LUDWIGMAXIMILIANSUNIVERSITÄT MÜNCHEN FAKULTÄT FÜR BETRIEBSWIRTSCHAFT MUNICH SCHOOL OF MANAGEMENT UNTERNEHMENSETHIK PD. DR. DOMINIK VAN AAKEN SS 2015 Ludwig-Maximilians-Universität München Wenn Sie mich brauchen, bin ich für Sie da…. Adresse Institut für Unternehmensrechnung & Controlling Ludwigstr. 28 (Rgb. V.Stock) Webadresse: http://www.controlling.bwl.uni-muenchen.de 2 Informationen zur Klausur • Prüfungstermin: 06.07.2015 • Raum: wird noch bekannt gegeben • Dauer der Prüfung: 60 Minuten • Art der Prüfung: Bearbeitung von drei offenen Fragen (4 zur Auswahl) Literaturgrundlage Küpper, H.-U. (2011) Unternehmensethik. Hintergründe, Konzepte Anwendungsbereiche. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 3 Gliederung der Vorlesung 1. Unternehmensethik als Teil der Betriebswirtschaftslehre? 2. Grundlagen der Unternehmensethik 3. Überblick über wichtige unternehmensethische Ansätze 4. Ausgewählte Themenfelder in Organisationen 4 Gliederung des 1. Moduls 1. Unternehmensethik als Teil der Betriebswirtschaftslehre? 1.1 Notwendigkeit der expliziten Einbeziehung unternehmensethischer Fragestellungen und Konzepte in die Betriebswirtschaftslehre 1.2 Allgemeine Grundlagen unternehmensethischer Analyse 1.3 Wissenschaftsverständnis in der Betriebswirtschaftslehre 1.4 Analyse des Verhältnisses zwischen Ethik und Betriebswirtschaftslehre 5 Pflichtliteratur des 1. Moduls Küpper (2011) • Küpper (Unternehmensethik 2011), S. 15-18 • Küpper (Unternehmensethik 2011), S. 27-31 • Küpper (Unternehmensethik 2011), S. 37-72 Zudem könnte nützlich sein: - Schreck, P., van Aaken, D. & Donaldson, T. (2013), Positive Economics and the Normativistic Fallacy: Bridging the two sides of CSR. Business Ethics Quarterly. 23 (2): 297-329 6 1.1 Spielen unternehmensethische Fragestellungen bei der Führung von Unternehmen überhaupt eine Rolle? 7 Gewicht ethischer Probleme in Unternehmungen • Wirtschaftsbeziehungen zu Entwicklungsländern • Waffen- und Drogenhandel • Korruption • Insiderhandel • Steuermoral • Entscheidungen über Kurzarbeit und Entlassungen • Personal- bzw. Mitarbeiterführung • ökologische Wirkungen von Unternehmensprozessen 8 Normen im Gegenstandsbereich der Betriebswirtschaftslehre • Globalisierung der Wirtschaftstätigkeit von Unternehmungen und die Bedeutung verschiedener Kulturkreise • Bedeutung von Normen und Werten der Shareholder • Bedeutung von Normen und Werten anderer Stakeholder • Bedeutung von Normen und Werten des Wirtschaftssystems • Normen und Werte als Instrumente wirtschaftlichen Handelns 9 1.2 Allgemeine Grundlagen unternehmensethischer Analyse 10 Abgrenzung grundlegender Begriffe • Ethik – Wissenschaft, deren Gegenstand sittliches und moralisches Handeln ist. Ethik befaßt sich mit Normen und Werturteilen, mit denen sich dieses Handeln als gut oder böse bewerten läßt. • Ethos, Moral, Sitte – Ethos - Aus dem Griech. / Moral - Aus dem Latein. (mos, mores Pl.) empirische Bedeutung Sitte = Wert- und Normengefüge eines abgegrenzten Kulturkreises normative Bedeutung Charakter / Tugend = Qualität eines Handelns, das sich einem unbedingten Anspruch (dem Guten) verpflichtet weiß; im Deutschen verstanden als Moralität bzw. Sittlichkeit 11 Einordnung der Unternehmensethik als Teilbereich der Ethik Metaethik Frage, ob Ethik (wissenschaftlich) begründet sein kann GrundsatzPositionen Inter- und intradisziplinäre Theorienstreite z.B. Kant und Aristoteles, Apel vs. Habermas BereichsEthiken/angewandte Ethik z.B. Umwelt-, Medizin-, Tier- oder Wirtschaftsethik Einzelfragen Beispiel: Darf ich in China investieren? Darf ich ein Kind abtreiben? Ist Suizid legitim? 12 Betrachtungsgegenstände, Bezugsfelder und Problemebenen der Wirtschaftsethik 13 Gegenstand und Abgrenzung der Unternehmensethik • Vielfalt unternehmensethischer Konzeptionen • Gegenstand der Unternehmensethik – Untersuchung ethischer Fragestellungen des wirtschaftlichen Handelns von und in Unternehmungen – Analyse, Begründung, Anwendung von Normen sowie Werturteilen von und in Unternehmungen • Problematik der Abgrenzung zwischen moralischen und anderen Normen bzw. Werturteilen 14 1.3 Wissenschaftsverständnis in der Betriebswirtschaftslehre 15 Unterscheidung wichtiger Aussagearten • Beobachtungsaussagen „Die Sunshine AG hat einen Insolvenzantrag gestellt“ • Realtheoretische Aussagen „Unternehmen mit heterogenen Aufsichtsräten sind erfolgreicher“ • Logische Aussagen „Der cashflow der GE A ist größer als der von B, der von C=B, daher ist der cashflow von A größer als der von C.“ • Normative Aussagen „GE B & C sollten den cashflow erhöhen!“ 16 Prüfbarkeit wissenschaftlicher Aussagen Art der generellen Aussage Logisch determinierte Aussagen Faktisch determinierte Aussagen Wahrheitswert der Aussage Wahre Aussage L-wahre (analytische) Aussage F-wahre Aussage Falsche Aussage L-falsche (kontradiktorische) Aussage F-falsche Aussage Beweis Verifikation oder Falsifikation Feststellverfahren für Wahrheit 17 Logische und faktische Aussagen…..und das war es ? Art der generellen Aussage Logisch determinierte Faktisch determinierte Aussagen Aussagen Wahrheitswert der Aussage Wahre Aussage Falsche Aussage Feststellverfahren für Wahrheit L-wahre (analytische) Aussage F-wahre Aussage L-falsche (kontradiktorische) Aussage F-falsche Aussage Beweis ? Verifikation oder Falsifikation 18 1.4 Analyse des Verhältnisses zwischen Ethik und Betriebswirtschaftslehre 19 Ziele betriebswirtschaftlicher Forschung • Beschreibung „Die Sunshine AG hat einen Insolvenzantrag gestellt“ • Erklärung und Prognose „Unternehmen mit heterogenen Aufsichtsräten sind erfolgreicher“ • Gestaltung „Unternehmen sollten heterogene Aufsichtsräte installieren“ 20 Der praktischen Syllogismus 1. Normative Aussage 2. Empirische Aussage