Beatriz Schreib Wie glutenfreie Produkte im Schweizer Detailhandel eingeführt wurden Im Jahr 2000 wurde meiner damals 5-jährigen Tochter im Kinderspital Zürich Zöliakie diagnostiziert. Von einem Tag auf den anderen änderte sich meine Einkaufsstrategie bezüglich Lebensmittel. Auf einmal analysierte ich die Zutatenlisten der meisten Lebensmittel und musste mich damit auseinandersetzen, wo ich in der Schweiz glutenfreie Produkte kaufen konnte. Das war im Jahr 2000 noch sehr beschwerlich. Nur die Reformhäuser (und auch nur die grösseren unter ihnen) führten ein kleineres Sortiment. Nach ein paar Monaten begann ich, einige glutenfreien Brote selbst zu backen, aber die Ergebnisse waren zunächst nicht sehr überzeugend. Während meiner Ausbildung in einer Schweizer Hotelfachschule war die Ernährung mit glutenfreien Produkten noch kein Thema gewesen. In den Sommerferien in Spanien entdeckte ich in der Lebensmittelabteilung eines Kaufhauses (Jelmoli in der Schweiz nicht unähnlich) eine sehr grosse Auswahl an glutenfreien Produkten. Bald setzte ich mich mit dem CEO eines spanischen Backwarenherstellers, der diese produzierte, in Verbindung und besuchte seine Firma in der Nähe von Barcelona. Aufgrund der Tatsache, dass ich zweisprachig aufgewachsen bin (spanisch/deutsch) und den Schweizer Lebensmittelmarkt kenne, einigten wir uns schnell darauf, dass ich die Vertretung in der Schweiz für diese Firma übernehmen würde. Wie schwierig die Umsetzung dieser Idee sein würde, war mir damals nicht bewusst. Ich nahm Kontakt auf mit grösseren Detailhändlern, Reformhausketten, Drogerien, doch alle waren sich einig, dass die Schweiz für glutenfreie Produkte ein viel zu kleiner Markt sei. Ich wurde belehrt, wie viel jeder Zentimeter Regalfläche kostet bzw. Ertrag liefern muss. Das könne man mit so einem Nischenprodukt nie erreichen, wurde mir versichert. Die Widerstände waren auch nicht mit Argumenten zu überwinden, wie z.B. dem Erfolg dieser Produkte in den grossen Detailhandelsketten in spanischen und skandinavischen Ländern. Die Situation erschien über zwei Jahre hoffnungslos. Ohne finanzielle Unterstützung durch Dritte bemühte ich mich als Mutter von drei kleinen Kindern darum, bei den Giganten des Detailhandels Gehör zu finden. Doch eines Tages kam ein grosser Schweizer Backwarenhersteller auf mich zu und eröffnete mir, dass er geplant hatte, selbst glutenfreie Produkte herzustellen. In einem Produktionsbetrieb, in dem auch glutenhaltige Produkte hergestellt werden, sei dies nicht zu bewerkstelligen. Daher würde man diese Produktelinie outsourcen, und ich wurde nach Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit der spanischen Backwarenfirma angefragt. Die Schweizer erarbeiteten mit mir zusammen einen Businessplan aus, und eine grosse Menge der spanischen Produkte wurde getestet und ausgesucht. Anschliessend musste nur noch das Mutterhaus, einer der grössten Detailhändler der Schweiz, die Einwilligung erteilen, was mit grosser Sicherheit auch so geschehen würde, wie mir versichert wurde. Doch wieder stiess ich auf anscheinend unüberwindbare Widerstände. Die Manager fragten sich erneut, ob die Zielgruppe nicht doch eine zu kleine Randgruppe sei. Wieder musste ich von vorne anfangen und versuchen, die Manager mit fundierten, u.a. auch klinischen Argumenten zu überzeugen. Das Kinderspital Zürich und das Universitätsspital Zürich gaben mir dabei viel Unterstützung. Noch ein Jahr später – inzwischen kämpfte ich schon seit drei Jahren – gab der Detailhändler grünes Licht. Das Sortiment hatte sich auf vier glutenfreie Produkte beschränkt. Im August 2004 erhielt ich als Alleinvertriebsvertreterin für die Schweiz die erste Bestellung für glutenfreie Produkte 1 2 Wie glutenfreie Produkte im Schweizer Detailhandel eingeführt wurden (Croissants, Baguette, Ciabatta und Pizzaböden) . Es folgte jeden Monat eine neue Bestellung, und ich veranlasste, dass diese Produkte in die Schweiz geliefert wurden. Der Schweizer Backwarenproduzent verteilte sie über das ganze Land. Zunächst sollten nur die grösseren Läden des Detailisten beliefert werden, da nur diese genügend Regalfläche für die glutenfreien Produkte bieten konnten. Bald konnte ich – auch dank der immer grösseren Nachfrage durch die von Zöliakie betroffenen Menschen – die Manager überzeugen, die Produkte auch ins Sortiment der Geschäfte mit kleinerer Verkaufsfläche aufzunehmen. Das wurde dann auch umgesetzt. Endlich konnten Schweizer Zöliakiebetroffene mit dem täglichen Einkauf von Butter, Milch, Gemüse und Waschpulver im gleichen Laden auch ihr glutenfreies Brot einkaufen. Mit Stolz durfte ich feststellen, dass es mir als Einzelperson ohne Drittunterstützung gelungen war, erstmals glutenfreie Produkte im Schweizer Detailhandel einzuführen. Beatriz Schreib Oktober 2013