Kapitel 4

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VWL III (Sommer 2001)
4-1
Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
4 Theorie der Konsumentennachfrage
Literatur:
McKenna und Rees (1992), Chapter 7.
Gravelle und Rees (1992), Chapter 4 A-C.
MasColell, Whinston, Green (1995), Chapter 3.
4.1 Einfuhrung
In diesem Kapitel beschaftigen wir uns mit der klassischen
Nachfragetheorie, bei der wir alles, was wir bisher an Methoden gelernt haben, noch einmal anwenden und in Aktion sehen konnen. Gleichzeitig ist die Theorie der Konsumentennachfrage eine wichtige Grundlage fur viele Probleme in der
Finanzwissenschaft, der allgemeinen Gleichgewichtstheorie
und der Aushandelstheorie.
4.2 Die Marshallsche Nachfragefunktion
Wir betrachten das Nutzenmaximierungsproblem des Konsumenten:
c Klaus Schmidt 2001
VWL III (Sommer 2001)
4-2
Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
max (x ; : : : ; xn)
x1;:::;xn U
1
unter der Nebenbedingung
n
X
i=1
pixi
=m
Wir nehmen an, da die Nutzenfunktion des Konsumenten
streng monoton steigend und strikt quasikonkav ist. Dann
folgt aus Theorem 2.2 da die Bedingungen erster Ordnung
des zugehorigen Lagrange Problems notwendig und hinreichend fur die optimale Losung sind.
Auosen dieser Bedingung nach x1; : : : ; xn und gibt uns
die optimale Konsumentscheidung des Konsumenten in Abhangigkeit von Preisen und Einkommen:
= xi (p; m); i = 1; : : : ; n
Wir nennen xi (p; m) die Marshallsche Nachfragefunkxi
des Konsumenten und bezeichnen sie im folgenden mit
Di(p; m), (i = 1; : : : ; n).
tion
4.3 Die indirekte Nutzenfunktion
Wenn wir die Marshallsche Nachfrage wieder in die Nutzenfunktion einsetzen, erhalten wir eine Wertfunktion, namlich
VWL III (Sommer 2001)
4-3
Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
den maximal erreichbaren Nutzen des Konsumenten bei gegebenen Preisen und Einkommen
U (x) = U (D (p; m); : : : ; D (p; m) v(p; m) :
n
1
Diese Funktion v (p; m) wird auch indirekte Nutzenfunktion genannt. Sie gibt den h
ochsten Nutzen an, der bei
Preisen p und Budget m erreichbar ist.
Theorem 4.1
Die indirekte Nutzenfunktion ist
1) homogen vom Grade 0 in
2) nicht steigend in
3) steigend in
Beweis:
1)
2)
3)
m.
p und
(p; m),
VWL III (Sommer 2001)
4-4
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Theorem 4.2 (Roys Identit
at)
@v(p; m)
@v(p; m)
= Di(p; m) @m :
@pi
In Worten: Die Ableitung der indirekten Nutzenfunktion
nach pi ist negativ und betragsmaig gleich dem Produkt
aus der Nachfrage nach Gut i und dem Grenznutzen des
Einkommens.
Der Beweis ist eine einfache Anwendung des Envelope Theorems.
dv(p; m)
= x(p; m)
Beweis:
i
dpi
Auerdem folgt aus dem Envelope Theorem:
@v(p; m)
@m
=
(Woher kennen Sie dieses Resultat bereits?) Einsetzen und
verwenden von xi (p; m) = Di(p; m) ergibt:
@v(p; m)
@v(p; m)
@pi
= Di(p; m) @m
:
Q.E.D.
Wie verandert sich der hochste erreichbare Nutzen, wenn pi um pi steigt? Die Preiserhohung verringert
Intuition:
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4-5
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das Einkommen des Konsumenten, das fur sonstige Guter
zur Verfugung steht, in erster Naherung um pi xi .
Im Optimum ist der Grenznutzen pro Geldeinheit in allen
Verwendungsarten gleich gro und gleich dem Grenznutzen einer zusatzlichen Einkommenseinheit. Also entspricht
der Nutzenverlust dem Produkt aus Einkommenssenkung
@v ).
