70 QUALITÄTSSICHERUNG / MESSTECHNIK Bildverarbeitungs-System sortiert Schüttgut im freien Fall Kaum in der Luft, schon sortiert Ein Bildverarbeitungs-System für das Sortieren von Schüttgut im freien Fall nutzt die Rechenleistung von ­FPGA-Bausteinen auf Bilderfassungskarten. Dabei verarbeiten diese die Bildquelle: Stemmer Imaging Ursprünglich hat Stemmer Imaging, Puchheim, das Bildverarbeitungs­ system für eine Anwendung im Berg­ bau entwickelt, bei der ein etwa 2 m breites Förderband Gesteinsbrocken verschiedener Größen und Farben mit ­ ignale einer Zeilenkamera, die die S einzelnen Brocken und Körner erfasst. Eine Steuereinheit aktiviert den Auswurf-Mechanismus, der die Teile nach Merkmalen wie Farbe oder Größe hoher Geschwindigkeit zur nächsten Verarbeitungsstation transportiert. Die Aufgabe bestand in dieser Anlage dar­ in, bestimmte Gesteine während des Transports in sehr kurzer Zeit zu klas­ sifizieren, ihre geometrischen Merk­ sortiert. Die eingesetzte Technologie eignet sich auch für den Einsatz in der Kunststoff-verarbeitenden Industrie. male und ihre Position auf dem Fließ­ band zu erkennen und die gefundenen Objekte anschließend über Auswerfer vom Förderband zu entfernen. Eine erschwerende Randbedingung neben der im Bergbau üblichen Staub- und Schmutzentwicklung sowie den wech­ selnden Licht- und Temperaturverhält­ nissen war dabei unter anderem die Tatsache, dass sich das dunkle Gestein nur geringfügig von der dunklen Farbe des Transportbandes abhob. Zudem musste das System die gesuchten Ob­ jekte innerhalb kürzester Zeit erken­ nen, um den nachfolgenden Aus­ Das System erkennt die gesuchten Objekte innerhalb von 0,02 ms und sortiert unerwünschte Objekte mit dem Ausschleuse-Mechanismus aus. 05 · 2014 · Plastverarbeiter www.plastverarbeiter.de QUALITÄTSSICHERUNG / MESSTECHNIK 71 Bildquelle: Stemmer Imaging vorliegenden Spezifikationen an die jeweilige Aufgabenstellung an. In die­ sem Fall integrierte das Unternehmen alle Bildverarbeitungskomponenten und übernahm Einbau sowie An­ schluss der Kamera. Schnell wie der Blitz Um den rauen Umgebungsbedingungen des Einsatzortes zu widerstehen, umgibt diese Zeilenkamera ein doppelwandiges Kameraschutzgehäuse mit Wasserkühlung und doppelter Frontscheibe. Datenmengen von bis zu 276 MB/s im Camera-Link-Medium-Modus. Um den rauen Umgebungsbedin­ gungen des Einsatzortes zu widerste­ hen, umgibt diese Zeilenkamera ein doppelwandiges Kameraschutzgehäu­ se mit Wasserkühlung. In dieser stabi­ len Verpackung ist sichergestellt, dass die Kamera immer im geforderten Temperaturbereich arbeitet und den elektrisch leitenden Kohlestaub von der Kamera fernhält. Um stets einen freien Blick der Kamera auf das trans­ portierte Schüttgut zu gewährleisten, hält ein Druckluftvorhang die Sicht­ scheibe des Gehäuses frei von Verun­ reinigungen. Derartige Spezialgehäuse bezieht Stemmer Imaging von externen Lie­ feranten und passt sie dann nach den schleuse-Mechanismus rechtzeitig und genau zu aktivieren. Was im Bergbau unter harten Bedingungen zuverlässig funktioniert, ist auch für Kunststoffverarbeitende Unternehmen eine Lö­ sung. Die Aufgabe zur Gesteinssortierung haben die Projektbeteiligten mithilfe von Bildverarbeitungs-Komponenten von Stemmer Imaging gelöst. Dessen Experten untersuchten die optimale Kombination der geeigneten Kompo­ nenten dabei vorab im Zuge einer Machbarkeitsstudie. Zur Ausleuchtung des Bildaufnahmebereichs wählten sie eine 250 cm breite, wassergekühlte Zeilenbeleuchtung des Typs Lux HD2500/WH des Herstellers Hema, die eine Stromaufnahme von 40 A bei ei­ ner Spannung von 36 V und damit eine Leistung von 1.440 W aufweist. Daher erfordert der Betrieb dieses ­regelbaren Leuchtbalkens StarkstromNetzteile. Die Bildaufnahme erfolgt durch ei­ ne 3CMOS-Farbzeilenkamera des Typs LT400 CL-F mit 4.096 Bildpunkten des dänischen Herstellers JAI. Sie ist mit einer Camera-Link-Schnittstelle ausge­ stattet und überträgt die anfallenden www.plastverarbeiter.de Bildquelle: Stemmer Imaging Kamera in Sicherheitsverwahrung In der beschriebenen Anwendung nimmt die JAI-Kamera Farbzeilen­bilder des Schüttguts auf und leitet die Bild­ daten an einen PC weiter, in dem ein Frame Grabber des Typs Micro-Enable IV-VD4-CL von Silicon Software für die sofortige Verarbeitung der aufge­ nommenen Bilder und die Klassifizie­ rung der Objekte sorgt. Kernstück die­ ser Bilderfassungskarte ist