Grundwissen im Fachethik (Verfasser: C. Dettmar)

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Grundwissenkatalog für das Fach Ethik am Deutschhaus-Gymnasium:
„Das Fach Ethik unterstützt die Suche nach
einer verlässlichen moralischen Orientierung in
der Welt von heute. Es basiert auf der
Grundsituation, dass Menschen für ihr Handeln
auch eine ethische Entscheidungskompetenz
benötigen. Ethik greift dabei auf Entwürfe
zurück, in denen bewährte lebenspraktische
Einsichten in einer langen Entwicklungslinie
mit Hilfe philosophischer Denkweisen eine neue
Deutung und Legitimierung erfahren haben“
(Lehrplan Ethik ISB München 2004).
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Grundwissen der einzelnen Jahrgangsstufen:
Jahrgangsstufe 5:
• Bedingungen von Wahrnehmung einsehen
• Grundbedürfnisse benennen und bewerten
• Bezüge zwischen Erfolg, Freude und Glück beschreiben
und bewerten
• Struktur einer Regel beschreiben
• Goldene Regel kennen und anwenden
• Komponenten des Handlungsbegriffs kennen
• Vorzugsregeln kennen und anwenden
(Lehrplan Ethik ISB 2004).
Wahrnehmung: Unsere Sinnesorgane bilden unsere Verbindung zur Umwelt.
Sie sind für uns lebenswichtig. Aus den Eindrücken unserer Sinnesorgane
werden durch Verarbeitungsprozesse Wahrnehmungen, Erfahrungen und
Wissen. Bei vielschichtigeren Wahrnehmungen ist zunehmend unser Gehirn Täuschung
©Sybex
beteiligt. Ein Bild beispielsweise ist eigentlich nichts anderes als eine Fläche,
die Lichtstrahlen reflektiert. Damit wir darauf ein Muster oder gar einen Gegenstand erkennen können, müssen
wir das Wahrnehmen lernen und einüben.
Unser Gehirn spielt uns aber auch gerne Streiche, d. h. Sinneseindrücke werden falsch verstanden und führen zu
Sinnestäuschungen. Das zeigt sich etwa bei Filmen. Sie bestehen aus schnell gezeigten einzelnen Bildern.
Handlungen: Wahrnehmungen bilden die Grundlage für Urteile und Handlungen. Aufgrund einer bestimmten
Kleidung einer Person komme ich z.B. zu dem Urteil, dass da ein Kontrolleur in seiner Dienstuniform in das
Zugabteil kommt. Daran schließt sich unmittelbar die Handlung an. Ich hole meine Fahrkarte aus der Tasche, um
sie gleich vorzeigen zu können. Ein Schwarzfahrer würde hierbei sicherlich das Weite suchen.
Wahrnehmungen sind subjektiv. Sie sind immer an eine Person mit ihren eigenen, persönlichen Erfahrungen
gebunden. Daher sehen wir ein Gemälde oder ein ähnliches Objekt, oft „mit anderen Augen“, wenn wir es nach
einem Jahr erneut betrachten. So können wir dann auch im Lauf der Zeit zu anderen Urteilen gelangen und
schließlich auch anders handeln als früher. Ganz besonders wichtig sind Wahrnehmungen im Umgang mit mir
selbst und mit anderen Menschen. Selbstwahrnehmung und die Wahrnehmung anderer sind die Grundlagen
unseres Zusammenlebens.
Grundbedürfnisse: Wir haben alle Bedürfnisse, die wir erfüllen wollen, da sie wichtig für unser Leben sind.
Jeder Mensch muss z.B. atmen oder schlafen. Daher sind diese Bedürfnisse sehr hoch zu bewerten; man nennt
sie Grundbedürfnisse.
Jeder Mensch besitzt von Geburt an die Grundrechte. Sie sind die Grundlage aller anderen Gesetze. Sie sollen
garantieren, dass die Grundbedürfnisse erfüllt werden können. Grundrechte sind z.B. die Menschenwürde und
das Recht auf Leben.
Über die Grundbedürfnisse hinaus gibt es noch weitere Bedürfnisse. Diese wollen wir erfüllen, um ein schönes
und interessantes Leben zu führen, z. B. die Welt entdecken oder erfolgreich sein. Manche verspüren ein
Bedürfnis nach Reichtum, Luxus und Mode. Diese Bedürfnisse sind nicht so hoch zu bewerten, weil wir auf sie
verzichten können.
Erfolg, Freude und Glück: Jeder Mensch möchte erfolgreich sein und seine Ziele erreichen. Das ist ein
Grundbedürfnis. Wenn wir es erfüllen können, empfinden wir Freude. Das ist ein wertvolles Glücksgefühl, das
uns Lebensfreude gibt. Dagegen wird Glück, das vom Zufall bestimmt ist (z. B. bei einer Tombola gewinnen),
nicht so hoch bewertet.
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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Goldene Regel: Da alle Menschen danach streben, ihre verschiedenen Bedürfnisse zu erfüllen, haben sie diese
Grundregel gefunden, um gut und konfliktfrei miteinander auszukommen.
Regeln: Regeln sagen, was oder wie etwas zu tun ist. In praktischen Anweisungen steht die Regel meist in der
Wenn-dann-Form und einer Befehlsform oder mit „müssen“: Wenn du zur Schule kommen möchtest, dann gehe
gerade aus (bzw. musst du geradeaus gehen). Moralische Regeln werden meist mit „sollen“ gebildet: Du sollst
nicht lügen.
Entscheidungen und Handlungen: Im Gegensatz zum Tier, das seinen Instinkten folgt, oder einer Maschine,
die nur ihr Programm ausführt, kannst du als Mensch nachdenken und Entscheidungen treffen, was du tun willst.
Du kannst gar nicht anders - du musst dich ständig entscheiden.
Die Durchführung von Entscheidungen nennt man Handlung. Bei einer Handlung sind immer Ziel, Umstände,
Mittel und Folgen zu bedenken. Da jede unserer Handlungen unter bestimmten Umständen stattfindet, ist es
wichtig und auch nützlich, diese bestimmte Situation zu prüfen und zu überlegen, welche Regel eventuell
anzuwenden ist und zu der Situation passt. Die Regel, der wir dann den Vorzug geben, nennen wir Vorzugsregel.
Freiheit und Verantwortung: Freiheit zeigt sich darin, dass man zwischen Alternativen wählen kann, z.B. „Ich
tue es“ oder „Ich tue es nicht. Freiheit heißt entscheiden und sich darüber Rechenschaft zu geben, wie man sich
entscheidet. Bei der Freiheit geht es nicht nur darum, „wovon“ wir frei sind (z. B. von einer Vorschrift), sondern
auch „wozu“ (was wollen wir mit der Freiheit tun?).
Im Begriff „Verantwortung“ steckt das Wort Antwort. Für meine Handlungen muss ich Verantwortung
übernehmen, d. h. ich muss auf Fragen antworten, muss Rechenschaft ablegen können.
Spiele: Spiele gab und gibt es in allen Kulturen und zudem noch in den verschiedensten Formen. Spielen hat
viele positive Aspekte: Wir erleben Gemeinschaft, sie machen Spaß, wir lernen etwas über uns selbst, unsere
Kreativität wird gefördert und wir finden Wege, miteinander umzugehen. Fairness, Gerechtigkeit und Ehrlichkeit
sind dabei die wichtigsten Werte.
Jahrgangsstufe 6:
• Bedeutung der Familie kennen
• Würde des Menschen, Toleranz und Verantwortung als
ethische Grundbegriffe kennen
• die Bedeutung einer Gruppe angemessen einschätzen
• jüdische und christliche Glaubensvorstellungen kennen
(Lehrplan Ethik ISB München 2004).
Familie:
Unter Familie versteht man die enge Gruppe von Menschen, in die wir
hineingeboren sind. Biologisch betrachtet sind das die Eltern und Geschwister.
Im Tierreich gibt es Beispiele für Arbeitsteilung bei der Jungenaufzucht oder
©Sybex
für die Selbstständigkeit des Nachwuchses, der dann ganz ohne Eltern Bibel
auskommt. Wie die Jungen heranwachsen, ist durch Vererbung, also die Gene, festgelegt.
Menschliche Säuglinge sind nach der Geburt völlig abhängig von Zuwendung. Sie müssen z.B. durch andere
Menschen ernährt werden. Dazu kommt die kulturelle Prägung: Es dauert mehrere Jahre, bis wir lernen zu
sprechen, uns sicher auf zwei Beinen zu bewegen und die Hände gezielt zu gebrauchen. Noch länger dauert es,
bis wir uns in unserer Gesellschaft angemessen verhalten und eigenständig handeln können.
Wir Menschen sind als „physiologische Frühgeburten“ (Adolf Portmann) längere Zeit nicht ohne die Hilfe
Erwachsener überlebensfähig, aber zugleich nur teilweise durch Vererbung festgelegt. Das bedeutet, dass nicht
unbedingt unsere biologischen Eltern für uns zuständig sein müssen. Nicht alle Menschen wachsen bei ihren
biologischen Eltern auf. Neben der traditionellen, also biologischen Familie, gibt es eine Reihe weiterer
Familienformen, z. B. Patchwork-Familien, Alleinerziehende oder Adoptiv- bzw. Pflegefamilien. Im Lauf der
Zeit werden sich unsere „Familienkreise“ noch erweitern.
Einzelner und Gruppe: Die Gemeinschaft Gleichaltriger gewinnt für Sechstklässer neben der Familie
zunehmend an Bedeutung. Man macht neue Erfahrungen, entdeckt auch Neues an sich selbst oder findet bereits
eine Freundin oder einen Freund. Allerdings erwartet auch jede Gruppe, dass man sich für ihre Ziele und ihr
Wohl engagiert. Manche Menschen überstrahlen andere als Stars oder umschwärmte Idole. Eine besondere
Ausstrahlung haben Vorbilder. Manchmal geht es jemandem um die eigene Macht. Dann erleben die, an denen
die Macht ausgelebt wird, nicht mehr Gemeinschaft, sondern Gemeinheit.
Würde, Toleranz und Verantwortung: Wer wirklich frei ist, hat es nicht nötig, andere zu unterdrücken. Wir
sind frei über uns selbst zu bestimmen und unsere Fähigkeiten zu entfalten. Wir sind mehr als ein Mittel zum
Zweck für andere. Darin zeigt sich unsere Würde.
Besonders wichtig für das Zusammenleben ist Toleranz. Sie ist eine aktive Haltung und keine Ignoranz oder
Gleichgültigkeit gegenüber seinen Mitmenschen. Sie begründet sich aus der menschlichen Situation, sich frei
entfalten zu wollen und verträgt sich nicht mit Missgunst, Hass und Unterwerfung. Sie zielt auf ein
vernunftgeleitetes und gerechtes Zusammenleben.
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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Verantwortlich ist man auch für sich selbst, z.B. für seine Gesundheit, dass man sich nicht unterdrücken lässt
und dass man seine Talente nutzt. Und je mehr Kenntnisse man sammelt, umso mehr sieht man auch, was man
vernünftigerweise tun kann, z.B. für die Umwelt, für Tiere oder für Menschen, die Hilfe brauchen.
Jüdische und christliche Glaubensvorstellungen: Der Begriff „Judentum“ umfasst die Traditionen, die
Religion und die Geschichte des Volkes Israel. Seine Geschichte beginnt mit den Stammvätern. Abraham bildet
den Anfang, er gilt als der erste Jude, weil er versuchte, mit Gott einen Bund einzugehen. Außer dem
Christentum beruft sich auch der Islam in seiner Gründungsgeschichte auf Abraham (abrahamitische
Weltreligionen). Dennoch vertreten alle Weltreligionen einen Ausschließlichkeitsanspruch der Wahrheit, was
wichtig für deren angemessenes Verständnis in einem Zeitalter heftiger religiös beeinflusster
Auseinandersetzungen ist. Die Thora ist die heilige Schrift der Juden. Sie enthält die Zehn Gebote (Dekalog) und
in ihr ist erstmals die Vorstellung niedergelegt, dass es nur einen einzigen Gott gibt. Die religiöse Kultur des
Judentums hat eine Reihe von Werten hervorgebracht: Heiligkeit des Lebens, Gerechtigkeit, Verantwortung,
Wohltätigkeit, Bildung und Menschenfreundlichkeit. Diese Werte wurden später auch in vielen anderen
Kulturen anerkannt.
