Mikrobiologische Diagnostik chronischer Wundinfektionen A.M.HIRSCHL KLINISCHE ABTEILUNG FÜR KLINISCHE MIKROBIOLOGIE MEDIZINISCHE UNIVERSITÄT WIEN Wunden und Keime Kontamination o Keime in der Wunde, (noch) keine Vermehrung Kolonisation o Keimvermehrung in der Wunde ohne Einfluss auf Wundheilung Kritische Kolonisation o Keimvermehrung in der Wunde, Heilungsverzögerung aber keine offenkundige systemische Wirtsreaktion Infektion o Keimvermehrung mit immunologischer und klinischer Wirtsreaktion Cutting et al., WoundCare 2004 1 Wunden und Keime Chronische Wunden sind zumindest als kontaminiert anzusehen Jedoch entwickeln nicht alle kontaminierten Wunden eine Infektion Die physiologische Kolonisation von Wunden ist für den Heilungsverlauf nicht relevant o Kolonisationsresistenz ev. vorteilhaft Infektionsrisiko bestimmt durch o Menge an Keimen o Virulenz o Immunsystem des Patienten „Wounds at risk score“ zur Abschätzung des Infektionsrisikos Wounds at Risk Score Dissemond et al., Skin Pharmacol Physiol 2011 2 2008 2016 3 2012/16 Klassifikation von diabetischen Fußinfektionen Lipsky et al., Diabetes Metab Res Rev 2016 4 Kolonisation vs. Infektion Nicht infizierte Wunde o Oberflächlicher Abstrich ohne vorherige Wundreinigung ÷ ÷ Screening auf MRE Keine weitere mikrobiologische Untersuchung Infizierte Wunde Tiefer Abstrich nach Wundreinigung und Debridement ÷ o Nachweis pathogener Mikroorganismen (inkludiert MRE!) Biopsie ÷ ÷ ÷ Jedenfalls zum Nachweis spezieller Erreger wie Mykobakterien, Aktinomyzeten, Nokardien, Pilze und Leishmanien Bei negativem Abstrich Tiefe Infektionen (diabetisches Fußsyndrom) Schwarzkopf et al., JDDG 2015 Biopsie oder Abstrich? „Ideally, send the specimen and not a swab of the specimen“ „If identification is an issue, forget the swab and get some tissue“ Specimen Management in Clinical Microbiology „A real problem for many of us is receiving a specimen from a non- sterile source with inappropriate orders from the physician asking us to work up anything that grows“ 5 Biopsie oder Abstrich? Gjødsbøl et al., Int Wound J 2012 Knochenbiopsie Lipsky et al., Diabetes Metab Res Rev 2016 6 Abstrich vs. Biopsie bei DF-Osteomyelitis Senneville et al., Diab Care 2008 Abstrich-Technik Levine-Technik o Abstrich 5 sec über ein 1cm2-Areal rotieren (mit Druck um Flüssigkeit zu extrahieren) Z-Technik o Wundränder vermeiden Essen-Rotationstechnik Schwarzkopf et al., JDDG 2015 7 Vergleich Levine- vs. Essen-Abstrichtechnik Al Ghazal et al., Int Wound J 2014 Präanalytik Der Einsender ist für sämtliche prä-analytische Schritte verantwortlich (Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen – Rili-BÄK, 2014) Schwarzkopf et al., JDDG 2015 8 Lagerung von Proben Van Horn et al., JCM 2008 Lagerung von Proben Van Horn et al., JCM 2008 9 Interpretation des mikrobiologischen Befundes Menge der gezüchteten Keime o Quantitative Kultur? ÷ ÷ o Hoher Aufwand Nutzen nicht belegt Semiquantitative Angabe ist Standard Gramfärbung Welche Keime berichten? o o o Abhängig von Probenqualität Menge und Art Keine Aussage über Pathogenität ÷ o Stamm-abhängig Keine klaren Richtlinien..... Interpretation des mikrobiologischen Befundes Menge der gezüchteten Keime o Quantitative Kultur? ÷ ÷ o Enormer Aufwand Nutzen nicht belegt Semiquantitative Angabe als Standard Gramfärbung Welche Keime berichten? o o o Abhängig von Probenqualität Menge und Art Keine Aussage über Pathogenität ÷ o Elsayed et al., Arch Pathol Lab Med. 2013 Stamm-abhängig Keine klaren Richtlinien..... 10 Interpretation des mikrobiologischen Befundes Menge der gezüchteten Keime o Quantitative Kultur? Hoher Aufwand ÷ Nutzen nicht belegt ÷ o Semiquantitative Kultur ÷ Standard Gramfärbung Welche Keime berichten? o o o Abhängig von Probenqualität Menge und Art Keine Aussage über Pathogenität ÷ o Stamm-abhängig Keine klaren Richtlinien..... Anaerobier ß-häm. Strep. Gramneg. Nonf. P. aeruginosa Candida spp. Korynebakterien S.aureus Enterokokken Enterobakterien AKH, 2015, chron. diab. Wunden 302 Proben von 89 Pat., Mehrfachbef. bereinigt KNS 0 20 40 60 80 Lebensformen von Bakterien Planktonisch o Metabolisch aktiv o Rasche Replikation Biofilm o o Metabolisch wenig aktiv Stationäre Wachstumsphase Ochsner et al., Infektionen des Bewegungsapparates 2015 11 Typische Biofilm-Infektionen S. aureus Virulenzgene und DFU/DFI Sotto et al., Diab Care 2007 12 Linezolid vs. Aminopen. + ß-Lact. Inhibitor bei DFI Lipsky et al., Clin Infect Dis 2004 Therapeutischer Algorithmus B. Lipsky, Diabetes Metab Res Rev 2016 13 Multiresistente Erreger (MRE) Methicillin-resistenter S. aureus (MRSA) Vancomycin-resistente Enterokokken Multiresistente Gram-negative Stäbchen MRSA in Europa 14 MRSA in Österreich AURES 2015 VRE in Europa 15 Vancomycin-Resistenz bei Enterokokken in Österreich AURES 2015 16 ESBL-produzierende E. coli in Österreich AURES 2015 17 Carbapenem-Resistenz bei K. pneumoniae in Österreich AURES 2015 Besiedelung mit MRE und DFI Tascini et al., CMI 2015 18 Resümee Kultur derzeit immer noch der diagnostische Standard o Ausgezeichneter negativer Vorhersage-Wert o Semiquantitative Angabe des Wachstums und Beschreibung der Diversität der vorkommenden Keime mit spezieller Berücksichtigung der häufigen Pathogene wie S. aureus, ß-häm. Streptokokken und P. aeruginosa Dem Nachweis von MRE kommt spezielle Bedeutung zu Je sorgfältiger die Probengewinnung umso besser der Befund Differenzierung zw. Screening und Infektionsdiagnostik sinnvoll Keine Infektionsdiagnostik ohne entsprechende Klinik Keine Antibiotika bei klinisch nicht infizierten Wunden Der mikrobiologische Befund ersetzt keinesfalls die kritische klinische Beurteilung 19