Aristoteles, 384 v.Chr. 3. Präskriptive Aussage Von Wright, 1916 - 2003 21 Grundformen des praktischen Syllogismus 1. Normative Aussage 1. Unternehmen sollen nicht korrumpieren 2. Empirische Aussage 2. Siemens ist ein Unternehmen 3. Präskriptive Aussage 3. Siemens soll nicht korrumpieren 1. Normative Aussage 1. Alle Unternehmen sollen nicht korrumpieren 2. Empirische Aussage 2. Korruption kann man am besten durch Hintergrundüberprüfungen seiner Mitarbeiter verhindern 3. Präskriptive Aussage 3. Schlussfolgerung: Unternehmen sollen Hintergrundüberprüfungen ihrer Mitarbeitern durchführen Schreck, van Aaken, Donaldson 2013 22 „Sollen impliziert Können“ 1. Unternehmen sollen nicht korrumpieren 2a. Siemens ist ein Unternehmen 2b. Korruption kann man am besten durch Hintergrundüberprüfungen seiner Mitarbeiter verhindern 2c. Hintergrundüberprüfungen sind in vielen Nationalstaaten verboten 3. Schlussfolgerung: Siemens sollte Hintergrundüberprüfungen seiner Mitarbeiter durchführen Siemens kann nicht dazu aufgefordert werden, etwas zu tun (3. Schlussfolgerung), was sie nicht können (2. Prämisse). 23 Das Zusammenspiel normativer und positiver (empirischer) Forschung • In vielen Entwicklungsländern werden Kinder durch das Unternehmen XY beschäftigt. Das Unternehmen XY sollte die Beschäftigung von Kindern einstellen. • Hohe Löhne sind moralisch vorzugswürdig, da sie es den Menschen ermöglichen, ein Leben in Freiheit zu führen. Unternehmen sollen hohe Löhne zahlen. 24 1. Normative Aussage 2. Empirische Aussage 3. Präskriptive Aussage Normativistischer Fehlschluss Naturalistischer Fehlschluss Naturalistischer und normativistischer Fehlschluss 25 Vordergründigkeit wertfreier Konzepte in der Betriebswirtschaftslehre • Widersprüchlichkeit einer Verbindung des Konzepts der Wertfreiheit wissenschaftlicher Aussagen mit der Gestaltungsaufgabe • Konzept der Wertfreiheit von Realwissenschaften nach Max Weber • Zweckmäßigkeit eines Rückgriffs auf Erkenntnisse der Ethik für die Analyse und Diskussion normativer Fragen in der Betriebswirtschaftslehre • Plädoyer für die Akzeptanz sowie offene Analyse und Diskussion des normativen Teils betriebswirtschaftlicher Forschung 26 Unmöglichkeit der Separation zwischen betriebswirtschaftlichen und ethischen Normen • Rahmenbedingungen des Handelns von Unternehmungen • Freiheit bei der Wahl der Ziele • Freiheit bei der Suche nach Handlungsalternativen • Freiheit bei der Festlegung von Risikobereitschaft • Bedeutung von Normen und Wertmaßstäben bei der Ausgestaltung von Freiheitsräumen 27 Offenlegung und Analyse normativ-ethischer Hintergründe betriebswirtschaftlicher Konzepte • Normative Prämissen einer gesamtwirtschaftlichen Analyse • Normative Prämissen einer einzelwirtschaftlichen Analyse • Prämissen betriebswirtschaftlicher Modelle 37 Kontrollfragen zu Modul 1 Kennzeichen Sie den Gegenstandsbereich der Unternehmensethik. Grenzen Sie dabei den Begriff der Unternehmensethik von dem der Wirtschaftsethik ab. Nennen Sie je ein Beispiel für eine logische, eine empirische und eine normative Aussage. Diskutieren Sie die Wissenschaftlichkeit dieser Aussagen im Hinblick auf ihre Prüfbarbarkeit. Erläutern Sie die Denkfigur des praktischen Syllogismus. Gehen Sie dabei auch auf den sog. normativistischen Fehlschluss ein. Nehmen Sie Stellung zur folgenden Aussage: «Die Diskussion unternehmensethischer Fragestellungen hat in der Betriebswirtschaftslehre nichts zu suchen.» 29 Gliederung der Vorlesung 1. Unternehmensethik als Teil der Betriebswirtschaftslehre? 2. Grundlagen der Unternehmensethik 3. Überblick über wichtige unternehmensethische Ansätze 4. Ausgewählte Themenfelder in Organisationen 30 Gliederung des 2. Moduls 2. Grundlagen der Unternehmensethik 2.1 Empirische Erkenntnisse zur Verankerung von Normen und Werthaltungen 2.2 Philosophische Konzepte zur Begründung von Normen und Werten 31 Pflichtliteratur des 2. Moduls Küpper (2011) • • • Küpper (Unternehmensethik 2011), S. 13-15. Küpper (Unternehmensethik 2011), S. 20-27. Küpper (Unternehmensethik 2011), S. 75-106. Zudem könnte nützlich sein: • Jones, T. M. (1991), Ethical Decision Making by Individuals in Organizations: An Issue-Contingent Model. The Academy of Management Review (16: 2), pp. 366-395 32 2.1 Empirische Erkenntnisse zur Verankerung von Normen und Werthaltungen 33 Bedeutung empirischer Erkenntnisse zur Geltung von Normen • Normorientierung sowie Werthaltungen von Entscheidungs- und Handlungsträgern beeinflussen die Zielbildung und -verfolgung in und von Unternehmen • Es gibt nach wie vor Defizite in der empirischen Analyse der Geltung von Normen und Werten im Rahmen des ethischen Diskurses • Problematik des ‚naturalistischen Fehlschlusses’ • „Vielfalt konkreter Sittlichkeit“ 34 Bestimmungsgrößen der bewussten Akzeptanz von Normen und Werten Mechanismen der sozialen Verankerung von Normen Normen in der Interpretation als „geronnene Erfahrung“ Individuelle Internalisierung Bestimmungsgrößen • • • Kulturkreis • Familie • Ausbildung und Erfahrung • rechtliche, ökonomische und physische Rahmenbedingungen Rationale Akzeptanz • emotionale Veranlagungen und Steuerungen sowie bewusst akzeptierte Werte als Bestimmungsgründe für das Verhalten von Menschen • Zweckmäßigkeit von Normen hinsichtlich einer besseren Koordination des Handelns in einer Gesellschaft • Wissen über empirische Folgen von Normen • Anreizsysteme und Schutzvorkehrungen zur Sicherung der Zweckmäßigkeit von Normsystemen 35 Erkenntnisse aus der experimentellen Forschung Bedeutung von Altruismus, Fairneß, Reziprozität und Eigennutz: Experiment zur bedingten Kooperation in einem einmaligen public goods-Spiel Fischbacher / Gächter / Fehr (2000) 36 Erkenntnisse der entscheidungstheoretischen