Das Christentum ist heute die zahlenmäßig größte Weltreligion: Durch eine umfassende Missionstätigkeit sind
seine unterschiedlichen Ausprägungen in nahezu allen Ländern der Erde verbreitet. Das Christentum hat seine
Wurzeln im Judentum. Jesus von Nazareth war selbst ein Jude, der in der jüdischen Tradition aufwuchs. Der
Zusammenhang zeigt sich aber auch darin, dass die Thora der Juden ein Teil der christlichen Bibel ist. Neben
diesem sog. Alten Testament gibt es aber in der Bibel auch das Neue Testament, das zugleich für einen neuen
Bund steht. Zentrale Inhalte befinden sich in der „Bergpredigt“, der bedeutendsten Sammlung von Reden Jesu.
Hierin wird die ethische Grundlage des jüdischen Glaubens neu interpretiert. Das Judentum erwartet bis heute
einen Retter, einen „Messias“, der Freiheit, Frieden und religiöse Erlösung bringen soll. Für die Christen ist
Jesus dieser Messias, der am Kreuz für die Sünden der Menschheit starb. In Form von Gleichnissen, aber auch
Wundergeschichten versuchen die Evangelisten zu verdeutlichen, dass Jesus der Messias und damit berechtigt
ist zu bestimmen, was rechtes Handeln ist. Zentraler Glaubensinhalt des Christentums ist Jesu Auferstehung
nach dem Kreuzestod. Nach muslimischer Auffassung handelt es sich hierbei um ein Missverständnis (Koran,
Sure 4, Vers 157). Der Vorwurf in den Evangelien, die Juden seien schuld an Jesu Tod, wurde in der Geschichte
immer wieder aufgegriffen. Er zum Vorwand für die Unterdrückung und Verfolgung des jüdischen
Bevölkerungsanteils bis hin zu Tötung und Pogrom. In der systematischen Ermordung der Juden während des
Dritten Reichs fand dieser Hass auf die Juden seinen verbrecherischen Höhepunkt (Holocaust). Viele
medizinische Hilfsorganisationen, wie z.B. Johanniter, Malteser und die Deutschherren, haben einen christlichen
Hintergrund.
Jahrgangsstufe 7:
•
Rechte und Pflichten in verschiedenen Lebensaltern
kennen
•
fremde Einflüsse auf die Selbstbestimmung erkennen und
kritisch einschätzen
•
gewaltfreie Konfliktlösungsmodelle kennen und zu ihrer
Anwendung bereit sein
•
Formen und Inhalte islamischen Lebens und Brauchtums
kennen
•
Feste als Form der Lebensgestaltung in verschiedenen
Bereichen verstehen
•
jüdische, christliche und islamische Feste beschreiben Moschee
©Sybex
(Lehrplan Ethik ISB München 2004).
Rechte und Pflichten: Kinder und Jugendliche genießen bestimmte Rechte und müssen bestimmte Pflichten
erfüllen. Sie genießen z. B. ein Recht auf besondere Fürsorge von den Eltern, aber auch von der Schule etc. Mit
zunehmendem Alter nimmt diese Fürsorge langsam ab und die Eigenverantwortlichkeit zu. Demgegenüber
stehen einige Einschränkungen bzw. Pflichten der Kinder und Jugendlichen. Sie müssen z. B. eine Schule
besuchen und sich an deren Regeln halten. Manche dieser Rechte und Pflichten sind in Gesetzen geregelt, z. B.
im Jugendschutzgesetz mit seinen Regelungen zu Tabak, Alkohol, Filmen, Computerspielen und
Aufenthaltsbeschränkungen. Eine weitere gesetzliche Regelung ist z.B. die „Religionsmündigkeit“, d. h., ab dem
14. Lebensjahr können Jugendliche selbst entscheiden, ob bzw. welcher Religionsgemeinschaft sie angehören
wollen.
Selbstbestimmung und Einflüsse: Heranwachsende sind vielfältigen Einflüssen ausgesetzt, die sie positiv oder
negativ beeinflussen können. Dazu gehören Einflüsse aus der Umwelt wie die Eltern, die Schule, die Gruppen,
denen Jugendliche angehören oder Medien und Werbung. Es gibt aber auch Einflüsse, die mit der je eigenen
Entwicklung verbunden sind, z. B. die körperliche Entwicklung einschließlich der Sexualität sowie die
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Weiterentwicklung geistiger Fähigkeiten wie erweiterte Wahrnehmungs-, Denk-, und Erfahrungsmöglichkeiten.
Insbesondere die Wahrnehmung der eigenen Person entwickelt sich spürbar ab dem 12. Lebensjahr. Aus all
diesen Umständen bildet sich für jeden eine eigene, einmalige Identität heraus. Diese Identität lässt sich
zunehmend eigenständig und selbstverantwortlich zu einem je eigenen Leben gestalten.
Konflikte und ihre Lösung: Unter einem Konflikt versteht man einen Spannungszustand zwischen zwei oder
mehreren Personen oder zwischen Gruppen. Die Beteiligten haben unterschiedliche Interessen, Bedürfnisse und
Absichten und versuchen jeweils, diese durchzusetzen. Es kann in der Folge zu Streit und gewalttätigen
Auseinandersetzungen kommen, d. h. Konflikte können eskalieren. Es gibt intrapersonale, interpersonale und
soziale Konflikte.
Es gibt verschiedene Methoden Konflikte nicht eskalieren zu lassen und konstruktiv zu lösen. Hierbei geht es
darum Kritik sachlich zu äußern, die Interessen aller zu berücksichtigen und so einen Kompromiss zu finden.
Neutrale Beobachter können den Konflikt rational analysieren. Auch Rollenspiele oder Perspektivenwechsel
können konstruktiv genutzt werden.
Islamisches Leben und Brauchtum: Der Islam ist eine von Mohammed gestiftete monotheistische
Weltreligion. Dieser Prophet hatte sein Berufungserlebnis im Jahre 610. Schon die Wortbedeutung von „Islam“
verlangt vom gläubigen Moslem, dass er seine ganze Person dem Willen des einzigen Gottes Allah hingibt.
Grundlegend sind dabei die 5 Säulen des Islam, die die Hauptpflichten des Muslims zum Ausdruck bringen:
- Aussprechen des Glaubensbekenntnisses)
- Täglich fünfmal das Gebet durchführen
- Pflichtabgabe
- Fastenmonat
- Wallfahrt nach Mekka
Das heilige Buch der Muslime ist der Koran, das in der arabischen Originalsprache als das authentische und
buchstabengetreue Wort Allahs gilt. Mohammed wird nicht als Verfasser des Korans, sondern als Sprachrohr
Allahs aufgefasst. Zusätzlich gibt es die Hadith als einen Bericht über das, was Mohammed tat oder sagte, denn
die Lebensführung des Propheten gilt dem Muslim als vorbildlich.
Zum Gebet und zur Predigt versammeln sich die Muslime freitags beim Imam (Vorbeter) in der Moschee.
Figürliche Bilder sind in Moscheen verboten. Stattdessen sind diese mit kunstvollen Kalligraphien und
Ornamenten verziert.
Feste:Jedes Fest wird in einer Gemeinschaft gefeiert und unterbricht den Alltag. Feste lassen sich einteilen nach
dem Anlass und nach dem Teilnehmerkreis. Jedes Fest hat einen Anlass, der dem Fest seinen Sinn gibt. Feste
können rein weltlich (profan) sein oder einen religiösen Bezug (sakral) haben. Daneben gibt es Mischformen.
In den drei Abrahamsreligionen lassen sich hierzu einige Beispiele finden, z. B. das jüdische Pessach-Fest, das
christliche Pfingstfest und das islamische Fest des Fastenbrechens. Diese zentralen Feste stehen jeweils für
wichtige religiöse Ereignisse und Inhalte.
Jahrgangsstufe 8:
• verschiedene Wege zur Sinnfindung erläutern können
• Ursachen einer verfehlten Sinnorientierung erkennen und
die Folgen abschätzen
• Merkmale von Freundschaft kennen
• Formen
philosophischen
Argumentierens anwenden
können
• Aufbau des praktischen Syllogismus erklären können
• mit einem Modell einer ethischen Entscheidungsfindung
vertraut sein
• die Abhängigkeit des Menschen von der Natur erkennen
(Lehrplan Ethik ISB München 2004).
Sinnfindung: Fragen wie „Wer bin ich?“, „Wie möchte ich sein?“ oder „Was
will ich in meinem Leben erreichen?“ bewegen den Menschen sein ganzes
© TVneu
Leben. Antworten auf solche Fragen sind entscheidend für ein glückliches und Big Brother
erfülltes Leben. Auf die Frage nach dem Sinn des Lebens gibt es konventionelle Antworten, wie z. B.
Wohlstand, Liebe oder Vergnügen. Sie entsprechen menschlichen Bedürfnissen, deren Erfüllung für die
Lebensfreude des Menschen wichtig ist. Jugendliche befinden sich in einem Spannungsfeld der Erwartungen, die
Eltern, Schule und Gleichaltrige an sie stellen. An solchen Erwartungen kann man wachsen. Für das Erleben von
Lebenssinn spielt die persönliche Selbstverwirklichung eine entscheidende Rolle. Entscheidend ist mit dem
Blick auf die eigene Biografie, was mein Ich umsetzen kann. Die Wahrnehmung und Gestaltung von Schönheit
in Kunst oder Natur oder der Dienst am Mitmenschen sind mögliche Wege einer sinnvollen
Selbstverwirklichung.
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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Verfehlte Sinnorientierung: Sinnkrisen tauchen häufig in Ausnahmesituationen des Lebens und an Übergängen
in neue Lebensphasen auf. Aber auch schwierige Lebenslagen, wie sie durch eine Krankheit, den Tod eines
geliebten Menschen oder persönliche Niederlagen ausgelöst werden können, können Wendepunkte im Leben
darstellen, die uns mit der Frage nach dem Sinn des Lebens konfrontieren. Der Umgang mit solchen Krisen- oder
Grenzsituationen kann gelingen, wenn der Mensch sie als Möglichkeit zur Selbsterkenntnis und als Chance für
eine Neuorientierung in seinem Leben nutzt. Eine verfehlte Sinnorientierung kann gravierende Folgen haben: Sie
reichen von dem bloßen Gefühl des Unglücklichseins über Drogen- und Alkoholmissbrauch bis hin zum Suizid.
Es gibt unterschiedliche Ursachen, die dazu beitragen können, dass Menschen zu einer verfehlten
Sinnorientierung im eigenen Leben gelangen: Psychische Krankheiten, falsche Vorbilder oder eine verfehlte
Wertsetzung können dazu führen. Verschiedene Wissenschaften wie die Philosophie, Psychologie, Medizin und
die Soziologie und beschäftigen sich mit diesem Problem.
Eine Aufgabe im Jugendalter ist die Entwicklung einer selbstständigen Persönlichkeit. Jugendliche Gegenwelten
leisten dazu einen wichtigen Beitrag, können aber auch Risiken in sich bergen, wenn grundlegende Werte
verletzt werden. Es gibt verschiedene Erscheinungsformen von Sekten. Beispiele hierfür sind neureligiöse
Bewegungen oder Psychogruppen, die zu einer verfehlten Sinnorientierung führen können. Man kann die
Gefährlichkeit von Sekten anhand von deren Ideologie, Führerkult, Gruppenverständnis sowie der
Umgangsweise mit dem Individuum und seiner Würde als eigenständiger Person abschätzen.
