Kursus der Nuklearmedizin - St. Nikolaus Stiftshospital Andernach

Werbung
Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin
der Universität Würzburg
Direktor: Prof.Dr.Chr.Reiners
Kursus der Nuklearmedizin*
H.Hänscheid, E.Werner, M.Laßmann, Chr.Reiners
* http://www.uni-wuerzburg.de/nuklearmedizin/kursus/Kursus.htm
12/99
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 2
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 3
Einleitung
Nuklearmedizin bedeutet die Anwendung offener radioaktiver Stoffe
am Menschen in Diagnostik und Therapie.
In der Diagnostik kommen dabei sogenannte Tracer zum Einsatz, bei
denen im Austausch gegen stabile Atome radioaktive Nuklide chemisch
an eine am Stoffwechsel teilnehmende Substanz gebunden sind.
Kennzeichnend ist, daß sich durch das gleichartige chemische Verhalten
verschiedener Isotope eines Elements die Tracer im Organismus wie die
Ursprungssubstanzen verhalten und daß Organfunktionen und
physiologische Gleichgewichte unbeeinflußt bleiben, weil nur geringste
Stoffmengen benötigt werden.
Die radioaktiven Stoffe werden außer nach biochemischen auch nach
physikalischen Eigenschaften ausgewählt. Ein Teil der beim Zerfall
emittierten Strahlung muß den Körper ungehindert verlassen und mit
einem geeigneten Untersuchungsgerät nachgewiesen werden können;
außerdem sollte die Strahlenexposition möglichst gering sein.
Die Beobachtung der Verteilung des Tracers im Körper von außen
erlaubt die Untersuchung von Organ- und Körperfunktionen auf
physiologische, nichtinvasive Weise.
Nuklearmedizinische Untersuchung
Detektor
Kamera
Computer
Applikation eines Tracers,
Visualisierung und Quantifizierung
der Tracerverteilung
Grundlagen
Atome besitzen einen Kern, der sich aus einer Anzahl Z positiv geladener Protonen (Z=Ordnungszahl) und N
elektrisch neutraler Neutronen zusammensetzt und fast die gesamte Masse (Z+N=A=Massenzahl) des Atoms
trägt, und eine Anzahl von Z Elektronen. Nuklide sind Atome mit definiertem Z und N. Das chemische
Verhalten der Nuklide ist durch die Elektronenhülle bestimmt, die chemischen Elemente sind daher durch die
Ordnungszahl Z definiert. Nuklide mit gleichem Z und verschiedenem N nennt man Isotope,
125
127
131
z.B. einige Isotope des Iods sind
offizielle Schreibweise AZ X 123
53 I
53 I
53 I
53 I
vereinfachte Schreibweise
I-123
I-125 I-127 I-131
Nur etwa 250 Isotope der bekannten Elemente haben physikalisch stabile Kerne. Bei den Radionukliden führt
das Verhältnis von A und Z bzw. die Anordnung von Protonen und Neutronen im Kern nicht zur Bildung eines
auf Dauer beständigen Kerns und somit zum radioaktiven Zerfall unter Aussendung von Strahlung. Je
instabiler das Nuklid ist, umso kürzer ist seine Halbwertzeit, das ist die Zeit, nach der die Hälfte der zu Beginn
vorhandenen Kerne zerfallen sind. Häufig spricht man bei dem vor bzw. nach dem Zerfall vorhandenen Atom
vom Mutter- bzw. Tochternuklid.
In der Nuklearmedizin häufig benutzte Radionuklide:
Nuklid
HWZ
Strahlung
γ-Energie
Verwendung
γ
Tc-99m
6h
140 keV
Szintigraphie
γ
I-123
13,2 h
159 keV
Szintigraphie
γ
I-125
60 d
30 keV
In Vitro-Tests (Radioimmunoassays)
I-131
8d
γ, ß
364 keV
Therapie
γ
Tl-201
73 h
72 keV
Szintigraphie
F-18
110 m
ß+
511 keV
Positronenemissionstomographie (PET)
O-15
2m
ß+
511 keV
Positronenemissionstomographie (PET)
Nur wenige Radionuklide kommen wie z.B. U-235, U-238 und K-40 aufgrund extrem langer Halbwertzeiten
natürlich vor. Kurzlebige Nuklide werden mit Teilchenbeschleunigern oder Reaktoren produziert und dürfen
nur von Befugten mit amtlicher Umgangsgenehmigung verwendet werden.
Durch radioaktiven Zerfall entstandene Tochternuklide sind oftmals selbst instabil und somit Mutternuklid
eines folgenden Zerfalls. Diese Eigenschaft kann in der Nuklearmedizin genutzt werden, um in einem
Nuklidgenerator in der Praxis oder im Krankenhaus kurzlebige Radionuklide zu gewinnen. Die größte
Bedeutung hat der Mo-99/Tc-99m Generator, in dem im Reaktor gewonnenes Mo-99 als Mutternuklid fest an
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 4
eine Anionaustauschersäule gebunden ist und dort mit 2,8 d HWZ zu Tc-99 zerfällt. Dabei wird zu 88% das
Isomer Tc-99m gebildet, dem heute aufgrund seiner Zerfallseigenschaften (reiner γ-Strahler, optimale γ-Energie,
minimale Strahlenbelastung) in über zwei Drittel der Untersuchungen verwendeten Nuklid. Durch ein
geeignetes Elutionsmittel (z.B. physiologische Kochsalzlösung) kann das Technetium ausgespült und für die
radioaktive Markierung stoffwechselaktiver Substanzen, also der Produktion des Tracers benutzt werden.
evakuierte
Eluatflasche
Bleiabschirmung
Filter
Generatorsäule mit
Molybdän
Elutionsmittel
(NaCl-Lösung)
Mo-Tc-Generator:
Das Elutionsmittel
wird aus dem belüfteten Vorratsbehälter
durch die Säule in
die Eluatflasche gesogen und spült das
durch Mo-99-Zerfall
erzeugte
Tc-99m
aus. Die Elutionsausbeute beträgt bis
zu 95% der Mo-99Aktivität.
Aktivität in GBq
8
6
Mo-99
4
Tc-99m
2
0
1
2
3
4
Zeit nach Kalibrationstermin in Tagen
Verlauf von Mo-99- und Tc-99m Aktivität in einem
Generator einer Nennaktivität von 8 GBq Mo-99 zum
Kalibrationstermin bei täglicher Elution.
Das zweite und für die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) aufgrund der kurzen Halbwertzeiten der
dabei verwendeten Positronenstrahler (z.B. 2 min bei O-15) notwendige Verfahren der Produktion von
Radionukliden in der nuklearmedizinischen Abteilung ist der Betrieb eines Teilchenbeschleunigers, in der
Regel eines Zyklotrons. Dabei entstehen die Nuklide durch Beschuß geeigneter stabiler Kerne mit leichten
Ionen (Protonen, Deuteronen, Alphateilchen) über Kernverschmelzung oder Teilchenaustauschreaktionen.
Die Aktivität A einer bestimmten Menge eines Radionuklids wird in Bequerel angegeben:
1 Bq = 1 Zerfall/Sekunde
(früher Curie Ci: 1 mCi = 37 MBq)
Sie nimmt exponentiell mit der Zeit t ab:
Zerfallsgesetz
A(t) = A(0) * e(-t/τ)
= A(0) * 2(-t/TP)
τ = Lebensdauer
mit TP = τ * ln2
Nach einer physikalischen Halbwertzeit TP sind durch radioaktiven Zerfall die Hälfte der zu Beginn
vorhandenen Kerne zerfallen. An Patienten verabreichte Aktivitäten können auch biologisch, z.B. renal
eleminiert werden. Unter der Annahme exponentiell abnehmender Konzentrationen bezeichnet man die
Zeitspanne, nach der durch biologische Vorgänge nur noch die Hälfte der Substanzmenge in dem betrachteten
Körperkompartiment vorhanden ist, als biologische Halbwertzeit TB. Physikalische und biologische
Elimination gemeinsam führen zur Abnahme der Aktivität im Kompartiment mit der effektiven Halbwertzeit
T = (TP* TB) / (TP+ TB).