Forschung Jones (1991) 37 Erkenntnisse der Neurobiologie Roth (2003), S. 257 38 Ethische Implikationen der Neurobiologie? • Erklärung moralischen Verhaltens durch unterbewusste Programmierung • Debatte Willensfreiheit und moralische Verantwortung • Kompatibilisten: Festlegung widerspricht nicht der Willensfreiheit Daniel Dennett, 1942 Hans-Ulrich Küpper,1945 39 2.2 Philosophische Konzepte zur Begründung von Normen und Werten 40 Metaphysische Verankerung von Normen und Werten • In Glaube und Theologie verankerte metaphysische Ethik • Starker Einfluss der christlichen Ethik als metaphysische Ethik in der Kultur des Abendlandes • Botschaft der Bibel und Glaube an Gott als Ausgangspunkt für die Begründung von Normen und Werten • Altes Testament: 10 Gebote • Neues Testament: Gebot der Nächstenliebe und Feindesliebe 41 Metaphysische Verankerung von Normen und Werten • Rationale metaphysische Ethik • Vertreter wie z.B. Leibniz, Kant, Hegel • Beispiel: Kant Ableitung der Unantastbarkeit und Freiheit des Individuums aus der „vernünftigen“ Natur des Menschen • Immanuel Kant, 1724 - 1804 Kategorischer Imperativ „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Allgemeingültigkeit Jeder Vernünftige will es Aus Pflicht, nicht aus eigenem Vorteil! 42 Prozessuale Begründung von Normen und Werten • Verankerung in der Diskursethik • Zielsetzung: Formulierung von Anforderungen an den norm- und wertbegründenden Verständigungsprozess bzw. Diskurs. Keine inhaltliche Diskussion von Normen und Werten Jürgen Habermas, 1929 • Grundlegend: Kommunikativer Gebrauch von Sprache Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit der Argumente • Leitidee: gegenseitige Anerkennung der Diskursteilnehmer als mündige Subjekte und Gewinn des rational besseren / vernünftigeren Arguments Karl Otto Apel, 1922 43 Regeln für den Diskurs • Teilnahmeberechtigung eines jeden sprach- und handlungsfähigen Subjekts • Möglichkeit zur Problematisierung jeder Behauptung durch jeden Teilnehmer • Möglichkeit zur Aufstellung jeder These im Diskurs durch jeden Teilnehmer • Möglichkeit zur zwanglosen Äußerung der Einstellungen, Wünsche und Bedürfnisse durch jeden Diskursteilnehmer • Möglichkeit, dass sich die Diskursteilnehmer unabhängig von ihrem jeweiligen Wissenstand auf den zur Debatte stehenden Gegenstand beziehen und eine gemeinsame Definition aushandeln können 44 Vertragstheoretische Begründung von Normen und Werten • Ausgangspunkt der Begründung von Normen und Werten bildet die Freiheit jedes einzelnen Individuums • Interpretation des Konsenses über ein Normensystem als Vertrag • Vertreter: z.B. Rawls, aber auch Buchanan, Gauthier, Nozick u.a. • Rawls: Bedeutung des „Schleiers des Nichtwissens“ für die hypothetische Zustimmung zu einem Normensystem John Rawls, 1921 - 2002 45 Die zwei Grundsätze der „Gerechtigkeit als Fairness“ 1. „Jede Person hat den gleichen unabdingbaren Anspruch auf ein völlig adäquates System gleicher Grundfreiheiten, das mit demselben System von Freiheiten für alle vereinbar ist.“ 2. „Soziale und ökonomische Ungleichheiten müssen zwei Bedingungen erfüllen: erstens müssen sie mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die unter Bedingungen fairer Chancengleichheit allen offenstehen; und zweitens müssen sie den am wenigsten begünstigten Angehörigen der Gesellschaft den größten Vorteil bringen.“ Rawls (2003), S. 81 46 Deduktive „Begründung“ von Normen und Werten • Häufige Basiswerte deduktiver Begründung – Beispiel: Projekt Weltethos von Hans Küng – Menschenwürde – Freiheit Hans Küng, 1929 – Frieden – Gerechtigkeit 47 Pluralismus und Freiheit 48 Kontrollfragen zu Modul 2 Erläutern Sie die entscheidungstheoretischen Erkenntnisse zum moralischen Entscheidungsprozess. Was versteht man in der Diskursethik unter einem kommunikativem Gebrauch von Sprache? Geben Sie die 2 Grundsätze der Fairness nach Rawls wieder. Wie hängen diese mit dem Schleier des Nichtwissens zusammen? 49 Gliederung der Vorlesung 1. Unternehmensethik als Teil der Betriebswirtschaftslehre? 2. Grundlagen der Unternehmensethik 3. Überblick über wichtige unternehmensethische Ansätze 4. Ausgewählte Themenfelder in Organisationen 50 Grundlagen des 3. Moduls 3. Überblick über wichtige unternehmensethische Ansätze 3.1 Deskriptive Unternehmensethik 3.2 Ökonomistische „Unternehmensethik“ 3.3 Liberale Unternehmensethik 3.4 Ökonomische Unternehmensethik 3.5 Prozessorientierte Unternehmensethik 3.6 Analytische Unternehmensethik 51 Pflichtliteratur des 3. Moduls Küpper (2011) • • • • Küpper (Unternehmensethik 2011), S. 107 - 112 Küpper (Unternehmensethik 2011), S. 130 - 138 Küpper (Unternehmensethik 2006), S. 140 - 157 Küpper (Unternehmensethik 2006), S. 164 - 180 Zudem könnte nützlich sein: • • • • Aaken, D. van/Splitter, V./Seidl, D. (2013): Why Do Corporate Actors Engage in Pro-Social Behavior? A Bourdieusian Perspective on Corporate Social Responsibility, in: Organization (20: 3), pp. 349–371 Van Aaken, D. (2012), Individuelle Freiheit als Grundlage normativer Ökonomik. Ansatzpunkte zur Beurteilung der ethischen Legitimität unternehmerischen Handelns in einer globalisierten Welt. Journal of Business Economics (82:6), S. 81-102. Milton Friedman (1970): The Social Responsibility of Business Is to Increase Its Profits. The New York Times. Ulrich, P. (2008): Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie, Haupt, 4. vollständig neu bearbeitete Auflage, Bern/Stuttgart/Wien 52 Systematik von Ansätzen der Unternehmensethik Unternehmensethik (UE) Deskriptive UE (3.1) Normative UE (3.2 – 3.5) Analytische UE (3.6) Formal-normative UE Verzicht auf UE (3.2) Normative Stakeholder Ansätze Ökonomische UE (3.3) Material-normative UE Prozessorientierte Ansätze Ökonomische Ansätze