( pixi ) und Grenznutzen des Einkommens ( @m
Beachten Sie, da eine Preiserhohung auch dazu fuhrt, da
der Konsument (normalerweise) weniger von Gut i und dafur
mehr von den anderen Gutern konsumieren mochte. Roys
Identitat sagt, da wir diesen Eekt ignorieren konnen. Das
gilt aber nur bei marginalen Preisanderungen.
Roys Identitat kann auch wie folgt geschrieben werden:
Di(p; m)
p; m)
:
= @v(@pp; m) = @v(@m
i
Wenn die indirekte Nutzenfunktion gegeben ist, ist es viel
leichter, die Marshallsche Nachfragefunktion Di(p; m) uber
Roys Identitat abzuleiten, als uber die Maximierung der (direkten) Nutzenfunktion zu gehen.
Beispiel: Cobb-Douglas Nutzenfunktion
U (x1; x2)
= x x
1
1
2
Diese Nutzenfunktion ist aquivalent zu (warum?)
U~ (x1; x2)
= ln x + (1 ) ln x
1
2
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Marshallsche Nachfragefunktionen:
m
D (p ; p ; m) = x =
1
1
2
p1
1
D2(p1; p2; m)
= x = (1 p)m
2
2
Indirekte Nutzenfunktion:
v~(p1; p2; m)
= ln (1 )
1
+ln m ln p (1 ) ln p
1
Zeigen Sie die Eigenschaften aus Theorem 4.1.
Leiten Sie Di(p ; p ; m) uber Roys Identitat ab.
1
2
Wenn wir den Nutzen wieder in Einheiten der ursprunglichen
Nutzenfunktion messen wollen, dann mussen wir die indirekte Nutzenfunktion retransformieren und erhalten:
v(p1; p2; m)
= ev p ;p ;m = (1 ) ppm :
~( 1
2
)
1
1
1
2
4.4 Ausgabenminimierung
Bisher haben wir das Nutzenmaximierungsproblem
(NMP) des Konsumenten betrachtet:
max
x1;x2;:::;xn U
(x ; x ; : : : ; xn)
1
2
2
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unter der Nebenbedingung:
n
X
i=1
pixi m
Jetzt betrachten wir die Konsumentscheidung aus einer anderen Perspektive und fragen: Wie kann der Konsument
seine Ausgaben minimieren, um ein gegebenes Nutzenniveau zu erreichen.
Ausgabenminimierungsproblem (AMP):
n
x ;xmin
;:::;x
1
2
unter der Nebenbedingung:
X
n
i=1
pixi
U (x1; x2; : : : ; xn)
u
Das AMP ist das \duale Problem" zum NMP. In beiden
Problemen geht es darum, die vorhandenen Ressourcen so
eÆzient wie moglich einzusetzen:
NMP: das vorhandene Budget soll zu einem moglichst
hohen Nutzen fuhren.
AMP: der vorgegebene Nutzen soll moglichst kostengunstig
erreicht werden.
Aber: Die beiden Probleme vertauschen die Rolle von Zielfunktion und Nebenbedingung.
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4-8
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NMP: Zielfunktion Nutzen, NB Budget
AMP: Zielfunktion Budget, NB Nutzen
Wir werden sehen, da beide Probleme letztlich aquivalent
sind.
Dennoch ist es extrem nutzlich, mit beiden Problemen nebeneinander zu arbeiten:
Das NMP ergibt
{ die Marshallsche Nachfragefunktion D(p; m)
{ die indirekte Nutzenfunktion v (p; m)
Das AMP ergibt
{ die Hicksche Nachfragefunktion H (p; u)
{ die Ausgabenfunktion m(p; u)
Es gibt viele Paare von Problemen, die
formal sehr ahnlich sind, sich aber dadurch unterscheiden, da die Rolle von Nebenbedingung und
Zielfunktion vertauscht sind. Beispiel: Gewinnmaximierung versus Kostenminimierung.
Die Dualitatstheorie beschreibt allgemein die formalen Beziehungen zwischen solchen \primalen" und
\dualen" Problemen. Wir werden die Dualitatstheorie
Exkurs:
VWL III (Sommer 2001)
4-9
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jedoch nicht allgemein einfuhren, sondern alle Beziehungen in unserem konkreten Problem selbst herleiten.