Radioaktive Strahlung ist energiereich und wirkt bei Wechselwirkung mit Atomen ionisierend, wobei Moleküle
direkt oder über die Bildung freier Radikale aufgebrochen werden können, was zur Schädigung des Gewebes
führen kann. Der Quotient aus der auf das Gewebe übertragenen Strahlenenergie E und der Masse M des
Gewebes wird als Energiedosis D = E / M bezeichnet und hat die Einheit Gray (1 Gy = 1 Joule / kg). Die
Energiezufuhr von 1 J/kg, die thermisch einer Erwärmung um nur 0,00025° entspricht, führt dabei pro Gramm
Gewebe zu 1014 biologischen Mikrodefekten. Besonders kritisch sind dabei in der DNA erzeugte Schäden, die
durch die körpereigenen Reparaturmechanismen korrigiert werden müssen. Die Reparatur kann z.B. bei
Doppelstrangbruch aufgrund mehrerer Defekte unmöglich sein, wenn die genetische Information zerstört
wurde. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt mit der Ionisierungsdichte der Strahlung. Stark proliferierendes
Gewebe (hämopoetisches System, Darmschleimhaut, Keimzellen, Fötus) ist besonders strahlenempfindlich, da
während der Zellteilung die Redundanz der Erbinformation phasenweise nicht gegeben und ein dann
geschädigtes Gen nicht reparierbar ist und weil Fehler bei der Korrektur von Schäden in späteren
Zellgenerationen zur Entartung führen können.
Man unterscheidet Teilchenstrahlung wie z.B. Alphastrahlung (Heliumkerne) und ß- bzw. ß+-Strahlung
(Elektronen bzw. Positronen) von elektromagnetischer Strahlung (γ-Strahlung, Röntgenstrahlung). Um der
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 5
unterschiedlichen Ionisierungsdichte und damit biologischen Wirksamkeit verschiedener Strahlenarten
Rechnung zu tragen wird die Strahlenbelastung durch die Äquivalentdosis H = q * D (Einheit Sievert 1 Sv = 1
J/kg) angegeben, in die außer der Energiedosis D ein von der Strahlenart abhängiger dimensionsloser
Bewertungsfaktor q eingeht.
In Masse (z.B. Gewebe) geben Teilchenstrahlen ihre Energie durch eine Vielzahl von Wechselwirkungen mit
Atomen (Stöße mit Hüllenelektronen) ab, deren Dichte von der Energie, Größe und Ladung des stoßenden Ions
abhängt. Teilchen der gleichen Art mit gleicher Energie legen in einer Masse etwa die gleiche Wegstrecke
(Reichweite) zurück.
Alphastrahlung hat eine hohe Ionisierungsdichte und verliert auf kurzem Weg (Reichweite < 0,1 mm) ihre
gesamte Energie. Sie hat daher den hohen Bewertungsfaktor q = 20 und ist wegen ihrer hohen Radiotoxizität für
die Anwendung am Menschen nicht geeignet.
Die Ionisierungsdichte der ß-Strahlung ist weitaus geringer (Reichweite bis wenige cm), der Bewertungsfaktor
beträgt q = 1. ß--Strahler werden vorwiegend für die Therapie z.B. benigner und maligner
Schilddrüsenerkrankungen mit I-131 oder Schmerzbehandlung bei Knochenmetastasierung mit Y-90 oder Sr-89
eingesetzt. ß+-Strahler finden vorwiegend im Rahmen der Forschung unter Ausnutzung der
Vernichtungsstrahlung ß++ß- => γ+γ (2 je 511 keV γ-Quanten) in der Diagnostik Anwendung.
Die Quanten elektromagnetischer Strahlung (Photonen) legen mit einer Wahrscheinlichkeit eine Wegstrecke in
Masse zurück, bevor sie mit einem Elektron wechselwirken. Die Zahl der unbeeinflußten Photonen und damit
die Strahlungsintensität I(d) nimmt exponentiell mit der in der Masse zurückgelegten Wegstrecke d ab:
Schwächungsgesetz
I(d) = I(0) * e(-µ∗d)
µ = linearer Schwächungskoeffizient.
Die Photonen geben bei der Wechselwirkung entweder einen Teil ihrer Energie an das Elektron ab und setzen
ihren Weg mit geringerer Energie fort (Comptoneffekt) oder werden unter Abgabe der gesamten Energie an
das Elektron vernichtet (Photoeffekt). Bei Photonen hoher Energie (> 1 MeV) besteht zudem bei Anwesenheit
eines Stoßpartners die Möglichkeit der Paarbildung, der spontanen Umwandlung des Quants in ein Elektron
und ein Positron (γ => ß++ß-).
Erst die durch die Wechselwirkungen erzeugte ß-Strahlung verteilt die Energie auf viele Mikroeffekte und
erzeugt somit die eigentliche Strahlenwirkung. Aus diesem Grund hat Photonenstrahlung genau wie
ß-Strahlung den Bewertungsfaktor q = 1.
Eine Äquivalentdosis in einem Körperteil sagt jedoch noch nichts über das daraus resultierende Risiko für die
Person aus. Selten ist der ganze Körper gleichförmig bestrahlt und es ist ein Unterschied, ob nur z.B. die
Schilddrüse oder der Ganzkörper eine Äquivalentdosis von 1 Sv erhalten hat. Auch die unterschiedliche
Strahlenempfindlichkeit verschiedener Organe ist zu berücksichtigen. Das Risiko durch eine Bestrahlung wird
beschrieben durch die effektive Äquivalentdosis oder einfach effektive Dosis [Sv] als die Summe der
Äquivalentdosen relevanter Organe jeweils multipliziert mit einem organspezifischen Wichtungsfaktor w (z.B.
Keimdrüsen w = 0,20, Knochenmark w = 0,12, Schilddrüse w = 0,05). So werden nicht die Dosen sondern die
Risikobeiträge der Organe addiert. Es entspricht z.B. eine Äquivalentdosis der Schilddrüse von 10 mSv einer
effektiven Dosis von 0,5 mSv, birgt also das gleiche Strahlenrisiko wie eine Ganzkörperbestrahlung mit 0,5
mSv.
Röntgendiagnostik
CT Abdomen —>
CT Thorax —>
Kolonkontrasteinlauf —>
mSv
20
Nuklearmedizinische Diagnostik
<—
Herz Tl-201 Chlorid
<—
Hirn Tc-99m HMPAO
10
Urogramm —>
<— Leber Tc-99m HIDA
5
Magen-Dünndarm Passage —> natürlicher <— Herz Tc-99m Erythrozyten
LWS 2 Ebenen —> Strahlen- <— Skelett Tc-99m Phosphonat
Abdomen-Übersicht —>
pegel
<— Nieren Tc-99m MAG3
Becken-Übersicht —>
1
<— Lunge Tc-99m Mikrosphären
BWS 2 Ebenen —>
<— Schilddrüse Tc-99m Pertechnetat
0,5
<— Nieren Tc-99m DMSA
<— Nieren I-123 Hippuran
Schädel 2 Ebenen —>
Thorax 2 Ebenen —>
0,1
<—
<—
Schillingtest Co-57 Vit. B12
Clearance Cr-51 EDTA
Die
Tabelle
zeigt
die
Strahlenexposition (effektive Dosis)
bei
den
häufigsten
Untersuchungsverfahren
in
der
Nuklearmedizin
und
der
Röntgendiagnostik im Vergleich zur
jährlichen Schwankungsbreite der
natürlichen Strahlenbelastung (durch
inkorporierte natürlich vorkommende
Radionuklide wie K-40 und C-14,
Einatmung des der Uranzerfallsreihe
entstammenden
radioaktiven
Edelgases
Radon,
externe
Bestrahlung durch Radionuklide in
Erdreich und Baumaterialien und
durch kosmische Höhenstrahlung).
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 6
Von in Diagnostik und Therapie eingesetzten radioaktiv markierten Substanzen (Radiopharmaka) ist aus
Gründen des Strahlenschutzes und der Qualitätserhaltung größtmögliche radiochemische Reinheit - die
Aktivität muß in der gewünschten chemischen Verbindung vorliegen, um die gewünschte Verteilungsform zu
garantieren - und Radionuklidreinheit - andere Nuklide dürfen nicht vorhanden sein - gefordert.
Verschiedene Verteilungsformen (Tracerkinetik) sind z.B. aktiver Transport - der Tracer selbst ist
stoffwechselaktiv (I-131 in der Schilddrüse, Tl-201 im Herz) und reichert sich unter Energieverbrauch an -,
passiver Transport - der Tracer ist nicht stoffwechselaktiv und wandert passiv z.B. durch Konvektion (markierte
Erythrozyten im Blutstrom) oder Diffusion (Tc-99m DTPA in Nierenkapillaren) -, Partikelfixation mechanische Ablagerung der Aktivität (Aerosole mit Tc-99m werden zur Lungenuntersuchung eingeatmet).