Ordonomik (3.3) Liberale UE (3.4) Republikanische UE (3.5) Ethischnormative Ansätze der BWL Entscheidungsethik Integrative UE (3.5) 53 3.1 Deskriptive Unternehmensethik 54 Empirische Geltung und Wirkungsanalysen von Normen und Werten • Analyse und Beschreibung der in der Realität in Unternehmungen beachteten Normen und Werte • Erarbeitung von theoretischen Aussagensystemen über die Entstehung sowie Verankerung von Normen und Werten, wie sie in Unternehmungen wirksam werden • Analyse und Beschreibung der empirischen Beziehung (Komplementarität, Indifferenz, Konkurrenz) zwischen ökonomischen und ethischen Normen sowie Werten 55 Instrumenteller Ansatz: Der Business Case • Verantwortungsübernahme aufgrund des ökonomischen Interesses • Verantwortungsübernahme ist von Kosten und Nutzen abhängig • Rationaler Manager handelt im Interesse der Shareholder • Beobachtung: In vielen Fällen „lohnt“ sich eine verantwortungsvolle Unternehmensführung • Stakeholdermanagement = Shareholderansatz 56 Konzeptionelle und empirische Ergebnisse zum „Business Case“ (I) Auswirkungen von CSR auf Prozesse Ökonomische Motivation Reduktion der Betriebs- bzw. Produktionskosten Anstieg der Mitarbeiterproduktivität bei Arbeitnehmer gleichzeitigem Rückgang der Löhne und Fehlzeiten Verschafft Zugang zu Kapitalkosten Kapital und senkt Kapitalkosten Schreck, van Aaken, Donaldson 2013 Konzeptionelle Ergebnisse Hart (1995): Durch die Vermeidung von Umweltverschmutzung, können Unternehmen signifikante Einsparungen generieren, die einen Kostenvorteil gegenüber ihrer Konkurrenz mit sich bringen. Empirische Ergebnisse Christmann (2000): Bei Heterogenität der Ressourcen / Fähigkeiten von Unternehmen, ermöglicht Umweltmanagement nicht nur den Schutz der Umwelt, sondern auch eine Kostenreduktion. Heal (2005): CSR reduziert Müll und somit die damit verbundenen Entsorgungskosten. Klassen & Whybark (1999): Die Effizienz der Produktion ist signifikant besser, sobald Investitionen in präventive Technologien für den Umweltschutz getätigt wurden. McWillians & Siegel (2001): Unternehmen, die der Nachfrage von Beschäftigten nach CSR gerecht werden, bekommen dies mit steigender Loyalität und Produktivität zurück bezahlt. Montgomery & Ramus (2007): Beschäftigte neigen zu einem Verzicht auf finanzielle Vorteile, wenn Unternehmen einen guten Ruf CSR vorweisen können. Reinhardt & Stavins (2010): Beschäftigte sind aufgrund von CSR bereit, auf einen Teil ihres Löhne zu verzichten Riordan, Gatewood & Bill (1997): CSR bewirkt einen Anstieg der Mitarbeiterzufriedenheit Baron (2009): CSR ermöglicht den Unternehmen zusätzliche Investoren ins Boot zu holen, die Unternehmen mit einer hohen CSR-Performance bevorzugen. Doh, Howton, Howton & Siegel (2010): Soziale Investoren sind ein wachsender Anteil der gesamten Investmentgemeinschaft. Durch einen Augenmerk auf ihre Interessen, kann ein Unternehmen den Pool des für ihn zugänglichen Kapitals erweitern. Mackey, Mackey & Barney (2007): Aktionäre favorisieren Unternehmen, die sich in CSR engagieren. Dhaliwal, Li, Tsang & Yang (2011): Unternehmen, die freiwillig über ihre CSR-Aktivitäten veröffentlichen, können Eigenkapitalkosten senken. 57 Konzeptionelle und empirische Ergebnisse zum „Business Case“ (II) Auswirkungen von CSR auf Kunden Ökonomische Motivation Anstieg der Zahlungsbereitschaft der Kunden und Neugewinnung von Kunden Anstieg der Potenzielle ArbeitgeberArbeitnehmer attraktivität Risikomanagement Hilfe bei Vermeidung von ungewollten Ereignissen (z.B. NGO-Attacken, negative Medienberichte, etc.) Schreck, van Aaken, Donaldson 2013 Konzeptionelle Ergebnisse Empirische Ergebnisse Brown & Dacin (1997): Die CSR-Reputation Bagnoli & Watts (2003): Unternehmen werden beeinflusst die Kundenwahrnehmung, was zu für diejenigen Kunden CSR anbieten, die einer erhöhten Zahlungsbereitschaft führt. einen hohen Wertanteil aufweisen. Du, Bhattacharya & Sen (2007): Konsumenten, Besley & Ghatak (2007): Durch ein gutes die sich mit einer Marke identifizieren, tun dies CSR-Image können neue Kunden gewonnen bei Unternehmen, die ein gutes CSR-Image und Zahlungsbereitschaften erhöht werden. haben, in einem noch größeren Ausmaß und sind zudem loyaler. Lyon & Maxwell (2008): Indem Unternehmen Luce, Barber & Hillman (2001): CSRUmweltschutzbedingungen, die auf die Werte Reputation erhöht die Attraktivität eines der Arbeitnehmer abgestimmt sind, Arbeitgebers, falls dadurch eine „übererfüllen“, versuchen sie die besten Familienähnlichkeit zwischen Arbeitnehmer Arbeitnehmer anzulocken und zu halten. und Arbeitgeber suggeriert wird. Portney (2008): Die meisten Menschen würden einen Arbeitgeber, der im hohen Maße respektiert wird, einem Arbeitgeber, der dies nicht wird, vorziehen. Greening & Turban (2000): Ein Engagement in CSR ist ein deutliches Zeichen für gute Arbeitsbedingungen und erhöht somit die Attraktivität als Arbeitgeber. Godfrey, Merril & Hansen (2009): Im Zusammenhang eines negativen Ereignisses, ist der Rückgang des Shareholder Values bei Unternehmen, die sich in CSR engagieren, kleiner, Peloza (2006): CSR kann eingesetzt werden, als bei Unternehmen, die sich nicht engagieren. um für das Unternehmen einen stabilen Ruf aufzubauen, der dabei hilft, negativen Events King & Soule (2007): Wurde über Firmen viel Positives in der Vergangenheit berichtet, richten standzuhalten. Beschuldigungen von NGOs weniger Schaden an. Lange, Lee & Dai (2011): Ein guter Ruf kommt Organisationen, bei Bekanntwerden von neuen, negativen Informationen, zugute. Brauchen wir einen Paradigmenwechsel in der CSR-Forschung? 