Die Faszination am Übersinnlichen (Esoterik, Okkultismus und Spiritismus) hat unterschiedliche Gründe, z.B.
den Wunsch nach Lebensberatung und Lebenssinn oder die Möglichkeit, Macht und Einfluss auf andere
Menschen auszuüben. Heute boomt ein eigener Psychomarkt, der sich diese Bedürfnisse zunutze macht. Wer der
Gefahr entgehen will, Opfer des Aberglaubens oder der finanziellen Ausbeutung zu werden, sollte solche
Angebote unter Anwendung von Vernunftkriterien prüfen.
Für seinen Körper sollte man Verantwortung übernehmen und sich aktiv für den Erhalt seiner Gesundheit
einsetzen. Dies wird durch eine Industrie des Körperkults oder durch mangelndes Wissen über den eigenen
Körper erschwert. Beides führt dazu, dass der Schaden unterschätzt wird, den sich Menschen durch
Drogenkonsum, Tablettensucht und anderen der Mode unterworfenen Eingriffen in die eigene Gesundheit
zufügen.
Freundschaft: Freundschaften bereichern das eigene Leben und regen zur Persönlichkeitsentfaltung an.
Philosophische Untersuchungen ergaben, dass Freundschaften Zeit benötigen, um intensiver zu werden und
wachsen müssen. Tiefe Freundschaft kann auf ähnlicher Persönlichkeit der Freunde (Seelenverwandtschaft)
beruhen. Sie zeichnet sich auch durch Verantwortung füreinander aus.
Liebe betrifft den ganzen Menschen, körperlich und geistig. Die Liebe zwischen den Menschen zeichnet sich
dadurch aus, dass die Partner eine besondere Verantwortung füreinander übernehmen und die Würde des
anderen achten. Wer liebt, hat nicht schon einen Anspruch auf Gegenliebe. Dies ist oft schmerzlich. An einer
unerwiderten Liebe kann man aber auch lernen und an Selbstbewusstsein gewinnen. Sexualität ist ein
menschliches Grundbedürfnis. Sie kann die partnerschaftliche Beziehung festigen und wird als Bestandteil
erfüllter Liebe erfahren.
Philosophisches Argumentieren: Viele Probleme des Lebens können wir durch korrektes Denken und
Argumentieren lösen. Philosophische Diskussionen und Untersuchungen stehen unter einem Wahrheitsanspruch.
Nicht nur die Philosophie, sondern jeder anständige Mensch weiß sich der Wahrheit verpflichtet und steht für sie
ein. Vernünftige Argumente sind kohärent. Sie beinhalten folgerichtige und widerspruchsfreie Aussagen. Die
Kohärenz lässt sich mithilfe von Syllogismen überprüfen. Bei der Entscheidung darüber, ob eine Argumentation
zutrifft oder nicht, muss immer auch geprüft werden, ob die in ihr vorausgesetzten Sachverhalte tatsächlich
bestehen.
Es gibt verschiedene Wahrheitstheorien. Am bekanntesten ist die Korrespondenztheorie, die besagt, dass
Wahrheit in der Übereinstimmung zwischen unserem Urteil und der Wirklichkeit besteht. Neben ihr zählen die
Kohärenz-, Evidenz- und Konsenstheorie zu den traditionellen Wahrheitstheorien, die in Philosophie und
Wissenschaft bedeutsam sind. Um vernünftig und verantwortlich zu entscheiden, ist es in der Regel nötig das
Problem zunächst festzustellen, dann die Situation zu analysieren, nach den Handlungsalternativen Ausschau zu
halten, eine Normenprüfung vorzunehmen, zu urteilen und schließlich eine Angemessenheitskontrolle
durchzuführen.
Umweltethik ist eine wichtige Bereichsethik. In ihrem Zentrum steht das Verhältnis von Mensch, Natur und
Technik. Für die Zukunft der Menschheit ist es wichtig, dieses Verhältnis rechtzeitig zu klären. Der Umgang des
Menschen mit seiner Umwelt wird im Alltag häufig durch unreflektierte Naturvorstellungen geprägt. Viele
solcher Naturbegriffe reichen weit in die Geistesgeschichte zurück, so z.B. die Auffassung vom Menschen als
dem Herrn der Natur oder als Schöpfung Gottes. Ebenso wirksam sind auch die aufklärerische Sicht von der
guten Natur als einem Ideal oder die moderne Auffassung von der Natur als einem System, bei dem jedes
Element gleich wertvoll ist. Solche Vorstellungen sind durch die Umweltethik rational auf ihre Berechtigung hin
zu prüfen. Der verantwortungsbewusste Umgang mit der Natur erfordert Umweltschutzgesetze, moralische
Reflexion und politische Mitverantwortung. Die nachwachsende Generation kann einen neuen Umgang mit der
Natur durch aktiven Umweltschutz erlernen.
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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Jahrgangsstufe 9:
• mit dem Gewissensbegriff in seiner philosophischethischen Bedeutung vertraut sein
• zentrale Aussagen fernöstlicher Religionen erfassen
• Sinndeutung im Buddhismus beschreiben können
• Rollenverständnis von Mann und Frau in seinen
Unterschieden verstehen
• ein Konzept einer Friedensethik erläutern können
(Lehrplan Ethik ISB München 2004 ).
Gewissen: Menschen aller Kultur- und Zeiträume berichten davon, dass der
Mensch intuitiv vernehmen kann, was gut und was böse ist. Man bezeichnet
dieses Phänomen als Gewissen. Damit verbindet sich die Pflicht,
verantwortlich und gut zu handeln.
Psychologen vertreten die Auffassung, dass sich das Gewissen im Lauf des
Lebens entwickelt. Bei dieser Deutung des Gewissens spielen über Erziehung Buddha
(Foto: Dettmar)
verinnerlichte Normen (Über-Ich) eine wichtige Rolle.
Nach ethischer Auffassung zeichnet sich das Gewissen durch seine Autonomie auch gegenüber anerzogenen
Moralvorstellungen aus. Für den mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin sind deshalb die für eine
Gewissenstätigkeit nötigen Grundsätze dem Gewissen von Natur aus gegeben. Das Gewissen wird als
angeborene Anlage oder Haltung (synderesis) verstanden, die uns darauf ausrichtet, das Gute zu tun und das
Böse zu unterlassen (conscientia).
Die Arbeitsweise des Gewissens bei moralischen Entscheidungen ist sowohl vorschreibend (präskriptiv) als auch
bewertend (evaluativ). Die Gewissensfreiheit bildet den Kern der Grund- und Menschenrechte.
Wer sein Gewissen missbraucht, weiß zwar, dass sein Handeln im Prinzip schlecht ist, er schiebt aber Gründe
vor, die sein Handeln scheinbar rechtfertigen. Häufige Formen des Gewissensmissbrauchs sind Beschönigen,
Rationalisieren, Verschieben, Verdrängen, Verleugnen.
Beim Gewissensirrtum kommt es zu einer Täuschung darüber, ob eine ausgeführte Handlung gut oder schlecht
ist. Dabei kann sich das Gewissen selbst irren oder die ihm zuarbeitende Vernunft.
Die Veden und die Schrift Bhagavadgita enthalten die Grundgedanken des Hinduismus. Das Weltgesetz
(Dharma) wirkt durch eine die ganze Welt erfüllende Kraft (Brahman), die sich zugleich individuell ausprägt
(Atman), z.B. in den einzelnen Lebewesen.
Fernöstliche Religionen: Der Hinduismus versucht in religiöser Manier die Welt zu erklären und das
menschliche Leben zu deuten. Durch eine dauernde Wiedergeburt (Samsara) und die stetige moralische
Verbesserung soll der Gläubige letztlich einen Einblick in die Struktur der Wirklichkeit erlangen. Für den
gläubigen Hindu ist das individuelle Leben nichts als eine Illusion (Schleier der Maya). Es gilt, sich mit dem
Brahman zu vereinen.
Der Buddhismus entstand als Reformbewegung zum Hinduismus. Mithilfe der vier edlen Wahrheiten versucht
der Buddhist, sein Selbst zu läutern und so zu gestalten, dass er nach vielen durchlebten Leben den Weg ins
Nirvana findet. Ethisch besonders relevant ist dabei der achtgliedrige Weg, der rechte Einsicht, rechten
Entschluss, rechte Rede, rechte Tat, rechten Wandel, rechtes Streben, rechte Wachheit und rechte Versenkung
vorschreibt.
In den drei abrahamitischen Religionen dominiert der Glaube an die Offenbarung des Göttlichen. Der Sinn des
Lebens besteht im Handeln entsprechend der geoffenbarten Wahrheiten und in einem Leben nach dem Tod. Im
Hinduismus und Buddhismus besteht der Sinn des Lebens darin, durch religiöse Praktiken und Übungen an der
eigenen Erleuchtung zu arbeiten, um so den Kreislauf der Wiedergeburt zu durchbrechen und ins Nirvana
einzugehen.
Rollenverständnis von Mann und Frau: Mit der Epoche der Aufklärung wurde im europäischen Kulturraum
die Auffassung von der Freiheit und Gleichheit aller Menschen wirksam. An sie knüpft die Frauenbewegung mit
ihrer Forderung nach Gleichberechtigung der Frau an. Das Grundgesetz der Bundesrepublik sicherte 1949 die
Gleichberechtigung der Frau rechtlich ab. Ihre Umsetzung kam jedoch in der Arbeitswelt nur langsam voran.
Man unterscheidet bei der Bestimmung von Arbeit bloße Erwerbsarbeit von der sinnstiftenden Tätigkeit des
Arbeitsprozesses. Im Wechsel mit sinnvoll gestalteter Freizeit wird sie zu einem bedeutungsvollen Element für
ein glückliches Leben. Konkurrenz spielt im Arbeitsleben eine wichtige Rolle. Man sollte sich bemühen, eigene
Leistungsmöglichkeiten realistisch einzuschätzen, sich nicht permanent zu überfordern und Fairness im
Wettbewerb mit anderen zu wahren. Dabei ist es hilfreich, sich vor Augen zu halten, dass der Wert des
Menschen durch Arbeits- oder Schulleistungen nicht ausgeschöpft wird.
Die mit dem jeweiligen Geschlecht verbundenen Aufgaben und Pflichten sind kultur- und zeitabhängig. In der
Bundesrepublik herrscht Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Entsprechend vielfältig können Frauen
und Männer ihre Rolle in Beruf, Partnerschaft und Familie gestalten. Ein damit verbundener Rollenwandel
zwischen den Geschlechtern erfordert Lernbereitschaft, Flexibilität und Toleranz.
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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Sexualität ist ein menschliches Grundbedürfnis. Sie ermöglicht einerseits die Fortpflanzung, andererseits die
Vertiefung von Partnerschaften und die Reifung der Person. Sexualität wird auch als Ware eingesetzt: Dies
geschieht beispielsweise in der Pornografie, der Prostitution oder auch in der Werbung. Grundsätzlich muss man
sich hierbei fragen, ob die Freiwilligkeit, Autonomie und Würde des Menschen gewährleistet bleiben.
Im Zusammenleben der Menschen gab es immer schon verschiedene Formen der Partnerschaft. Während früher
oft gesellschaftliche und politische Gründe zu Eheschließungen führten, stehen heute der Wunsch nach
Selbstverwirklichung und die individuelle Lebensplanung der Partner im Mittelpunkt. Wenn sich zwei Menschen
heutzutage entschließen, zu heiraten, tun sie es meistens, um ihre Liebe nach außen zu zeigen und ihre
Beziehung auch rechtlich und religiös zu untermauern.
Friedensethik: Die Erfahrung der beiden Weltkriege und der atomaren Katastrophe haben die Einsicht reifen
lassen, dass die Menschheit ihr Überleben nur sichern kann, wenn sie sich verstärkt um den Erhalt des Friedens
bemüht und Gewalt und Krieg ächtet. Bei der Entstehung von Gewalt und Krieg spielen soziale und kulturelle
Faktoren eine wichtige Rolle. Religionen wurden häufig für Kriegspropaganda und Angriffskriege missbraucht.