Die Szintigraphie ist die Messung der Verteilung des Radiopharmakons im Körper durch Nachweis der
emittierten Photonen. Man unterscheidet die planare Szintigraphie, bei der die Verteilung der Aktivität aus
nur einer Blickrichtung gemessen wird, von der Tomographie, bei der mithilfe eines Computers aus vielen
Messungen aus verschiedenen Blickrichtungen die Aktivitätsverteilung dreidimensional berechnet wird.
Unter die planare Szintigraphie fallen Einzelaufnahmen statischer Aktivitätsverteilungen in Teil- oder
Ganzkörper (z.B. Ganzkörperaufnahme des Skelettes 2 h p.i.) und die Sequenzszintigraphie, die Aufnahme
mehrerer Bilder (Frames) nach einem festgelegten Zeitschema.
Eine Sequenzszintigraphie, bei der am Computer in allen Aufnahmen gleich eine "region of interest" (ROI)
über einen interessierenden Bereich gelegt und eine Zeit-Aktivitätskurve (Funktionskurve) erstellt wird, nennt
man Funktionsszintigraphie.
Bei der Tomographie bezeichnet man die in der Nuklearmedizin in der Regel verwendete Technik des
Nachweises einzelner Photonen als SPECT (Single Photon Emission Computer Tomographie). Im Gegensatz
dazu werden bei der PET (Positronen Emissions Tomograhie) die beiden 511 keV Photonen aus dem
Positronenzerfall gleichzeitig nachgewiesen.
Die Szintigraphie wird mit Gammakameras durchgeführt. In Relation zu normalen Kameras können Linse und
Film mit Kollimator und Szintillationsdetektor verglichen werden.
Verstärker
-200V
Anode
(0V)
-600V
-400V
Dynoden
-800V
-1000V
-1200V
e-
Photomultiplier
Das Szintillatorlicht löst
Elektronen aus der Photokathode, die nach elektrischer Beschleunigung
beim Aufprall auf die
Dynoden weitere Elektronen freisetzen (Sekundärelektronenvervielfachung).
Der Anodenstrom wird
anschließend elektronisch
verstärkt.
Kamerakopf
Ortsinformation
Energieinf.
Schilddrüse
Kollimator
Photokathode (-1400V)
Lichtleiter
Szintillator (NaI-Kristall)
Der Kollimator besitzt eine Wabenstruktur aus Blei, die Photonen nur aus jeweils einer bestimmten Richtung
(in der Regel nur senkrecht einfallend) passieren läßt, und wirkt dadurch abbildend.
Im Szintillationsdetektor befindet sich ein Natriumiodidkristall (NaI). Proportional zum Energieverlust eines
Photons im Kristall wird dort eine Anzahl positiver Ionen erzeugt, die bei Einfang freier Elektronen
Lichtquanten emittieren. Die so erzeugten Lichtblitze werden durch mehrere Photokathoden mit
Photomultipliern in elektrische Impulse umgewandelt, aus deren Verteilung und Höhe Auftreffort und
Energieverlust des Photons ermittelt werden.
Nachgeschaltete Kameraauswertesysteme digitalisieren die Szintigramme und ermöglichen deren
Speicherung und quantitative Auswertung.
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 7
Quantitative Schilddrüsenszintigraphie
Indikationen
- Klärung des Verdachts auf funktionelle Autonomie oder Morbus Basedow
- Malignitätsabklärung tastbarer Knoten oder sonographisch nachweisbarer Raumforderungen
- Nachweis und Lokalisation dystopen Schilddrüsengewebes
- Untersuchung auf Restgewebe oder Lokalrezidiv beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom
Radiopharmakon
Für die Szintigraphie der Schilddrüse wird heute fast ausschließlich Tc-99m Pertechnetat verwendet, das
aufgrund des fast identischen Anionenvolumens von den Thyreozyten wie Iod aufgenommen wird (trapping).
Für Iodisotope ergeben sich nur noch spezielle Indikationen, die auf der unterschiedlichen Biokinetik von
Pertechnetat, das nicht weiter verstoffwechselt wird, und Iod beruhen (z.B. Nachweis dystopen
Schilddrüsengewebes, Diagnostik der Iodfehlverwertung).
Innerhalb der ersten 20-30 Minuten korreliert der Tc-99m Thyroidea-Uptake (TcTU) ausreichend genau mit
der Iodidclearance der Schilddrüse.
Untersuchungstechnik
Untersuchungsgerät: Gammakamera mit hochauflösendem Kollimator
Radiopharmakon:
20-80 MBq Tc-99m Pertechnetat
Kameramessung:
Messung der Spritze vor Injektion, Injektion, Messung der leeren Spritze p.i.
Kontrolle der Injektionsstelle auf paravenöse Injektion
Schilddrüsenmessung 15-25 min p.i. (Dauer 2-8 min)
Auswertung:
Konturnahe ROI über der Schilddrüse, Untergrund-ROI caudal
Schilddrüsenimpulse - Untergrundimpulse
TcTU (%) = 100 *
Nettoimpulse der injizierten Aktivität
Interpretation
Beurteilt wird das Speicherungsmuster (mehr- (heiße) oder minderspeichernde (kalte) Areale) und der TcTU
unter Berücksichtigung der Vorbehandlung, der klinischen Symptomatik, des sonographischen Befundes und
der Laborwerte.
Morbus Basedow (homogener,
insgesamt erhöhter Uptake)
„kalter Knoten“
(Karzinom, Zyste, Entzündung, Blutung)
„heißer Knoten“
(autonomes Adenom)
Bei der Bestimmung der Speicherung unter Basisbedingungen (TcTUbasal) findet sich eine breite Überlappung
der Meßergebnisse von Patienten mit funktionell autonomer Struma, die u.U. mit einer hyperthyreoten
Stoffwechsellage verbunden sein kann, mit den Meßwerten von Patienten mit euthyreoter Iodmangelstruma.
Erst die Messung des TcTU unter exogener Suppression mit Schilddrüsenhormonen (TcTUsupp) erlaubt hier
eine ausreichend sichere Differenzierung. Aus diesem Grunde ist im Rahmen der differentialdiagnostischen
Klärung der funktionellen Autonomie häufig eine Szintigraphie unter Schilddrüsenhormonsuppression
erforderlich.
Referenzwerte des TcTU
TcTUbasal
TcTUsupp
Normal große Schilddrüse, kein Jodmangel
Normal große Schilddrüse, Jodmangel
Jodmangelstruma (Jodavidität)
Struma mit funktioneller Autonomie
Morbus Basedow
0,5 - 2 %
1,5 - 5 %
bis 15 %
bis 20 %
bis 40 %
< 0,5 %
<2%
<2%
1 - 10 %
5 - 25 %
Strahlenexposition:
effektive Äquivalentdosis 0,6 mSv bei 50 MBq Tc-99m Pertechnetat
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 8
Skelett-Szintigraphie
Indikationen
Untersuchung der regionalen Aktivität des Knochenstoffwechsels bei
- Knochenmetastasen maligner Tumoren wie Mamma-Ca und Prostata-Ca
- malignen Knochentumoren wie Ewing-Sarkom und Osteosarkom
- benignen Knochentumoren wie Osteoidosteom
- Osteomyelitis
- Verlaufskontrolle nach Endoprothesenimplantation
- Trauma
- rheumatischen Erkrankungen
- aseptischen Knochennekrosen wie Morbus Perthes
Radiopharmakon
Tc-99m-markierte Phosphonate wie Methylendiphosphonat (MDP) werden im Knochen in Abhängigkeit der
Perfusion und der Intensität des regionalen Knochenstoffwechsels durch rasche Anlagerung an neugebildete
Hydroxylapatitkristalle (Chemisorption) angereichert.
Untersuchungstechnik
Radiopharmakon: 10 MBq/kg Körpergewicht Tc-99m Methylendiphosphonat
Hydrierung:
ausreichende Flüssigkeitszufuhr (oral) zwischen Injektion und statischer Aufnahme der
Knochenphase. Unmittelbar vor der Aufnahme Blase entleeren lassen.
Messungen:
Perfusionsphase*: Sequenzaufnahme während der Injektion bis etwa 3-5 min p.i.
Weichteilphase*: Statische Aufnahmen 5-10 min p.i. (alt. Sequenz bis 10 min p.i.)