58 Kollektive Selbstbindungen als „Business Case“ Primäraddressat Gesellschaft Beispiele Einhaltung globaler Sicherung kollektiver Vertragsgrundsätze Legitimität Chemieunternehmen verpflichten sich zu Verbesserungen in den Vermeidung von „spillover“ Bereichen Gesundheit, Effekten Sicherheit und umweltpolitischen Leistungen. Freiwillige Reduktion der Abgase in Industrien Politische Systeme Kunde Ökonomische Motivation Konzeptionelle und/oder empirische Evidenz Kollektive und freiwillige Organisation von umweltfreundlichen Programmen Einhaltung von strengen, selbstgesetzten Marktregulierungen Kollektiver Einsatz des Umtweltmanagement Standards ISO14000 Vermeidung staatlicher Regulierung Beeinflussung staatlicher Regulierung Erhöhung der Konsumentennachfrage durch die Reduktion der Verunsicherung über Produktqualität Reputationseffekte Durch freiwilliges Unterzeichnen von ethischen Standards, versuchen Unternehmen die gesellschaftliche Wahrnehmung der wirtschaftlichen Globalisierung zu beeinflussen Unternehmen schützen ihren Ruf gegen spillover Effekte, die auftreten, sobald die gesamte Branche für die Fehler einiger weniger Unternehmen verantwortlich gemacht wird. Wenn die Bedrohung einer gesetzlichen Regulierung hoch und gleichzeitig die marginalen Kosten der Selbstregulierung relativ gering sind, macht es für Unternehmen Sinn, sich in freiwilliger Emissions‐ minderung zu engagieren. Durch die Beteiligung an freiwilligen, umweltfreundlichen Programmen, sind Unternehmen in der Lage, ihre Mitwirkung zu ihrem Vorteil einzusetzen und so zukünftige Regulierungen zu beeinflussen. Einhaltung von selbstgesetzten Regelungen kann sich positiv auf das Einkaufsverhalten der Konsumenten auswirken . Bei kollektiver Übernahme umweltfreundlicher Standards, erlangen Unternehmen eine Reputation, den sie eigenständig nicht hervorbringen könnten. 59 „Normativer“ Ansatz • Beobachtung: In vielen Fällen „lohnt“ sich eine verantwortungsvolle Unternehmensführung nicht • Verantwortungsübernahme aufgrund des moralischer Pflicht • Verantwortungsübernahme ist nicht von Kosten und Nutzen abhängig • Moralische Manager handeln im Interesse der Betroffenen 60 Soziologischer Ansatz: Bourdieu • Individuen engagieren sich in gesellschaftlich erwünschten Belangen, um dadurch ihre Position im organisationalen Umfeld zu verbessern • Position hängt vom Wert des zur Verfügung stehenden Kapitals ab ökonomisches Kapital kulturelles Kapital Sozialkapital symbolisches Kapital • CSR-Aktivitäten als Tauschprozess • Akteure in dominanten Positionen können Art und Ausmaß des Engagements in CSR bestimmen van Aaken, Splitter, Seidl 2013 Pierre Bourdieu, 1930 - 2002 61 3.2 Ökonomistische „Unternehmensethik“ 62 Die Annahmen Milton Friedmanns • Kapitalistisches System Eigentümer (Prinzipal) beauftragt leistet Manager (Agent) Milton Friedman, 1912 - 2006 • Manager sind Angestellte der Eigentümer Verpflichtung das Unternehmen im Interesse der Eigentümer zu führen! • Manager halten sich an die Gesetze und Bräuche der Gesellschaft. 63 1.) Fehlende Legitimation der Manager • Sobald Manager Mittel des Unternehmens aufwenden, um allgemeine gesellschaftliche Ziele zu erreichen, geben sie das Geld anderer aus: Geringerer Gewinn Höhere Preise Niedrigere Löhne Eigentümer Kunden Mitarbeiter 64 1.) Fehlende Legitimation der Manager • Die Manager würden folglich nur bei divergierender Mittelverwendung eine außerordentliche, soziale Verantwortung wahrnehmen. • In diesem Fall würden die Manager jedoch faktisch Steuern erheben und gleichzeitig über deren Verwendung entscheiden. • Keine Legitimation zur Steuererhebung, da sie lediglich durch die Eigentümer legitimiert wurden deren Interessen zu vertreten und nicht in einem demokratischen Prozess gewählt wurden. (“No taxation without representation“) 65 2.) Zudem: Der Managermarkt Gewinnrückgang Fallende Aktienkurse Unzufriedene Eigentümer Langfristig ist es für das Management unmöglich, Dinge umzusetzen, die dem Gewinnprinzip widerstreben! Neubesetzung des Managements 66 3.) The responsibility of business is to increase its profits • Case: Ford Pinto 67 3.3 Ökonomische Unternehmensethik 68 Karl Homann und seine Schüler Promotion und Habilitation in Göttingen.1986-1990 Prof. in Witten-Herdecke, 1990-1999 an der Katholischen Universität EichstättIngolstadt, seit 1999 an der philosophischen Fakultät der LMU Lehrstuhlinhaber für Philosophie und Ökonomik, seit 2008 emeritiert 2008-2010 Vertretung des LS für Philosophie an der TU Braunschweig, seit 2010 Inhaber des LS für Wirtschaftsethik TUM Karl Homann, 1943 geb. 1961, 1999-2004 Vertretung des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Unternehmensethik in Eichstätt-Ingolstadt, seit 2004 Inhaber des Dr. Werner Jackstädt-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Andreas Suchanek, 1961 Unternehmensethik an der HHL. 2001-2002 Vertretungsprofessur für Wirtschafts- und Sozialpolitik an der Uni. Passau, seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Uni. HalleWittenberg Christoph Lütge, 1969 Ingo Pies, 1964 69 Karl Homann Marktwirtschaft ist die institutionalisierte Form der Nächstenliebe und: Wettbewerb ist solidarischer als Teilen 70 Konzeption der Wirtschafts- und Unternehmensethik als Ethik mit ökonomischer Methode • Vorteils- / Nachteilskalkulation als Methode wirtschafts- und unternehmensethischer Analysen – weites Verständnis von Vor- und Nachteilen – Betonung der Implementationsfrage – Rahmenordnung als systematischer Ort der Moral • Bedeutung des Gefangenendilemma-Paradigmas für ethische Problemstellungen 71 Legitimität der Marktwirtschaft? Ökonomisch ? Moralisch ? ….. • Wohlstand ist die Voraussetzung individueller Freiheit. • In der Marktwirtschaft wird derjenige belohnt, der das Wohl der Menschen fördert • Machtpositionen werden immer wieder erodiert Marktwirtschaft ist eine soziale Veranstaltung! 