Auch heute werben immer wieder Menschen aus einem fragwürdigen religiösen Fundamentalismus oder
Fanatismus heraus für angeblich Heilige Kriege.
Da Krieg ein Unmaß an Leid über die Menschen bringt, stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung
militärischer Auseinandersetzungen. Die Theorien des gerechten Kriegs (bellum iustum) versuchen die Fragen
zu beantworten aus welchen Gründen man einen Krieg beginnen darf und welche Regeln im Falle eines Krieges
gelten sollen. Einen der wichtigsten Entwürfe darüber, wie man Krieg vermeiden kann, hat der deutsche
Philosoph der Aufklärungsepoche I. Kant in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ vorgelegt. Er arbeitet hier
heraus, dass Frieden von Rechtsstaatlichkeit und einem freien Zusammenschluss der Völker abhängig ist.
Aus heutiger Sicht ist Friedenssicherung ebenso Aufgabe des Einzelnen (z. B. Seelenfrieden oder absoluter und
relativer Pazifismus) wie auch einzelner Gruppen, Staaten und der Völkergemeinschaft überhaupt. Dabei kann
Friede als Prozess gewaltfreier und gerechter Konfliktlösung verstanden werden. Wegen ihrer gleichen Grundund Menschenrechte sollte allen Menschen ein Leben in Würde und Freiheit ermöglicht werden. Wichtige
Aufgaben der Friedenserziehung sind somit die Vermittlung von Menschenrechten, die Sensibilisierung für
Gewalt und Ungerechtigkeit, der Abbau von Feindbildern und Vorurteilen sowie die Verankerung gewaltfreier
Formen der Konfliktbewältigung.
Jahrgangsstufe 10:
• ethische Grundpositionen der Antike erläutern können
• philosophische Grundbegriffe und -modelle sowie ihre
Inhalte kennen und verstehen: Höhlengleichnis
Platons, Gesellschaftsvertragstheorie bei Hobbes,
Rousseau und Kant
• zentrale
Aspekte
religiöser
Lebensund
Weltorientierung erfasst haben
• eine medizinethische Fallanalyse nach einem
eingeübten Schema durchführen und die Entscheidung
begründen
• zwei Personbegriffe unterscheiden können
• mit wirtschaftsethischen Grundbegriffen vertraut sein
(Lehrplan Ethik ISB München 2004).
©Wikipedia
Philosophisch-ethische Grundpositionen und Modelle: Mit ihrer Sokrates
Hinwendung zum Menschen spielten die Sophisten eine zentrale Rolle für die europäische Ethik und
Anthropologie. Ihr bekanntester Vertreter Protagoras schuf mit dem Homo-Mensura-Satz, eine
Problemkonstellation aus Subjektivismus, Individualismus und Relativismus.
Das Höhlengleichnis zeigt Grundpositionen des griechisch-klassischen Philosophen Platon. Es wird deutlich,
dass der Mensch sich um Bildung bemühen muss, damit er die wahre Wirklichkeit erkennen kann. Nur wenn er
lernt, seine Vernunft zu gebrauchen, kann er das Wesen der Dinge und damit die Wahrheit über sie erfahren.
Andernfalls verbleibt er in einer Scheinwelt. Platon unterscheidet zwischen Ideen- und Sinnenwelt. An der
Spitze seines philosophischen Systems steht die Idee des Wahren, Guten und Schönen, deren Abglanz sich bis in
die sinnlich erfahrbare Erscheinungswelt erstreckt. Platon prägte das philosophisch-ethische Menschenbild
durch Vernunftorientierung, Tugendhaftigkeit und Elitedenken.
Überlegungen zum Naturzustand des Menschen führten Philosophen der Neuzeit zur Vorstellung eines
Gesellschaftsvertrages. Für den englischen Empiristen T. Hobbes sind die Menschen von Natur aus egoistisch.
Zu einem Gesellschaftsvertrag schließen sie sich nur zusammen, da er ihnen den größten Eigennutz bringt. Dem
Leviathan, der durch einen absolutistischen Monarchen verkörpert wird, geben sie all ihre Rechte und
Möglichkeiten ab.
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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Das Menschenbild des französischen Aufklärers J. J. Rousseau beruht auf der Vorstellung eines guten
Naturzustandes, der allmählich durch Kultur und Zivilisation verloren geht. Durch eine entsprechende Pädagogik
und die Anwendung eines Gesellschaftsvertrages soll sich der Mensch dem ursprünglich guten Naturzustand
wieder annähern: Dies wird letztlich durch die „negative Erziehung“ und das Vertrauen in den Gemeinwillen
erreicht.
Im Unterschied zu Hobbes und Rousseau vertraut der deutsche Aufklärungsphilosoph I. Kant viel stärker auf die
vernünftige Natur des Menschen. Seine Vorstellung von Autonomie ist bis heute maßgeblich für unser modernes
Selbstbild. Kant entwirft das Bild eines vernünftigen Staates, der seinen Bürgern verschiedene Rechte
sicherstellen muss. Dabei zeigen sich in seinen Ausführungen konzentriert die Ideale der Aufklärung.
Wirtschaftsethische Grundbegriffe: Angesichts der modernen Lebensumstände und der heutigen Arbeitswelt
stellt sich die Frage, mit welcher Einstellung man der Arbeit begegnen soll (Arbeitsethos). Zu untersuchen sind
die Formen von Arbeit und ihre Auswirkungen auf den Einzelnen, seine Mitmenschen und die Umwelt. Ziel ist
ein Arbeitsethos, das dazu befähigt, ein sinnerfülltes und sozial verantwortliches Leben zu führen.
In der abendländisch-europäischen Geschichte vollzog sich im Lauf der Jahrhunderte ein Wandel des
Arbeitsethos. Galt in der Antike noch die geistige Arbeit als das primär anzustrebende Ideal, so veränderte sich
dies schon im frühen Mittelalter über den Einfluss des Mönchtums. Im Zuge der Reformation wurde es
schließlich möglich, über jede Art von Arbeit göttlicher Berufung zu entsprechen. Die über den Calvinismus
geförderte Verknüpfung von beruflichem Erfolg und göttlicher Erwählung war für das Entstehen einer am
kapitalistischen Denken orientierten Arbeitswelt wichtig. Mit dem Nationalökonomen A. Smith wurde im 18. Jh.
das wirtschaftsethische Denken von tugendethischen Vorstellungen abgekoppelt. So propagierte der schottische
Gelehrte das Streben nach Eigennutz und die Idee einer freien Marktwirtschaft. Das Vorteilsstreben sollte jedoch
am moralischen Empfinden eine Beschränkung finden und durch das Konzept der unsichtbaren Hand
ausgeglichen werden. Im Zuge der Industrialisierung zeigte sich, dass das Prinzip der Gewinnmaximierung in
der Arbeitswelt auch zu einer Zerstörung des Arbeitsethos führen kann. Der Kommunist K. Marx stellte im 19.
Jh. u. a. das Problem der Entfremdung durch Arbeit dar und zeigte verschiedene Formen dazu auf. Damit
fokussierte er Probleme des Arbeitslebens, die zum Teil bis heute an Aktualität kaum eingebüßt haben. Auch
stellt die entfremdende Arbeit im Sinne einer inhumanen Ausbeutung von Lohnarbeitern in vielen Teilen der
Erde leider immer noch ein erhebliches soziales und menschliches Problem dar.
Religiöse Lebens- und Weltorientierung: Eine wichtige Gemeinsamkeit im Menschenbild der
Abrahamsreligionen besteht darin, dass der Mensch als ein Geschöpf Gottes aufgefasst wird. Für Judentum und
Christentum liegt in dieser Gottebenbildlichkeit die Würde des Menschen begründet. Sie wird ihm von keinem
anderen Menschen zugewiesen und sie kann ihm darum auch nicht genommen werden.
Im Islam wird dagegen stärker der transzendente Charakter Gottes sowie die Bedeutung und Würde, die dem
Menschen speziell durch die Anbetung Gottes zukommt, betont.
Im Theodizee-Problem wird die Frage gestellt, wie ein allmächtiger und allgütiger Gott das Leid in der Welt
zulassen kann. Die bekannteste philosophische Antwort auf diese Frage liefert der rationalistische Philosoph G.
W. Leibniz mit seiner Theorie von der besten aller möglichen Welten.
L. Feuerbach ist mit seiner im 19. Jh. aufgestellten Projektionsthese einer der profiliertesten Vertreter der
Religionskritik.
Religionen erheben einen Wahrheitsanspruch für ihre Überzeugungen. Um zu vermeiden, dass durch den
jeweiligen Wahrheitsanspruch Konflikte zwischen den verschiedenen Glaubensgemeinschaften entstehen, treten
die Religionen in einen interreligiösen Dialog. Dieser soll vornehmlich durch Toleranz und Achtung speziell der
Würde und Freiheit aller Gläubigen aller verschiedenen Religionen geprägt sein (Lessings Ringparabel).
Medizinethik und menschliche Person: Der Personbegriff spielt eine entscheidende Rolle in der Medizinethik,
da sich an ihm weitere Grundbegriffe dieser Bereichsethik entscheiden. Von ihm hängt beispielsweise ab, was
als menschliches Leben aufgefasst wird, Menschenwürde besitzt oder unter den Schutz der Menschenrechte fällt.
Der substanzialistische- (Rückbindung an das Mensch-Sein) und der qualitativ-aktualistische Personbegriff
(Rückbindung an die Verfügbarkeit von Leistungen) prägen den medizinethischen Diskurs.
Der hippokratische Eid ist das erste Berufsethos des Ärztestandes. Wie jedes Berufsethos formuliert er aus der
allgemeinen Ethik stammende moralische Forderungen. Diese Forderungen wurden zu allgemein verbindlichen
Prinzipien des Ärztestandes, die weiterentwickelt werden. Heute sind Prinzipien wie Wohl des Patienten, Wille
des Patienten und Nichtschadenspflicht entscheidende Gesichtspunkte in der Beziehung zwischen Arzt und
Patient.
Medizin bedient sich bei ihrer Entscheidungsfindung ethischer Modelle. Eine rationale Vorgehensweise und
wichtige ethische Prinzipien wie Selbstbestimmung (Autonomie), Schadensvermeidung, Fürsorge und soziale
Gerechtigkeit sind die Grundlagen des sog. amerikanischen Modells. Dabei wird eine Situations-, Ziel- und
Mittelanalyse durchgeführt.
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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Jahrgangsstufen 11 und 12:
• Sich
mit
grundlegenden
Begriffen
auseinandersetzen, die zum Führen und
Verstehen des ethischen Diskurses
erforderlich sind.
• Die Abhängigkeit der Denkergebnisse von
inhaltlichen
und
methodischen
Voraussetzungen erkennen
• Sich einen Überblick zu Grundpositionen
philosophischer und politischer Ethik
erarbeiten und sich dabei einen Zugang Wegweiser
www.shutterstock10314562.com
zum moralischen Erbe unserer Kultur von
der Antike bis zur Gegenwart erschließen
• Fragen der Orientierung des Menschen unter dem Aspekt des verantwortlichen
Handelns und Entscheidens erörtern können
• Anhand von Fragen der angewandten Ethik die Verantwortung des Einzelnen und der
Gemeinschaft erkennen und nach geeigneten Lösungsmöglichkeiten suchen
• Sich im Nachvollzug der Gedankenführung psychologischer, soziologischer,
biologischer, physikalischer und philosophischer Texte zum Freiheitsproblem einen
Einblick in verschiedene Argumentationsweisen verschaffen und so das eigene
Denkvermögen schulen
• Erfahren, dass ethische Fundamentalprobleme wie
Freiheit, Gerechtigkeit und das gute Leben im Lauf der
Geschichte immer wiederkehren, aber unter veränderten
Bedingungen und unter Einbeziehung neuer Erkenntnisse
unterschiedlich beantwortet werden
• Sich auf der Basis eigener Erfahrungen und
Beobachtungen mit wesentlichen philosophischen
Glücksvorstellungen aus der Antike und den Ergebnissen
der
neueren
empirischen
Glücksforschung
auseinandersetzen
• Erkennen, dass personale Sinnentscheidungen von
vernünftiger Kommunikation im Spannungsfeld von Ich
I. Kant
©Wikipedia
und Anderen abhängen
(verändert nach. Lehrplan Ethik ISB München 2004).