Knochenphase : Aufnahmen (auch Ganzkörper) nach 2-4 h p.i.
* Aufnahmen nur bei Bedarf (Dreiphasenskelettszintigraphie)
Interpretation
Das normale Szintigramm zeigt in der Knochenphase eine homogene, symmetrische Aktivitätsverteilung im
gesamten Skelettsystem mit minimaler Weichteilanreicherung. Pathologische Prozesse werden als fokale
Mehrspeicherung wie bei osteoblastischen Metastasen, fokale Minderspeicherungen wie bei osteolytischen
Metastasen oder durch eine diffus veränderte Nuklidverteilung dargestellt.
Januar 89
Juli 91
Januar 93
Juni 93
Abb.: Szintigraphischer Nachweis progredienter Metastasierung bei einem Patienten mit Prostata-Ca.
Die Dreiphasenskelettszintigraphie erlaubt die Differenzierung hyperämisierender Prozesse (z.B. Osteomyelitis,
primäre Knochentumore), die sich auch in Perfusions- und Weichteilphase darstellen, von den allein den
Knochenstoffwechsel beeinflussenden Prozessen (z.B. Metastasen), die nur in der Knochenphase anreichern.
Strahlenexposition:
effektive Äquivalentdosis 3 mSv bei 500 MBq Tc-99m MDP
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 9
Nierendiagnostik dynamisch (Radionuklidnephrographie RNG)
Indikationen
Untersuchung der renalen Partialfunktion nach i.v. Applikation ausschließlich glomerulär filtrierter oder
zusätzlich tubulär sezernierter Radiopharmaka mit der Frage der intra- und postrenalen Funktion einschließlich
der quantitativen Bestimmung der Nierenclearance (auch seitengetrennt) zur
- Abklärung einer Nierenarterienstenose bei arterieller Hypertonie (als Captopril-RNG)
- Diagnose und Verlaufskontrolle der Funktion (z.B. bei Chemotherapie mit nephrotoxischen Substanzen)
- Perfusionskontrolle bei Transplantatniere
- Abklärung von Harnabflußstörung und Reflux (als Diurese-RNG)
und seltener bei Entzündungen, Dystopie, Dysplasie, Verschmelzungsniere, Wanderniere.
Glomerulum 99mTc-DTPA (nur
Radiopharmaka
glomerulär filtriert,
Extraktion ca.20%)
Als Tracer kommen anhängig von der Indikation
Tc-99m MAG3
(Mercaptoacetylglycylglycylglycin),
I-123 Hippuran (Orthoiodhippursäure) oder Tc-99m
distales
TubulusDTPA (Diethylentriaminpentaessigsäure(acid)) zum
proximales
konvolut
Einsatz.
TubulusDie Voraussetzung zur Messung der glomerulären
konvolut
99mTc-MAG3
Filtrationsrate (GFR) würde am besten das rein
123I Hippuran
glomerulär filtrierte Inulin erfüllen. Das sich aufgrund
(tubuläre Sekretion
seiner Molekülgröße biokinetisch sehr ähnlich
Extraktion 80-90%)
verhaltende DTPA ist chemisch stabiler und leichter zu
markieren.
99mTc-DMSA
Substanzen wie Para-Amino-Hippursäure (PAH), die
(85% Fixation im
nach dem Verlassen des Glomerulums durch tubuläre
Tubulusepithel)
Sekretion nahezu vollständig aus dem Plasma eliminiert
werden, eignen sich zur Messung des effektiven renalen
Plasmaflusses (ERPF). Orthoiodhippursäure und das
Tc-99m-markierbare MAG3 verhalten sich ähnlich
Henle-Schleife
(Extraktion beim Nierendurchgang ca. 80-90 %).
Untersuchungstechnik
Vorbereitung:
Hydrierung des Patienten mit 10 ml Flüssigkeit pro kg KG
Radiopharmakon: 25 MBq I-123 Hippuran
oder: 200 MBq Tc-99m MAG3
oder: 200 MBq Tc-99m DTPA
Messungen:
Sequenzszintigraphie über ca. 30 min, Messung der Plasmaaktivität in einer oder mehreren
zu festgelegten Zeiten entnommenen Blutproben
Auswertung:
Erstellung untergrundkorrigierter Funktionskurven mit je einer konturnahen ROI über jede
Niere und einer ROI über dem Untergrund,
Berechnung der Seitenanteile aus den Anstiegen nach initialer Perfusion,
Berechnung der Nierenclearance aus den Plasmaaktivitäten
Bemerkung:
ggf. Wiederholung der Untersuchung nach Gabe von 25 mg Captopril (oral),
bei Diurese-RNG 20 min p.i. Injektion von 0,5 mg/kg KG Furosemid (Lasix)
Interpretation
Für die Funktionskurven über den Nieren finden sich typische Verläufe mit drei Phasen:
I II
III
Stauungstyp
normale Niere
Nephrektomietyp
0
5
10
15
Zeit p.i. [min]
25 0
5
10
15
Zeit p.i. [min]
25
Abb. links: Typische dreiphasige Funktionskurve der gesunden Niere, rechts: Vergleich mit pathologischen
Kurven bei funktionsloser (Nephrektomietyp) und gestauter Niere (Stauungstyp).
Kursus der Nuklearmedizin
Phase I:
Phase II:
Phase III:
Seite 10
Anflutungsphase (initiale Perfusion und Beginn der Akkumulation, bis ca 30 sek p.i.)
Sekretionsphase (Sekretion in die Nierentubuli bei fortdauernder Akkumulation )
Exkretionsphase (ab ca. 3-5 min Abtransport überwiegt Akkumulation und Sekretion)
Aus dem Anstieg der Kurven in Phase II werden die Seitenanteile der beiden Nieren an der Clearance
berechnet, bei fehlendem Anstieg in Phase II ist die Niere funktionslos.
Kein oder nur ein unzureichender Abfall in Phase III ist ein Hinweis auf eine Harntransportstörung, der eine
urodynamisch wirksame Harnabflußstörung oder z.B. eine Aktivitätskumulation in einem ektatischen
Nierenbecken zugrundeliegen kann. Der Klärung der DD dient die Diurese-RNG. Bei urodynamisch nicht
relevanten Veränderungen kommt es nach Lasixgabe prompt zur forcierten Exkretion des Radiopharmakons.
Bei Nierenarterienstenosen wird die Minderdurchblutung von Barorezeptoren in den afferenten Arteriolen des
Glomerulums registriert und von der Niere mit einer vermehrten Reninausschüttung beantwortet, was zu einer
Konstriktion der efferenten Gefäße und damit zur Steigerung des Blutdrucks im Glomerulum führt. Häufig wird
dadurch ein hinreichender Filtrationsdruck mit einer im Normbereich liegenden GFR erreicht. Durch Gabe
eines ACE (Angiotensin Converting Enzym) - Hemmers wie Captopril kann die Konstriktion des vas efferens
verhindert werden. Bei der RNG mit DTPA mit und ohne ACE-Hemmer ergeben sich bei hämodynamisch
wirksamer Nierenarterienstenose signifikante Änderungen der GFR des betroffenen Organs und bei einseitiger
Erkrankung eine deutliche Verschiebung der Seitenanteile. Bei Verwendung von Hippuran oder MAG3 erfolgt
unter ACE-Hemmung eine Abflachung der Funktionskurve in Phase III mit Verlängerung der
Eliminationshalbwertzeit.
Strahlenexposition: effektive Äquivalentdosis
0,3 mSv
1,5 mSv
1,0 mSv
bei 25 MBq I-123 Hippuran
bei 200 MBq Tc-99m MAG3
bei 200 MBq Tc-99m DTPA
Nierendiagnostik statisch
Indikationen
Abbildung des funktionsfähigen Nierenparenchyms durch szintigraphischen Nachweis der Akkumulation
markierter nierenaffiner Substanzen bei Hypoplasien, Dystopien, Schrumpfnieren, Wandernieren, Dysplasien,
Verschmelzungsnieren, Narben, Entzündungen und raumfordernden Prozessen.
Radiopharmakon
Ein Radiopharmakon für die statische Nierenszintigraphie muß über längere Zeit in der Niere gespeichert und
darf nur zu einem geringen Teil ins Nierenbeckenkelchsystem ausgeschieden werden. Deshalb kommen
nierenaffine Substanzen zum Einsatz, die im proximalen oder distalen Tubulusepithel gestapelt werden. Von
Tc-99m markierbaren Substanzen weist das DMSA (dimercaptosuccinic acid = Dimercaptobernsteinsäure) mit
85% die höchste Anreicherung in der Nierenrinde auf.
