SPZ Zeitung des Bezirkes Freistadt, Nr. 1

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Information-Meinung-Diskussion
Nummer 1 – Schuljahr 2009/10 – 15. Jahrgang
Diagnosen von
Entwicklungsstörungen
(ICD-10)
Der ICD-10 ist ein Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation und wird von vielen Institutionen,
Psychologen und im Gesundheitsberuf tätigen Menschen als Diagnosebeschreibung von diversen, v.a.
psychischen Störungen verwendet. In der Schule begegnen uns vor allem die Diagnosen der Entwicklungsstörungen in diversen Gutachten.
Eine Zusammenfassung
von Richard Wilfing, SPZ Freistadt
Impressum:
Medieninhaber, Herausgeber: BSR u. SPZ Freistadt, Promenade 5 4240 Freistadt,
Redaktion: Wilfing Richard, Karl Kiesenhofer
Diagnosen von Entwicklungsstörungen (ICD-10)
Vorbemerkungen
Der ICD-10 ist ein Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation und wird
von vielen Institutionen, Psychologen und im Gesundheitsberuf tätigen Menschen
als Diagnosebeschreibung von diversen, v.a. psychischen Stö-rungen verwendet.
In der Schule begegnen uns vor allem die Diagnosen der Entwicklungsstörungen in
diversen Gutachten. Die Krankenkassen setzen zur Abrechnung von bestimmten
Leistungen, wie zum Beispiel auch die Über-prüfung von LeseRechtschreibschwäche; Rechenschwäche oder AD/HS, eine ICD-10 Diagnose
voraus.
Wir Lehrer sind nun mit Beschreibungen und Diagnosen von Entwicklungsstörungen konfrontiert, sehen aber das Kind im Mittelpunkt unserer pädagogischen Bemühungen. In erster Linie zählt also der Mensch, dem auf Grund einer
beschriebenen Störung zielgerichtet und bestmöglich geholfen werden soll. Klassifikationen von Störungen können uns Lehrer dabei als Diskussions-grundlage dienen, da sie nur Momentaufnahmen beschreiben. Sie können aber sehr hilfreich als
Ursachenbeschreibungen für diverse Leistungs- und Ver-haltensauffälligkeiten (im
kognitiven, sozialen und emotionalen Bereich) sein.
F8 Entwicklungsstörungen
Die unter F80 bis F89 zusammengefassten Störungen haben im Allgemeinen folgende Merkmale:
1. Einen Beginn, der ausnahmslos im Kleinkindalter oder in der Kindheit liegt.
2. Eine Einschränkung oder Verzögerung in der Entwicklung von Funktio-nen,
die eng mit der biologischen Reifung des Zentralnervensystems verknüpft
sind.
3. Einen stetigen Verlauf.
In den meisten Fällen sind dabei die Sprache, visuell-räumliche Fertigkeiten und
die Bewegungskoordination betroffen. Charakteristischerweise gehen die Beeinträchtigungen mit dem Älterwerden zurück, wenngleich geringe Defizite oft auch
im Erwachsenenleben zurückbleiben. Die meisten dieser Störungen treten bei Burschen häufiger auf als bei Mädchen. Eine familiäre Häufung von ähnlichen oder
verwandten Störungen ist charakteristisch. Genetische und ätiologische Faktoren
spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Auch Umweltein-flüsse beeinflussen die betroffene Entwicklungsfunktion, sind jedoch meist nicht ausschlaggebend.
F80 umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache
Hierbei sind die normalen Muster des Spracherwerbs von frühen Stadien der Entwicklung an gestört. Das Kind kann in bestimmten, sehr vertrauten Situatio-nen
besser kommunizieren oder verstehen, die Sprachfähigkeit ist jedoch in jeder Situation beeinträchtigt.
Einer Sprachentwicklungsverzögerungsstörung folgen oft Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben, Störungen im Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen, im emotionalen und Verhaltensbereich.
