardisierte private Be- niedrig richtsformen - Umweltzeichen Quelle: in Anlehnung an Jänicke u.a.: Lern- und Arbeitsbuch Umweltpolitik, 2. Auflage, Berlin 2003, S. 101 2.3 Rolle des Staates Umweltgüter weisen meist einen hohen Öffentlichkeitsgrad auf. Charakteristikum eines öffentlichen Gutes ist es, dass ohne staatliches Eingreifen niemand von seiner Nutzung ausgeschlossen werden kann (vgl. Pätzold/Mussel 1996, S. 13). Für die Nutzung der Umwelt wird also am Markt kein Preis erzielt, d.h. eine marktliche Bereitstellung wird somit verhindert. Angesichts dieser Eigenschaft des Gutes Umwelt ist es aus ökonomischer Sicht verständlich, dass nicht jeder Einzelne aufgrund des Trittbrettfahrerproblems zur Verbesserung der Umweltqualität beiträgt. Zur Bewältigung des Rationalitätsdilemmas bedarf es also staatlicher Eingriffe in die Marktwirtschaft. (vgl. Pätzold/Mussel 1996, S. 13) Um im Rahmen der Umweltpolitik die individuellen Präferenzen nach öffentlichen Gütern zu befriedigen, muß der Staat bestimmte Schutzziele definieren und einen geeigneten gesetzlichen Rahmen verwirklichen. Diese Gesetze werden über ein formalisiertes Verfahren von der Verwaltung umgesetzt. (vgl. Linscheidt 2000, S. 4). 4 Aus der wachsenden Einsicht in die Komplexität der UmweltproblemZusammenhänge hat sich der ordnungspolitische Instrumentalismus in gewissen Kernbeständen in den letzten Jahren erheblich relativiert (vgl. Zilleßen 1997, S. 149 f.). Die bürokratische Umweltpolitik wird mehr und mehr eingedämmt und entwickelt sich stärker zu einer Politik der Gesellschaft (vgl. ebd., S. 56 u. S. 150). Im Zusammenhang damit erfolgt eine Anpassung der staatlichen Umweltpolitik vom „Umweltschutzmaßnahmen erzwingen“ zum „Umweltstandards definieren und Handlungsbedingungen gestalten“ (vgl. ebd., S. 150). Entsprechend diesem Wandel der Umweltpolitik zum vermehrt Zivilrechtlichen und Marktrechtlichen und in Erkenntnis gewisser Grenzen herkömmlicher Politik (Unregierbarkeit, Staatsversagen) entwickelt sich ein neues Verständnis staatlichen Handelns mit charakteristischen Elementen wie Haftungsrechten, fiskalischen Steuerungselementen, Mediation von Umweltkonflikten und öffentlicher Selbstverpflichtung (vgl. Zilleßen 1997, S. 150). Die Bearbeitung der Umweltpolitik ist nicht mehr hauptsächlich Aufgabe der Regierung und des Gesetzgebers. Umweltpolitik als Politik der Gesellschaft heißt, sie stärker in politische Entscheidungsprozesse einzubinden und einen größeren inhaltlichen Einfluss einzuräumen. 3 Rolle der Interessengruppen Wie der Name schon sagt, sind Interessengruppen Gruppen, in denen sich Menschen zusammenfinden, um gemeinsame Interessen zu vertreten, effektiver Informationen zu sammeln und Einfluß zu nehmen (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 1987, S. 1). Ullmann bezeichnet 1988 Interessenverbände als "... ebenso wichtige wie umstrittene Bausteine der modernen Welt." Und beschreibt ihre Arbeit als Organisation von Interessen und deren Vertretung gegenüber anderen sozialen Gruppen oder den Organen der politischen Willensbildung (vgl. S. 9). Er bemerkt weiterhin, dass die Vermittlungsarbeit der Interessenverbände und deren Bewertung in hohem Maße zeitabhängig sei und sich die Entstehung und Struktur sowie deren Einfluß und Funktionen im Wandel der modernen Welt immer wieder verändern. (vgl. Ullmann 1988, S. 9) 5 3.1 Strukturmerkmale Der Einfluß von Interessengruppen wird meist mit Ihrem Informationsvorsprung gegenüber Politikern, mit Marktmacht und mit der Finanzierung von Parteien erklärt. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 51) Die These des Informationsvorsprungs begründet sich aus der Tatsache, dass z.B. Industrieverbände genauer über die Kostenstruktur von Unternehmen unterrichtet sind als die Regierung. Um z.B. die Wirkung einer Emissionssteuer zu antizipieren, ist sie auf die Zusammenarbeit mit den Industrieverbänden angewiesen. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 51) Das Argument der Marktmacht zielt darauf ab, dass Verbände und Organisationen z.B. durch öffentliche Aktionen wie Demonstrationen, Streiks, Blockaden etc. (vgl. Fritzler 1997 S. 74) ein erhebliches Machtinstrument zur Durchsetzung ihrer Interessen in der Hand haben. Auch Wahlempfehlung der Verbände an ihre Mitglieder sind häufig zu beobachten. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 51) Verbände agieren neben dem Staat als externe Geldgeber für Parteien und erhoffen sich selbstverständlich, dass sich ihre Spende "bezahlt macht" und somit ihre Machtposition gestärkt wird. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 51 f.) Infolgedessen könnte sich das politische Gewicht positiv von der Ressourcenausstattung abhängen. (vgl. ebd., S. 104) Auch der institutionelle Kontext, in dem Lobbyaktivitäten durchgeführt werden, könnte entscheidend für die Durchsetzungsfähigkeit einer Interessengruppe sein. Hierunter fallen z.B. Parteien, die spezifische Interessengruppen vertreten oder Ministerien, die potenziell dem Anliegen einer Interessengruppe Gehör verschaffen. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 52) Bei den Faktoren, die die politische Durchsetzung von Interessengruppen beeinflussen, wird meist auf Basis der Interessengruppentheorie von Mancur Olson argumentiert. (vgl. ebd., S. 52) 6 3.2 Olsons Theorie des kollektiven Handelns Olson bestimmt kollektives Handeln als individuelles Handeln in einer Gruppe. (vgl. Pies 1997, S. 2 f.). Die wichtigsten Aussagen seiner Theorie beziehen sich auf die Größe und Zusammensetzung von Gruppen. Generell stellt er fest, dass kollektives Handeln keineswegs automatisch zu einer optimalen Bereitstellung öffentlicher Güter führt. (vgl. ebd., S. 3) Olson stellt fest, dass es sich bei den Gewinnen, die aufgrund der Lobbyaktivitäten von Interessengruppen erzielt werden können, um Kollektivgüter handelt. ( Böckem 1999, S. 11) Kollektivgüter, auch als öffentliche Güter bezeichnet, sind Güter, die weder irgendeiner Person vorenthalten oder deren Konsum verwehrt werden kann. (vgl. Olson 1985, S. 162 f.) Die Umwelt ist ein solches öffentliches bzw. Kollektivgut. Bereits durch das Erreichen eines gemeinsamen Zieles oder die Befriedigung eines gemeinsamen Bedürfnisses, wie den Schutz der Umwelt, wird ein Kollektivgut für die fragliche Gruppe bereitgestellt. Die Tatsache, dass einer Interessengruppe ein gemeinsames Ziel zugrunde liegt, bedeutet, dass niemandem in der Gruppe der Vorteil oder die Befriedigung vorenthalten wird, die dessen Erreichung mit sich bringt. (vgl. ebd., S. 163 f.) Individualgüter können immer auch durch individuelles Handeln beschafft werden, und nur, wo es um gemeinsame Ziele oder Kollektivgüter geht, ist Organisations- oder Gruppenhandeln unerläßlich. (vgl. ebd., S. 165) Entsprechend der Theorie von Olson ist davon auszugehen, das die Mitgliederzahl einer Interessengruppe sich negativ auf die Organisationsfähigkeit auswirkt. Ausschlaggebend dafür sind die Anreize zum Trittbrettfahrerverhalten, denen die Mitglieder großer latenter Gruppen ausgesetzt sind. Ursächlich hierfür ist der geringe Grenznutzen des individuellen Mitgliedsbeitrags, da das gleichgewichtige Niveau der Gruppenaktivität von diesem unabhängig ist. