Lehrstühle des Instituts für Sonderpädagogik Die sonderpädagogischen Fachrichtungen Ringvorlesung Universität Würzburg, WS 2012/13 Einführung in die Pädagogik bei Verhaltensstörungen Biopsychosoziales Modell (Engel, 1977) Weiterentwickeltes Salutogenese-Modell Risikowahrnehmung und Health-BeliefModell Eigenverantwortung und Resilienz Das individuelle biopsychosoziale Modell BIO PSYCHO SOZIAL Health-BeliefModell RISIKEN RESSOURCEN ResilienzModell SalutogeneseModell früher: biomedizinisches Modell für Diagnose und Therapie einer Krankheit (biologische Variablen) Heute kontinuierliche Dimension mit den Endpunkten Krankheit - Gesundheit ◦ Erweiterung der Einflussfaktoren auf Gesundheit und Krankheit Individueller Lebensstil Stress chronische Krankheiten Erkenntnis, dass Krankheit verhaltensabhängig ist Metamodell für Gesundheit & Rahmenmodell für ◦ ◦ ◦ ◦ Psychotherapie Prävention Gesundheitsförderung Public Health Einbeziehung gesundheitlicher Risikofaktoren und Ressourcen (Haisch et al., 2006) Drei unabhängige bipolare Dimensionen: ◦ ◦ ◦ ◦ Biologie Krank Gesund Psychologie Krank Gesund Soziales Krank Gesund Dynamischer Wechsel auf allen drei Dimensionen Exploration von Problemkontext und Ressourcen Operationalisierung im Therapieplan Theorien der Sozialpsychologie hilfreich zum Erklären der Metafaktoren Biologie, Psychologie und Soziologie Definition Sozialpsychologie: Teilgebiet der Psychologie und Soziologie, das die Auswirkungen der tatsächlichen oder vorgestellten Gegenwart anderer Menschen auf das Erleben und Verhalten des Individuums erforscht (Gordon Allport 1968) ◦ Axiom 1: Menschen konstruieren ihre eigene Realität ◦ Axiom 2: Das gesamte Erleben und Verhalten wird von sozialen Beziehungen beeinflusst. Theorie sozialer Vergleichsprozesse –> Biologie Attributionstheorien –> Psychologie Einstellungs- und Verhaltenstheorien -> Soziologie Sozialpsychologie - Metafaktor Biologie: Theorie sozialer Vergleichsprozesse Keine Möglichkeit Krankheitsprozess zu erklären wegen unsicherer Meinung Vergleich mit anderen Personen z.B. Entdeckung eines Brustknotens Zuerst wird Entdeckung mit Vergleichspersonen besprochen dann Bildung einer festen Meinung und Handeln (Arzt aufsuchen oder nicht) Sozialpsychologie - Metafaktor Psychologie: Attributionstheorien intern vs extern: Ursache für Ereignis wird Person oder Umwelt zugeschrieben stabil vs variabel: Ursache wird als unveränderbar oder als veränderbar eingeschätzt kontrollierbar vs unkontrollierbar: Ursache wird als beeinflussbar oder als nicht beeinflussbar eingeschätzt global vs spezifisch: Ursache gilt generell oder nur für bestimmte Situationen Auswirkung auf Motivation und Verhalten Sozialpsychologie - Metafaktor Psychologie: Fundamentaler Attributionsfehler: Tendenz Verhalten anderer Personen auf internale Ursachen zurückzuführen, eigenes Verhalten externalen Ursachen zuzuschreiben Bei depressiver Symptomatik: eigene Erfolge übersehen, external attribuieren, Misserfolge auf internale Ursachen zurückführen. Neigung internal, stabil, global und unkontrollierbar zu attribuieren. Sozialpsychologie - Metafaktor Soziologie: Einstellungs- und Verhaltenstheorien normative Überzeugungen (Peergroup) werden als subjektive normative Standards übernommen beeinflussen Verhaltensabsicht und Verhalten z.B. Fortführung des Nikotinkonsums Jugendlicher Beispiel eines individuellen biopsychosozialen Patientenmodells als Handlungsleitfaden zur Gesundheitsförderung: Medizinsoziologe Aaron Antonovsky, 1979 Komplementärer Begriff zur Pathogenese Gesundheit ist ein Prozess und kein Zustand Starkes Kohärenzgefühl befähigt adäquate Widerstandsreserven zu mobilisieren Kohärenzgefühl (sense of coherence) = Ausmaß dess Vertrauens, dass ◦ Stimuli strukturiert, vorhersehbar, erklärbar sind – Verstehbarkeit (sense of comprehensibility) ◦ Ressourcen für die Anforderungen da sind – Handhabbarkeit (sense of manageability) ◦ Anstrengung und Engagement lohnt – Bedeutsamkeit, Sinnhaftigkeit (sense of