Ausgabenminimierungsproblem (AMP):
n
x ;xmin
;:::;x
1
2
X
n
unter der Nebenbedingung:
i=1
pixi
U (x1; x2; : : : ; xn)
u
Zur Vereinfachung ignorieren wir hier die Moglichkeit einer
Randlosung. Zunachst bringen wir dieses Problem in die
Form eines Standard-Maximierungsproblems:
max
x ;x
;:::;x
1
2
n
unter der Nebenbedingung:
n
X
i=1
pixi
U (x1; x2; : : : ; xn)
u
Diese Nebenbedingung mu binden. (Warum?)
Lagrange-Ansatz:
L
=
n
X
i=1
pixi
[u U (x1; x2; : : : ; xn)]
VWL III (Sommer 2001)
4-10
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Bedingungen 1. Ordnung:
@L
@xi
@L
@
@U
= pi + @x
= 0 (i = 1; : : : ; n)
i
= u + U (x ; : : : ; xn) = 0
1
Aus den BEO folgt unmittelbar:
p1
U1
bzw.:
= = Upn = n
pi
pj
= UUi
j
Das ist dieselbe Bedingung wie im NMP: die Grenzrate der
Substitution mu gleich dem Preisverhaltnis sein.
Die (eindeutige) Losung x des Ausgabenminimierungsproblems ist eine stetige Funktion von p und u:
x = H (p; u)
i
i
Die Funktion Hi(p; u) wird auch Hicksche Nachfragefunktion oder kompensierte Nachfragefunktion genannt: @H@p(p;u) gibt an, wie sich die Nachfrage nach Gut j
bei einer marginalen Erhohung von pi verandert, wenn wir
das Einkommen des Konsumenten so kompensieren, da er
wieder das alte Nutzenniveau u erreichen kann. Insbesondere mit @H@p(p;u) den (eigenen) Substitutionseekt einer
Preisanderung.
j
i
i
i
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x2
4-11
p1
rr
rrrrrr
rr rrr rr
r
rrr
rr
rrr
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x1
Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
rr
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r
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rrrrrr
rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr
rrrrrr
rrrrrrr
x1
Figur 4.1: Die Hicksche Nachfragefunktion
4.5 Die Ausgabenfunktion
Angenommen x lost das AMP. Dann gilt:
n
n
X
p x = X p H (p; u) m(p; u)
i=1
i i
i=1
i i
m(p; u) ist die Ausgabenfunktion. Sie beziert die minimalen Ausgaben, die bei Preisen p notwendig sind, um das
Nutzenniveau u zu erreichen.
Theorem 4.3
Die Ausgabenfunktion
1. homogen vom Grade 1 in
p
m(p; u) ist
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p
3. nicht-fallend in u
2. nicht-fallend in
Beweis:
1.
2.
3.
4-12
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4-13
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Theorem 4.4 (Shephards Lemma)
@m(p; u)
=
xi = Hi(p; u)
@pi
In Worten: Die Ableitung der Ausgabenfunktion nach
pi ist gleich der Hickschen Nachfrage nach Gut i.
Der Beweis ist wieder eine einfache Anwendung
des Envelope Theorems.
n
m(p; u) = X p H (p; u)
Beweis:
k=1
k k
n
@m(p; u)
@H (p; u)
=
Hi(p; u) + X pk k
@pi
@pi
k=1
Wir wollen zeigen, da der zweite Term gleich 0 ist. Wir
wissen, da im Ausgabenminimum gelten mu:
Also gilt:
n
X
k=1
=0
pk
Uk
@Hk
@pi
k
= k n Uk @H
@pi
pk
X
=1
Auerdem wissen wir, da im Ausgabenminimum gelten
mu:
u(x; : : : ; x ) = U (H (p; u); : : : ; H (p; u)) = u
n
1
1
n
Totales Dierenzieren dieser Gleichung nach pi ergibt:
@H (p; u)
@H (p; u)
U1
1
@pi
n
+ + Un @p
i
=0
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4-14
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Also ist der 2. Term oben tatsachlich gleich 0.
Intuition:
ma
Q.E.D.