Untersuchungstechnik
Radiopharmakon: 40 MBq Tc-99m DMSA
Messung:
statisches Szintigramm ab etwa 2 h p.i. mit hochauflösendem Kollimator
Auswertung:
ggf. Bestimmung der seitengetrennten DMSA-Speicherung als Parameter der
tubulären Funktion bzw. aktiven renalen Masse
Interpretation
Das Szintigramm ist eine Darstellung des
funktionsfähigen Parenchyms. Es lassen
sich Lage, Größe und Form der Nieren
beurteilen sowie Bezirke verminderter bzw.
fehlender Funktion abgrenzen.
Die Anreicherung entspricht dem Anteil an
der tubulären Clearance; es besteht eine
sehr gute Korrelation zu den mit der RNG
bestimmten Seitenverhältnissen.
Strahlenexposition:
posterior
anterior
Speicherdefekt im oberen Pol der linken Niere einer 7-Jährigen
nach rezidivierenden hochfieberhaften Harnwegsinfekten (30
MBq Tc-99m DMSA).
effektive Äquivalentdosis 0,3 mSv bei 40 MBq Tc-99m DMSA
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 11
Myokardszintigraphie
Indikationen
Die Myokardszintigraphie hat drei Hauptindikationen in der Diagnostik der koronaren Herzkrankheit KHK, die
für die weitere Therapie entscheidend sind. Die Therapie der KHK besteht entweder in der antianginösen
Pharmakotherapie, durch die der Sauerstoffbedarf des Myokards auf das durch die Stenosen begrenzte Angebot
reduziert wird, oder aber in der Verbesserung der Durchblutung durch Angioplastie bzw. Bypassoperation. Vor
der Revaskularisierung steht in jedem Fall eine Herzkatheteruntersuchung zur Klärung der
Koronarmorphologie.
1. Die klinische Verdachtsdiagnose einer KHK ist allein nicht zuverlässig genug, einen Patienten der
Herzkatheteruntersuchung zuzuführen. Auch ein der Klinik widersprechendes Belastungs-EKG allein ist
wegen der geringen Sensitivität (60-70 %) bei niedriger Spezifität (70-80 %) nicht in der Lage, eine
Belastungsischämie zu beweisen oder auszuschließen. Bestätigt das Belastungs-EKG, das jedoch beim
Schenkelblock nicht aussagekräftig ist, den klinischen Befund, so ist die Diagnose hinreichend gesichert.
Ansonsten kann die quantitative Myokardszintigraphie in Ruhe und unter Belastung mit etwa je 90 %
Sensitivität und Spezifität zur Abklärung der KHK eingesetzt werden.
2. Gelegentlich kann bei gesicherter KHK vor der Revaskularisation durch die Katheteruntersuchung nicht die
hämodynamisch wirksame unter mehreren mittelgradigen Stenosen erkannt werden. Durch Darstellung der
ischämischen Bezirke durch die Szintigraphie sind die therapiebedürftigen Stenosen identifizierbar.
3. Im chronisch ischämischen Myokard findet sich in bis zu 10 % der akinetischen und ca. 50 % der
hypokinetischen Myokardsegmente autoptisch normales Myokardgewebe und die Kontraktilität normalisiert
sich nach Revaskularisation. Die Myokardszintigraphie in Ruhe unter voller antianginöser Medikation ist
zur Zeit das beste klinische Verfahren, diese vitalen Zonen dysfunktionellen Myokards (hibernating
myocardium) zu identifizieren und von irreversibel geschädigtem Myokard (Myokardnarben) zu
unterscheiden.
Radiopharmaka
Die Untersuchung kann mit Tl-201 oder mit Tc99m-markierten myokardaffinen Substanzen wie
Methoxyisobutylisonitril (MIBI) durchgeführt werden. Das Kaliumanalog Thallium reichert sich ähnlich wie
Kalium nach i.v. Injektion im Myokard (4-6 %) und anderer beanspruchter Muskulatur wahrscheinlich aktiv
über das Na-K-ATPase-System sowie in einigen parenchymatösen Organen an. Das Thallium wird nicht fest in
den Muskelzellen gebunden, wodurch es bei sinkender Konzentration im Blut zum Auswaschen der Aktivität
aus dem Muskel kommt. Es wird ein dynamisches Gleichgewicht zwischen ständigem Ein- und Ausstrom
angestrebt, das jedoch nur bei guter Durchblutung erreicht wird. Kurz nach der Applikation zeigen gut
durchblutete Areale eine starke Anreicherung während ischämische Bezirke erst langsam Aktivität
akkumulieren. Nach einigen Stunden ist die Blutkonzentration deutlich gefallen und ein Teil der Aktivität aus
den gut durchbluteten Arealen ausgewaschen während die ischämischen Bezirke ihre Aktivität nur langsam
wieder abgeben. Szintigraphisch kommt es durch diesen Effekt zu einer allmählichen Umverteilung im
Anreicherungsmuster zugunsten minderdurchbluteter Areale, der sogenannten Redistribution.
Auch MIBI, ein lipophiles Kation, das wegen seines großen negativen, transmembralen Potentials vorwiegend
in die Mitochondrien eingelagert wird, reichert sich wie Thallium durchblutungsabhängig im Herzmuskel an,
wird jedoch kaum ausgewaschen und zeigt daher keine Redistribution.
Untersuchungstechnik
Radiopharmakon: 74 MBq (bei Reinjektion + 37 MBq) 201-Tl Chlorid
oder: 200 MBq (Ruhe) + 350 MBq (Belastung) Tc-99m MIBI
Vorbereitung:
Zum Nachweis einer Belastungsischämie darf der Patient nicht unter antianginöser
Medikation stehen. Eine solche Therapie begrenzt die Herzarbeit und damit
Sauerstoffbedarf und Durchblutung und verhindert den Nachweis von Ischämien. Zur
Reduktion störender gastrointestinaler Anreicherung sollte der Patient nüchtern sein.
Untersuchung:
Zur Steigerung der Myokarddurchblutung wird der Patient körperlich so weit wie möglich
belastet (Ergometer) oder medikamentös stimuliert (z.B. mit Dipyridamol oder Adenosin).
mit Tl:
Nach Injektion des Thalliums wird die Belastung 1-2 min fortgeführt, unmittelbar gefolgt
von einer SPECT-Untersuchung. Nach ca. 3 h erfolgt eine weitere SPECT-Untersuchung in
Ruhe (Redistribution). Nur zum Nachweis vitalen, chronisch ischämischen Gewebes folgt
eine zweite Tl-Injektion in Ruhe unter voller antianginöser Therapie mit einer SPECTAufnahme 30 min p.i. (Reinjektion).
Kursus der Nuklearmedizin
mit MIBI:
Auswertung:
Seite 12
Es sind wegen fehlender Redistribution für die Untersuchung in Ruhe und unter Belastung
getrennte Injektionen notwendig, zwischen denen zum Abklingen der Aktivität der ersten 24
h liegen sollten. Jeweils etwa 1 h nach Applikation erfolgt eine SPECT-Untersuchung des
Herzens.
Computertomographische Rekonstruktion der Schnittbilder des Herzens aus den SPECTDaten in drei Ebenen senkrecht zu den individuellen Herzachsen.
Interpretation
Im Szintigramm
dominiert wegen
seiner größeren
Muskelmasse der
linke Ventrikel.
Kurze
Achse
Lange Achse
Er stellt sich in den
Transversalschnitten
ringförmig,
Szintigramme oben:
BELASTUNG
unten:
RUHE
in den Logitudinalschnitten
hufeisenförmig dar.
Beim gesunden Herz reichert sich die Aktivität sowohl in Ruhe als
auch unter Belastung im gesamten Herzmuskel gut an.
Irreversible Defekte wie Infarktnarben stellen sich in beiden
Untersuchungen gleich minderspeichernd dar. Das vitale chronisch
ischämische Myokard (hibernating myocardium) hat ein
Speichermuster ähnlich der Narbe, füllt sich jedoch nach
Reinjektion von Thallium ganz oder teilweise auf.
Eine reversible Ischämie stellt sich durch die im Vergleich zum
gesunden Myokard geringere Durchblutung besonders in der
Belastungsuntersuchung minderspeichernd dar während in der
Ruhe der Defekt weniger ausgeprägt erscheint oder ganz
verschwindet.