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 52, S. 103) In kleinen Gruppen ist dieser Grenznutzen fühlbarer und dem Feifahrerverhaltenverhalten kann durch sozialen Druck und gesellschaftliche Ächtung entgegengewirkt werden. (vgl. ebd., S. 52). Anders ausgedrückt, mit zunehmender Mitgliederzahl steigen die Organisationskosten einer Gruppe überproportional. (vgl. ebd., S. 103) 7 Sofern Mitglieder großer Gruppen nicht durch Zwang dazu genötigt werden, im Interesse der Gruppe zu handeln, werden sie allein danach streben, ihre persönliche Wohlfahrt zu maximieren. Es sein denn, ihnen wird zusätzlich zur Lobbytätigkeit ein besonderer Anreiz geboten, von dem Nicht-Mitglieder ausgeschlossen sind. Dies trifft selbst dann zu, wenn die Interessen der Mitglieder homogen sind. (vgl. Olson 1985, S. 158) Der entgegengesetzte Effekt, von Becker als „scale economies in the production of pressure“ bezeichnet, besagt, dass großen Interessengruppen von Politikern meist ein höheres Gewicht beigemessen wird als einer zahlenmäßig unbedeutenderen Gruppe (vgl. Becker 1983, S. 395). 4 Interessengruppen der Umweltpolitik im Speziellen In der Literatur gibt es zahlreiche Überschneidungen zwischen den Angehörigen der verschiedenen einflußnehmenden Gruppen der Umweltpolitik. Aus diesem Grund werde ich in Anlehnung an Endres/Finus (1996, S. 81) in meinen weiteren Ausführungen folgende Einteilung wählen: (1) Umweltschützer (2) Management in der Emittenten- und Pro-Umweltschutzindustrie (3) Beschäftigte in der Emittenten- und Pro-Umweltschutzindustrie (4) Konsumenten Im weiteren Verlauf meiner Arbeit werde ich mich einer genaueren Analyse der für die einzelnen Interessengruppen spezifischen Faktoren zuwenden und auch die Auswirkungen der Umweltqualität auf die Wohlfahrt der einzelnen Interessengruppen kurz beleuchten. 4.1 Umweltschützer Aufgrund der meist nicht unmittelbaren Betroffenheit der Menschen von Umweltschäden und des in großen latenten Gruppen festzustellenden Trittbrettfahrerverhaltens ist es für Umweltschützer schwer, sich zu organisieren. Darüber hinaus 8 sind Umweltschutzorganisationen meist auf hohe ethische und moralische Motivation angewiesen, weil sie nicht über materielle Anreize verfügen, um potenzielle Mitglieder zum Eintritt zu bewegen. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 106) Des weiteren verfügen Umweltschutzverbände meist über relativ geringe finanzielle Mittel und sind auf Spenden ihrer Mitglieder angewiesen. Sie finanzieren ihre Arbeit außerdem über projektgebundene Zuschüsse der öffentlichen Hand, Spenden von Privatpersonen und/oder sog. Öko-Sponsoring (vgl. Fritzler 1997 , S. 75). Über Parteien, die "grüne Interessen" vertreten, erhalten die Umweltschützer ein politisches Sprachrohr, welche ihre Interessen artikulieren. Über die Gründung ebensolcher Parteien haben sich in den letzten Jahren die Artikulations- und Durchsetzungsbedingungen für Umweltschutzgruppen stark verbessert. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 107 f.) Bei der Gruppe der Umweltschützer scheint es naheliegend, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Umweltqualität und Wohlfahrt besteht. Im allgemeinen wird damit die politische Unterstützung einer Partei, die dem Umweltschutz eine hohe Priorität einräumt, einhergehen. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 83 f.) Die zentralen Aufgaben der Umweltverbände bestehen darin, die Öffentlichkeit über Umweltthemen aufzuklären und zu sensibilisieren. Sie identifizieren die Defizite im Umweltschutz und prangern sie gegenüber den politischen Akteuren an (vgl. Fritzler 1997, S. 71). Zur Vertretung ihrer Interessen in Sachen Natur- und Umweltschutz führen sie öffentliche Aktionen, wie Demonstrationen oder Blokkaden durch, betreiben klassische Naturschutzarbeit, z.B. Biotoppflege, und versuchen politische Entscheidungsträger über Lobby-Arbeit zu beeinflussen (vgl. Fritzler 1997 , S. 74). Ihre problemorientierte Herangehensweise führt dazu, dass sie nicht innerhalb der resortmäßigen Grenzen der staatlichen Politik denken und handeln und damit immer wieder unkonventionelle und innovative Vorschläge erarbeiten. Viele Behörden und Wirtschaftsverbände wollen mittlerweile auf den Sachverstand der Umweltorganisationen nicht mehr verzichten und beziehen diese in Beratungen mit ein. Mögliche Konflikte lassen sich somit frühzeitig erkennen und eventuell verhindern. (vgl. Fritzler 1997 , S. 74) 9 4.2 Management in der Emittenten- und Pro-Umweltschutzindustrie Das Management der Emittentenindustrie, als Vertreter der Verursacher von Umweltschädigungen, beurteilt umweltpolitische Maßnahmen daran, wie hoch die damit einergehenden einzelwirtschaftlichen Kosten für die schadstoffemittierenden Unternehmen sind. Das Management der Pro-Umweltschutzindustrie, fungiert als Vertreter der Produzenten von umweltfreundlichen Technologien. Ein Unterschied zwischen beiden besteht auch hinsichtlich der Vorstellung über das Ausmaß, in dem eine Umweltqualitätsverbesserung vorgenommen werden sollte (vgl. Böckem 1999, S. 14). Obwohl also Emittenten und Pro-Umweltschutzindustrie offensichtlich sehr heterogene Interessen vertreten, wird von den meisten Autoren keine Unterscheidung vorgenommen, wenn es um die Durchsetzungsfähigkeit dieser Interessengruppen geht. Dann werden sie pauschal unter "Industrieverbänden" zusammengefaßt. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 108) Wirtschaftsverbände verfügen in der Regel über eine gefestigte Organisationsstruktur, eine gute Ressourcenausstattung und bereits etablierte Beziehungen zur Politik. Sie vertreten hauptsächlich die Belange der klassischen großen Industriezweige und können mit Hilfe selektiver Anreize und einer überschaubaren Mitgliederzahl ihre Interessen gut artikulieren. (vgl. ebd., S. 108) Das eigentliche Ziel der Industrieverbände besteht darin, die Wirtschafts- und Verteilungspolitik zugunsten ihrer Mitglieder zu beeinflussen, wobei Umweltpolitik nur ein Thema unter vielen darstellt (vgl. ebd., S. 108). In den letzten Jahren haben sie jedoch eigenständige umweltpolitische Positionen entwickelt und vertreten diese gegenüber der staatlichen Politik mit dem Ziel, von verbindlichen umweltpolitischen Einzelregelungen ausgenommen zu werden. Ein höheres Umweltschutzniveau würde für Emittenten höhere Produktionskosten implizieren, was wiederum den Gewinn als eine Bestimmungsgröße seiner Wohlfahrt schmälern würde. Würden die höheren Kosten wiederum teilweise an die Konsumenten weitergegeben, hätte dies eventuell einen Nachfragerückgang zur Folge, der sich ebenfalls negativ auf den Gewinn auswirken würde. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass sich die Emittenten gegen höhere Umwelt 10 schutzauflagen wehren. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 83 ff.) Daher setzen sich die Emittenten selbst umweltpolitische Ziele, indem sie für zahlreiche Einzelthemen, z.B. den Klimaschutz sog. Selbstverpflichtungserklärungen abgeben, in der Erwartung, auf diese Weise rechtsverbindlichen Regelungen zu entgehen. (vgl. Zilleßen 1997, S. 57) Da die meisten Parteispenden von der Industrie getätigt werden (vgl. Endres/Finus 1996, S. 108), aufgrund ihres Sanktionspotenzials, ihrer personellen Verflechtungen mit den Parteien und ihrer Nähe zum Staatsapparat, dürfte der Einfluss der Wirtschaftsverbände auf die Parteien nicht unerheblich sein (vgl. Zilleßen 1997, S. 57). Ihre Marktmacht kann als relativ hoch eingeschätzt werden. Auch der Informationsvorsprung gegenüber Verwaltung und Regierung bestätigt vorgenannte Aussagen. Bis zu einem gewissen Grad muß die Regierung mit der Industrie kooperieren, was sich jedoch durch einen Rückgriff auf wissenschaftliche Beratung vermindern ließe. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 109) Es bleibt also festzuhalten, dass eine relativ starke Vertretung der Interessengruppe der Emittenten innerhalb des politischen Systems zu beobachten ist. Der Grund für die unzureichende Repräsentation der eigentlich doch heterogenen Interessen innerhalb der Industrie ist mit den eher ungünstigen institutionellen Rahmenbedingungen und der eher geringen Ressourcenausstattung der ProUmweltschutzindustrie zu begründen, d.h. die Interessen der Umweltschutzindustrie sind innerhalb der großen Wirtschaftsverbände unterrepräsentiert, des weiteren erschwert die Heterogenität der Umweltindustrie die Organisation der Interessen in einem Dachverband bzw. ist sie derzeit noch zu klein, um einen eigenständigen Industrieverband zu gründen. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 109 f.) In den letzten Jahren jedoch hat sich das politische Gewicht der Emittentenindustrien zugunsten der Pro-Umweltindustrie verringert. Dies ist v.a. im gestiegenen Umweltbewußtsein der Bevölkerung begründet als auch der Wachstumsmöglichkeiten des Umweltschutzes, die von vielen Unternehmen erkannt und genutzt werden. (vgl. ebd., S. 110) 11 4.3 Beschäftigte in der Emittenten- und Pro-Umweltschutzindustrie Die Interessenvertretung der in umweltintensiven und vom Umweltschutz profitierenden Bereichen Beschäftigten wird meist unter dem Begriff der "Gewerkschaften" zusammengefaßt. Auch hier bestehen – wie bei den Ausführungen über das Management – heterogene Interessen zwischen den beiden Gruppen und auch hier erhält die Pro-Umweltschutzindustrie nur eine untergeordnete Repräsentanz in den großen Gewerkschaften. Der bereits unter Punkt 4.2 angesprochene Nachfragerückgang für das vom Umweltschutz betroffene Gut trifft selbstverständlich auch die abhängig Beschäftigten in der Emittentenindustrie. Verschlechtert sich die Gewinnsituation eines Unternehmens so ist mit Einkommenseinbußen und/oder einem Verlust des Arbeitsplatzes zu rechnen. Aus diesem Grund werden auch die Beschäftigten in der Emittentenindustrie sich gegen höhere Umweltschutzauflagen wehren. Da der Arbeitsplatzsicherung für Gewerkschaften eine hohe Priorität zukommt, werden sie ebenfalls gegen eine solche Entwicklung mobil machen und somit auch zu einem Rückgang der politischen Unterstützung führen. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 86 f.) Die allgemein hohe Mitgliederzahl verleiht den Gewerkschaften ein hohes politisches Gewicht und damit nicht unerheblichen politischen Einfluss. Den aus hohen Mitgliederzahlen resultierenden organisatorischen Nachteilen werden durch straffe Organisation und selektive Anreize wie z.B. Streikgeld entgegengewirkt. Die Ressourcenausstattung ist aufgrund ihrer Mitgliederbeiträge als gut zu bezeichnen. Streiks und Wahlkampfempfehlungen verleihen den Gewerkschaften eine große Marktmacht. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 111) Gewerkschaften spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung einer umweltverträglichen, nachhaltigen Wirtschaftsweise. Sie können das Bewusstsein ihrer Mitglieder für Umweltthemen stärken und in Zusammenarbeit mit Betriebsrat und Geschäftsführung den betrieblichen Umweltschutz verbessern. Auch in manchen für ganze Branchen geltenden Tarifverträgen haben Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände den Umweltschutz berücksichtigt. Vereinzelt gibt es sogar eigene 12 Öko-Tarifverträge, die die Kooperation in diesem Bereich regeln und den Arbeitnehmern z.B. weitreichende Mitwirkungsrechte beim betrieblichen Umweltschutz zusichern. (vgl. Fritzler 1997, S. 77 f.) Zusammenfassend läßt sich also auch hier sagen, dass die Beschäftigten der Emittentenindustrie entgegen denen der Pro-Umweltschutzindustrie relativ hohes politisches Gewicht aufweisen. 