Jgst. 11
Grundlegende Begriffe des ethischen Diskurses:
Im Unterschied zur Moral, die den „Ist-Zustand“, die empirische Wirklichkeit, von sittlichen Verhaltensweisen,
Konventionen und Wertvorstellungen in einer Gemeinschaft widerspiegelt und diese in Normen und Werten
festzuschreiben versucht, versteht sich die Ethik als Disziplin der Philosophie, die wissenschaftlich nach der
Begründbarkeit von Moral forscht. Ihre Aufgabe ist es, allgemeingültige Aussagen über das gute und gerechte
Handeln (O. Höffe) zu treffen. Dabei beruft sie sich nicht auf Autoritäten, sondern bedient sich überprüfbarer
Methoden und schult so die praktische Urteilskraft. Die philosophische Ethik leitet zur argumentativen
Begründung und Rechtfertigung von Handlungen und Verhaltensweisen an und untersucht Handlungsstrukturen.
Sie liefert aber keine direkten Handlungsanweisungen für den konkreten Einzelfall.
Bei einer Handlung greift der Mensch in den Lauf der Dinge ein, um eine bewusste Absicht zu realisieren. Im
Unterschied zum Verhalten, das physische Ursachen hat, steht hinter einer Handlung also eine mentale Ursache
(Gründe, Absicht). Eine Handlung kann auch unterlassen werden. Nach dem ethischen Menschenbild verstehen
wir uns als Wesen, die bewusst und freiwillig handeln können.
Werte sind bewusste oder unbewusste Orientierungsstandards, von denen sich Einzelne oder Gruppen in ihrem
Verhalten leiten lassen. Hierbei wird festgehalten, was als richtig und erstrebenswert gilt. Werte können sich im
Laufe der Zeit verändern (Wertewandel). Ein Wertekonflikt entsteht, wenn sich Werte gegenseitig ausschließen.
Normen helfen Werte umzusetzen. Sie stellen also mehr oder weniger gerichtete Handlungsanweisungen oder
Vorschriften dar. Über den Verbindlichkeitsgrad unterscheidet man zwischen Kann-, Soll- und Muss-Normen.
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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Es ist ein grundlegender Unterschied, ob wir Sachverhalte nur beschreiben oder auch beurteilen und bewerten,
also ein Sach- oder ein Werturteil fällen. Diese Unterscheidung ist auch für das sog. „Humesche Gesetz" (SeinSollen-Fehlschluss) wichtig, wonach aus dem Sein niemals ein Sollen folgt. Ein solcher Fehlschluss liegt immer
dann vor, wenn aus einer nichtmoralischen Tatsachenfeststellung einfach ein moralischer Schluss gezogen wird.
Der Sprachanalytiker G.E.Moore erweiterte den Sein-Sollen-Fehlschluss zum naturalistischen Fehlschluss. Statt
eines logischen Fehlschlusses entdeckte er einen semantischen Fehler, wenn man das Wort „gut“ im Sinne einer
natürlichen Eigenschaft versteht (z. B.: gut = nützlich).
Die philosophische Ethik wird in deskriptive-, normative- und Metaethik unterteilt.
Grundpositionen philosophischer Ethik:
Platon entwickelt seine Ethik vor allem in Streitgesprächen zwischen Sokrates und dessen Gegnern, den
Sophisten. Diese propagieren als Rhetoriklehrer rücksichtslosen Egoismus und das Recht des Stärkeren.
Sokrates demonstriert in diesen Wortgefechten seine Überprüfungskunst (Elenktik). Oft enden diese
Auseinandersetzungen in der Ausweglosigkeit (Aporie) der ihres Scheinwissens überführten Dialogpartner.
Seine Auffassung vom glücklichen und gelingenden Leben begründet Platon mit Hilfe seiner Ideenlehre. Nach
ihrer mythologischen Version sind die menschlichen Seelen vor der Geburt unterschiedlich weit in das Reich der
Ideen vorgedrungen. Nach ihrer Inkorporation können sie sich später im Prozess der Wahrnehmung und des
Denkens wieder daran erinnern (Wiedererinnerungslehre). In einigen Dialogen Platons hilft Sokrates seinen
Gesprächspartnern bei dieser Erinnerungsarbeit, indem er sie mit Hilfe logischer Argumentation oder
mathematischer Beispiele von ihrem angeborenen Ideenwissen „entbindet“, (Mäeutik). So können die
Einsichtigen mit Hilfe ihres vernünftigen Seelenteils über die Wiedererinnerung und Erkenntnis zum Wissen
über das Gute (Idee des Guten u.a. in Platons Höhlengleichnis) gelangen. Dies veranlasst sie zugleich, wenn sich
ihre Seelenteile im Gleichgewicht befinden, das moralisch Richtige zu tun (Gleichnis vom Pferdegespann).
Aristoteles versucht die Frage nach dem guten und gelingenden Leben über die von ihm vorgenommene
Untersuchung der menschlichen Seele zu beantworten. Das menschliche Tun entspringt dem Zusammenwirken
verschiedener Seelenteile: der vegetativen Seele, die die Körperfunktionen reguliert, dem vermittelnden
Strebevermögen und der Vernunftseele (logos).
Handeln aus verschiedenen Antrieben soll durch die ethischen Tugenden (Charaktertugenden) gelenkt werden,
die dem Strebevermögen zugeordnet sind. Dabei gilt es situativ die richtige Mitte (Mesotes-Lehre) zu erkennen
und zu wählen.
Dazu bedarf es der vernünftigen Einsicht und der Gewöhnung von Kindheit an, der so erkannten rechten Mitte
tatsächlich auch im Handeln zu folgen (Problem der Willensschwäche). Nur durch Erziehung wird der Mensch
charakterfest. Er muss die ethischen Tugenden üben, damit sie zur Haltung werden (Tugendethik). Dann
ermöglichen sie das gerechte Zusammenleben im Staat und ein glückliches Leben.
Der Vernunftseele entstammen drei Arten menschlicher Tätigkeiten: das Hervorbringen von Gegenständen
(poiesis), das Entscheiden incl. dem damit verbundenen Handeln (praxis) und schließlich das Betrachten
(theoria), das zu Erkenntnis und Wissenschaft führt. Den drei Kategorien entsprechen die dianoetischen
Tugenden (Verstandestugenden). Durch sie verwirklicht der Mensch seine vernünftige Natur.
Die Tugend des Hervorbringens ist das praktische Können (techne), das zu einwandfreien Produkten
beispielsweise im Handwerk oder in der Industrie führt.
Die Tugend der Entscheidung ist die sittliche Einsicht (phronesis), die zentrale Tugend im ethischen System des
Aristoteles. Einsicht ist zum einen für die ethischen Tugenden wichtig, denn sie reflektiert die unterschiedlichen
Handlungssituationen und kann daher die jeweils richtige Mitte zwischen den Affekten finden. Zum anderen ist
bei jeder Entscheidung Einsicht in die Folgen nötig. Vor allem Menschen, die große Verantwortung tragen, etwa
in der Politik, müssen daher die Verstandestugend der Einsicht haben.
Die Tugenden des Betrachtens sind Erkenntnis (episteme), Verstand (nous) und Weisheit (sophia). Sie führen
durch die Fähigkeit des logischen Schließens aus den Grundprämissen der Wissenschaft zum sicheren Wissen
über das Unveränderliche.
Im Üben bzw. Ausüben der ethischen und der dianoetischen Tugenden erfüllt der Mensch nicht nur seine
Bestimmung als vernünftiges und für die Gemeinschaft bestimmtes Lebewesen, er erreicht damit auch das Ziel
seiner Bestrebungen, nämlich das gute Leben, das Glück.
Bei Immanuel Kant, dem Denker der Aufklärung, wird Ethik durch die moralisch gesetzgebende praktische
Vernunft des Menschen, die sich gegenüber den natürlichen Bestimmungen durch Autonomie auszeichnet,
ermöglicht. In seiner Handlungsbestimmung kann der Mensch zwei Standpunkte einnehmen, den der
Sinnlichkeit und den der Vernunft. Kant unterteilt die moralischen Prinzipien in Maximen (in individuelle
Handlungsregeln) und in Imperative (allgemeinverbindliche Regeln). Die Imperative drücken verschiedene
Grade von Verbindlichkeit aus, sie sind entweder hypothetisch oder kategorisch.
Als sinnliches Wesen ist der Mensch mit seinem unteren Begehrungsvermögen ein Teil der Natur und folgt
seinen natürlichen Trieben und Neigungen. Die empirisch-praktische Vernunft hat die Aufgabe, die Bedürfnisse ,
die nach dem Nützlichen und dem Glück ausgerichtet sind, zu befriedigen. Sie entdeckt Regeln, hypothetische
Imperative, die vorschreiben, was der Handelnde tun soll, wenn er erreichen will, was er begehrt. Sie sind
zweckrational, aber nicht notwendigerweise moralisch gut.
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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Die Sätze, die ein kategorisches Sollen unabhängig von aller sinnlichen Neigung vorstellen, nennt Kant
kategorische Imperative. Sie gelten a priori, unbedingt und absolut. Der kategorische Imperativ bildet den Zweck
an sich. Dieser liegt in der Moralität der Handlung selbst, in der reinen, durch keine sinnlich bedingten Antriebe
bestimmten Selbstgesetzgebung. An sich gut ist eine Handlung, die derjenigen Maxime folgt, durch die der
Handelnde zugleich wollen kann, dass sie allgemeines Gesetz werde.
Für Kant ist bei der ethischen Bewertung der Handlung entscheidend, dass die Handlung in sich sittlich gut ist
(Guter Wille). Die Folgen der Handlung sind für ihn moralisch indifferent. Bei Kants Ethik handelt es sich um
eine Pflichtethik (deontologische Ethik).
Sozusagen am anderen Ufer in England entwickelte sich zur gleichen Zeit der klassische Utilitarismus (J.
Bentham), der gute Handlungen nach ihrer Nützlichkeit (Utilität) beurteilt. Der moralische Maßstab besteht für
ihn darin, ob die dem Nützlichkeitsprinzip verpflichtete Handlung das größtmögliche Glück der größten Zahl zur
Folge hat, das durch ein hedonistisches Kalkül erfasst werden soll (konsequenzialistische oder Folgenethik).
Gegen diesen quantitativen Hedonismus gibt J. S. Mill zu bedenken, dass menschliche Bedürfnisse auch
qualitativ unterschieden werden müssen und entwickelt einen qualitativen Hedonismus, der niedere und höhere
Bedürfnisse voneinander unterscheidet und hierarchisiert.
Als weitere Formen des Utilitarismus sind der Handlungs- und der Regelutilitarismus zu unterscheiden.
Der prominente und kontrovers diskutierte Bioethiker P. Singer vertritt einen Präferenzutilitarismus.
Für den Diskursethiker J. Habermas ist der Diskurs ein Gespräch, in dem sich die Teilnehmer auf rationalargumentative Weise bemühen, bei umstrittenen Normen eine Übereinstimmung hinsichtlich ihrer Gültigkeit zu
erreichen. Damit dies gelingt, müssen verschiedene Grundsätze und Regeln beachtet werden.
Nach Grundsatz D ist eine moralische Norm nur dann gültig, wenn alle von ihr Betroffenen als Teilnehmer eines
Diskurses zustimmen.
Darüber hinaus wird in Anlehnung an den kategorischen Imperativ Kants mit dem Universalitätsgrundsatz U
festgelegt, dass die umstrittenen Normen und ihre Auswirkungen für alle Menschen akzeptabel sein müssen.