Insbesondere bei Mehrgefäßerkrankungen, bei denen aufgrund fehlender gesunder Vergleichsareale die
Speicherungsmuster in Ruhe- und Belastungsuntersuchung homogen und damit unauffällig erscheinen, kann
durch eine quantitative Sektorenanalyse von Speicherung und Washout die Treffsicherheit erhöht werden.
Strahlenexposition
effektive Äquivalentdosis 17 mSv bei 74 MBq Tl-201 Chlorid
4,5 mSv bei 550 MBq Tc-99m MIBI
Herzbinnenraumszintigraphie / Radionuklidventrikulographie
Indikationen
Messung der globalen oder regionalen Ejektionsfraktion zur Ermittlung der Herzfunktion
- nach Herzinfarkt, im Rahmen herzchirurgischer Eingriffe oder bei Kardiomyopathien als prognostischer
Index und zur Erkennung von Störungen des Kontraktionsablaufes,
- im Verlauf z.B. unter kardiotoxischer Zytostatikatherapie (z.B. mit Anthrazyklinen),
- vor Lungentransplantation wegen einer irreversiblen Lungenerkrankung (meist idiopathische Lungenfibrose)
zur Klärung einer belastungsinduzierten Schädigung des rechten Ventrikels und der daraus resultierenden
Notwendigkeit einer kombinierten Herzlungentransplantation.
Radiopharmaka
Für die Darstellung der großen Bluträume des Herzens und der großen Gefäße müssen Substanzen benutzt
werden, die längere Zeit intravasal bleiben wie z.B. Tc-99m Serumalbumin oder Tc-99m-markierte
Erythrozyten. Meistens werden Erythrozyten in vivo zunächst durch Injektion von Zinn(II)-Chlorid mit Zinn
markiert und nach ausreichender intravasaler Durchmischung Tc-99m Pertechnetat appliziert, wobei es in den
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 13
Erythrozyten durch die positiven Zinnionen zur Reduktion der negativen TcO4-Ionen und zur irreversiblen
Fixierung an das Hämoglobin kommt. Die Markierung kann bei etwas mehr Aufwand auch in vitro erfolgen.
Bei guter Markierungsausbeute, in vivo ist über 80%, in vitro sogar 99% erreichbar, spiegelt die mit der
Kamera gemessene Aktivitätsverteilung den regionalen Blutgehalt wieder und kann somit zur Volumetrie von
Bluträumen genutzt werden.
Untersuchungstechnik
Radiopharmakon: 600 - 800 MBq Tc-99m Pertechnetat in <1 ml Flüssigkeit, (Bolusinjektion)
Vorbereitung:
Blockade der Schilddrüse des Patienten (Strahlenschutz),
20-30 min p.i. intravenöse Applikation inaktiver Sn2--Ionen (Sn(II)-Chlorid)
Messung:
Einstellung der Kamera auf LAO 30-45° Projektion (überlagerungsfreie Darstellung des
linken Ventrikels) und Aufnahme einer "gated blood pool acquisition".
EKG
RV
Kamera
LV RV
LV 2 von 16 Summenbildern
100
[%]
EF=100 ∗
Computer
SV
[%]
EDV
50
Enddiastolisches
Volumen EDV
Endsystolisches
Volumen ESV
Auswertung:
Dabei werden EKG-gesteuert vom Herzzyklus (RR-Intervall) 16 zeitlich
aufeinanderfolgende Bilder aufgenommen (wie bei einem Film). Für eine ausreichende
Statistik werden ca. 500 Zyklen aufgenommen und die registrierten Impulse mithilfe des
EKG-Triggers phasengerecht den 16 Bildern zugeordnet.
Bei der First-Pass-Technik zur Untersuchung des rechten Ventrikels wird alternativ oder
zusätzlich während der Applikation der erste Aktivitätsdurchgang durchs Herz mit einer 30sSequenz mit ca. 30 frames/s aufgenommen, wobei die Passage des Aktivitätsbolus vom
rechten Vorhof in den Ventrikel zeitlich getrennt beobachtet werden kann.
Definition der ROI über dem linken Ventrikel in den 16 Bildern und Erstellung der
Zeitaktivitätskurve eines RR-Intervalls mit Korrektur des Untergrunds durch die Lunge.
Berechnung der Ejektionsfraktion EF.
Interpretation
Der Ablauf des repräsentativen Herzzyklus kann auf dem Computerbildschirm wie in einem Film betrachtet
werden. Störungen im Kontraktionsablauf wie Akinesien, Dyskinesien oder Hypokinesie bei Ischämien,
Infarktnarben oder Aneurysmen sind dabei häufig schon visuell zu erkennen. Die Befunde lassen sich
objektivieren durch die Analyse von Phase und Amplitude der Volumenkurven einzelner Sektoren des linken
Ventrikels und Bildung der regionalen EF.
Die EF des LV sollte in Ruhe mindestens 55% betragen. Außer bei alten Patienten sollte unter Belastung die EF
um mindestens 5 Prozentpunkte steigen. Geringere Werte signalisieren eine Herzinsuffizienz. Bei Patienten
unter Chemotherapie weist ein Abfall der EF um 5 Prozentpunkte im Verlauf auf eine beginnende
Kardiomyopathie hin.
Eine First-Pass-Untersuchung ermöglicht außer der überlagerungsfreien Darstellung des RV auch den Vergleich
der Durchflüsse des pulmonalen und des großen Kreislaufs und damit die Untersuchung auf einen Shunt, einem
Kurzschluß zwischen rechtem und linkem Herz.
Strahlenexposition
effektive Äquivalentdosis 4-5 mSv bei 700 MBq Tc-99m Erythrozyten
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 14
Hirnszintigraphie
Indikationen
Demenzabklärung, Zerebrovaskuläre Erkrankungen, Epilepsie, Hirntoddiagnostik
Radiopharmaka
Mit szintigraphischen Methoden lassen sich auf nichtinvasive (funktionelle) Weise die Mikrozirkulation und
verschiedene Stoffwechselvorgänge im Gehirn untersuchen. Auf diesem Gebiet liegt eines der
Hauptanwendungsgebiete der Positronenemissionstomographie (PET), mit der sich u.a. der
Glukosemetabolismus, die Proteinsynthese und der Neurorezeptorenstatus bei unterschiedlichen zerebralen
Erkrankungen untersuchen läßt. Aufgrund des relativ hohen finanziellen und technischen Aufwands stehen bei
der PET die Grundlagenforschung und klinische Forschung im Vordergrund.
Eingang in die klinische Routine fanden die SPECT-fähigen Tracer I-123 Amphetamin und in jüngster Zeit
Tc-99m HMPAO. Beide Radiotracer sind lipophil. Sie reichern sich nach Überqueren der Blut-Hirn-Schranke
proportional dem regionalen zerebralen Blutfluß im Gehirn an und bleiben dort über längere Zeit fixiert.
Untersuchungstechnik
Radiopharmakon: 500-800 MBq Tc-99m HMPAO
Vorbereitung:
Der Patient liegt kurz vor und nach der Injektion in einem abgedunkelten Raum, um eine
Aktivierung von Gehirnzentren z.B. durch optische und akustische Reize zu vermeiden.
Messung:
Die SPECT-Untersuchung erfolgt etwa eine Stunde p.i. Auf früheren Aufnahmen wäre der
Anteil intravasaler Aktivität, die eher das zerebrale Blutvolumen als den zerebralen Blutfluß
widerspiegeln würde, noch zu hoch.
Auswertung:
Erstellung von SPECT-Schnittbilder in transversaler, koronaler und sagittaler Ebene unter
Verwendung eines Glättungsfilters durch Rückprojektion der Daten mit dem Computer.
Interpretation
Bei der Demenzabklärung bereitet die Differentialdiagnostik der Demenzformen nach klinischen
Gesichtspunkten im Initialstadium häufig Schwierigkeiten. In der Praxis von Bedeutung ist die Abgrenzung der
Demenz vom Alzheimertyp von der vaskulären Demenz (Multiinfarktdemenz, M.Binswanger) und von
kognitiven Störungen im Rahmen einer depressiven Erkrankung, insbesondere bei betagten Patienten. Bei
Alzheimer-Demenz liegt auf den Schnittbildern eine meist beidseitige Minderspeicherung parietooccipital vor,
die ihre Ursache in einer kortikalen Atrophie, einer verminderten neuronalen Aktivität und daraus resultierender
Minderperfusion in dieser Region hat.