Die Diagnose der Sprachentwicklungsstörung ist auch von einer Intelligenzminderung oder auch von organischen Krankheiten, wie einer Hörbehinde-rung
zu unterscheiden. Nichtsdestotrotz werden ausgeprägte rezeptive Sprachstörungen von einer partiellen Hörminderung (besonders in den hohen Frequenzen: [s],
[sch], [f]...) begleitet. Ähnlich ist es mit neurologischen und or-ganischen Störungen (wie Lippen-, Kiefer- und/oder Gaumenspalte).
F80.0 Artikulationsstörung
Das Alter des Erwerbs einzelner Laute und die Reihenfolge ihrer Entwicklung zeigt
eine beträchtliche individuelle Variation. Der Lauterwerb ist verzögert oder abweichend, mit Artikulationsfehlern in der Sprache des Kindes, so dass andere Verständnisschwierigkeiten haben. Es kommt zu Auslassungen, Ver-zerrungen oder
Ersetzungen von Lauten und inkonsistenten Lautfolgen. Die Diagnose darf nur
dann gestellt werden, wenn die nonverbale Intelligenz im Normalbereich und keine sensorische, organische oder neurologische Störung zugeordnet werden kann.
Dazugehörige Begriffe sind:
Dyslalie (Stammeln)
Entwicklungsbedingte Artikulationsstörungen
Funktionelle Artikulationsstörungen
Lallen - phonologische Entwicklungsstörungen
Auszuschließen sind Artikulationsschwächen bei:
nicht näher bezeichneter Aphasie
Apraxie (Störung in der Programmierung der Sprechbewegung)
In Verbindung mit Entwicklungsstörung der expressiven und rezeptiven Sprache
Folgen eines Hörverlustes
Gaumenspalte
Intelligenzminderung
F80.1 expressive Sprachstörung
Hierbei können auch Artikulationsstörungen vorhanden sein. Das Sprachverständnis liegt im Normbereich, jedoch die gesprochene Sprache liegt deut-lich
unterhalb des angemessenen Niveaus. Es gibt Schwierigkeiten in der Aus-wahl zutreffender Worte und Synonyma (Wortfindungsstörung), kurze Satzlän-ge, unreife
Satzstruktur, syntaktischer Fehler, besonders das Weglassen von Wortendungen
(Dyssyntaxie). Falscher oder fehlender Gebrauch grammati-scher Einzelheiten wie
Präpositionen, Pronomina, Artikel, Beugung von Verben
und Substativen und unrichtigen Übergeneralisierungen von Regeln (Dysgrammatismus) können genauso vorkommen wie mangelnde Satzflüssigkeit und
Schwierigkeiten in der Zeitenfolge bei Nacherzählungen.
Dazugehörige Begriffe sind:
Entwicklungsbedingte Dysphasie oder Aphasie (Störung, der schon erworbe-nen
Sprache, des Sprachvermögens) expressiver Typ (gesprochene Sprache)
Auszuschließen sind expressive Sprachstörungen bei:
elektivem Mutismus
entwicklungsbedingter Dysphasie oder Aphasie, rezeptiver Typ (Sprachverständnis)
Intelligenzminderung
tiefgreifender Entwicklungsstörung
F80.2 rezeptive Sprachstörung (Sprachverständnis)
Zumeist ist auch die gesprochene Sprache gestört. Unregelmäßigkeiten in der WortLaut-Produktion sind häufig.
Die Diagnose ist nur dann zu stellen, wenn der Schweregrad der Entwicklungsverzögerung außerhalb der Grenzen der Normvarianz für das Alter des Kindes
liegt. Begleitet ist diese Entwicklungsbeeinträchtigung (fast immer) mit sozia-len,
emotionalen und Verhaltensstörungen. Solche Störungen sind nicht spe-zifisch, es
finden sich relativ häufig Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstö-rung, soziale Unangepasstheit und Isolation, sowie Ängstlichkeit oder Über-empfindlichkeit. Ein geringgradiger Hörverlust im Hochfrequenzbereich ist nicht selten, doch reicht der
Grad der Hörschwäche nicht aus, um die Sprachbeeinträchtigung zu erklären.
