15. Deutsch-Koreanisches Forum [Arbeitsgruppe 2] Die Rolle der Frau in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Heike Baehrens Die Rolle der Frau in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt und verändert sich von Generation zu Generation. So musste zum Beispiel meine Mutter noch auf eine Berufsausbildung verzichten, weil ihre Brüder Vorrang hatten. Meine Töchter leben jetzt in einem Land, in dem genauso viele (und bald sogar mehr) Frauen Universitäten besuchen wie Männer, in dem fast 40% der Parlamentsabgeordneten weiblich sind. Ein Land, das seit 11 Jahren von einer Frau regiert wird. Eine der ersten Weichenstellungen für diese Entwicklung fällt mit der Gründung der Bundesrepublik zusammen: 1949 wurde die Gleichberechtigung von Mann und Frau ins deutsche Grundgesetz aufgenommen. Allerdings dauerte es noch eine ganze Generation, bis diese Gleichstellung rechtlich weitgehend umgesetzt wurde. So konnten verheiratete Frauen erst ab 1962 ohne die Zustimmung ihres Mannes ein Konto eröffnen. Und es dauerte sogar bis 1977, dass Frauen ohne dessen Einwilligung einen Beruf ausüben durften. Nach der Wiedervereinigung 1989 überarbeitete eine Verfassungskommission das nun gesamtdeutsche Grundgesetz und erweiterte den Gleichberechtigungsgrundsatz. Seit 1994 heißt es dort: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." (Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz). Jeder einzelne dieser wichtigen Meilensteine auf dem Weg zur Emanzipation von Frauen ist dem beharrlichen Engagement zivilgesellschaftlicher und politischer Gruppen, aber auch der Überzeugungskraft von Einzelpersonen zu verdanken. So geht der Satz im Grundgesetz „Männer und Frauen sind 1 gleichberechtigt“ auf die Initiative der Sozialdemokratin Elisabeth Selbert zurück. Sie setzte ihn gegen viel Widerstand und mithilfe damaliger Frauenrechtsorganisationen durch. Gerade politische Parteien haben eine Vorreiterrolle übernommen bei der aktiven Gleichstellung von Frauen. Neben der SPD, in der es in ihrer über 150-jährigen Geschichte regelmäßig Vorkämpferinnen für Frauenrechte gab, treten insbesondere die Grünen öffentlichkeitswirksam für frauenpolitische Themen ein. Gleichstellungsthemen wurden seit den 80er Jahren zunehmend zum politischen Mainstream. Zuerst führten die Grünen eine verbindliche Frauenquote in ihrer Partei ein. Die SPD folgte 1988 mit dem Beschluss, mindestens 40 Prozent aller Ämter und Mandate mit Frauen zu besetzen. Und seit 2011 werden die Bundestagsmandate in der SPD je zur Hälfte von Frauen und Männern besetzt. 1999 wurde Gendermainstreaming dann erstmals als Leitgedanke in das Regierungsprogramm der Rot-Grünen Bundesregierung aufgenommen. Lange wurde in Deutschland darüber gestritten, ob Quotierung der richtige Weg zur Gleichstellung sein kann. Gerade in der Politik zeigt sich, dass die Partizipation von Frauen innerhalb ihrer Parteien enorm zugenommen und sie gleichzeitig die politische Kultur positiv verändert hat. Je verbindlicher die Quotenregelung ist, desto höher ist auch die Beteiligung und die konkrete Machtverschiebung zugunsten von Frauen – von innerparteilichen Ämtern bis hin zu den Parlamentariern. Dieser Rückblick verdeutlicht, dass Gleichstellung ein langwieriger, noch nicht abgeschlossener Prozess ist. Gleichberechtigung ist kein Selbstläufer, sondern braucht immer wieder neue Anstöße. Dafür möchte ich einige Beispiele nennen. Eine zentrale Rolle kommt der Familienpolitik zu. Hier war in Deutschland insbesondere die gesetzliche Einführung der Elternzeit wegweisend. Nicht nur Frauen, sondern beide Elternteile haben nun einen Anspruch auf eine 2 berufliche Auszeit zur Kindererziehung. Während dieser Zeit erhalten sie ein sogenanntes Elterngeld. Dieses ist kein voller Lohnersatz, aber ein starker Anreiz, Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Die Dauer der finanziellen Unterstützung erhöht sich, wenn beide Elternteile das Elterngeld nutzen. Die Ergebnisse sind überzeugend: Die Beteiligung der Väter steigt seit Einführung dieser Regelung 2007 kontinuierlich an. Beim Geburtsjahrgang 2008 bezog nur für jedes fünfte Kind (20,8 %) auch der Vater Elterngeld. 