Für die vaskuläre Demenz sind multiple kleine kortikale Perfusionsdefekte typisch, während bei Patienten mit
depressiver Erkrankung in der Regel eine unauffällige Hirnperfusion, gelegentlich eine verminderte frontale
Speicherung nachweisbar ist.
Abb.: SPECT-Schnittbilder des Gehirns, Reihe oben: unauffälliger Befund, Mitte: Morbus Alzheimer mit
Perfusionsdefekten parietooccipital (∨), unten: aufgehobene Perfusion bei Hirntod.
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 15
Die zerebrovaskulären Erkrankungen sind die Domäne der morphologischen Verfahren
Computertomographie (CT) und Kernspintomographie (KST), deren Vorteil in der hohen Auflösung und guten
morphologischen Differenzierung bei geringem Zeitaufwand liegt. Die Messung des regionalen zerebralen
Blutflusses (rCBF) mittels Hirn-SPECT kann allerdings bei ausgewählten Fragestellungen Zusatzinformationen
liefern:
1. Beim Hirninfarkt kommt es unmittelbar nach dem Infarkt zur Abnahme des rCBF (funktionelles Defizit),
während im CT und KST erst Stunden bis Tage nach dem Infarkt ein struktureller Defekt sichtbar wird.
Beginnend 5 Tage nach dem Infarkt bis etwa dem 20. Tag tritt im Randgebiet des Infarkts eine
Luxusperfusion auf, bedingt durch eine Entkopplung von Perfusion und Metabolismus. Daraus resultiert
eine deutliche Abnahme der Sensitivität der Hirn-SPECT in diesem Stadium, insbesondere bei weniger
ausgedehnten Infarktarealen.
2. Durch Messung der zerebralen Perfusionsreserve, definiert als Steigerung des rCBF durch kurzzeitige
Provokation ähnlich der Myokardszintigraphie unter Belastung, läßt sich die zerebrale
Durchblutungssituation bei reversiblen und irreversiblen Durchblutungsstörungen erfassen. Von Interesse
ist diese Untersuchung zur Abschätzung des Risikostatus hinsichtlich eines Hirninfarkts bei Patienten mit
reversiblen Durchblutungsstörungen (der rasch abklingenden transitorischen ischämischen Attacke (TIA)
und dem länger anhaltenden (> 24 h) prolongierten reversiblen ischämischen neurologischen Defizit
(PRIND)) oder eines Reinfarkts.
Wertvolle Entscheidungskriterien können sich auch bei der Frage einer chirurgischen Intervention ergeben. Die
Provokation erfolgt in der Regel mit Kohlendioxid oder mit Acetazolamid (Diamox R), einem
Carboanhydrasehemmer, der durch Vasodilatation zu einer ca. 30 %igen Steigerung des rCBF im
Versorgungsgebiet unauffälliger cerebraler Gefäße führt. Im Gegensatz dazu ist die Reservekapazität im
Versorgungsgebiet stenosierter cerebraler Gefäße typischerweise erschöpft.
Die HMPAO-SPECT ist ein geeignetes Verfahren, um epileptische Foki bei Patienten mit
medikamentenrefraktärer partieller Epilepsie zu lokalisieren. Bei diesen Patienten, bei denen nur die operative
Behandlung zur Anfallsfreiheit führt, ist für das operative Management eine exakte präoperative Lokalisation
unverzichtbar. Diese gelingt mittels EEG nicht immer in gewünschter Weise. Interiktal (in Anfallsfreiheit) zeigt
sich in der HMPAO-SPECT im Bereich des Fokus (in der Regel im Temporallappen) eine umschriebene
Hypoperfusion, iktal (im Anfall) eine Hyperperfusion. Aufgrund des niedrigeren Aufwandes wird trotz
geringerer Sensitivität zunächst dem interiktalen Szintigramm der Vorzug gegeben.
In der Hirntoddiagnostik kann der vollständige Funktionsausfall des Gehirns prinzipiell allein durch klinische
Verlaufsuntersuchungen festgestellt werden. Apparative Zusatzverfahren können zum einen die klinischen
Zeichen des Hirntodes bestätigen, zum anderen die ansonsten erforderliche Wartezeit verkürzen. Die
Angiographie aller hirnversorgenden Arterien zum Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstandes wurde
wegen der potentiellen Nebenwirkungen, wie z.B. allergischer Schock, Blutungen weitgehend verdrängt. Statt
dessen haben sich neben dem EEG die transkranielle Dopplersonographie und die Tc-99m HMPAOSzintigraphie (Nachweis fehlender Hirnperfusion) etabliert. Die Szintigraphie wird im Gegensatz zum EEG
nicht durch Medikamente und Stoffwechselstörungen beeinflußt und ist als apparatives Zusatzverfahren von der
BÄK anerkannt.
Strahlenexposition
effektive Äquivalentdosis 7 mSv bei 800 MBq Tc-99m HMPAO
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 16
Szintigraphie der Lunge
Indikationen
Perfusionsszintigraphie:
Nachweis der Lungenembolie
Ventilationsszintigraphie: DD der primären Perfusionsstörung bei Lungenembolie gegenüber der
sekundären Perfusionsstörung bei obstruktiver Bronchialerkrankung.
Radiopharmakon
Die Untersuchung wird mit Tc-99m markierten Albumin-Mikropartikeln durchgeführt.
Bei der Perfusionsszintigraphie wird die Substanz i.v. injiziert. Die Partikel (Ø 10-50 µm) verursachen in der
Lungenendstrombahn Mikroembolien der Lungenkapillaren (Ø ca. 8 µm). Es werden so wenig Partikel
verwendet, daß maximal jede 10000ste der ca. 3∗108 Kapillaren blockiert wird. Die Aktivitätsverteilung über
der Lunge zeigt die perfundierten Anteile, embolisch bedingte Verschlüsse größerer Gefäße führen zu
segmentalen Speicherausfällen.
Bei der Ventilationsszintigraphie wird die Substanz als Aerosol inhaliert, wodurch es zur Anreicherung in den
belüfteten Anteilen der Lunge kommt.
Untersuchungstechnik Perfusionsszintigraphie
Radiopharmakon: 100 MBq Tc-99m Albumin-Mikropartikel in homogener Suspension
Injektion:
keine Blutaspiration in die Spritze (sonst Bildung von Makroaggregaten)
Messungen:
unmittelbar p.i. 6 Kameraaufnahmen mit hochauflösendem Kollimator
(anterior, posterior, rechts und links lateral, rechts und links schräg)
Untersuchungstechnik Ventilationsszintigraphie
Radiopharmakon: aus einer homogenen Suspension werden Tc-99m Albumin-Mikropartikel vernebelt (z.B.
durch Ultraschall). Der Patient inhaliert möglichst in sitzender Stellung etwa 10 min lang
das Aerosol (Tröpfchen max. 0,2 mm) und atmet dabei etwa 10 MBq Tc-99m ein.
Messungen:
unmittelbar nach Inh. 6 Kameraaufnahmen mit hochauflösendem Kollimator
(anterior, posterior, rechts und links lateral, rechts und links schräg)
Bemerkungen:
die Inhalation erfolgt gegen leichten Widerstand und erfordert daher die Mithilfe des
Patienten (bei Schwerkranken manchmal problematisch )
Interpretation
Bei der Lungenembolie treten typische segmentale Speicherdefekte auf. Da diese auch durch Raumforderungen
(z.B. Tumoren oder Metastasen) bedingt sein können, ist zur Beurteilung ein Röntgenthorax notwendig.
Minderspeicherungen kommen zudem bei sekundären Perfusionsstörungen bei eingeschränkter Ventilation im
Rahmen obstruktiver Bronchialerkrankungen vor (sog. alveolovaskulärer Reflex), weshalb ggf. zusätzlich eine
Ventilationsszintigraphie erforderlich sein kann.
posterior
links schräg
links lateral
rechts schräg
rechts lateral
anterior
Bei der akuten Lungenembolie ist im Gegensatz zur Obstruktion die Ventilation erhalten. Demzufolge ergibt
sich bei der Embolie ein pathognomonisches "Mismatch" des Defekts in der Perfusion (obere Reihe, oberer
rechter Lungenlappen) bei erhaltener Ventilation (untere Reihe), während sich bei Raumforderungen und/oder
Obstruktion ein "Match" der Defekte in Perfusion und Ventilation zeigt.
