ICD Entwicklungsstörungen

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Diagnosen von Entwicklungsstörungen (ICD-10)
Vorbemerkungen
Der ICD-10 ist ein Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation und
wird von vielen Institutionen, Psychologen und im Gesundheitsberuf tätigen
Menschen als Diagnosebeschreibung von diversen, v.a. psychischen Störungen verwendet. In der Schule begegnen uns vor allem die Diagnosen der
Entwicklungsstörungen in diversen Gutachten. Die Krankenkassen setzen zur
Abrechnung von bestimmten Leistungen, wie zum Beispiel auch die Überprüfung von Lese-Rechtschreibschwäche; Rechenschwäche oder AD/HS,
eine ICD-10 Diagnose voraus.
Wir Lehrer sind nun mit Beschreibungen und Diagnosen von Entwicklungsstörungen konfrontiert, sehen aber das Kind im Mittelpunkt unserer pädagogischen Bemühungen. In erster Linie zählt also der Mensch, dem auf Grund
einer beschriebenen Störung zielgerichtet und bestmöglich geholfen werden
soll. Klassifikationen von Störungen können uns Lehrer dabei als Diskussionsgrundlage dienen, da sie nur Momentaufnahmen beschreiben. Sie können
aber sehr hilfreich als Ursachenbeschreibungen für diverse Leistungs- und Verhaltensauffälligkeiten (im kognitiven, sozialen und emotionalen Bereich) sein.
F8 Entwicklungsstörungen
Die unter F80 bis F89 zusammengefassten Störungen haben im Allgemeinen
folgende Merkmale:
1. Einen Beginn, der ausnahmslos im Kleinkindalter oder in der Kindheit
liegt.
2. Eine Einschränkung oder Verzögerung in der Entwicklung von Funktionen, die eng mit der biologischen Reifung des Zentralnervensystems
verknüpft sind.
3. Einen stetigen Verlauf.
In den meisten Fällen sind dabei die Sprache, visuell-räumliche Fertigkeiten
und die Bewegungskoordination betroffen. Charakteristischerweise gehen die
Beeinträchtigungen mit dem Älterwerden zurück, wenngleich geringe Defizite
oft auch im Erwachsenenleben zurückbleiben. Die meisten dieser Störungen
treten bei Burschen häufiger auf als bei Mädchen. Eine familiäre Häufung von
ähnlichen oder verwandten Störungen ist charakteristisch. Genetische und
ätiologische Faktoren spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Auch Umwelteinflüsse beeinflussen die betroffene Entwicklungsfunktion, sind jedoch meist
nicht ausschlaggebend.
F80 umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache
Hierbei sind die normalen Muster des Spracherwerbs von frühen Stadien der
Entwicklung an gestört. Das Kind kann in bestimmten, sehr vertrauten Situationen besser kommunizieren oder verstehen, die Sprachfähigkeit ist jedoch in
jeder Situation beeinträchtigt.
Einer Sprachentwicklungsverzögerungsstörung folgen oft Schwierigkeiten
beim Lesen und Rechtschreiben, Störungen im Bereich zwischenmenschlicher
Beziehungen, im emotionalen und Verhaltensbereich.
Die Diagnose der Sprachentwicklungsstörung ist auch von einer Intelligenzminderung oder auch von organischen Krankheiten, wie einer Hörbehinderung zu unterscheiden. Nichtsdestotrotz werden ausgeprägte rezeptive
Sprachstörungen von einer partiellen Hörminderung (besonders in den hohen
Frequenzen: [s], [sch], [f]...) begleitet. Ähnlich ist es mit neurologischen und organischen Störungen (wie Lippen-, Kiefer- und/oder Gaumenspalte).
F80.0 Artikulationsstörung
Das Alter des Erwerbs einzelner Laute und die Reihenfolge ihrer Entwicklung
zeigt eine beträchtliche individuelle Variation. Der Lauterwerb ist verzögert
oder abweichend, mit Artikulationsfehlern in der Sprache des Kindes, so dass
andere Verständnisschwierigkeiten haben. Es kommt zu Auslassungen, Verzerrungen oder Ersetzungen von Lauten und inkonsistenten Lautfolgen. Die
Diagnose darf nur dann gestellt werden, wenn die nonverbale Intelligenz im
Normalbereich und keine sensorische, organische oder neurologische Störung
zugeordnet werden kann.