meaningfullness) COPING bei hohem Kohärenzgefühl Antonovsky: Anpassung an Stresssituationen ressourcenorientierte Erweiterung des Modells durch Franke (1997) ◦ Gesundheitsfördernde Kognitionen, Emotionen, Verhaltensweisen ◦ Humor, Optimismus ◦ Fähigkeit zu verzeihen, zu genießen ◦ sich etwas Gutes tun benennt konkrete Variablen, mit denen gearbeitet werden kann bezieht sich auf psychologische Risikofaktoren und Ressourcen Konzept der Risikowahrnehmung allg. Bedrohung vs persönliche Gefährdung (Vulnerabilität) Tendenz zum „unrealistischen Optimismus“ (Weinstein, 1982) beim Vergleichsprozess mit anderen Menschen ◦ Gefühl selbst weniger gefährdet zu sein ◦ Eigenes Erkrankungsrisiko wird unterschätzt reduziert Angst, beruhigt schwächt präventive Handlungsbereitschaft Schwarzer (1993) erweitert das Konzept: defensiver (unrealistischer) Optimismus: leichtfertiges Nichtwahr-haben-Wollen von Risiken, Gesundheitsgefährdungen funktionaler Optimismus: leichte Überschätzung der Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen, Handlungsmöglichkeiten Konzept der Risikowahrnehmung Allg. Tendenz zur Überbetonung des Erfreulichen (Matlin, 2004) Erfreuliche Ereignisse werden genauer wahrgenommen, bleiben besser im Gedächtnis, werden exakter reproduziert als unerfreuliche oder neutrale. Menschen fällt es leichter positive Urteile abzugeben über Personen, Ereignisse, Situationen, Gegenstände Überbewertung eigener Möglichkeiten Unterbewertung eigener Risiken, Misserfolge Überbewertung des Erfreulichen auch bei der eigenen Gruppe, sie wird positiver als der Gruppendurchschnitt eingeschätzt Health-Belief-Modell (Rosenstock, 1974) Befolgung einer präventiven Maßnahme nur, wenn man sich persönlich gefährdet sieht - „perceived susceptibility“ ernsthafte Konsequenzen erwartet - „perceived severity“ von deren Effektivität überzeugt ist – „perceived benefits“ keine Ausführungshindernisse bestehen – „perveived barriers“ Anstoß zu präventiven Handlungen durch Wahrnehmung von Symptomen aufklärerische Botschaften Wahrgenommene Schwere & wahrgenommene Gefährdung bestimmen den Überzeugungsgrad persönlich bedroht zu sein. Ist durch Kommunikation beeinflussbar Health-Belief-Modell (Rosenstock, 1974) Ob Patient von Wirksamkeit einer präventiven Maßnahme überzeugt ist, hängt ab von Wirksamkeit wie spezifisch und verfügbar wie viel Aufwand relativ zum Ertrag erforderlich Wirksamkeitserfahrungen regulieren die Bewertung der Maßnahme & des erforderlichen Aufwands und Ertrags. FAZIT: HBM geeignet zur angemessenen Gestaltung einer Gesundheitskommunikation, dient eng begrenzte Wirkung von Aufklärung im Bereich Prävention zu zeigen, Aufklärung allein wirkt nicht präventiv. Modell erläutert, welche Maßnahmen zusätzlich erforderlich sind. Modell ist empirisch bestätigt. Eigenverantwortung „klassischer“ Patient: Verantwortung beim Arzt lassen andere fordern Gleichstellung, wollen mitreden Welchen Vorteil hat gesundheitsschädliches Verhalten? Entspannung durch Rauchen Geselligkeit durch Alkoholkonsum Bewältigung von Einsamkeit durch Essen Prüfen, welche gesundheitsfördernden Alternativen es gibt Hinderliche Ursachenzuschreibungen (Attributionstheorien) verändern Wichtig: positive Vorbilder von Gleichbetroffenen Weg frei für gesundheitsbezogene Verhaltensweisen Wichtige Ressource: Kontrolle über die eigene Gesundheit Resilienz Individuelle Widerstandsfähigkeit gegenüber Gesundheitsrisiken aus der Umgebung Fähigkeit „Verlockungen“ auszuschlagen (Torte für Diabetiker) mindert Wirkung von Risikofaktoren puffert Entstehung psychischer Störungen ab Zentrale Resilienzfaktoren Bindung Konsistente Erziehung Positive Verhaltensmodelle Biologische Faktoren: „gute“ Gene wirken protektiv Das Bio-psycho-soziale Rahmenmodell BIO PSYCHO SOZIAL Health-BeliefModell RISIKEN RESSOURCEN ResilienzModell SalutogeneseModell Hurrelmann & Kolip (2002) schlagen vor: Bio-psycho-sozio-ökologisches Modell Berücksichtigt zusätzlich ökologische Einflüsse auf Gesundheit und Krankheit.