In endlicher Approximation sagt Shephards Lem-
m(p; u) = Hi(p; u) pi = xi pi
Angenommen, der Konsument konsumiert im Optimum 3
Flaschen Wein zum Preis von je DM 10,- . Jetzt steigt der
Preis pro Flasche Wein um DM 0,01. Shephards Lemma
sagt, da die minimalen Ausgaben des Konsumenten, um
nach der Preisanderung sein altes Nutzenniveau halten zu
konnen, approximativ um
m = 3 DM 0; 01 = DM 0; 03
steigen mussen. Solange die Preisanderung sehr klein ist,
mussen wir nicht berucksichtigen, da der Konsument bei
einer Preisanderung Wein durch Bier substituieren wird.
Bei groeren Preisanderungen mu dieser Substitutionseffekt aber zusatzlich berucksichtigt werden.
Shephards Lemma ist sehr nutzlich, um die Hickschen Nachfragefunktionen uber die Ausgabenfunktion abzuleiten.
Beispiel: Cobb-Douglas Nutzenfunktion
Verwenden Sie U (x1; x2) = x1 x12 .
VWL III (Sommer 2001)
AMP
)
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Hicksche Nachfragefunktionen:
H1(p1; p2; u)
=
0
= 1
H (p ; p ; u) = x =
1
x
1
B
B
@
0
2
1
2
Ausgabenfunktion:
m(p ; p ; u)
1
2
2
B
B
@
p2 CC1 u
A
p1 1
p2 CC u
A
p1
1
= (1 ) pp u
1
1
1
2

Uberpr
ufen Sie die Eigenschaften aus Theorem 4.3.
Leiten Sie Hickschen Nachfragefunktionen mit Hilfe von
Shephards Lemma ab.
Leiten Sie die indirekte Nutzenfunktion durch Invertieren
aus der Ausgabenfunktion ab.
Leiten Sie die Ausgabenfunktion durch Invertieren aus
der indirekten Nutzenfunktion ab.
4.6 Dualitat von NMP und AMP
Betrachte einen Konsumenten, der
gegen
ubersteht:
Theorem 4.5
Preisen
p
1) Wenn x sein NMP bei Einkommen m l
ost, dann
ist x gleichzeitig das optimale G
uterb
undel in
VWL III (Sommer 2001)
4-16
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seinem AMP, wenn der zu erreichende Nutzen
u U x ist. Auerdem sind die minimalen
Ausgaben in diesem AMP genau m.
= ( )
2) Wenn x sein AMP beim Nutzenniveau u l
ost,
dann ist x gleichzeitig das optimale G
uterb
undel
in seinem NMP, wenn das verf
ugbare Einkommen
P
pixi ist. Auerdem ist der maximale Nutzen in
diesem NMP genau u.
Aus der graphischen Analyse ist oensichtlich, da NMP
und AMP zu demselben Ergebnis fuhren mussen, wenn m
bzw. u entsprechend gewahlt werden:
x2
x2
rr
rrrrrr
rr rrr rr
rrr
rr
rrr
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x1
rr
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r
rrrrrrr
Figur 4.2: Dualitat von NMP und AMP
x1
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Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
Da das NMP und das AMP aquivalent sind, mussen die
folgenden Identitaten erfullt sein:
1) m(p; v (p; m)) m
Die minimalen Ausgaben zur Erreichung des Nutzens
v(p; m) sind genau gleich m.
2) v (p; m(p; u)) u
Der maximale Nutzen aus dem Einkommen m(p; u) ist
gleich u.
3) Di(p; m) Hi(p; v (p; m))
Die Marshallsche Nachfrage beim Einkommen m ist gleich
der Hickschen Nachfrage beim Nutzen v (p; m).
4) Hi(p; u) Di(p; m(p; u))
Die Hicksche Nachfrage beim Nutzen u ist gleich der
Marshallschen Nachfrage beim Einkommen m(p; u).
Beispiel: Cobb-Douglas Nutzenfunktion
Zeigen Sie fur den Cobb-Douglas Fall:
1) m(p; v (p; m)) m
2) v (p; m(p; u)) u
3) Di(p; m) Hi(p; v (p; m))
4) Hi(p; u) Di(p; m(p; u))
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Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
Es gibt auch eine enge Beziehung zwischen der indirekten
Nutzenfunktion und der Ausgabenfunktion:
Die indirekte Nutzenfunktion ist streng monoton stei-
gend im Einkommen. Also konnen wir die Umkehrfunktion bilden, die nichts anderes ist als die Ausgabenfunktion.