4.4 Konsumenten Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass Konsumenten ihre Interessen sehr schlecht politisch durchsetzen können, was v.a. darin begründet liegt, dass sie von vielen Umweltschutzmaßnahmen nur marginal in ihrer Wohlfahrt beeinträchtigt werden. Von einer merklichen Reduktion der Konsumentenrente durch Umweltschutzmaßnahmen kann nur bei Gütern mit großem Anteil am Haushaltsbudget gesprochen werden, wie z.B. dem Auto. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 112) Wie bereits in den beiden vorangegangenen Abschnitten beschrieben, würden die Emittenten die höheren Produktionskosten durch verstärkte Umweltschutzauflagen in Form von Preiserhöhungen an die Konsumenten weitergeben, welche dann einen Verlust an Konsumentenrente erleiden. Die Konsumenten der Substitutionsprodukte erleiden infolge dessen ebenfalls einen Verlust an Konsumentenrente, da die wiederum steigende Nachfrage nach Substituten zu einer Preiserhöhung dieser Güter führt. Daraus folgt, das auch Konsumenten nicht an einer Erhöhung des Umweltschutzniveaus interessiert sind. (vgl. Endres/Finus S. 84 ff.) Im Sinne Olsons können die Konsumenten als große latente Gruppe bezeichnet werden, deren Organisationskosten sehr hoch sind, da sie nicht über selektive Anreize verfügen, um z.B. Trittbettfahrer auszuschließen. Außer durch regionale Verbraucherverbände sind Konsumenten im allgemeinen nicht vertreten und deren Ressourcen sind als unbedeutend einzustufen. Zum einen gilt dies natürlich in finanzieller Hinsicht, zum anderen besitzen Verbraucherverbände weder Marktmacht noch einen Informationsvorsprung, den sie gegenüber Politikern strategisch nutzen könnten. Dementsprechend ist ihre Repräsentanz in politischen 13 Gremien sehr gering und ihre institutionellen Rahmenbedingungen als ungünstig einzustufen. Eine Steigerung des umweltpolitischen Einflusses wäre für die Konsumenten mit hohen Kosten und geringem erwartetem Nutzen verbunden. (vgl. Endres/Finus 1996, S. 112) Es ist also festzuhalten, dass Konsumenten ein sehr geringes politisches Gewicht aufweisen. 5 Zusammenfassung und Ausblick Bei den behandelten Interessengruppen der Umweltpolitik ist mit einer höheren Durchsetzungskraft der Gegner umweltpolitischer Maßnahmen – Beschäftigte und Management der Emittentenindustrie sowie Konsumenten – zu rechnen. Bei den beiden erstgenannten ist ein relativ hohes politisches Gewicht zu beobachten. Innerhalb der Gruppe der Gegner kann mit einer Dominanz der Emittentenindustrie gerechnet werden. Den Konsumenten als dritten Gegner kommt jedoch eine eher untergeordnete Rolle im politischen System zu. Die andere Hälfte – Umweltschützer, Management und Beschäftigte der Pro-Umweltschutzindustrie – wird höhere Umweltschutzbestimmungen befürworten, da sie von ihnen profitieren. Jedoch zeichnen sich die drei Befürworter durch ein relativ niedriges politisches Gewicht aus. (vgl. Endres/Finus 1996, S, 113) Die Entscheidung über das Ausmaß der Umweltbelastung und das Ausmaß der entsprechenden Gegenmaßnahmen in Form höherer Umweltschutzbestimmungen verbleibt somit beim Staat und jenen Interessengruppen mit hohem politischen Einfluss. Es ist daher meines Erachtens von hoher Relevanz die weniger