ein FPGABaustein, der mit der Entwicklungsum­ gebung Visual-Applets 2.0 von Silicon Software programmiert wurde. Diese Plattform ermöglicht ein effizientes Programmieren von FPGAs. Aufgrund der optimierten Verarbeitungsroutinen und der Nutzung der FPGA-Ressourcen erreicht das System eine extrem schnel­ le Objektklassifizierung mit Erken­ nungszeiten von unter 0,02 ms. Die Klassifizierung der Objekte in der Bergbauanwendung umfasst dabei Merkmale wie die Fläche und Farbe der Objekte, ihren Schwerpunkt in x- und y-Richtung, das umrandende Recht­ eck, ihren orthogonalen und diagona­ len Umfang sowie die Kompaktheit der einzelnen Gesteinsbrocken. Die Errechnung des Schwerpunkts ist er­ forderlich, um die genaue Lage der Schlechtteile zu kennen und so das nachfolgende Ausschleusen über die Aktuatoren zu ermöglichen. Dabei Eine 250 cm breite, wassergekühlte Zeilen­beleuchtung mit einer Leistung von 1.440 Watt übernimmt die Ausleuchtung. Plastverarbeiter · 05 · 2014 QUALITÄTSSICHERUNG / MESSTECHNIK muss das System die exakte Position, den Zeitpunkt und die Dauer der Ein­ wirkung durch die Aktuatoren berech­ nen, um das erkannte fehlerhafte Teil zuverlässig auszuschleusen. Für An­ wendungen in der Kunststoffindustrie lassen sich die Fehlerkriterien je nach Bedarf anpassen. Denkbar sind bei­ spielsweise Klassifizierungen nach Far­ be, Größe oder Verschmutzungsgrad. In Bezug auf die Bildverarbeitung umfasst das System zunächst die Auf­ nahme eines RGB-Kamerasignals mit 10 Bit je Ebene, das anschließend ei­ nem White-Balance-Abgleich unterzo­ gen wird. Diese Daten wandelt der FPGA danach in den HSI-Farbraum, um den Hintergrund und die Gutteile in Punkto Farbe zu definieren. Es ent­ stehen so drei Ebenen: gut, unbekannt und Hintergrund. Auf dieser Basis er­ folgt eine Bildsegmentierung mithilfe einer Blob-Analyse, um so die gefun­ denen Objekte ihren Merkmalen ent­ sprechend zu klassifizieren. Wird auf diese Weise ein fehlerhaf­ tes Element erkannt, steuert der Frame Grabber nachfolgende I/O-Module an, die die Aktuatoren zum Ausstoßen der unerwünschten Teile veranlassen. Software sortiert alles Bildquelle: Silicon Software „Für die gesamte Entwicklung dieses Systems waren rund fünf Manntage erforderlich“, schätzt Jörg Schmitz aus dem technischen Vertrieb von Stem­ Bildquelle: JAI 72 Eine Farbzeilenkamera mit 4.096 Bildpunkten nimmt die Bilder auf und überträgt die Daten ­mittels Camera-Link-Schnittstelle. mer Imaging, der für die Planung des Projekts verantwortlich war. Ein we­ sentlicher Teil bestand dabei in der Programmierung des FPGAs mithilfe von Visual-Applets 2. Hier profitierte der Kunde von den Erfahrungen des Unternehmens, das als erster Partner von Silicon Software die Kriterien er­ füllte, um als Visual-Applets Design Center (VADC) tätig zu sein. Mit seinen Visual-Applets Compe­ tence Centern (VACC) und den darü­ ber hinaus gehenden VADCs hat Sili­ con Software ein zweistufiges Zertifi­ zierungssystem eingeführt. Damit verbunden ist eine Qualitätsaussage, die Anwendern hilft, für ihre VisualApplets-Projekte einen geeigneten Partner zu finden. Ein VACC führt Schulungen und Beratungen zu die­ sem FPGA-Programmierwerkzeug durch. VADCs gehen noch einen Schritt weiter: Sie lösen Bildverarbei­ tungs-Anforderungen per FPGA-Pro­ grammierung durch Visual-Applets, was in der beschriebenen Anwendung der Fall war. Für den Kunden war es dabei zudem wichtig, dass er die vor­ bereiteten Source-Codes selbst weiter­ entwickeln kann, was im Design des Systems berücksichtigt ist. Das beschriebene System ist inzwi­ schen beim Endkunden installiert und in Betrieb gegangen. Es ist jedoch nicht auf Anwendungen im Bergbau oder der Kunststoffindustrie limitiert: Im Prinzip eignet sich diese Lösung für alle Anwendungen, bei denen schnell bewegtes Schüttgut klassifiziert und sortiert beziehungsweise ausgestoßen werden soll. Dazu zählen auch Appli­ kationen, bei denen andere Rohstoffe, wie Kunststoff-Granulate oder Lebens­ mittel, sortiert werden sollen. n Der Frame Grabber verarbeitet die aufgenommenen Bilder und klassifiziert die Objekte in unter 0,02 ms. Autor Peter Stiefenhöfer ist Leiter Marketing & Öffentlichkeits­ arbeit bei Stemmer Imaging in Puchheim. InfoDirect 672pv0514 www.plastverarbeiter.de ̕̕Link zum Unternehmen ̕̕Kontakt Stemmer Imaging, Puchheim, [email protected] 05 · 2014 · Plastverarbeiter www.plastverarbeiter.de