Dazugehörige Begriffe sind:
 Dyslalie (Stammeln)
 Entwicklungsbedingte Artikulationsstörungen
 Funktionelle Artikulationsstörungen
 Lallen - phonologische Entwicklungsstörungen
Auszuschließen sind Artikulationsschwächen bei:
 nicht näher bezeichneter Aphasie
 Apraxie (Störung in der Programmierung der Sprechbewegung)
 In Verbindung mit Entwicklungsstörung der expressiven und rezeptiven
Sprache
 Folgen eines Hörverlustes
 Gaumenspalte
 Intelligenzminderung
F80.1 expressive Sprachstörung
Hierbei können auch Artikulationsstörungen vorhanden sein. Das Sprachverständnis liegt im Normbereich, jedoch die gesprochene Sprache liegt deutlich unterhalb des angemessenen Niveaus. Es gibt Schwierigkeiten in der Auswahl zutreffender Worte und Synonyma (Wortfindungsstörung), kurze Satzlänge, unreife Satzstruktur, syntaktischer Fehler, besonders das Weglassen von
Wortendungen (Dyssyntaxie). Falscher oder fehlender Gebrauch grammatischer Einzelheiten wie Präpositionen, Pronomina, Artikel, Beugung von Verben
und Substativen und unrichtigen Übergeneralisierungen von Regeln (Dysgrammatismus) können genauso vorkommen wie mangelnde Satzflüssigkeit
und Schwierigkeiten in der Zeitenfolge bei Nacherzählungen.
Dazugehörige Begriffe sind:
Entwicklungsbedingte Dysphasie oder Aphasie (Störung, der schon erworbenen Sprache, des Sprachvermögens) expressiver Typ (gesprochene Sprache)
Auszuschließen sind expressive Sprachstörungen bei:




elektivem Mutismus
entwicklungsbedingter Dysphasie oder Aphasie, rezeptiver Typ
(Sprachverständnis)
Intelligenzminderung
tiefgreifender Entwicklungsstörung
F80.2 rezeptive Sprachstörung (Sprachverständnis)
Zumeist ist auch die gesprochene Sprache gestört. Unregelmäßigkeiten in der
Wort-Laut-Produktion sind häufig.
Die Diagnose ist nur dann zu stellen, wenn der Schweregrad der Entwicklungsverzögerung außerhalb der Grenzen der Normvarianz für das Alter des Kindes
liegt. Begleitet ist diese Entwicklungsbeeinträchtigung (fast immer) mit sozialen, emotionalen und Verhaltensstörungen. Solche Störungen sind nicht spezifisch, es finden sich relativ häufig Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörung, soziale Unangepasstheit und Isolation, sowie Ängstlichkeit oder Überempfindlichkeit. Ein geringgradiger Hörverlust im Hochfrequenzbereich ist
nicht selten, doch reicht der Grad der Hörschwäche nicht aus, um die
Sprachbeeinträchtigung zu erklären.
Dazugehörige Begriffe sind:
 entwicklungsbedingte rezeptive Aphasie (Dysphasie = leichtere Form)
 angeborene akustische Wahrnehmung
 Worttaubheit
Auszuschließen sind rezeptive Sprachstörungen bei:
 Autismus
 elektivem Mutismus
 erworbener Aphasie mit Epilepsie
 Intelligenzminderung
 Sprachentwicklungsverzögerung infolge von Taubheit (Gehörlosigkeit)
 Expressiver Typ (Dysphasie/Aphasie)
Weitere umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der
Sprache:
F80.3 erworbene Aphasie mit Epilepsie (Landau-Kleffner-Syndrom)
(Störung, bei der ein Kind, welches vorher normale Fortschritte in der Sprachentwicklung gemacht hatte, sowohl die rezeptive als auch expressive Sprachfertigkeit verliert, die allgemeine Intelligenz aber vorhanden bleibt)
F80.8 sonstige Entwicklungsstörungen des Sprechens oder der Sprache
(Lispeln = Sigmatismus = fehlerhafte Aussprache des Zischlautes)
F80.9 nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörung des Sprechens oder der
Sprache (die nicht auf Intelligenzminderung, neurologische, sensorische oder
körperliche Beeinträchtigung zurückzuführen ist)
F81 umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten
Die Kriterien sind gleich der umschriebenen Entwicklungsstörung von Sprechen und Sprache (F80). Es wird der Entwicklungsverlauf hinsichtlich Schweregrad und Erscheinungsbild berücksichtigt. Schulische Fertigkeiten sind nicht
nur eine Funktion der biologischen Reifung sondern hängt auch mit dem Ni-
veau der kindlichen Fertigkeiten vom familiären Umfeld, der Beschulung und
von den eigenen individuellen Merkmalen ab.