politisch einflußreichen Interessengruppen der Umweltpolitik stärker zu unterstützen, um eine nachhaltige positive Entwicklung in Sachen Umweltschutz zu erreichen. Ein moderner und wirksamer Umweltschutz bedarf der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und ist ohne Einbezug der Öffentlichkeit nicht möglich. Ein breiter Zugang zu Umweltinformationen, verstärkte Aufklärungsarbeit im Hinblick auf umweltpolitische Themen sowie Verfahrenstransparenz ist für eine ef 14 fektive Mitwirkung aller Interessengruppen heute und in Zukunft von hoher Bedeutung. 15 6 Literaturverzeichnis Becker, G. (1983): A Theory of Competition among Pressure Groups for Political Influence, in: Quarterly Journal of Economics 98, S. 371-400 Böckem, A. (1999): Umweltabgaben und die Bedeutung der Aufkommensverwendung aus Sicht der Neuen Politischen Ökonomie, Veröffentlichung vom HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung, Hamburg Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) (1987): Interessengruppen und Interessenverbände, in: Informationen zur politischen Bildung, Bonn Endres, A.; Finus, M. (1996): Umweltpolitische Zielbestimmung im Spannungsfeld gesellschaftlicher Interessengruppen: Ökonomische Theorie und Empirie, in: Elemente einer rationalen Umweltpolitik. Expertisen zur umweltpolitischen Neuorientierung, hrsg. v. Siebert, H., Tübingen, S. 36-133 Fritzler, M. (1997): Ökologie und Umweltpolitik, Bonn Holzinger, K. (1998): Die Leistungsfähigkeit umweltpolitischer Kooperationslösungen, Veröffentlichung der Max-Planck-Projektgruppe Recht der Gemeinschaftsgüter, Bonn Jänicke, M.; Kunig P., Stitzel M. (2003): Lern- und Arbeitsbuch Umweltpolitik. Politik, Recht und Management des Umweltschutzes in Staat und Unternehmen, 2. Auflage, Bonn Kirsch, G. (1996): Umwelt, Ethik und individuelle Freiheit: Eine Bestandsaufnahme, in: Elemente einer rationalen Umweltpolitik. Expertisen zur umweltpolitischen Neuorientierung, hrsg. v. Siebert, H., Tübingen, S. 3-32 Linscheidt, B. (2000): Kooperative Steuerung als neues Modell der Umweltpolitik – eine theoretische Einordnung, Veröffentlichung des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität Köln, Köln 16 Olson, M. (1968): Die Logik des kollektiven Handelns. Kollektivgüter und die Theorie der Gruppen, in: Staat und Verbände, hrsg. v. Steinberg, R., Darmstadt 1985, S. 156-179 Olsson, M; Pieckenbrock, D. (1998): Gabler Kompakt Lexikon Umweltpolitik und Wirtschaftspolitik, Bonn Pätzold, J.; Mussel, G. (1996): Umweltpolitik, Berlin Pies, I. (1997): Theoretische Grundlagen demokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik – Der Beitrag Mancur Olsons, in: Konzepte der Gesellschaftstheorie. Mancur Olsons Logik des kollektiven Handelns, Band 3, hrsg. v. Pies, I.; Leschke, M., Tübingen, S. 1-26 Simonis, U. (2001): Stichwort Umweltpolitik, Veröffentlichung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung gGmbH, Berlin Ullmann, H.-P. (1988): Interessenverbände in Deutschland, Frankfurt am Main Zilleßen, H. (1997): Umweltpolitik als Politik der Gesellschaft, in: Umweltpolitik und Staatsversagen. Perspektiven und Grenzen der Umweltpolitikanalyse, hrsg. v. Mez, L.; Weidner, H., Berlin, S. 56-66 17 Ehrenwörtliche Erklärung Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Seminararbeit ohne Hilfe Dritter und ohne Zuhilfenahme anderer als der angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt habe. Die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen sind als solche kenntlich gemacht. Diese Arbeit hat in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegen. Brandenburg, den 31. Dezember 2005 _______________________ Unterschrift