Dazugehörige Begriffe sind:
entwicklungsbedingte rezeptive Aphasie (Dysphasie = leichtere Form)
angeborene akustische Wahrnehmung
Worttaubheit
Auszuschließen sind rezeptive Sprachstörungen bei:
Autismus
elektivem Mutismus
erworbener Aphasie mit Epilepsie
Intelligenzminderung
Sprachentwicklungsverzögerung infolge von Taubheit (Gehörlosigkeit)
Expressiver Typ (Dysphasie/Aphasie)
Weitere umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache:
F80.3 erworbene Aphasie mit Epilepsie (Landau-Kleffner-Syndrom)
(Störung, bei der ein Kind, welches vorher normale Fortschritte in der Sprachentwicklung gemacht hatte, sowohl die rezeptive als auch expressive Sprachfertigkeit verliert, die allgemeine Intelligenz aber vorhanden bleibt)
F80.8 sonstige Entwicklungsstörungen des Sprechens oder der Sprache (Lispeln =
Sigmatismus = fehlerhafte Aussprache des Zischlautes)
F80.9 nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörung des Sprechens oder der Sprache (die nicht auf Intelligenzminderung, neurologische, sensorische oder körperliche Beeinträchtigung zurückzuführen ist)
F81 umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten
Die Kriterien sind gleich der umschriebenen Entwicklungsstörung von Spre-chen
und Sprache (F80). Es wird der Entwicklungsverlauf hinsichtlich Schwere-grad und
Erscheinungsbild berücksichtigt. Schulische Fertigkeiten sind nicht nur eine Funktion
der biologischen Reifung sondern hängt auch mit dem Ni-veau der kindlichen Fertigkeiten vom familiären Umfeld, der Beschulung und von den eigenen individuellen Merkmalen ab.
Kinder lernen Lesen, Schreiben, Rechtschreiben und Rechnen, wenn sie zu diesen
Aktivitäten zu Hause und in der Schule angeleitet werden. Umschrie-bene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten sind nicht direkte Folgen anderer Krankheiten (Intelligenzminderung, grobe neurologische Defizite, un-korrigierte Seh- und
Hörstörung oder emotionale Störungen), aber sie können zusammen mit diesen
auftreten. Sie treten auch häufig mit anderen klinischen Syndromen, wie Aufmerksamkeitsstörungen, Störungen des Sozialverhaltens, umschriebenen Entwicklungsstörungen motorischer Funktionen oder des Spre-chens und der Sprache, auf.
F81.0 Lese- und Rechtschreibstörung
Im Erlernen der alphabetischen Schrift kann es Schwierigkeiten geben, die Buchstaben korrekt zu benennen, das Alphabet aufzusagen, einfache Wort-reime zu
bilden und Laute entsprechend zu analysieren und kategorisieren. Später können
beim VORLESEN Probleme auftreten, wie
1. Auslassen, Ersetzen, Verdrehungen oder Hinzufügen von Worten oder Wortteilen.
2. Niedrige Lesegeschwindigkeit.
3. Startschwierigkeiten beim Vorlesen, langes Zögern oder verlieren der Zeile im
Text und ungenaues Phrasieren.
4. Vertauschen von Wörtern im Satz oder von Buchstaben in den Wörtern.
Beim Leseverständnis:
5. Die Unfähigkeit, Gelesenes wiederzugeben, aus dem Gelesenem, Schlüsse
zu ziehen oder Zusammenhänge zu sehen.
RECHTSCHREIBFEHLER zeigen sich zumeist in der phonetischen Genauigkeit und
der phonologischen Analyse. Auch eine Störung visuelle Informationsver-arbeitung
kann Grundlage einer Lese und Rechtschreibstörung sein.