Kinder lernen Lesen, Schreiben, Rechtschreiben und Rechnen, wenn sie zu
diesen Aktivitäten zu Hause und in der Schule angeleitet werden. Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten sind nicht direkte Folgen
anderer Krankheiten (Intelligenzminderung, grobe neurologische Defizite, unkorrigierte Seh- und Hörstörung oder emotionale Störungen), aber sie können
zusammen mit diesen auftreten. Sie treten auch häufig mit anderen klinischen
Syndromen, wie Aufmerksamkeitsstörungen, Störungen des Sozialverhaltens,
umschriebenen Entwicklungsstörungen motorischer Funktionen oder des Sprechens und der Sprache, auf.
F81.0 Lese- und Rechtschreibstörung
Im Erlernen der alphabetischen Schrift kann es Schwierigkeiten geben, die
Buchstaben korrekt zu benennen, das Alphabet aufzusagen, einfache Wortreime zu bilden und Laute entsprechend zu analysieren und kategorisieren.
Später können beim VORLESEN Probleme auftreten, wie
1. Auslassen, Ersetzen, Verdrehungen oder Hinzufügen von Worten oder
Wortteilen.
2. Niedrige Lesegeschwindigkeit.
3. Startschwierigkeiten beim Vorlesen, langes Zögern oder verlieren der
Zeile im Text und ungenaues Phrasieren.
4. Vertauschen von Wörtern im Satz oder von Buchstaben in den Wörtern.
Beim Leseverständnis:
5. Die Unfähigkeit, Gelesenes wiederzugeben, aus dem Gelesenem,
Schlüsse zu ziehen oder Zusammenhänge zu sehen.
RECHTSCHREIBFEHLER zeigen sich zumeist in der phonetischen Genauigkeit
und der phonologischen Analyse. Auch eine Störung visuelle Informationsverarbeitung kann Grundlage einer Lese und Rechtschreibstörung sein.
Dazugehörige Begriffe sind:
 Entwicklungsdyslexie
 Leserückstand
 Rechtschreibschwierigkeiten bei einer Lesestörung
 Umschriebene Lesestörung
Auszuschließen ist eine Lese- und Rechtschreibstörung bei:
 einer erworbenen Dyslexie
 einer erworbenen Leseverzögerung infolge emotionaler Störung
 Rechtschreibstörung ohne Lesestörung
Anmerkung: Die umschriebene Lese- und Rechtschreibstörung wird in der Literatur auch als Legasthenie bezeichnet, doch von der Krankenkasse als Diagnose nicht anerkannt. Darum wird in manchen Diagnosen oft folgende Bezeichnung gewählt: Formal (nach ICD-10 der WHO): F81.0: Lese- und Rechtschreibschwäche (Legasthenie)
F81.1 isolierte Rechtschreibstörung
Die Rechtschreibleistung muss eindeutig unterhalb des Niveaus liegen, welches aufgrund des Alters, der allgemeinen Intelligenz und der Schulklasse zu
erwarten ist. Die Lesefertigkeiten (Lesegenauigkeit und –verständnis) müssen
im Normalbereich liegen. Die isolierte Rechtschreibstörung darf nicht hauptsächlich auf Defizite im Sehen, Hören oder auf neurologische, psychiatrische
oder andere Krankheiten zurückzuführen sein.
Dazugehörige Begriffe sind:
 umschriebene Verzögerung der Rechtschreibfähigkeit (ohne Lesestörung)
Auszuschließen ist eine isolierte Rechtschreibstörung bei:
 Agraphie ((Unfähigkeit Wörter und Texte zu schreiben)
 Rechtschreibschwierigkeiten mit Lesestörung
 Rechtschreibschwierigkeiten, hauptsächlich infolge eines unangemessenen Unterrichts
F81.2 Rechenstörung
Diese ist nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine ungemessene Beschulung erklärbar. Das Defizit betrifft die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division. Die Lese- und Rechtschreibleistungen müssen im Normalbereich liegen.
Oft liegen visuell-räumliche und optische Wahrnehmungsprobleme zu Grunde.
Zeichen einer Rechenstörung können sein – das Unvermögen:
- die bestimmten Rechenoperationen zugrunde liegenden Konzepte zu
verstehen
- mathematische Ausdrücke oder Zeichen zu verstehen
- numerische Symbole wieder zuerkennen
- Standardrechenschritte auszuführen
- welche Zahlen für das in Betracht kommende arithmetische Problem
relevant sind
- Zahlen in die richtige Reihenfolge zu bringen oder Dezimalstellen oder
Symbole während des Rechenvorgangs einzusetzen
- Das Einmaleins befriedigend zu lernen
Dazugehörige Begriffe sind:
 Entwicklungs- Akalkulie
 Entwicklungsstörung des Rechnens
Auszuschließen ist eine Rechenstörung bei:
 erworbener Rechenstörung (Akalkulie)
 kombinierter Störung schulischer Fähigkeiten
 Rechenschwierigkeiten bei Lese- oder Rechtschreibstörung
 Rechenschwierigkeiten, hauptsächlich durch inadäquaten Unterricht
F81.3 kombinierte Störungen schulischer Fertigkeiten
Dies ist eine Restkategorie für Störungen sowohl im Rechen-, Lese- als auch im
Schreib- und Rechtschreibbereich.