72 Unternehmensethik in der Marktwirtschaft • Langfristige Gewinnmaximierung ist die sittliche Pflicht des Unternehmers Entwicklung Sanktionssysteme Internationalität Generell Lücken in der Rahmenordnung aufgrund rasanter Entwicklungen (damit auch veränderte Informationsbedingungen) Kosten der Entdeckung sind zu hoch interne Kontrolle wird von Nöten Rahmenordnung liegt nicht vor, oder ist unzureichend z.B. Gentechnik Korruption Kinderarbeit • Unternehmensethik wird virulent. Ambivalenz des Gewinnziels 73 Grundstruktur des Gefangenendilemmas B Leugnen (Kooperation) Leugnen (K ooperation) G estehen (D efektion) II I -3, -3 -1 0, -1 A Gestehen (Defektion) III • IV -1 , -1 0 -5 , -5 Was ist hier das grundlegende Problem? 74 Warum engagieren sich Unternehmen in CSR? Ethisch Rational + - Ökonomisch Rational + Schreck, van Aaken, Donaldson 2013 „Business - Case for CSR“ profitabel, aber unmoralisch moralisch, aber unprofitabel unprofitabel und unmoralisch 75 Institutionelle Änderungen als Erklärung für ein Engagement in CSR Ethisch Rational + - Ökonomisch Rational + „Business Case for CSR“ moralisch, aber unprofitabel - profitabel, aber unmoralisch unprofitabel und unmoralisch 76 Aufgaben der Unternehmen • Mitgestaltung der Rahmenordnung • Aufdeckung und Analyse von Konfliktfeldern zwischen ökonomischen und moralischen Zielen • Suche nach Kooperationschancen • Kritik: Kompatibilität von Gewinn und Moral als Datum! 77 3.4 Liberale Unternehmensethik 78 Die Moral der freiwilligen Vertragsunterzeichnung C D Externe Effekte? van Aaken 2012 A B - Freiwillig? - Informiert? - Freiwillig? - Informiert? 79 Freiheit als intrinsischer Wert: Implikationen (I) Freiheit und von Verträgen Freiheit undFreiwilligkeit Freiwilligkeit von Verträgen Freiheit als Handlungsfreiheit Negative Freiheit Positive Freiheit Verträge müssen Gelegenheiten und keine Zwänge darstellen Verträge dürfen keine “freiheitsfördernde Zwangsangebote” darstellen Verträge sind nur legitim, falls • keine Handlungsoptionen eingeschränkt worden sind (negative Freiheit) • eine vom Vertrag unabhängige Sicherheit existiert bzw. diese hypothetisch angenommen wird (positive Freiheit) van Aaken 2012 80 Folie 08/11 Freiheit als intrinsischer Wert: Implikationen (II) Informiertheit als Voraussetzung freiwilliger Verträge Informiertheit Informationsverarbeitungskapazität Informationen Verträge sind nur legitim, falls • die generelle Kompetenz und konkrete Möglichkeit zur Informationsverarbeitung gegeben ist. • wesentliche Bestandteile und Risiken des Vertrages verständlich geregelt sind van Aaken 2012 81 Folie 09/11 Freiheit als intrinsischer Wert: Implikationen (III) Externe Effekte als Grenzen der Vertragsfreiheit Externe Effekte Wirkungen sind nicht freiheitseinschränkend Verträge sind nur legitim, falls die Intensität, Dauer und Wahrscheinlichkeit der positiven Effekte die der negativen überwiegen. van Aaken 2012 Wirkungen sind freiheitseinschränkend Verträge sind nur legitim, falls die betroffenen Parteien faktisch zustimmen. 82 Folie 10/11 3.5 Prozessorientierte Unternehmensethik 83 Horst Steinmann und seine Schüler 1955-59 Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Göttingen. 1968 bis 1970 Professor für Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensforschung an der FU-Berlin. Seit 1970 Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensführung an der Universität ErlangenNürnberg. 1999 Emeritierung. 1996 Ehrendoktor der Uni Bern; 1999 Ehrendoktor der Uni Straßburg Horst Steinmann, 1934 leitet seit 1.10.99 den Lehrstuhl für Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Wirtschaft und Gesellschaft am IHI Zittau (TU-Dresden) geb. 1964, 2000-2001 Prof. an der Universität Konstanz, seit 2001 Inhaber des Lehrstuhls für Grundlagen der BWL und Theorien der Unternehmung an der Uni. Zürich Albert Löhr, 1955 Andreas Scherer, 1964 84 Republikanische Dialogethik von Horst Steinmann und Schülern • Republikanische Unternehmensethik = Rückbindung unternehmerischer Praxis an das öffentliche Wohl („res publica“) • Dialogbeförderung durch ethische Sensibilisierung von Organisationsstruktur und -kultur • Ethische Entwicklung des Personals • Führungsethik 85 to make peace in and between societies more stable private sphere [business & society] objective: profits objective: peaceful resolutions of conflicts coordination via consequences of action coordination via intentions of actors [incentives] property rights markets for capital labor goods shareholder enterprises rules for economically efficient and effective private business strategy [discourses] transformation process strategy‐induced conflicts physical value based dilemma‐situations overall coordination through corp.‐constitution + mgt‐process [planning organizing staffing directing control] normative basis of corporate management [values] normative factual ‚Ought‘ ‚Is‘ corporate ethics (code of ethics and rules of implementation) - self-commitment for enterprise and/or whole value-chain - actor within area of politics: new rules (local, state, EU,global) rules for societal responsibility of private business stakeholder Der Aufbau der republikanischen Unternehmensethik public sphere [welfare; public interest] 86 Zum Verhältnis von Wirtschafts- und Unternehmensethik Wirtschaftsethik Unternehmensethik • Ergänzung zum institutionellen Rahmen Wirtschaftsordnung • Res Publica = öffentliches Interesse wird zum Gegenstand unternehmerischer Verantwortung Gewinnprinzip • Greift überall dort, wo Unternehmensaktivitäten moralische Konflikte zwischen Anspruchsgruppen hervorrufen Gesellschaftliches Rechtssystem 87 Political CSR - Der Ansatz von Scherer • Globalisierung führt zu einem staatlichen Regulierungsdefizit • Unternehmen sollen politische Mitverantwortung übernehmen! • Aber ist das in Ihrem Interesse? 