Dazugehörige Begriffe sind:
Entwicklungsdyslexie
Leserückstand
Rechtschreibschwierigkeiten bei einer Lesestörung
Umschriebene Lesestörung
Auszuschließen ist eine Lese- und Rechtschreibstörung bei:
einer erworbenen Dyslexie
einer erworbenen Leseverzögerung infolge emotionaler Störung
Rechtschreibstörung ohne Lesestörung
Anmerkung: Die umschriebene Lese- und Rechtschreibstörung wird in der Li-teratur
auch als Legasthenie bezeichnet, doch von der Krankenkasse als Di-agnose nicht
anerkannt. Darum wird in manchen Diagnosen oft folgende Be-zeichnung gewählt: Formal (nach ICD-10 der WHO): F81.0: Lese- und Recht-schreibschwäche
(Legasthenie)
F81.1 isolierte Rechtschreibstörung
Die Rechtschreibleistung muss eindeutig unterhalb des Niveaus liegen, wel-ches
aufgrund des Alters, der allgemeinen Intelligenz und der Schulklasse zu erwarten
ist. Die Lesefertigkeiten (Lesegenauigkeit und –verständnis) müssen im Normalbereich liegen. Die isolierte Rechtschreibstörung darf nicht haupt-sächlich auf Defizite im Sehen, Hören oder auf neurologische, psychiatrische oder andere Krankheiten zurückzuführen sein.
Dazugehörige Begriffe sind:
umschriebene Verzögerung der Rechtschreibfähigkeit (ohne Lese-störung)
Auszuschließen ist eine isolierte Rechtschreibstörung bei:
Agraphie ((Unfähigkeit Wörter und Texte zu schreiben)
Rechtschreibschwierigkeiten mit Lesestörung
Rechtschreibschwierigkeiten, hauptsächlich infolge eines unange-messenen
Unterrichts
F81.2 Rechenstörung
Diese ist nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine ungemessene Beschulung erklärbar. Das Defizit betrifft die Beherrschung grund-
legender Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Divi-sion.
Die Lese- und Rechtschreibleistungen müssen im Normalbereich liegen. Oft liegen
visuell-räumliche und optische Wahrnehmungsprobleme zu Grun-de.
Zeichen einer Rechenstörung können sein – das Unvermögen:
- die bestimmten Rechenoperationen zugrunde liegenden Konzepte zu verstehen
- mathematische Ausdrücke oder Zeichen zu verstehen
- numerische Symbole wieder zuerkennen
- Standardrechenschritte auszuführen
- welche Zahlen für das in Betracht kommende arithmetische Problem relevant sind
- Zahlen in die richtige Reihenfolge zu bringen oder Dezimalstellen oder Symbole während des Rechenvorgangs einzusetzen
- Das Einmaleins befriedigend zu lernen
Dazugehörige Begriffe sind:
Entwicklungs- Akalkulie
Entwicklungsstörung des Rechnens
Auszuschließen ist eine Rechenstörung bei:
erworbener Rechenstörung (Akalkulie)
kombinierter Störung schulischer Fähigkeiten
Rechenschwierigkeiten bei Lese- oder Rechtschreibstörung
Rechenschwierigkeiten, hauptsächlich durch inadäquaten Unterricht
F81.3 kombinierte Störungen schulischer Fertigkeiten
Dies ist eine Restkategorie für Störungen sowohl im Rechen-, Lese- als auch im
Schreib- und Rechtschreibbereich.
Auszuschließen ist eine kombinierte Störungen schulischer Fertigkeiten bei:
einer isolierten Rechenstörung
einer Lese- und Rechtschreibstörung
einer Rechenstörung
F81.8 sonstige Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten
Entwicklungsbedingte expressive Schreibstörung
F81.9 nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörung schulischer Fähigkeiten
Diese Kategorie ist möglichst zu vermeiden, außer bei nicht näher bezeich-neter
Lernbehinderung, Lernstörung oder Störung des Wissenserwerbs.
