Sonderbericht Einmalprodukte: Haftungsrisiko beachten! Die Wiederverwendung von Einmalprodukten wie Lanzetten oder Pen-Nadeln birgt Risiken in sich: Die Produkte sind nicht mehr steril und möglicherweise abgenutzt. Es kann zu Infektionen oder Verletzungen kommen. E inmalprodukte sind – wie der Name bereits sagt – zur einmaligen Verwendung bestimmt. Im Alltag kommt es aber häufig vor, dass Einmalprodukte mehrmals verwendet werden. Kommt es zu gesundheitlichen Problemen aufgrund von Infektionen oder Verletzungen, ist zu klären, wer für den Schaden Dr. Maria-Luise haftet. Die BerufsgrupPlank pen im GesundheitsweMedizinrechtsexpertin sen unterschätzen oft das Risiko, das sie mit einer mehrmaligen Verwendung oder der Empfehlung an Patienten, Einmalprodukte mehrmals zu verwenden, eingehen. Hinweispflicht des Herstellers Hersteller haften für Schäden, die durch einen Produktfehler bei der zweckentsprechenden Verwendung auftreten. Wurde das Produkt als „Einmalprodukt“ ausreichend gekennzeichnet, kann der Hersteller bei einer Gesundheitsschädigung durch eine Weiterwendung nicht haftbar gemacht werden. In diesem Fall können die Behandler oder Anwender des Produkts wegen einer möglichen Verletzung des Behandlungsvertrages oder wegen einer Verletzung von Schutzpflichten zum Ersatz des Schadens verpflichtet werden. Eine Haftung droht dann, wenn etwa eine Sterilisation nicht nach dem Stand der Wissenschaft und den geltenden Vorschriften durchgeführt wurde oder wenn der Patient eine Empfehlung des Gebrauchs entgegen dem Verwendungszweck des Produktes erhalten hat (z. B. die Mehrfachverwendung eines Einmalproduktes wie Lanzetten oder Pen-Nadeln) und nicht ausreichend über die Risiken einer Infektion bei Mehrfachverwendung aufgeklärt wurde. Schließt der Hersteller eine Wiederverwendung eines Medizinproduktes ausdrücklich aus und ist er seiner Warnpflicht – deutlicher Hinweis auf die Eignung des Produktes nur für Einmalverwendung – nachgekommen, kann er für Gesundheitsschäden aufgrund von Wiederverwendungen nach dem Produkthaftungsgesetz („PHG“) nicht haftbar 30 gemacht werden. Produkte, die lediglich zur einmaligen Verwendung geeignet sind, sind über die Verpackung und entsprechenden Beilagen durch folgendes Symbol gemäß der Kennzeichnung nach der ÖNORM EN 980 (graphische Symbole zur Kennzeichnung von Medizinprodukten) sowie § 15 MPG gekennzeichnet: 2 Schadenersatzpflicht für Medizinberufe Lässt sich der Patient behandeln, geht er einen so genannten „Behandlungsvertrag“ mit dem Arzt, Therapeuten oder der medizinischen Einrichtung („Behandler“) ein. Die Behandler unterliegen der Gutachterhaftung nach § 1299 ABGB. Ebenso sind bei der Beratung, Diagnose und Behandlung sämtliche gesetzliche Vorschriften sowie der Stand der Wissenschaft zu beachten. Die Verletzung von Verordnungen und Gesetzen kann eine deliktische Schadenersatzpflicht auslösen. Bei einer Wiederverwendung von Einmalprodukten wird der Haftungsmaßstab durch die Bestimmungen im Medizinproduktegesetze („MPG“) sowie sämtlicher anderer Bestimmungen über Hygiene und Verwendung von Medizinprodukten festgelegt. § 98 Abs 2 Z 6 MPG, § 8a Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz sowie § 56 Abs 1 Ärztegesetz räumen der Hygiene einen besonderen Stellenwert ein. Abgesehen von der Problematik der Produktabnutzung, die direkt zu Schäden führen kann, ist daher bei der Wiederverwendung von Einmalprodukten das Infektionsrisiko nach dem Stand der Wissenschaft durch eine fachgerechte Sterilisation auszuschalten. Anhaltspunkte für die ordnungsgemäße Wiederaufbereitung bieten die Reinigungs- und Desinfektionspläne der Krankenanstalten sowie die Normen des österreichischen und des europäischen Normungsinstitutes. Schutzgesetz und Behandlungsvertrag Wer gegen ein Schutzgesetz verstößt und dadurch eine Körper- oder Gesundheitsverletzung verursacht, kann nach § 1311 ABGB schadenersatzpflichtig werden. Der Behandler, der ein Einmalprodukt wieder verwendet das nicht ordnungsgemäß aufbereitet oder das durch die Vorbehandlung Sonderbericht beschädigt ist, oder die Wiederverwendung empfiehlt, muss dem Patienten für Schäden einstehen, die dieser dadurch erleidet. Die Behandler haften auch aus dem Behandlungsvertrag für Schäden aufgrund einer Wiederverwendung von Einmalprodukten. Das Infektionsrisiko im Zusammenhang mit der Wiederverwendung von Einmalprodukten ist bekannt und vermeidbar. Ärzte, Therapeuten, Krankenanstalten und auch Diabetesberater sind daher aus dem Behandlungs-, Beratungsvertrag mit dem Patienten verpflichtet, den Patienten vor Behandlungsrisiken zu schützen und insbesondere Infektionen zu vermeiden. Behandler / Anwender können daher aus der vertraglichen Verpflichtung schadenersatzpflichtig werden, wenn es nach Wiederverwendung eines Einmalprodukts zu einer Infektion eines Patienten kommt. Bereits die bloße Empfehlung des Gebrauchs entgegen dem Verwendungszweck des Produktes, z.B. die Mehrfachverwendung von Lanzetten oder Pen-Nadeln, kann dabei Haftungsansprüche auslösen. Aufklärungspflicht über Risiken Behandler haben aufgrund ihrer Berufspflichten (z. B. ärztliche Aufklärungspflicht) und aufgrund des Vertrages zwischen Patient und Behandler eine Aufklärungspflicht. Diese Aufklärungspflicht schließt die korrekte Anwendung des Produktes sowie die Information über mögliche Risiken und Folgewirkungen ein. Ärzte und Diabetesberater haben daher Patienten auf die Folgen und Risiken einer Wiederverwendung von Lanzetten oder Pen-Nadeln bei der Blutzuckerselbstkontrolle und Insulininjektion hinzuweisen. Der Behandler/Anwender kann sein Haftungsrisiko begrenzen, wenn er den Patienten lediglich die Einmalverwendung empfiehlt und ausdrücklich auf die Risiken einer Wiederverwendung hinweist sowie diese Aufklärung entsprechend dokumentiert. Wurde der Patient nicht ausreichend informiert und kommt es zu einem Schaden, haftet der Behandler (Arzt, Therapeut, Krankenanstalt, Diabetesberater u. a. Gesundheitsberufe), weil er seiner vertraglichen Pflicht nicht nachgekommen ist. ■ Dr. Maria-Luise Plank ist spezialisiert auf Fragen des Medizinrechts und Arzneimittel- und Medizinproduktrechts. Sie ist Rechtsanwaltsanwärterin und war davor bei einem pharmazeutischen Unternehmen und im Hauptverband d. öst. SVTr für gesundheitsökonomische; medizin- und sozialversicherungsrechtliche Angelegenheiten verantwortlich. Kontakt: [email protected] 31