88 Peter Ulrich und seine Schüler 1967-71 Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Freiburg. 1984 bis 1987 Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Wuppertal. Seit 1987 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen (HSG). 2009 Emeritierung Peter Ulrich, 1948 geb. 1961, 2001 – 2010 Vizedirektor des Instituts für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen, seit 2011 Vorstand der Berliner Denkfabrik für Wirtschaftsethik e.V. geb. 1949, seit 1994 Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensführung und betriebliche Umweltpolitik an der Universität Oldenburg Ulrich Thielemann, 1961 Reinhard Pfriem, 1949 89 Integrative Unternehmensethik von Peter Ulrich Ausgangspunkt bildet die Konzeption einer integrativen Wirtschaftsethik als Grundlagenreflexion der ökonomischen Vernunft – Grundlagenreflexion zum „Sachzwang“ des Wettbewerbs: Kritik des ökonomischen Determinismus – Grundlagenreflexion zur „Moral“ des Marktes: Kritik des ökonomischen Reduktionismus 90 Ansätze der Wirtschaftsethik Ethik ? Ökonomie „angewandte“ Ethik „normative“ Ökonomik Vernunftethik des Wirtschaftens Vorgabe empirischer „Anwendungsbedingungen“ (managerial point of view) Vorgabe axiomatischer Handlungslogik (economic point of view) Vorgabe Ethisch-kritischer Reflexionsorientierung (moral point of view) Ethik als „Gegengift“ gegen zuviel ökonomische Rationalität Ethik als „Schmiermittel“ für mehr ökonomische Rationalität Ethik als „normativer Unterbau“ für eine andere sozialökonomische Rationalität Eingrenzung der ökonomischen Sachlogik durch Ethik Nutzung von Moral für ökonomische Interessen Fundierung der ökonomischen Sachlogik auf ethisch legitimen Grundlagen „Hüterin der Moral“ in der Wirtschaft (auf „Kosten“ des ökonomischen Erfolgs) Moralökonomie (funktionale Voraussetzungen ökonomischen Erfolgs) korrektive Wirtschaftsethik funktionalistische Wirtschaftsethik Ulrich (Wirtschaftsethik 2008), S. 135) Grundlagenreflexion ethisch legitimen Wirtschaftens (normative Voraussetzungen legitimen ökonomischen Handelns) integrative Wirtschaftsethik 91 Stufenkonzept der integrativen Unternehmensethik 2 . S tu fe d e r V e ra n tw o rtu n g : R e p u b lik a n is c h e U n te rn e h m e n s e th ik K ritis c h e H in te rfra g u n g g e g e b e n e r W e ttb e w e rb s b e d in g u n g e n , d ie in u n te rn e h m e n s e th is c h e D ile m m a s itu a tio n e n fü h rt 1 . S tu fe d e r V e ra n tw o rtu n g : G e s c h ä fts e th ik S u c h e n a c h re n ta b le n W e g e n s o z ia lö k o n o m is c h s in n v o lle n u n d le g itim e n W irts c h a fte n s in n e rh a lb d e r o rd n u n g s p o litis c h e n R a h m e n b e d in g u n g e n (G e s c h ä fts in te g ritä t) u n te rn e h m e ris c h e W e rts c h ö p fu n g s a u fg a b e : le b e n s d ie n lic h e r U n te rn e h m e n s z w e c k a u f e in e r tra g fä h ig e n n o rm a tiv e n „G e s c h ä fts g ru n d la g e “ (L e g itim itä ts p rä m is s e u n d S in n g e b u n g ) b ra n c h e n - u n d o rd n u n g s p o litis c h e M it v e ra n tw o rtu n g fü r e th is c h v e ra n tw o rtb a re S ta n d a rd s u n d R a h m e n b e d in g u n g e n d e s W e ttb e w e rb s (o rd o lib e ra le s E n g a g e m e n t in R ic h tu n g e in e r v ita lp o litis c h e in g e b u n d e n e n , le b e n s d ie n lic h e n M a rk tw irts c h a ft) 92 Der Wert dieser Grundlagenkritik? Wettbewerb fördert das Gemeinwohl. Die Kritik an ihm erodiert unsere Geschäftsgrundlage und ist damit moralisch verwerflich! Insofern ist die integrative Unternehmensethik moralisch fragwürdig, heillos normativ und nicht umsetzbar! 93 3.6 Analytische Unternehmensethik 94 Zwecke, theoretische Hintergründe und Methoden der analytischen Unternehmensethik • Verständnis von Ethik – Bezug zu individueller Lebensgestaltung – Wissenschaftlichkeit normativer Aussagen – Offenheit gegenüber grundlegenden Wertungen • Entscheidungen und Handlungen in Unternehmungen als systematischer Ort der Unternehmensethik • Zwecksetzungen der analytischen Unternehmensethik – Bereitstellung von Erkenntnissen und Instrumenten, mit denen Entscheidungsträger in der Praxis die sich ihnen stellenden moralischen Fragestellungen auf Basis ihrer eigenen Wertungen fundierter lösen können – logische und empirische Analyse von Normen, Werten und Regeln Hans-Ulrich Küpper, 1945 95 Vier Untersuchungsdimensionen der analytischen Unternehmensethik 1) Unternehmensethische Fragestellung 2) Wirkungsanalyse von Normen und Werten (3) Beziehungs- und Konfliktanalyse von ökonomischen und ethischen Normen und Werten (4) Begründungsanalyse von Normen und Werten 96 Untersuchungsbereich der AUE: Leistungssystem und Führungssystem der Unternehmung 97 Übersicht über Analysedimensionen 98 Begründungsmuster für Basiswerte und Normen 99 Aber: Ist die analytische Unternehmensethik relativistisch? • „Jedoch sind Relativisten, (…), angesichts der Möglichkeit objektivistischer Erklärungen moralischer Diversität gefordert, zu begründen, warum die relativistische Erklärung besser ist als die objektivistische. Ein überzeugendes und hinreichend theorieneutrales Argument hierfür ist nicht in Sicht.“ (Schmidt 2008: Die Herausforderung des ethischen Relativismus, in: Ernst, G. (Hrsg. 2008): Moralischer Relativismus) 100 Logische Unwahrheit des Relativismus? • Man kann nicht auf der einen Seite die Relativität jeder Tradition proklamieren und damit auch jeder Beurteilung und gleichzeitig behaupten, dass dies allgemein gelte. Letztendlich sind also auch pluralistische Konzeptionen absolutistisch. Performativer Widerspruch! • „Es gilt allgemein: Jede Konstruktion der Welt ist relativ.