F82 umschrieben Entwicklungsstörung der motorischen Funktion
Hauptmerkmal ist eine schwerwiegende Entwicklungsbeeinträchtigung der motorischen Koordination, die nicht allein durch eine Intelligenzminderung oder eine
spezifische angeborene oder erworbene neurologische Störung er-klärbar ist. In
den meisten Fällen zeigt eine sorgfältige klinische Untersuchung dennoch deutliche entwicklungsneurologische Unreifezeichen, wie choreo-forme freigehaltener
Glieder oder Spiegelbewegungen und andere beglei-tende motorische Merkmale, ebenso wie Zeichen einer mangelhaften fein- oder grobmotorischen Koordination.
Bei einigen Kindern treten gelegentlich schwerwiegende Schulschwierigkeiten auf.
Soziale, emotionale und Verhaltensprobleme kommen in einigen Fällen dazu. Frü-
her wurde auch oft fälschlich der Begriff der „minimalen zerebralen Dysfunktion“
(MCD) gewählt!
Dazugehörige Begriffe sind:
die entwicklungsbedingte Koordinationsstörung
die Entwicklungsdyspraxie
das Syndrom des ungeschickten Kindes
Auszuschließen ist eine umschrieben Entwicklungsstörung der motorischen Funktion
bei:
einer Koordinationsstörung infolge einer Intelligenzminderung oder einer diagnostizierbaren spezifischen neurologischen Krankheit
einer Störung des Ganges und der Mobilität (Haltungs- und
Bewegungsstörung)
Einteilung:
F82.0 umschrieben Entwicklungsstörung der Grobmotorik
F82.1 umschrieben Entwicklungsstörung der Fein- und Graphomotorik
F82.2 umschrieben Entwicklungsstörung der Mundmotorik
F82.9 umschrieben Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen
F83 kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen
Dies ist wie F81.3 eine schlecht definierte, schlecht konzeptualisierte, aber notwendige Restkategorie – eine Kombination aus Störungen in den Bereichen: Sprache, Sprechen, schulische Fertigkeiten und motorische Funktionen. Zu-meist liegt
eine kognitive Beeinträchtigung zu Grunde.
F84 tiefgreifende Entwicklungsstörungen
Diese sind gekennzeichnet durch qualitative Abweichungen in den wechselseitigen sozialen Interaktionen und Kommunikationsmustern und durch ein eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire von Interessen und
Aktivitäten. Diese qualitativen Auffälligkeiten sind in allen Situationen ein grundlegendes Funktionsmerkmal des betroffenen Kindes. Meist besteht eine gewisse allgemeine kognitive Beeinträchtigung, die Störungen sind jedoch durch das Verhalten definiert. Meist werden die Störungen in den ersten fünf Lebensjahren manifest
und es gibt einen Zusammenhang mit bestimmten so-matischen Krankheiten: infantile Zerebralparese, angeborene Röteln, tuberö-se Sklerose, zerebrale Lipoidose, Syndrom des fraglichen X-Syndroms.
F84.0 frühkindlicher Autismus
Diese Form der tief greifenden Entwicklungsstörung ist durch eine abnorme oder
beeinträchtigte Entwicklung definiert, die sich vor dem dritten Lebens-jahr manifestiert. Sie ist außerdem gekennzeichnet durch ein charakteristi-sches Muster abnormer Funktionen in den folgenden psychopathologischen Bereichern: in der sozialen Interaktion, der Kommunikation und im einge-schränkten stereotyp repetitiven Verhalten. Neben diesen spezifischen diag-nostischen Merkmalen zeigt sich
häufig eine Vielzahl unspezifischer Probleme, wie Phobien, Schlaf- und Essstörungen, Wutausbrüchen und (autodestruktive) Aggression.
Auszuschließen ist ein frühkindlicher Autismus bei autistischer Psychopathie.
F84.1 atypischer Autismus
Diese Entwicklungsstörung unterscheidet sich vom frühkindlichen Autismus entweder durch das Alter bei Krankheitsbeginn oder dadurch, dass die diag-nostischen
Kriterien nicht in allen genannten Bereichen erfüllt werden. Diese Subkategorie
sollte immer dann verwendet werden, wenn die abnorme oder beeinträchtigte
Entwicklung erst nach dem dritten Lebensjahr manifest wird. Atypischer Autismus
tritt sehr häufig bei schwer retardierten, auch unter einer schweren rezeptiven Störung der Sprachentwicklung leidenden Patienten auf.