Strahlenexposition:
effektive Äquivalentdosis 1 mSv bei 100 MBq Tc-99m Mikropartikel
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 17
Radioiodtherapie gut- und bösartiger Schilddrüsenerkrankungen
Grundlagen der Radioiodtherapie:
Das für die Radioiodtherapie RIT verwendete Radionuklid I-131 wird oral (als Kapsel) verabreicht und rasch
und vollständig im Dünndarm resorbiert. Wie das mit der Nahrung aufgenommene nicht radioaktive Iod wird es
in der Schilddrüse konzentriert und verstoffwechselt. I-131 emittiert sowohl ß- als auch γ-Strahlung mit einer
Halbwertzeit von 8 Tagen. Die therapeutische Wirkung wird fast ausschließlich durch die ß-Strahlen erzielt.
Ihre mittlere Reichweite im Gewebe liegt bei 0,5 mm, sie verläßt den Körper also nicht. Die γ-Strahlen mit einer
Energie von 360 keV können im Gegensatz dazu an der Körperoberfläche mit Gammakameras oder Detektoren
registriert werden, was erst den Nachweis speichernden Gewebes ermöglicht.
Indikationen:
A. Gutartige Schilddrüsenerkrankungen
1.Immunthyreopathie vom Typ M.Basedow: Die Basedow-Hyperthyreose wird zunächst 1 Jahr lang
thyreostatisch behandelt. Erst wenn es nach einem Auslaßversuch der Thyreostatika zu einer Rezidivhyperthyreose kommt, womit bei etwa 60 % der Patienten zu rechnen ist, wird eine definitive Therapie in Form
der Operation oder RIT angestrebt. Aufgrund der eindeutig niedrigeren Nebenwirkungsrate der RIT stellt diese
Therapieform das Verfahren der ersten Wahl dar. Nur bei sehr großen Strumen, bei Malignomverdacht oder bei
Kontraindikation (Schwangerschaft) sollte der Operation der Vorzug gegeben werden.
2.Funktionelle Autonomie: Die funktionelle Autonomie ist nicht notwendigerweise mit einer Hyperthyreose
vergesellschaftet, ist also nicht in jedem Fall behandlungsbedürftig. Wenn aber einmal eine Hyperthyreose
aufgetreten ist, ist im Gegensatz zur Basedow-Erkrankung keine Spontanremission zu erwarten. Bei diesen
Patienten hat also immer eine definitive Therapie wie oben angegeben zu erfolgen.
Der besondere Vorteile der RIT im Vergleich zur
Szintigramme vor
Operation ist die selektive Anreicherung des I-131 in
und 5 Monate
nach RIT zur
den funktionell autonomen Bezirken wodurch gesundes
Ausschaltung
Gewebe geschont und bei Patienten mit multifokaler
einer funktionellen
und disseminierter funktioneller Autonomie alle heißen
Autonomie.
Areale mit Sicherheit ausgeschaltet werden.
Eine Indikation zur RIT kann aber auch bei (noch) euthyreoter Stoffwechsellage bestehen. Dies gilt
insbesondere für ältere Patienten mit zusätzlich bestehenden tachykarden Rhythmusstörungen sowie für
Patienten mit großem Autonomievolumen wegen der potentiellen Gefährdung durch Iod
(Hyperthyreosegefahr!), z.B. durch iodhaltige Kontrastmittel und Pharmaka.
B. Bösartige Schilddrüsenerkrankungen:
Bei Patienten mit papillärem und follikulärem Schilddrüsenkarzinom ist die Thyreoidektomie beidseits die
wichtigste und vordringliche Maßnahme. Beim pT1 Stadium (Tumordurchmesser < 1 cm) des papillären
Karzinoms sind keine weitergehenden therapeutischen Maßnahmen erforderlich. Bei allen übrigen Stadien des
papillären und allen follikulären Karzinomen wird der verbliebene Schilddrüsenrest routinemäßig durch
Radioiod abladiert. Erst dies gewährleistet eine ausreichende Speicherung in Metastasen bzw. Rezidivtumoren,
da sich das Iod erst nach der Elimination des normalem Schilddrüsengewebe in genügend hohem Maße in
maligne transformierten Thyreozyten anreichert. Durch I-131 können Schilddrüsenmetastasen selektiv beseitigt
werden. Bei medullären und anaplastischen Schilddrüsenkarzinomen spielt die RIT wegen fehlender
Radioiodspeicherfähigkeit keine Rolle.
Anreicherung
Szintigramme nach 1., 2. und
von I-131
4.Therapie bei einem Kind
in den
aus Weißrußland, bei dem im
Metastasen
Alter von 13 Jahren ein
eines
Schilddrüsenkarzinom
hochdifferenzi
infolge des Reaktorunglücks
erten
in Tschernobyl diagnostiziert
Schilddrüsenwurde.
karzinoms.
Nach 4 Therapien mit
jeweils 6 GBq I-131 ist die
bei
der
1.Therapie
erkennbare
ausgedehnte
diffuse Metastasierung der
Lunge verschwunden, es
sind
keine
krankheitsbedingten
02/95 12/95
07/96
Anreicherungen
mehr
erkennbar.
Kursus der Nuklearmedizin
Seite 18
Durchführung:
Vor der RIT benigner Schilddrüsenerkrankungen wird ambulant mit einer kleinen I-131-Aktivität (1 MBq) eine
Speicherungsmessung durchgeführt. Aus der zu therapierenden Masse, die sonographisch ermittelt wird, läßt
sich bei Kenntnis des Speicherungsverhaltens der Schilddrüse die zur Erreichung einer gewünschten
Schilddrüsendosis benötigte Therapieaktivität berechnen. Bei Morbus Basedow wird eine Zieldosis von
200 Gy, bei Autonomie von 300 Gy angestrebt, da sich diese Werte empirisch als geeignet erwiesen haben.
Die Durchführung der RIT erfolgt stationär in einer speziellen nuklearmedizinischen Therapiestation. Aus
Strahlenschutzgründen darf der Patient erst entlassen werden, wenn die Ganzkörperaktivität den gesetzlich
vorgeschriebenen Grenzwert (250 MBq) erreicht hat und seit der Applikation mindestens 48 h vergangen sind.
Typischerweise beträgt der stationäre Aufenthalt wenige Tage. Während dieser Zeit wird regelmäßig die
gespeicherte Aktivität bestimmt und daraus die Therapiedosis berechnet. Bei Karzinompatienten werden im
Anschluß an die Therapien Szintigramme zur Dokumentation der Speicherung von Restgewebe und Metastasen
angefertigt.
Nebenwirkungen und Risiken der Radioiodtherapie
Allergische Reaktionen auf Radioiod treten selbst bei Patienten mit allergischer Disposition gegenüber Iod
nicht auf, da sich die Iodmenge im Mikrogrammbereich bewegt. Bei den Nebenwirkungen und Risiken
unterscheidet man zwischen Früh- und Späteffekten. Die in seltenen Fällen als frühe Nebenwirkung auftretende
strahleninduzierte Entzündung der Schilddrüse ist präventiv oder therapeutisch medikamentös (z.B.
Antiphlogistika) behandelbar. Zu den Spätkomplikationen bei der Karzinomtherapie gehört das Sicca-Syndrom
als Folge der radiogenen Sialoadenitis. Durch reichlich Flüssigkeitszufuhr und Anregung des Speichelflusses
(zum Beispiel durch saure Bonbons) kann diesem in der Mehrzahl der Fälle erfolgreich vorgebeugt werden.
Eine nach Hyperthyreosetherapie auftretende Hypothyreose wird nach heutiger Auffassung nicht mehr als
eigentliche Nebenwirkung, sondern eher als Therapieerfolg ähnlich der Hypothyreose nach Operation
verstanden. Bei diesen Patienten muß eine lebenslange thyreosubstitutive Therapie mit Levothyroxin
durchgeführt werden.
Eine gefürchtete Spätkomplikation stellen potentielle karzinogene Effekte der RIT dar. Für die Behandlung der
gutartigen Schilddrüsenerkrankungen konnte in einer Vielzahl von Studien kein gehäuftes Auftreten von
Spätkarzinomen oder Leukämien festgestellt werden. Bei der vergleichsweise hochdosierten Karzinomtherapie
ist allerdings eine erhöhte Inzidenz von Leukämien nachgewiesen worden. Diese treten bei etwa 1 Prozent der
radioiodtherapierten Schilddrüsenkarzinompatienten durchschnittlich 5 Jahre nach RIT auf.
Herunterladen