Die konkreten Regeln, die Habermas für das Verfahren des Diskurses aufstellt, gehen von der Wahrhaftigkeit,
Chancengleichheit und Gleichberechtigung der Teilnehmer aus. Sie sind die Bedingungen einer angestrebten
idealen Sprechsituation, in welcher der Diskurs nicht durch innere (diskursfeindliches Verhalten der Teilnehmer)
und äußere Störungen (z.B. Tabus oder Sprachregelungen als gesellschaftliche Vorgaben) gefährdet wird.
Angewandte Ethik:
Angewandte Ethik ist ein Oberbegriff für verschiedene spezifische Bereichsethiken (z.B. Umwelt-, Bio-,
Medizin-, Wirtschaftsethik), die von Problemen der Einzelwissenschaften angeregt werden. Grundlage ist die
allgemeine Ethik mit ihren theoretischen Grundbegriffen und –prinzipien.
Verantwortung ist ein mehrstellig relationaler Begriff: Wer verantwortet was, wofür, weswegen, wovor, wann
und wie? Verantwortlich ist man für das, was im Bereich möglicher Einwirkung steht. Durch die rapide
Zunahme technisch-wissenschaftlicher Verfügungsmacht des Menschen über die Natur scheint aber diese
Einschränkung der Verantwortung auf primäre Handlungsfolgen nicht mehr zulässig zu sein.
Dieser Entwicklung trägt der Verantwortungsethiker H. Jonas in seinem ethischen Neuansatz Rechnung. Er
knüpft zunächst an das traditionelle Verständnis der Kausalhandlungs-Verantwortung an, wonach der Handelnde
für die Handlungsfolgen verantwortlich gehalten und gegebenenfalls haftbar gemacht wird. Dagegen setzt Jonas
eine neue Fürsorgeverantwortung (Sorge-für-Verantwortung), da die durch den Menschen und seine technische
Zivilisation zerstörte Natur einen Anspruch an den Menschen habe (Treuhänder-Verantwortung).
Jonas versucht, den anthropozentrischen Standpunkt der traditionellen Ethik zu überwinden, da sie der
geänderten Situation menschlichen Handelns nicht mehr gerecht wird. Kants kategorischer Imperativ ist für ihn
ein Beispiel für die Unzulänglichkeit ethischer Handlungsnormen, da er sich zunächst nur auf individuelles
Handeln richtet. Deshalb weitet er ihn über eine teleologische Argumentation zu einem Imperativ
generationenübergreifend-gesamtmenschheitlicher Verantwortung aus, der auch die Verpflichtung zur
Bewahrung der Natur um ihrer selbst willen umfasst. Der Mensch soll das durch die Naturordnung entstandene
Leben anerkennen und bewahren (biozentrische Ethik), so dass die Natur als Ganzes, die gesamte Biosphäre des
Planeten, zum Gegenstand menschlicher Verantwortung wird.
Freiheit und Determination in Psychologie und Soziologie:
Freiheit: Wäre der Mensch in seinem Handeln vollständig durch physikalische Gesetze bestimmt, könnte man
ihn nicht für sein Handeln verantwortlich machen. Freiheit lässt sich begrifflich differenzieren:
- Handlungsfreiheit bezieht sich auf das menschliche Handeln. Sie ist negativ bestimmt als eine „Freiheit von“
Fremdbestimmung bzw. sonstigen Handlungseinschränkungen.
- Wahlfreiheit ist die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Handlungsoptionen auswählen zu können.
- Willensfreiheit ist positiv bestimmt als „Freiheit zu“. Hier steht der Wille im Zentrum, und damit die mentale,
geistige Fähigkeit einer Person, selbständige Entscheidungen zu treffen und die Verwirklichung ihrer
Handlungsziele einzuleiten.
S. Freud ist der Begründer der Psychoanalyse, einer Therapiemethode psychischer Störungen, die auf seiner
Theorie der menschlichen Seele basiert. Danach ist die Psyche aus drei Instanzen aufgebaut, dem Es, Ich und
Über-Ich. Die meisten psychischen Inhalte dieser Instanzen sind unbewusst und determinieren das Handeln,
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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indem sie beispielsweise Fehlleistungen und Abwehrmechanismen bewirken. Aus dem Es wirken die
angeborenen Triebe, vor allem der Sexual- und der Aggressionstrieb, auf das Ich ein; aber auch verdrängte
seelische Verletzungen (Traumata), die wegen eines starken psychischen Widerstands nicht bewusst gemacht
werden können. Das Über-Ich lenkt das Handeln durch übernommene und verinnerlichte elterliche Normen. Die
Einflüsse des Es und Über-Ich muss das Ich mit den Anforderungen der Außenwelt in Einklang bringen. Das Ich
wird hierbei vor allem die Ansprüche des Es verschieben oder gar abweisen müssen. Die psychische Energie
solcher nicht zugelassener Triebansprüche kann im Idealfall für Kulturleistungen genutzt (sublimiert) werden. In
der psychoanalytischen Therapie werden unter anderem durch freie Assoziation und Traumdeutung verdrängte
Traumata bewusst gemacht, so dass sie nicht länger psychische oder seelisch bedingte körperliche (psychosomatische) Krankheiten auslösen können.
In Bezug auf die Wechselwirkung der Individuen unterscheidet man in der Sozialpsychologie auch zwischen
Konformität, Akzeptanz und compliance. Die Bedeutung von Autorität für den Einzelnen wurde im MilgramExperiment in einer raffinierten Lehrer-Schüler-Experten- Konstellation untersucht.
Soziologie beschäftigt sich mit den Formen, Strukturen und Gesetzmäßigkeiten einer Gemeinschaft bzw. einer
Gesellschaft. Im Mittelpunkt stehen dabei Beziehungen zwischen einem Menschen und einer Gemeinschaft. Der
lebenslange Prozess der Sozialisation spielt in diesem Kontext eine wesentliche Rolle. Während des
Hineinwachsens in sein Umfeld wird der Einzelne maßgeblich geprägt und geformt (Sozialisationsinstanzen).
Durch den Sozialisationsprozess und die zugewiesene soziale Rolle kann ein persönlicher Konflikt zwischen
Selbst- und Fremdbestimmung entstehen.
Der Mensch wird in seinem Denken und Handeln auch durch die Zugehörigkeit zu einer Schicht beeinflusst,
denn er lebt in einer Gesellschaft, die gemäß bestimmten Statusmerkmalen (z.B. Einkommen, Beruf, Bildung) in
Teilgruppen (Schichten) untergliedert ist. Danach beeinflusst die Schichtzugehörigkeit die Person erheblich (z.B.
Bildungschancen).
Freiheit und Determination in den Naturwissenschaften:
Für die Entstehung von Bewusstsein und Willen für rationales und emotionales Handeln interessiert sich die
Neurobiologie, die das Gehirn mit funktionellen Bildgebungsverfahren erforscht. Grundlegend für Hirnforscher
waren die Experimente des Physiologen B. Libet. Die Probanden sollten zu einem frei gewählten Zeitpunkt ihr
Handgelenk beugen. Zusätzlich schauten sie auf die Position eines rasch im Kreis laufenden Lichtpunkts und
gaben an, wann sie den Willen spürten, ihre Hand zu bewegen.
Die Probanden spürten den Willen zur Bewegung zwar etwa eine Fünftelsekunde vor der tatsächlichen
Bewegung. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt ihr Bereitschaftspotenzial im Gehirn laut Messung bereits
maximal aufgebaut. Der bewusste Wille konnte somit die Handlung bei der Messung weder gewählt noch
eingeleitet haben, dies musste durch etwas davor geschehen sein. Viele Wissenschaftler schlossen, dass der freie
Wille eine Illusion sei. Libet selbst war anderer Meinung. Er stellte in einem weiteren Versuch fest, dass die
Personen in der Lage sind, die Ausführung des zunächst unbewusst eingeleiteten und dann zu Bewusstsein
gekommenen Willens zu stoppen.
Die Grundfrage des sog. Leib-Seele-Problems lautet: Wie sind körperliche und geistige Funktionen aufeinander
bezogen? Dabei unterscheidet man dualistische und monistische Antworten. Für den Dualismus ist die
Unterscheidung zwischen Körper/Leib und Geist/Seele zentral. Einer monistischen Position nach ist diese
Trennung hingegen letztlich nur Schein. Geist und Bewusstsein gelten hier als das Nebenprodukt neuronaler
Aktivitäten.
Das von der klassischen Physik, und zwar vor allem der Newtonschen Mechanik, geprägte mechanistische
Weltbild ruht auf drei Säulen: dem Prinzip der Kausalität, dem mit ihm verbundenen Prinzip des Determinismus
und auf dem Prinzip der Objektivierbarkeit.
Aus der klassischen Physik entwickelte sich ab Beginn des 20. Jahrhunderts die umfassendere moderne Physik
mit ihren drei wesentlichen Teilgebieten: Quantenphysik, Relativitätstheorie und Chaostheorie. Die klassische
Physik gilt nur noch als Teilbereich mit beschränkter Gültigkeit.
Die Heisenbergsche Unschärferelation aus der Quantenphysik brachte den klassischen Bahnbegriff im Bereich
der Quantenwelt zu Fall. Die beobachtete Unscharfe oder Unbestimmtheit beruht aber dabei nicht auf
unzureichender Messtechnik und -genauigkeit, sondern ist eine Eigenschaft der Natur. Im Rahmen der
Quantentheorie schwindet auch die Trennungslinie zwischen Subjekt und Objekt, die Existenz des objektiven
Beobachters wird in Frage gestellt. In dieses Umfeld gehört auch der dt. Physiker und Nobelpreisträger Max
Planck. Für ihn ist die Frage nach der Willensfreiheit von der Perspektive des objektiven Beobachters bzw. des
handelnden Ichs abhängig. Ersterer erkennt die Determinanten, die auf den Willen einwirken, Letzterer versteht
sich in seinem Handeln als frei.
Freiheit in der Philosophie von der Antike bis zur Gegenwart:
Die Ethik des griechisch-klassischen Philosophen Aristoteles verwendet einen eher psychologischen
Freiheitsbegriff der Wahlfreiheit als Fähigkeit des Willens, zwischen verschiedenen Motiven von sich aus zu
entscheiden. Danach ist der Mensch für seine Taten und für seinen Charakter und die damit verbundenen
Grundhaltungen, die er durch Übung und Gewöhnung schulen kann, selbst verantwortlich. Aristoteles kommt
nach einer Analyse freiwilliger und unfreiwilliger Handlungen zu dem Ergebnis, dass die ethische Qualifikation
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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nur für freiwillige Handlungen in Betracht kommt. Die Handlungsfreiheit wird nach Aristoteles eingeschränkt,
wenn Menschen äußerem Zwang ausgesetzt sind. Kann man sich gegen solchen Zwang nicht wehren, ist die
daraus resultierende Handlung gänzlich unfrei; hat man dagegen die Wahl, sich dem Druck zu beugen oder zu
widerstehen, spricht Aristoteles von „gemischten Handlungen“, die von beidem - Zwang und Freiheit - etwas an
sich haben. In solchen Situationen kann es sittlich geboten sein, sich gegen den Zwang zu entscheiden, auch
unter Einsatz des eigenen Lebens. Wenn man aus Unwissenheit etwas tut, das man eigentlich nicht will, ist die
Handlung ebenfalls unfrei. Allerdings entschuldigt Aristoteles keine unsittlichen Handlungen, die im Affekt oder
Rausch begangen werden. Aristoteles unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen unfreiwillig und nichtfreiwillig.
Der Vertreter des Empirismus David Hume vertritt einen eingeschränkten Determinismus, mit dem eine primäre
Handlungsfreiheit vereinbar ist. Handlungsfreiheit bestimmt er als das Vermögen der Person, gemäß den
Entscheidungen des eigenen Willens zu handeln. Hat eine Person sich für eine Handlung einmal entschieden, so
kann es Umstände geben, die sie an der Ausführung der Handlung hindern. Fehlen solche Umstände, dann ist die
Person frei zu handeln, wie sie will, d.h. sie ist frei, ihre einmal gebildete Absicht auszuführen. Hume definiert
die Freiheit des Handelns also negativ als Abwesenheit von Umständen, die die Person am Ausführen einer
gewollten Handlung hindern oder ihr eine Handlung aufzwingen, die sie nicht will.