Umgekehrt gilt: Die Ausgabenfunktion ist streng monoton steigend im Nutzen. Wenn wir die Umkehrfunktion
der Ausgabenfunktion bilden, erhalten wir die indirekte
Nutzenfunktion.
Beide Funktionen enthalten exakt dieselbe Information wie
die direkte Nutzenfunktion aus der sie abgeleitet worden
sind. Also konnen wir jede der drei Funktionen verwenden,
um die Praferenzen des Konsumenten zu beschreiben.

Die folgende Ubersicht
fat die Beziehungen zwischen NMP
und AMP noch einmal zusammen:
VWL III (Sommer 2001)
4-19
Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
NMP
AMP
D(p; m)
H (p; u)
v(p; m)
m(p; u)
Figur 4.3: Beziehungen zwischen NMP und AMP
4.7 Die Slutsky Gleichung
Theorem 4.6 (Slutsky-Gleichung)
u = v(p; m) gilt:
@Di(p; m)
@Hi(p; u)
=
@pj
@pj
und alle
F
ur alle
Dj (p; m)
(p; m)
@Di
@m
Betrachte einen Konsumenten, der Preisen p und
Einkommen m gegenubersteht und den maximalen Nutzen
Beweis:
VWL III (Sommer 2001)
4-20
Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
u = v(p; m) realisiert. Es gilt: Hi(p; u) Di(p; m(p; u)).
Wenn wir beide Seiten nach pj dierenzieren, ergibt sich
fur beliebige i; j = 1; : : : ; n:
@Hi
@Di @Di @m
=
+
@pj
@pj @m @pj
)
@Di @Di
@Hi
=
+ H (p; u)
@pj
@pj @m j
Beachte, da Hj (p; u) = Hj (p; v (p; m)) = Dj (p; m). Also
Shephards Lemma
gilt
@Di
@pj
@D
i
= @H
Dj (p; m) i
@p
@m
j
Q.E.D.
Wenn wir i = j setzen, erhalten wir die Slutsky-Zerlegung
fur eine Veranderung des eigenen Preises:
@Di
@pi
@D
i
= @H
xi i
@pi
@m
Die Veranderung der Marshallschen Nachfrage nach Gut i
bei einer Veranderung des eigenen Preises pi teilt sich auf
in
einen Substitutionseekt @H
@p
i
i
und
VWL III (Sommer 2001)
einen Einkommenseekt
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Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
xi @D
@m
i
4.8 Messung von Wohlfahrtseekten
Angenommen eine wirtschaftspolitische Manahme hat Auswirkungen auf die Preise und/oder verfugbaren Einkommen
der Konsumenten. Was sind die Wohlfahrtseekte dieser
Veranderungen?
Wir konnten uns zunachst die Nutzenanderungen der betroenen Konsumenten anschauen. Sei (p; m) die ursprungliche
Situation und (p0; m0) die neue Situation. Dann ist die Nutzenanderung fur einen Konsumenten
U = v(p0; m0) v(p; m) :
Wenn diese Dierenz fur alle Konsumenten positiv ist, liegt
eine Pareto-Verbesserung vor und die Politikmanahme sollte durchgefuhrt werden.
In den seltensten Fallen ist die Entscheidungssituation jedoch so einfach. Es wird fast immer Gewinner und Verlierer
durch die Veranderung geben. Darum suchen wir nach einem Ma fur die Nutzenanderung des Konsumenten, das es
uns ermoglicht, die Nutzenanderungen interpersonell miteinander zu vergleichen.
Der indirekte Nutzen ist dazu ungeeignet, weil
VWL III (Sommer 2001)
4-22
Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
die Nutzenfunktion unbestimmt bis auf eine monotone
Transformation ist und
Nutzen nicht interpersonell vergleichbar ist.
Alternative: Messung der Zahlungsbereitschaft des Konsumenten.
Wieviel ist der Konsument bereit dafur zu bezahlen,

da die Anderung
durchgefuhrt wird, bzw. wieviel
Geld mussen wir ihm geben, damit er bereit ist, diese

Anderung
freiwillig hinzunehmen.