2014 war es bereits für jedes dritte. Das Gesetz fördert somit gleichberechtigte Partnerschaft. Und es beeinflusst langfristig die gesellschaftlichen Rollenbilder: Es wird selbstverständlicher, dass sich auch Männer um Haushalt und Familie kümmern. Und es ist weniger ungewöhnlich, dass Mütter früher wieder ins Berufsleben einsteigen. So entwickeln sich nicht nur das Frauen-, sondern auch das Männer- und das Familienbild stetig weiter. Dennoch erleben wir, dass in Ausbildung, Studium und Beruf alte Rollenbilder in Deutschland noch immer prägend sind. So wählen beispielsweise Mädchen noch immer sehr häufig die Ausbildung zur Friseurin, während Jungen sich für den KFZ-Mechaniker entscheiden. Frauen studieren eher Kulturwissenschaft und Männer häufiger Physik. Insbesondere mit bildungspolitischen Maßnahmen in Kindertagesstätten und Schulen versucht man, dem entgegen zu wirken. Und auch mit speziellen Angeboten wie dem sogenannten Girls‘ Day oder dem Boys' Day soll das geschlechterspezifische Berufswahlspektrum erweitert werden: An diesen Tagen werden Schülerinnen motiviert, sich auch mit Wirtschaft und Technik zu beschäftigen, während Schüler dazu angeregt werden, auch soziale und Dienstleistungsberufe kennenzulernen. Abschließend möchte ich noch auf die Karrierechancen von Frauen eingehen, die in Deutschland in vielen Branchen noch immer geringer sind als für Männer. Obwohl Frauen im Schnitt bessere Noten beim Schul- oder 3 Studienabschluss erreichen, ist es für sie schwer, in die männerdominierten Führungspositionen von Unternehmen aufzusteigen. Männer fördern und befördern immer noch eher Männer, nicht wenige von ihnen tun sich auch schwer mit den besonderen Führungskompetenzen von Frauen. Dabei ist längst erwiesen, dass gemischt besetzte Führungsteams auf allen Ebenen eine höhere Leistungsfähigkeit haben. Wir sollten es uns nicht länger leisten, auf das Wissen, die Erfahrung und die soziale Kompetenz so vieler weiblicher Führungskräfte zu verzichten – diese Einsicht ist in Deutschland durchaus gewachsen. Dennoch reagiert die deutsche Wirtschaft nur sehr zögerlich. So war man nach zunehmendem politischem Druck schließlich 2011 bereit, einer Selbstverpflichtung zuzustimmen, mehr Frauen in die Vorstände und Aufsichtsräte großer Unternehmen zu berufen. Doch diese Maßnahme brachte kaum Veränderung. Darum hat die große Koalition aus SPD und CDU/CSU in dieser Legislaturperiode eine verpflichtende Frauenquote eingeführt. Sie schreibt vor, dass große börsennotierte Unternehmen – rund 150 in Deutschland – ihre Aufsichtsräte zu mindestens 30 % mit Frauen besetzen müssen. Bei jeder Neubesetzung einer Aufsichtsratsposition muss auf das Erreichen dieser Quote hingewirkt werden. Bereits in den ersten sechs Monaten nach Einführung der Quote stieg der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der entsprechenden Unternehmen um fast vier auf 27,2 Prozent. Das waren nur einige Beispiele die zeigen, dass sich die Rolle der Frau in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Wandel der Zeit verändert hat. Die grundgesetzlich verankerte Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen zu erreichen, braucht weiterhin konkrete Weichenstellungen und verbindliche Vereinbarungen. 4