“ 101 Kontrollfragen zu Modul 3 Nennen Sie zwei deskriptive Ansätze, die erklären, warum sich Unternehmen sozial engagieren. Erläutern Sie einen ausführlich. Nehmen Sie Stellung zu der Aussage: The social responsibility of business is to increase profits» Warum sieht Homann den systematischen Ort der Moral in der Rahmenordnung? Skizzieren Sie das Anliegen der integrativen Wirtschaftsethik. Nennen Sie die 4 Analysedimensionen der analytischen Unternehmensethik. 102 Gliederung der Vorlesung 1. Unternehmensethik als Teil der Betriebswirtschaftslehre? 2. Grundlagen der Unternehmensethik 3. Überblick über wichtige unternehmensethische Ansätze 4. Ausgewählte Themenfelder in Organisationen 103 Gliederung des 4. Moduls 4. Ausgewählte Themenfelder in Organisationen 4.1 Corporate Governance und Unternehmensethik 4.2 Personalführung, Organisation und Unternehmensethik 104 Pflichtliteratur des 4. Moduls Küpper (2011) • Küpper (Unternehmensethik 2011), S. 181-190 • Küpper (Unternehmensethik 2011), S. 205 - 209 • Küpper (Unternehmensethik 2011), S. 218 – 220 • Küpper (Unternehmensethik 2011), S. 267 – 271 • Küpper (Unternehmensethik 2011), S. 285 - 296 105 4.1 Corporate Governance und Unternehmensethik 106 Kennzeichnung von Corporate Governance • Corporate Governance = rechtliches und faktisches Regel- bzw. Normensystem für die Leitung sowie Überwachung einer Unternehmung • Regelung der Grundstruktur der Unternehmensorgane • Regelung der wichtigsten Unternehmensziele • „Good“ Governance, best practice • Gestaltung und Überwachung von internen & externen Regelungen 107 Gestaltungsformen der Corporate Governance: Die Organe einer Unternehmung Ein-OrganModell Gesellschafter (-versammlung) OHG ZweiOrganModell DreiOrganModell Vorsitzender Geschäftsführung Board of Directors Gesellschafterversammlung HauptVersammlung (AG, KGaA) Leitende Angestellte Chairman Outside Inside Directors Directors Vorsitzender Vorsitzender Aufsichtsrat (AG, KGaA) Geschäftsführung (AG-Vorstand, KGaAKomplementär) Geschäftsführungsmaßnahmen Gesellschafterversammlung Arbeitnehmer 108 Gestaltungsformen der Corporate Governance: Mitbestimmung und Beachtung von Kodizes • Formen der Mitbestimmung in Deutschland unternehmerische Mitbestimmung Aufsichtsrat (MontanmitbestG 1951, Mitbestimmungsgesetz 1976, Drittelbeteiligungsgesetz 2004) betriebliche Mitbestimmung Betriebsrat Kodizes bzw. Grundsätze der Unternehmensführung Vielzahl an Corporate Governance-Initiativen (insbesondere aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft) (KonTraG 1998, TransPuG 2002, Sarbanes-Oxley-Act 2002, BilReG 2004, VorstOG 2005) 109 Begründung der herrschenden Governance Strukturen? • Steigerung des Unternehmenswertes • Sicherung von Effektivität und Effizienz • Gerechtigkeit, Legitimität und gesellschaftliche Verantwortung Beispiel: Begründungsmöglichkeiten für eine betriebliche Mitbestimmung Bezugnahme auf Prinzipien der Gerechtigkeit und Demokratie Bezugnahme auf das diskursethische Konsensprinzip Berücksichtigung von empirischen Wirkungen einer betrieblichen Mitbestimmung (Untersuchung der Auswirkungen auf Entscheidungsfähigkeit, Risikobereitschaft, Innovationsfähigkeit von Unternehmungen…) 110 4.2 Personalführung, Organisation und Unternehmensethik 111 Kennzeichnung von Personalführung und Organisation Personalführung - ist unmittelbar auf die Mitarbeitersteuerung und Verhaltensbeeinflussung gerichtet - Instrumente der Personalführung sind v. a. die Führungsprinzipien und der Führungsstil, das Motivationsund Anreiz- sowie das Personalentwicklungssystem Organisation - beinhaltet die bewusste Gestaltung der Beziehungen zwischen den Subjekten und Objekten einer Unternehmung - bestimmt die Aufgabenkomplexe einer Person und die hierarchischen Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen (Aufbauorganisation) - regelt die Strukturierung der raum-zeitlichen Beziehungen zwischen den durchzuführenden Prozessen (Ablauforganisation) 112 Auszug aus den Business Conduct Guidelines der Siemens AG „Jede Führungskraft trägt die Verantwortung für die ihr anvertrauten Mitarbeiter. Sie muss sich deren Anerkennung durch vorbildliches persönliches Verhalten, Leistung, Offenheit und soziale Kompetenz erwerben. Sie setzt klare, ehrgeizige und realistische Ziele, führt durch Vertrauen und räumt den Mitarbeitern so viel Eigenverantwortung und Freiraum wie möglich ein. Sie ist für die Mitarbeiter auch bei beruflichen und persönlichen Sorgen ansprechbar. Jede Führungskraft hat Organisations- und Aufsichtspflichten zu erfüllen. Sie ist dafür verantwortlich, dass in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich keine Gesetzesverstöße geschehen, die durch gehörige Aufsicht hätten verhindert oder erschwert werden können. Auch bei Delegation einzelner Aufgaben behält sie die Verantwortung.“ 113 Persönlichkeits- und Kommunikationsrechte von Mitarbeitern Mitarbeiterrechte Elementare Persönlichkeitsrechte Physische und psychische Unantastbarkeit Gleichbehandlung Schutz der und ChancenPrivatsphäre und gleichheit Datenschutz Kommunikationsrechte Informationsrechte Partizipationsrechte Recht auf Meinungsäußerung 114 Privatsphäre als elementares Persönlichkeitsrecht ..every man has a property in his own person. This no body has any right to but himself. The labour of his body, and the work of his hands, we may say, are properly his. ... • Zentraler Grund für den Abschluss von Arbeitsverträgen ist die freiwillige Aufgabe von Privatsphäre • Technologische Entwicklung erodiert die Schutzwälle von Privatsphäre (Kosten der Überwachung sinken drastisch) • Privatsphäre kann auch unter diesen Bedingungen aufgegeben werden • Allerdings sind Grenzen zu beachten John Locke, 1632 -1704 115