Dazugehörige Begriffe sind:
atypische kindliche Psychosen
Intelligenzminderung mit autistischen Zügen
F84.2 Rett-Syndrom
Dieses Zustandsbild wurde bisher nur bei Mädchen beschrieben. Nach einer
scheinbar normalen frühen Entwicklung erfolgt ein teilweiser oder vollstän-diger
Verlust der Sprache, der lokomotorischen Fähigkeiten und der Gebrauchsfähigkeiten der Hände gemeinsam mit einer Verlangsamung des Kopfwachstums. Der Beginn dieser Störung liegt zwischen dem 7. bis 24. Lebensmonats. Der Verlust zielgerichteter Handbewegungen, Stereotypien in Form
von Drehbewegungen der Hände und Hyperventilation sind typisch. Die Sozialund Spielentwicklung sind gehemmt. Das soziale Interesse bleibt je-doch erhalten.
Im vierten Lebensjahr beginnt sich eine Rumpfataxie und Apraxie zu entwickeln.
Darauf folgen oft choreo-atheoide Bewegungen. Es resultiert fast immer eine
schwere Intelligenzminderung.
F84.3 andere desintegrative Störung des Kindesalters
Diese Entwicklungsstörung beginnt mit einer zweifellos normalen Entwicklung vor
dem Beginn der Krankheit. Es folgt ein Verlust vorher erworbener Fertig-keiten. Typischerweise wird die Störung von einem allgemeinen Interessens-verlust an der
Umwelt, von stereotypen, sich wiederholenden motorischen Manierismen und einer autismusähnlichen Störung sozialer Interaktionen und der Kommunikation begleitet.
Dazugehörige Begriffe sind:
Dementia infantilis
Desintegrative Psychose
Heller Syndrom
Symbiotische Psychose
F84.4 überakative Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien
Diese Kategorie wird aufgrund folgender Hinweise aufgeführt:
- Die Kinder haben eine schwere Intelligenzminderung (IQ unter 34).
- Die Kinder zeigen häufig stereotype Verhaltensweisen.
- Sie zeigen schwere dysphorische Reaktionen.
- In der Adoleszenz verändert sich die Überaktivität in verminderte Aktivität.
F84.5 Asperger-Syndrom
Diese Störung unterscheidet sich zum Autismus durch das Fehlen einer allgemeinen Entwicklungsverzögerung bzw. den fehlenden Entwicklungsrückstand der
Sprache und der kognitiven Entwicklung. Die Störung geht häufig mit einer auffal-
lenden Ungeschicklichkeit einher. Die Erkrankung tritt häufig bei Burschen auf. Gelegentlich treten auch psychotische Episoden im frühen Er-wachsenenleben auf.
Dazugehörige Begriffe sind:
die autistische Psychopathie
die schizoide Störung des Kindesalters
F84.8 sonstige tiefgreifende Entwicklungsstörungen
F84.9 nicht näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörung
F88 andere Entwicklungsstörungen
Ein dazugehöriger Begriff ist die entwicklungsbedingte Agnosie.
F89 nicht näher bezeichnete Entwicklungsstörung
Schlussbemerkungen
Diagnosen und Kategorisierungen sind immer in Verbindung mit dem Men-schen
zu betrachten. Viel wichtiger ist die positive, empathische, wert-schätzende und
respektvolle Haltung und Beziehung zum Kind.
SprachheillehrerInnen, FörderlehrerInnen, BetreuungslehrerInnen, SonderschullehrerInnen, sowie alle PädagogInnen sind bemüht aus Beschreibungen die notwendigen Maßnahmen und Schritte zu setzen und Hilfen im Kontext Schule einzuleiten. Die MitarbeiterInnen des SPZ Unterweißenbach-Freistadt stehen dabei – soweit möglich - gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.
Richard Wilfing
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