Vorteile:
1) Die Nutzenanderung wird fur alle Konsumenten mit einem einheitlichen Mastab gemessen.
2) Die Nutzenanderungen sind \im Prinzip" miteinander
vergleichbar: Wenn die Summe der Zahlungsbereitschaften der Gewinner groer ist als die Summe der Kompensationen fur die Verlierer, dann \sollte" die Politikmanahme durchgefuhrt werden.
Aber: Vorsicht!
1) Diese Aussage ist nur gerechtfertigt, wenn
VWL III (Sommer 2001)
4-23
Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
(a) die Gewinner die Verlierer auch tatsachlich kompensieren, oder
(b) Sie bereit sind, ein schwerwiegendes Werturteil zu
unterschreiben: Der zusatzliche Nutzen aus 1 DM
hat dasselbe soziale Gewicht unabhangig davon, wer
diesen zusatzlichen Nutzen erhalt.
2) Wir werden gleich sehen, da es nicht immer eindeutig ist, wie die Zahlungsbereitschaft gemessen werden
sollte.
Nehmen wir an, da der Preis fur Gut 1 in der neuen Situation gefallen ist; die anderen Preise und das Einkommen
bleiben konstant.
Zwei mogliche Mastabe fur die Zahlungsbereitschaft:
1)
Kompensierende Variation:
Wieviel ware der Konsument in der alten Situation bereit dafur zu bezahlen,
da er Gut 1 zu dem neuen (niedrigeren) Preis kaufen
kann?
2)

Aquivalente
Variation:
Wieviel Einkommen konnte
man dem Konsumenten in der neuen Situation wegnehmen, damit es ihm wieder so gut geht wie in der alten
Situation?
VWL III (Sommer 2001)
4-24
Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
Graphische Analyse:
x2
x2
rr
rrrrrr
rr rrr rr
rrr
rr
rr
rrr
rrr
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r
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x1
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r
rrrrrrr
x1
Figur 4.4: Kompensierende und aquivalente Variation
Wir konnen beide Zahlungsbereitschaften auch mit Hilfe der
Ausgabenfunktion messen:
KV = m(p; u) m(p0; u)

AV
= m(p; u0) m(p0; u0)
Die kompensierende Variation geht also vom Nutzen u in
der Ausgangssituation aus, die aquivalente Variation vom
Nutzen u0 in der neuen Situation.
Betrachte zunachst KV. Wenn sich nur p1 andert, mu gel-
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4-25
Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
ten:
@m
dp :
= m(p; u) m(p0; u) = pp0 @p
Shephards Lemma: @m=@p = H (p; u). Also gilt:
KV = m(p; u) m(p0; u) = pp0 H (p; u)dp :
Z
KV
1
1
1
1
Z
1
1
1
1
1
1
Die kompensierende Variation ist die Flache unter der Hickschen Nachfragefunktion beim alten Nutzenniveau u.
Die Hicksche Nachfragefunktion ist nicht direkt beobachtbar. Darum wird oft die Konsumentenrente, d.h. die
Flache unter der Marshallschen Nachfragefunktion als Ma
fur die Zahlungsbereitschaft benutzt.
Aus der Slutsky-Gleichung wissen wir, da die Hicksche
Nachfragefunktion nur den Substitutionseekt einer Preisanderung
reektiert, wahrend die Marshallsche Nachfragefunktion Substitution
und Einkommenseekt einer Preisanderung reektiert.
@D@mp;m = 0 )
Hicksche und Marshallsche Nachfragefunktion identisch.
(p;m)
@D@m
> 0 ) Marshallsche Nachfrageanderung bei
Preissenkung ist groer als Hicksche Nachfrageanderung.
) Konsumentenrente uberschatzt KV.
(p;m)
< 0 ) Marshallsche Nachfrageanderung bei
@D@m
Preissenkung ist kleiner als Hicksche Nachfrageanderung.
) Konsumentenrente unterschatzt KV.
(
)
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p1
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x1
Figur 4.5: Hicks- und Marshallsche Nachfragefunktionen
 Ganz analog gilt:
Betrachte jetzt die AV.