Bei dem Aufklärungsphilosophen Immanuel Kant wird die Freiheit v. a. als Willensfreiheit im Sinne von
Autonomie betrachtet. Der Mensch ist auf Grund seiner praktischen Vernunft fähig zur sittlichen
Selbstbestimmung und dazu verpflichtet. Unstrittig ist für Kant, dass das Kausalprinzip die durchgängige
Determination der Welt zeigt. Danach ist jeder Zustand durch Ursachen eindeutig determiniert. Diese Tatsache
trifft auch auf menschliche Handlungen zu. Freiheit besteht nun nicht in einer Lücke der Kausalkette oder in
einem Mangel an Determination in der Natur, sondern in einer zusätzlichen „Determination“, einer Kausalität
aus Freiheit. Hierbei fasst Kant den Menschen als Verstandes- und als Sinnenwesen auf, das in seiner
Handlungsbestimmung einen der beiden Standpunkte annehmen kann. Vom Standpunkt des Sinnenwesens findet
er nur Ursachen, vom Standpunkt als Verstandeswesen aber Gründe (kategorischer Imperativ) für sein Handeln.
So ist allein der Mensch als vernünftiges Wesen fähig, die Kausalitätsabläufe in der Natur hinter sich zu lassen.
Moralität und Sittlichkeit haben nach Kant ihren Ursprung in der Freiheit. Negativ gesehen ist Freiheit das Nein
zu materialen Bestimmungsgründen als Neigungen und Antrieben der Sinnlichkeit, positiv gesehen ist Freiheit
die Möglichkeit des Menschen, kraft der Vernunft, ein formales Gesetz zu schaffen, dem er gehorchen kann.
Somit ist ein Gesetz, das die praktische Vernunft sich selbst gibt, keine Einschränkung von Freiheit, sondern ihre
Selbstverwirklichung gemäß ihrem gesetzmäßigen Wesen (Sittengesetz).
Von dem französischen Existenzialisten Jean-Paul Sartre stammt die These, dass der Mensch zur Freiheit
verurteilt ist. Dies hat zur Konsequenz, dass der Mensch kein festgelegtes Wesen hat, die Existenz geht der
Essenz voraus. Er ist daher gezwungen, sich selbst zu entwerfen und zu dem zu machen, was er sein will.
Dabei kann er aber als Mensch nicht uneingeschränkt handeln, sondern wird immer wieder durch
Gegebenheiten, auf die er stößt und die nicht von ihm abhängen, beschränkt. In einer Welt ohne Gott, von der
Sartre ausgeht, kann der Mensch Verantwortung nicht abschieben. Er muss sich selbst entwerfen und
gleichzeitig im Bewusstsein seiner Freiheit auch die Verantwortung übernehmen. Bei seiner Wahl entwirft der
Mensch gleichzeitig das Bild des Menschen, wie er ihn sich wünscht.
Für den zeitgenössischen Philosophen Peter Bieri entsteht zwischen Willensfreiheit und Determinismus nur
dann ein Konflikt, wenn ein Beobachter einen sog. Kategorienfehler begeht und zwei verschiedene Perspektiven
verwechselt bzw. miteinander verquickt: die neurobiologische (nach der alles nach naturwissenschaftlichen
Gesetzmäßigkeiten abläuft) und die aristotelisch-psychologische (nach der Personen aufgrund von Gründen und
Motiven handeln). Bieri wirft der Hirnforschung vor, diese beiden Perspektiven immer wieder zu verwechseln
und deshalb die Freiheit am falschen Ort zu suchen, nämlich im Gehirn, statt im Geist (in der Person). Würden
dagegen beide Ebenen korrekt und sauber getrennt, könne man Hirnforschung betreiben und den Menschen
zugleich für frei und verantwortlich halten (Vereinbarkeit von Freiheit und Determination).
Jgst. 12:
Recht und Gerechtigkeit:
Als Recht bezeichnet man eine Ordnung von Normen. Die Rechtsordnung legt die damit einhergehenden
Strukturen, Verfahren und Verhaltensweisen fest. Rechtsnormen sind verbunden mit Sanktionen bzw. Strafen
(Zwangscharakter des Rechtssystems). Rechtsnormen sind gebunden an eine Instanz, die innerhalb eines
bestimmten Gebietes souverän ist und ein Gewaltmonopol besitzt. Diese Instanz sorgt dafür, dass die
Rechtsnormen wirksam sind, so dass sie im Staatsgebiet im Großen und Ganzen wirklich akzeptiert werden.
Zu den wichtigsten Themen der Rechtsphilosophie gehört die Frage, ob das Recht ausschließlich auf
menschlicher Setzung beruht (positives Recht) oder ob es dem geltenden Recht vorgeordnete, überpositive
Normenordnungen gibt, an die das positive Recht gebunden ist. Die Grundthese des Rechtspositivismus besagt,
dass Recht und Moral streng auseinander gehalten werden müssen (Neutralitäts- oder Trennungsthese).
Naturrechtler gehen hingegen davon aus, dass es dem geltenden Recht vorgeordnete, überpositive
Normenordnungen gibt, an die das positive Recht gebunden ist. Recht und Moral fallen danach also zumindest
teilweise zusammen. Dabei sind verschiedene Begründungen des Naturrechts zu unterscheiden: Im
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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kosmologischen Naturrecht beruft man sich auf Gott und die von ihm gestiftete Weltordnung, ein
anthropologisches Naturrecht ist in der Natur und dem Wesen des Menschen begründet, rationales Naturrecht
gründet hingegen in der Möglichkeit des Menschen zum Vernunftgebrauch. Naturrechtliche Auffassungen
finden sich auch im Grundgesetz der BRD (z. B. GG Art. l, Abs. 2: Bekenntnis zu „unverletzlichen und
unveräußerlichen Menschenrechten“).
Grundpositionen aus Antike und Gegenwart:
Der griechisch-klassische Philosoph Aristoteles geht in seiner ethisch-politischen Theorie im Wesentlichen von
einer distributiven (verteilenden) und einer kommutativen (ausgleichenden) Gerechtigkeit aus. Die erste bezieht
sich mehr auf die gesellschaftliche Ebene und versucht, die Frage zu beantworten, wie der gerechte Staat die
Leistungen seiner Bürger belohnen sollte. Aristoteles kommt zu dem Ergebnis, dass die Summe des zu
verteilenden Guts (z.B. Geld) proportional zu den unterschiedlichen Leistungen verteilt werden müsse. Die
kommutative Gerechtigkeit wird vor Gericht angewendet: Der unrechtmäßige Vorteil des Täters muss diesem
durch den Richter weggenommen und dem Opfer zuerkannt werden, sodass ein Ausgleich zwischen den beiden
Parteien hergestellt wird.
Der moderne liberalistische Philosoph J. Rawls untersuchte, wie die faire und gerechte Kooperation zwischen
freien und gleichen Bürgern aussehen könnte. Damit die Überlegungen auch von allen Beteiligten akzeptiert
werden können, geht Rawls in einem Gedankenexperiment von einem Urzustand (vgl. T. Hobbes und J.J.
Rousseau in Ethik 10) aus: Welche Entscheidung über die Verteilung von Gütern würden wir treffen, wenn wir
unsere konkrete gesellschaftliche Position und die aller anderen nicht kennen würden? Rawls schlägt zwei
wichtige Gerechtigkeitsprinzipien vor: Alle haben Anspruch auf gleiche größtmögliche Freiheit. Faire
Chancengleichheit muss für alle gewährleistet sein. Abweichungen von der Gleichverteilung sind nur dann
zulässig, wenn sie den Schlechtergestellten in einer Gesellschaft zum Vorteil gereichen.
Unter Kommunitarismus (z.B. M. Walzer) versteht man eine kapitalismus- bzw. liberalismuskritische Strömung
in der politischen Philosophie, die um 1980 als kritische Reaktion auf John Rawls ihren Beginn in den USA
nahm. Das kommunitaristische Projekt ist der Versuch einer Wiederbelebung von Gemeinschaftsdenken unter
den Bedingungen moderner Informations- und Dienstleistungsgesellschaften, in denen Bindungen nur noch eine
geringe Rolle spielen.
Schuld und Strafe:
Schuld bezeichnet die Beziehung eines Handelnden zu seiner Handlung im Sinne von Vorwerfbarkeit. Dabei
unterscheidet man einen religiösen, einen rechtlichen und einen moralischen Schuldbegriff.
Der Begriff „Sünde“ bezeichnet die Übertretung eines religiösen Gebotes und die Störung der Beziehung
zwischen Geschöpf und Schöpfer.
Im Strafrecht gilt das Schuldprinzip, d. h., ohne Schuld gibt es keine Strafe. Dabei ist rechtliche Schuld an
gewisse Voraussetzungen geknüpft: Der Täter muss schuldfähig sein, die Tat muss bestimmte Schuldmerkmale
haben, die Schuldform „Vorsatz“ oder „Fahrlässigkeit“ muss vorliegen und es dürfen keine
Entschuldigungsgründe geltend gemacht werden können.
Wenn jemand gegen sittliche Normen verstößt, spricht man von moralischer Schuld. Sanktionsinstanz sind hier
nicht Gerichte, sondern das eigene Gewissen.
Strafrechtstheorien beschäftigen sich damit, ob ein Strafrecht sich bei der Zumessung einer Strafe an der Tat und
ihrer Schwere (Tatstrafrecht) orientieren soll oder an der Persönlichkeit des Täters (Täterstrafrecht), d.h. seiner
Lebensgeschichte und den Faktoren, mit denen man auf den Täter in positive Richtung Einfluss nehmen will.
Das Tatstrafrecht steht der absoluten Straftheorie sowie der Generalprävention nahe, das Täterstrafrecht der
Individualprävention. Im deutschen Strafrecht verwendet man eine Mischform aus beiden Theorien.
Hauptziel des modernen Strafvollzugs ist die Resozialisierung. Der Täter soll befähigt werden, ein Leben frei
von Verbrechen und integriert in die Gesellschaft zu führen. Nur in extremen Ausnahmefällen ist die Sicherung
der Gesellschaft vor einem Täter in Form der Sicherungsverwahrung vorrangig.
Bei der Beschäftigung mit Strafzwecken geht es um die Frage, welchen Sinn Strafe hat. Grundsätzlich
unterscheidet man zwischen den absoluten Straftheorien, für die der Grund des Strafens allein in der Straftat
liegt, die auszugleichen ist (Vergeltung), und den relativen Straftheorien, denen zufolge Strafe dem Zweck dient,
die Wiederholung einer Straftat zu verhindern. Bei den relativen Straftheorien differenziert man weiter:
- Individual- oder Spezialprävention: Einwirkung auf den Täter, und zwar durch Abschreckung (negative
Individualprävention) bzw. Resozialisierung (positive Spezialprävention)
- Generalprävention: Einwirkung auf die Allgemeinheit, und zwar durch Abschreckung möglicher Täter
(negative Generalprävention) bzw. Bestätigung des Rechtsbewusstseins und Verarbeitung von Rachegelüsten
(positive Generalprävention)
- Täter-Opfer-Ausgleich: man versucht auf den Täter einzuwirken und dem Opfer die Chance zu geben, die Tat
in der Kommunikation mit dem Täter zu verarbeiten sowie Möglichkeiten der Wiedergutmachung anzubieten.
Politische Ethik:
Die politische Ethik untersucht die natürlichen Rechte des Menschen und die damit zusammenhängende
moralische Tragweite politischen Handelns.
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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Die Rede von natürlichen Rechten eines jeden Menschen findet sich bereits in der Antike bei Platon und
Aristoteles, die davon sprechen, dass der Mensch aufgrund seines Wesens gewisse Naturrechte innehabe Frauen, Kinder und Sklaven allerdings noch ausgenommen.
