Interdisziplinäres Zentrum für Islamische Religionslehre Inhalt Irka-Christin Mohr: Zur Konstruktion von Unterrichtsgegenständen und Bildungszielen...........Seite 2 Fuad Kandil: Kann religiöse Erziehung zur besseren Integration beitragen? Zur Frage des Islamischen Religionsunterrichts. Teil 2: Inhaltliche Überlegungen................................ Seite 10 Amin Rochdi: Islamischer Religionsunterricht als Motor für die Entwicklung islamischer Theologie in Deutschland............ Seite 21 Harry Harun Behr: Wer sind denn die Ungläubigen? Teil 2: Eine Antwort aus muslimischer Perspektive............ Seite 26 Lesenwertes.................................... Seite 32 Tagungshinweise........................... Seite 33 Zu den Autoren · Impressum....... Seite 34 Heft 3 • Juli 2008 • 2. Jg. Zeitschrift für die Religionslehre des Islam ZRLI Liebe Leserinnen, liebe Leser, im Oktober 2001, es ist eine Weile her, gaben die Ministerpräsidenten der Bundesrepublik Deutschland in Berlin zu Protokoll, dass „ein islamisches Unterrichtsangebot jungen Muslimen helfen kann, ihre eigene religiöse Identität in unserer Gesellschaft zu reflektieren und zu stärken.“ Die dazu auf den Weg gebrachten Schulversuche bewähren sich mittlerweile auf ihre jeweils ganz eigene Art. Die Frage nach den Identitäten muslimischer Schülerinnen und Schüler aber bleibt. Sie wird auf der dritten Hohenheimer Fachtagung zum Thema des Islamischen Religionsunterrichts im März 2009 präziser angegangen. Auch in Wesseling, Frankfurt, Bayreuth, Loccum und Osnabrück werden interessante Tagungen stattfinden, die mit der Thematik im weitesten Sinne zu tun haben. Die Bedeutung eines islamischen Unterrichtsangebots an der öffentlichen Schule für eine gelungene Integration scheint fürs Erste unbestritten. Dass es dabei nicht um die kulturelle Angleichung geht, ist inzwischen auch klar. Als Leitmotiv gilt vielmehr die Überzeugung, dass Religion in ihrer spirituellen, ethischen und sozialen Dimension dem zivilgesellschaftlichen Zusammenleben nützt und nicht schadet. Die oben zum Ausdruck gebrachte Hoffnung gilt indes nicht nur für die erwähnten „jungen Muslime“, sondern auch für die Aktiven in den Schulversuchen und für den wissenschaftlichen Diskurs. Die Beiträge in diesem Heft sollen dazu Anstöße liefern. Gemeint ist, und so ist das Votum aus Berlin wohl zu verstehen, natürlich die kritische Reflektion. Das Herausgeberteam wünscht eine anregende Lektüre. Seite Irka-Christin Mohr Zur Konstruktion von Unterrichtsgegenständen und Bildungszielen Das Beispiel der niedersächsischen Rahmenrichtlinien für den Schulversuch „Islamischer Religionsunterricht“ Seit dem Schuljahr 2003/2004 wird in Niedersachsen an 21 Grundschulstandorten islamischer Religionsunterricht als Schulversuch erprobt. Das Kultusministerium des Landes hat für das neue Fach die Rahmenrichtlinien für den Schulversuch „Islamischer Religionsunterricht“ entwickelt. Die Anführungszeichen im Titel des Papiers zeigen an, dass es sich nicht um islamischen Religionsunterricht im Sinne von Artikel 7.3 des Grundgesetzes handelt, sondern um einen Schulversuch, der ohne die geforderte islamische Religionsgemeinschaft als Partnerin des Staates auskommt und dessen Rahmenplan nicht das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren durchlaufen musste. Der Text bildet die bildungs- und religionspolitischen sowie die didaktischen Entscheidungen des Landes Niedersachsen ab und formuliert dessen Erwartungen an das neue Fach. Er bietet hingegen keine Einsicht in die innermuslimische Diskussion zur islamischen Fachdidaktik. Die Rahmenrichtlinien haben die Aufgabe, den Islam als Religion für den Unterricht zu systematisieren und ihn auf die Bildungsziele der öffentlichen Schule zu beziehen. Ziel der folgenden Analyse ist es, zu rekonstruieren, wie der Text diese Aufgabe löst, auf welche Weise nämlich er Unterrichtsgegenstände und Bildungsziele für den islamischen Religionsunterricht organisiert. I.-Ch. Mohr: Zur Konstruktion von Unterrichtsgegenständen und Bildungszielen Die Konstruktion von Unterrichtsgegenständen Aufgabe von Rahmenrichtlinien ist es grundsätzlich, die Auswahl, Legitimierung, Strukturierung, Gewichtung und Anordnung einzelner Unterrichtsgegenstände zu organisieren und zu begründen. Rahmenpläne, Rahmenrichtlinien und Lehrpläne – die Bezeichnung solcher Texte variiert von Bundesland zu Bundesland – sollen aus einer Vielzahl von Gegenständen eine Einheit herstellen, einem Fach eine innere Logik geben. Der Text, den ReligionslehrerInnen in Niedersachsen ihrem Unterricht über den Islam zugrunde legen, entwickelt seine Gegenstände in drei Systematiken. Ausgangspunkt der Konstruktion von Unterrichtsgegenständen ist, was als Kern des Islam, als wesentliche Glaubensaussagen der Muslime definiert ist: die 6 Glaubensartikel und ihr so genannter sichtbarer Ausdruck, die 5 Säulen. Über die Kategorie der 6+5 definieren die Rahmenrichtlinien, was Islam ist. Mit einer zweiten Systematik führt der Text 6 Themenbereiche ein, die festschreiben, was Islam in der Grundschule sein soll. Dazu gehören bereits korrelierte Gegenstandsbereiche wie Ich und meine Gemeinschaft, aber auch theologische Kernfelder wie der Prophet Mohammed, der Koran und die Grundlagen des Islam. In einem dritten Anlauf formulieren die Richtlinien 10 so genannte verbindliche Themen. Ihre Ausgestaltung nimmt mit 21 Seiten den Hauptteil des Papiers ein. Als verbindliche Themen werden mit der zweiten Systematik bereits eingeführte Themenbereiche wie der Koran oder der Prophet Mohammed auf ein bis zwei Seiten ausgearbeitet. Neu hinzu kommen weitere theologische Felder wie Gott (Allah) und Gottes Schöpfung sowie Schwerpunkte der religiösen Praxis wie Beten und Fasten. Neu formuliert wurden auch drei Blöcke zur Lebenswelt: Miteinander leben, Gemeinschaft der Muslime und Begegnung mit anderen Religionen.