Auszuschließen ist eine kombinierte Störungen schulischer Fertigkeiten bei:
 einer isolierten Rechenstörung
 einer Lese- und Rechtschreibstörung
 einer Rechenstörung
F81.8 sonstige Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten
Entwicklungsbedingte expressive Schreibstörung
F81.9 nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörung schulischer Fähigkeiten
Diese Kategorie ist möglichst zu vermeiden, außer bei nicht näher bezeichneter Lernbehinderung, Lernstörung oder Störung des Wissenserwerbs.
F82 umschrieben Entwicklungsstörung der motorischen Funktion
Hauptmerkmal ist eine schwerwiegende Entwicklungsbeeinträchtigung der
motorischen Koordination, die nicht allein durch eine Intelligenzminderung
oder eine spezifische angeborene oder erworbene neurologische Störung erklärbar ist. In den meisten Fällen zeigt eine sorgfältige klinische Untersuchung
dennoch deutliche entwicklungsneurologische Unreifezeichen, wie choreoforme freigehaltener Glieder oder Spiegelbewegungen und andere begleitende motorische Merkmale, ebenso wie Zeichen einer mangelhaften feinoder grobmotorischen Koordination.
Bei einigen Kindern treten gelegentlich schwerwiegende Schulschwierigkeiten
auf. Soziale, emotionale und Verhaltensprobleme kommen in einigen Fällen
dazu. Früher wurde auch oft fälschlich der Begriff der „minimalen zerebralen
Dysfunktion“ (MCD) gewählt!
Dazugehörige Begriffe sind:
 die entwicklungsbedingte Koordinationsstörung
 die Entwicklungsdyspraxie
 das Syndrom des ungeschickten Kindes
Auszuschließen ist eine umschrieben Entwicklungsstörung der motorischen
Funktion bei:
 einer Koordinationsstörung infolge einer Intelligenzminderung oder einer
diagnostizierbaren spezifischen neurologischen Krankheit
 einer Störung des Ganges und der Mobilität (Haltungs- und
Bewegungsstörung)
Einteilung:
F82.0 umschrieben Entwicklungsstörung der Grobmotorik
F82.1 umschrieben Entwicklungsstörung der Fein- und Graphomotorik
F82.2 umschrieben Entwicklungsstörung der Mundmotorik
F82.9 umschrieben Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen
F83 kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen
Dies ist wie F81.3 eine schlecht definierte, schlecht konzeptualisierte, aber notwendige Restkategorie – eine Kombination aus Störungen in den Bereichen:
Sprache, Sprechen, schulische Fertigkeiten und motorische Funktionen. Zumeist liegt eine kognitive Beeinträchtigung zu Grunde.
F84 tiefgreifende Entwicklungsstörungen
Diese sind gekennzeichnet durch qualitative Abweichungen in den wechselseitigen sozialen Interaktionen und Kommunikationsmustern und durch ein eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire von Interessen
und Aktivitäten. Diese qualitativen Auffälligkeiten sind in allen Situationen ein
grundlegendes Funktionsmerkmal des betroffenen Kindes. Meist besteht eine
gewisse allgemeine kognitive Beeinträchtigung, die Störungen sind jedoch
durch das Verhalten definiert. Meist werden die Störungen in den ersten fünf
Lebensjahren manifest und es gibt einen Zusammenhang mit bestimmten somatischen Krankheiten: infantile Zerebralparese, angeborene Röteln, tuberöse Sklerose, zerebrale Lipoidose, Syndrom des fraglichen X-Syndroms.
F84.0 frühkindlicher Autismus
Diese Form der tief greifenden Entwicklungsstörung ist durch eine abnorme
oder beeinträchtigte Entwicklung definiert, die sich vor dem dritten Lebensjahr manifestiert. Sie ist außerdem gekennzeichnet durch ein charakteristisches Muster abnormer Funktionen in den folgenden psychopathologischen
Bereichern: in der sozialen Interaktion, der Kommunikation und im eingeschränkten stereotyp repetitiven Verhalten. Neben diesen spezifischen diagnostischen Merkmalen zeigt sich häufig eine Vielzahl unspezifischer Probleme,
wie Phobien, Schlaf- und Essstörungen, Wutausbrüchen und (autodestruktive)
Aggression.