Z
 = m(p; u0) m(p0; u0) = p0 1 H1(p; u0)dp1
AV
p1
Die aquivalente Variation ist die Flache unter der Hickschen
Nachfragefunktion beim neuen Nutzenniveau u0.
Beachten Sie: H1(p; u0) schneidet die Marshallsche Nachfragefunktion beim neuen Preis-Mengen Punkt (p01; x01).
Darum betrachten wir jetzt eine Preiserhohung (hin zum
alten Preis p1). Darum gilt jetzt:
@D@mp;m = 0 )
Hicksche und Marshallsche Nachfragefunktion identisch.
(
)
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@D@mp;m
)
@D@mp;m
)
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>
0 )
<
0 )
Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
Marshallsche Nachfrageanderung bei
Preiserhohung ist groer als Hicksche Nachfrageanderung.

) Konsumentenrente unterschatzt AV.
(
Marshallsche Nachfrageanderung bei
Preiserhohung ist kleiner als Hicksche Nachfrageanderung.

) Konsumentenrente uberschatzt AV.
(
p1
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x1
Figur 4.6: Kompensierende und aquivalente Variation und
Konsumentenrente bei normalem Gut
Welches Ma wir fur die Messung der Zahlungsbereitschaft
verwenden sollten, hangt von der Fragestellung ab.
VWL III (Sommer 2001)
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Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
Beispiele:
1) Der Staat plant eine oentliche Investition, die zu einer Preissenkung von Gut 1 fuhrt. Investition soll uber
Kopfsteuer nanziert werden. )
Projekt sollte durchgefuhrt werden, wenn die KV fur jeden Konsumenten groer ist als die Steuer, die er zahlen
mu.
2) Angenommen, der Staat hat eine bestimmte Summe,
die er ausgeben will. Er kann sie entweder ausgeben,
um eine oentliche Investition zu tatigen, die zu einer
Preissenkung von Gut 1 fuhrt. Oder er kann eine Steuerruckerstattung vornehmen. )
Projekt durchfuhren ist besser als Steuerruckerstattung,
wenn die aquivalente Variation fur jeden Konsumenten
groer ist als die Steuerruckerstattung.
Welches Ma verwendet werden sollte, hangt also von der
Ausgangssituation ab.
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Prof. Dr. Klaus M. Schmidt
Konsumentenrente
Wir haben gesehen, da die Konsumentenrente nur in einem
Spezialfall ein prazises Ma fur die Wohlfahrtsanderung ist,
namlich dann, wenn der Einkommenseekt gleich 0 ist.
Quasi-lineare Praferenzen.
Sei x1 das Gut, dessen Preis sich andert, und x2 das Guterbundel,
das alle ubrigen Guter umfat und dessen Preis wir auf 1
normieren (x2 ist das Resteinkommen).
x2
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x1
Figur 4.7: Quasi-lineare Praferenzen
Bei quasi-linearen Praferenzen sind die Indierenzkurven
parallel: ) keine Einkommenseekte.
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Quasi-lineare Nutzenfunktion:
U (x1; x2) = U1(x1) + x2

Ubungsaufgabe:
Zeigen Sie, da bei einer quasi-linearen
Nutzenfunktion die Marshallsche und die Hicksche Nachfragefunktion ubereinstimmen und da die kompensierende
Variation gleich der aquivalenten Variation ist. (Betrachten Sie nur eine innere Losung. Beachten Sie: Praferenzen
konnen nicht fur alle Einkommensniveaus quasi-linear sein.)
Bei kleinen Einkommensanderungen sind quasi-lineare Praferenzen
oft eine brauchbare lokale Approximation: kleine Einkommensanderungen fuhren zu keiner Nachfrageanderung fur
das betreende Gut.
Wenn wir quasi-lineare Praferenzen unterstellen konnen, ist
die Konsumentenrente ein geeignetes Ma fur die Wohlfahrtsmessung:
Sie stimmt mit der kompensierenden und der auquivalenten
Variation uberein.
Wenn eine Manahme zu einer Erhohung der gesamten
Konsumentenrente auf einem Markt fuhrt, dann existiert
eine Lump-sum Umverteilung, so da sich alle Konsumenten nach der Manahme und der Umverteilung besser stellen als in der Ausgangssituation.
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