Erst die Schule der Stoa schreibt jedem Menschen von Natur aus dieselben Freiheiten und Rechte zu.
Im Christentum erhält der Gedanke eines besonderen natürlichen Wertes des Menschen eine religiöse Prägung
durch die Grundüberzeugung, dass Gott den Menschen nach seinem Angesicht geschaffen habe. Aristotelische
und stoische Philosophie fließen durch das Wirken des mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin ins
Christentum ein.
Im europäischen Humanismus findet sich eine breite Strömung von Denkrichtungen, die sich teils der politischen
und religiösen Vorherrschaft der Kirche entgegenstellten, sich meist aber im christlichen Weltbild verankert
sahen. Insbesondere der Renaissance-Philosoph Pico della Mirandola zeichnet sich dabei in seiner Abhandlung
„Über das Wesen des Menschen“ durch seine Milde und Menschlichkeit aus.
In unseren Tagen wendet sich die politische Ethik verstärkt den Grundlagen und Voraussetzungen von
Demokratie zu. Unter Bürgergesellschaft versteht man in diesem Zusammenhang eine im ständigen
Entwicklungsprozess befindliche, aktive gesellschaftliche Selbstorganisation von Bürgerinnen und Bürgern eines
Staates. Sie stellt neben weiteren Faktoren wie der sichergestellten Überwachung staatlicher Gewalt und der
Etablierung eines demokratischen Pluralismus eine förderliche Voraussetzung für die Herrschaftsform der
Demokratie dar.
Angesichts der globalen Ungleichverteilung des Wohlstands und schrecklicher kriegerischer
Auseinandersetzungen sind auch die Menschenrechte ein wichtiges Thema der politischen Ethik. Der Anspruch
auf universale Geltung und die Möglichkeit der weltweiten Umsetzung der Menschenrechte werden immer
wieder infrage gestellt. Gründe hierfür sind:
- Schwierigkeiten bei der Definition und Auslegungsunterschiede
- Geltendmachen kultureller Unterschiede hinsichtlich der Inhalte
- doppelte Standards in der politischen Praxis
- Rückschritte infolge des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus
Glücksvorstellungen:
Glück und Liebe sind die Basis menschlichen Selbst- und Beziehungsverständnisses und die Früchte einer
verantwortlichen Sinnorientierung und Lebensgestaltung.
Philosophen der Antike: Der klassisch-griechische Philosoph Aristoteles war der erste, der die Frage nach dem
Glück des Menschen systematisch untersucht hat. Nach seinem Verständnis strebt der Mensch nach einem
obersten Gut, das allgemein mit Glück (Eudämonie) gleichgesetzt wird. Dieses Tätigsein entspricht nach
Aristoteles dem inneren Ziel (telos) des Menschen und ist deshalb als Tugend im Sinne des sittlich richtigen
Handelns zu verstehen. Allerdings braucht der Mensch, um das Ziel der Glückseligkeit zu erreichen, ein
geeignetes politisches Umfeld, die Polis, und hinreichende ökonomische und soziale Voraussetzungen. Manche
Menschen, die Philosophen, erreichen auch die Glückseligkeit, wenn es ihnen gelingt, ein Leben in innerer
Unabhängigkeit und Bedürfnislosigkeit (Autarkie) zu führen, um sich auf den Bereich der theoretischen
Betrachtungsweise zu konzentrieren. Dies ist für Aristoteles die höchste Entwicklungsstufe des Menschen.
Für den hellenistischen Philosophen Epikur eröffnet sich dem Einzelnen ein gutes Leben im Hier und Jetzt durch
die Überwindung von Angst und Furcht, die ihre Ursachen in falschen Vorstellungen von den Göttern und vom
Tod haben. In mehreren Stufen wird ein Lust/Schmerz-Kalkül, bei dem es um das richtige Wählen und Meiden
geht, ausgeschärft. So wird zwischen der verschiedenen Wertigkeit von Bedürfnissen unterschieden. Die
Erfüllung von Elementarbedürfnissen ist nach Epikur zu bevorzugen. Auch ist es wichtig nach Art einer
Investition in die Zukunft auf die Erfüllung aktueller Bedürfnisse zu verzichten, wenn dadurch später mehr Lust
und Freude erreichbar sind. Einzusehen, dass immer neue Bedürfnisse auftauchen und diese letztlich unstillbar
sind und es deshalb angezeigt ist, sich von ihnen innerlich zu distanzieren, führt zu einer Ausgeglichenheit und
Unerschütterlichkeit der Seele (Ataraxie), was als Glück empfunden wird. Dabei sind die Tugenden für Epikur
nur Mittel zum Zweck. In unserer Zeit wird die epikureische Glückslehre von Vielen als ein lohnenswertes
Modell für die Sorge des Menschen um sich selbst angesehen.
Die Stoiker, die ebenfalls im Zeitalter des Hellenismus lebten, betrachteten die Vernunft (logos) als zentrales
weltgestaltendes Prinzip. Aufgabe des Menschen ist es, seinen Platz in dieser vom logos vorgegebenen Ordnung
zu finden. Für diesen Weg gibt ihm die stoische Ethik praxisnahe Ratschläge. Sie fordert ihn auf, seine Affekte
zu beherrschen und ein Leben in Leidenschaftslosigkeit (Apathie) und innerem Seelenfrieden (Ataraxie) zu
führen. Gelingt es ihm so, die Übereinstimmung mit der natürlichen Ordnung der Natur zu finden, lebt er sittlich
richtig und damit auch glücklich. Glück bzw. ein gelungenes Leben hat danach nichts mit äußeren Werten wie
gesellschaftliche Anerkennung und Reichtum zu tun. Die Stoiker rechnen solche Ziele zu den gleichgültigen,
unbedeutenden Dingen (Adiaphora). Nur ein Leben, das mit den Forderungen der Natur übereinstimmt, also
Vernunftorientierung, Affektbeherrschung und Seelenfrieden, kann stoischer Auffassung als glücklich
bezeichnet werden.
Empirische Glücksforschung: Einige Psychologen untersuchen in unserer Zeit systematisch den
Zusammenhang von äußeren und inneren Faktoren. Dabei interessiert man sich v. a. für die Einfluss von
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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Lebensumständen, Kompetenzen und Werthaltungen auf positive psychische Grundstimmungen, die sich als
subjektives Wohlbefinden eines Menschen zeigen. Nach Befunden der empirischen Glücksforschung erlangen
Menschen Zufriedenheit und Glück weniger über Dinge als vielmehr über Aktivitäten. Äußere Lebensumstände
und materieller Wohlstand haben durch das Auftreten von Gewöhnungseffekten nur einen begrenzten Einfluss.
Entscheidend sind die grundlegende Einstellung und Haltung zum Leben. Die Reichen sind im Schnitt
glücklicher als Arme, deren Lebensunterhalt das Existenzminimum nicht erreicht und deren individuelle
Entscheidungsfreiheit gering ist (glücksfördernde Bedeutung von gesellschaftlicher Freiheit und
Mitbestimmung). Besonders glücklich sind nach diesen psychologischen Untersuchen extrovertierte Menschen
mit vielen menschlichen Beziehungen, die dadurch in ein differenziertes soziales Netz eingebunden sind.
Der zeitgenössische amerikanische Psychologe E. Diener untersuchte mit einem elementaren und universellen
Fragebogen weltweit die Lebenszufriedenheit bzw. das subjektive Wohlbefinden der Menschen durch die
Methode der Selbsteinschätzung. Damit ließ sich u. a. eine Rangfolge der Nationen aufstellen.
Sinnfindung im Spannungsfeld von Ich und Anderen:
Eine ethisch vertretbare Suche nach Glück berücksichtigt die Ziele und Handlungsspielräume der Mitmenschen.
Erforderlich ist hierbei eine konstruktive Kommunikation im Spannungsfeld zwischen Ich und Anderen.
Der vom Existenzialismus beeinflusste französisch-jüdische Philosoph E. Levinas geht davon aus, dass die
Begegnung mit dem „Anderen“ fundamental bedeutsam für das Selbst- und Weltverständnis des Menschen ist.
Jedoch wird das Anderssein des Anderen dabei nicht aufgehoben. Der Mensch bleibt in seiner Einsamkeit, die
sein Ich ausmacht. Der Mensch darf nach Levinas grundsätzlich nicht versuchen, die Andersartigkeit des
Anderen aufzuheben, ihn sich gewissermaßen „einzuverleiben“. Vielmehr hat er sich dem Anspruch des
Anderen, der sich aus seiner Einmaligkeit und Menschenwürde ergibt, zu unterwerfen.
Gemäß der zeitgenössischen amerikanischen Soziolinguistin D. Tannen resultieren kommunikative Konflikte
zwischen Männern und Frauen aus unterschiedlichen Grundbedürfnissen und Weltbildern: Männer nehmen die
Welt als hierarchische Ordnung wahr und streben vor allem nach Unabhängigkeit bzw. Dominanz. Frauen
hingegen sehen die Welt vor allem als Netzwerk zwischenmenschlicher Beziehungen und versuchen durch ihr
Gesprächsverhalten, Nähe und Bindung aufzubauen.
Damit eine Kommunikation gelingt, ist das Verständnis für Kommunikationsprobleme und das vorsichtige
Offenlegen der hinter misslingender Kommunikation liegenden unterschiedlichen Bedürfnisse und Weltbilder
nötig.
Der österreichische Psychiater und Neurologe V. E. Frankl entwickelte im 20. Jh. eine psychologische Theorie
und Therapieform, die den Sinn ins Zentrum stellt. Mit Hilfe dieser Logotherapie erarbeitete Frankl zahlreiche
Forschungsergebnisse:
- Paradoxie des Glücks: Je mehr man das Glück direkt anstreben will, umso mehr entzieht es sich.
- Menschen besitzen einen Willen zum Sinn. Nur wenn man einen Sinn entdeckt und danach lebt, kann man
glücklich werden.
- Bloße Bedürfnisbefriedigung reicht für Glück nicht zu, weil sie keinen Sinn schafft. Frankl belegt dies durch
das weit verbreitete existenzielle Vakuum, das Menschen in unserer Überflussgesellschaft empfinden.
- Mangel an Bedürfnisbefriedigung kann Glück nicht zwingend verhindern. Dafür spricht, dass Menschen selbst
unter schlimmsten Umständen Sinn und Glück empfinden können.
- Der Mensch findet seinen Sinn in Form der Selbst-Transzendenz, der völligen Hingabe an eine Person oder
Sache. Die Hingabe an die Sache kann aber nur in einem personalen Bezug gelingen.
- Sinn ist ständig neu zu finden und kann in jeder Situation gefunden werden.
Philosophie der Freundschaft:
Über die sinnstiftende Funktion der Freundschaft wurde bereits in der Antike philosophiert. Nach Aristoteles
entwickeln sich Freundschaften entweder auf der Basis gegenseitigen Vorteils, gemeinsamen Vergnügens oder
durch die charakterlichen Qualitäten des jeweils Anderen. Die Dauer der beiden ersten Formen ist abhängig vom
Grund dieser Verbindung. Die dritte Art ist dauerhaft, weil sie dem Wesen des Menschen entspricht. Nur sie
bedeutet für den Philosophen vollkommene Freundschaft und hat sittliche Bedeutung.
Der humanistische französische Essayist Michel de Montaigne versteht unter der wahren Freundschaft die
höchste Form des Miteinanders. Seine Beziehung zu Etienne de la Boetie war eine solche Freundschaft. Anders
als gewöhnliche Freundschaften, die mehr aus Zufall oder um des Nutzens willen geschlossen werden, umfasste
diese den ganzen Menschen. Für Montaigne bedeutet die wahre Freundschaft die Überwindung der Individualität
des Einzelnen zu einer gemeinsamen Identität (Verschmelzung zweier Seelen).
C. Dettmar: Grundwissen Ethik
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