Auszuschließen ist ein frühkindlicher Autismus bei autistischer Psychopathie.
F84.1 atypischer Autismus
Diese Entwicklungsstörung unterscheidet sich vom frühkindlichen Autismus
entweder durch das Alter bei Krankheitsbeginn oder dadurch, dass die diagnostischen Kriterien nicht in allen genannten Bereichen erfüllt werden. Diese
Subkategorie sollte immer dann verwendet werden, wenn die abnorme oder
beeinträchtigte Entwicklung erst nach dem dritten Lebensjahr manifest wird.
Atypischer Autismus tritt sehr häufig bei schwer retardierten, auch unter einer
schweren rezeptiven Störung der Sprachentwicklung leidenden Patienten auf.
Dazugehörige Begriffe sind:
 atypische kindliche Psychosen
 Intelligenzminderung mit autistischen Zügen
F84.2 Rett-Syndrom
Dieses Zustandsbild wurde bisher nur bei Mädchen beschrieben. Nach einer
scheinbar normalen frühen Entwicklung erfolgt ein teilweiser oder vollständiger Verlust der Sprache, der lokomotorischen Fähigkeiten und der Gebrauchsfähigkeiten der Hände gemeinsam mit einer Verlangsamung des
Kopfwachstums. Der Beginn dieser Störung liegt zwischen dem 7. bis 24. Lebensmonats. Der Verlust zielgerichteter Handbewegungen, Stereotypien in
Form von Drehbewegungen der Hände und Hyperventilation sind typisch. Die
Sozial- und Spielentwicklung sind gehemmt. Das soziale Interesse bleibt jedoch erhalten. Im vierten Lebensjahr beginnt sich eine Rumpfataxie und
Apraxie zu entwickeln. Darauf folgen oft choreo-atheoide Bewegungen. Es
resultiert fast immer eine schwere Intelligenzminderung.
F84.3 andere desintegrative Störung des Kindesalters
Diese Entwicklungsstörung beginnt mit einer zweifellos normalen Entwicklung
vor dem Beginn der Krankheit. Es folgt ein Verlust vorher erworbener Fertigkeiten. Typischerweise wird die Störung von einem allgemeinen Interessensverlust an der Umwelt, von stereotypen, sich wiederholenden motorischen
Manierismen und einer autismusähnlichen Störung sozialer Interaktionen und
der Kommunikation begleitet.
Dazugehörige Begriffe sind:
 Dementia infantilis
 Desintegrative Psychose
 Heller Syndrom
 Symbiotische Psychose
F84.4 überakative Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien
Diese Kategorie wird aufgrund folgender Hinweise aufgeführt:
- Die Kinder haben eine schwere Intelligenzminderung (IQ unter 34).
- Die Kinder zeigen häufig stereotype Verhaltensweisen.
- Sie zeigen schwere dysphorische Reaktionen.
- In der Adoleszenz verändert sich die Überaktivität in verminderte
Aktivität.
F84.5 Asperger-Syndrom
Diese Störung unterscheidet sich zum Autismus durch das Fehlen einer allgemeinen Entwicklungsverzögerung bzw. den fehlenden Entwicklungsrückstand
der Sprache und der kognitiven Entwicklung. Die Störung geht häufig mit
einer auffallenden Ungeschicklichkeit einher. Die Erkrankung tritt häufig bei
Burschen auf. Gelegentlich treten auch psychotische Episoden im frühen Erwachsenenleben auf.
Dazugehörige Begriffe sind:
 die autistische Psychopathie
 die schizoide Störung des Kindesalters
F84.8 sonstige tiefgreifende Entwicklungsstörungen
F84.9 nicht näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörung
F88 andere Entwicklungsstörungen
Ein dazugehöriger Begriff ist die entwicklungsbedingte Agnosie.
F89 nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörung
Schlussbemerkungen
Diagnosen und Kategorisierungen sind immer in Verbindung mit dem Menschen zu betrachten. Viel wichtiger ist die positive, empathische, wertschätzende und respektvolle Haltung und Beziehung zum Kind.
SprachheillehrerInnen, FörderlehrerInnen, BetreuungslehrerInnen, SonderschullehrerInnen, sowie alle PädagogInnen sind bemüht aus Beschreibungen die
notwendigen Maßnahmen und Schritte zu setzen und Hilfen im Kontext Schule
einzuleiten. Die MitarbeiterInnen des SPZ Unterweißenbach-Freistadt stehen
dabei – soweit möglich - gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.
Richard Wilfing
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