Kind Schwertlilien sind Wunderblumen. Ihre Farbenpracht und die auffällige Form der Blüten haben es nicht nur den Menschen angetan. Als Götterpflanze und aus irdischer Sicht eine vielseitige Heilerin. Text: Olga Chudovska 22 Natürlich | 5-2007 Foto: René Berner ist sie eine Seelenbegleiterin – Garten NATUR er des Regenbogens I n den Monaten Mai und Juni, je nach Witterung, verzaubert uns die Schwertlilie, besser unter dem Namen Iris bekannt, mit der Vielfalt ihrer Farbnuancen. Die Palette der heute bekannten 250 Arten und der ständig wachsenden Zahl der neuen Zuchtformen reicht von blassen Tönen über ein intensives Gelb, ein warmes Orange, bis hin zu allen möglichen Schattierungen von Blau. Wen wundert es, dass keine geringere als die Götterbotin der alten Griechen, die bunt bekleidete Iris, ihre Namensgeberin war. Gemäss der griechischen Mythologie gehörte es zu ihren Aufgaben, die Seelen der Sterblichen, entlang der Bahn des glänzenden Regenbogens, dessen Farben ja die Schwertlilien tragen, in das Reich des ewigen Friedens zu begleiten. Adelshäuser schmückten sich gerne mit der schönen Pflanze. Bis heute zieren sie das Gemäuer des ehrwürdigen Palazzo Vecchio in Florenz und ihre drei inneren Blütenblätter, die Glaube, Weisheit und Tapferkeit symbolisieren sollen, bilden die Grundlage des Wappens der Bourbonen (französisches Adelsgeschlecht). Sogar Maler, besonders flämische Meister und Künstler des Jugendstils, konnten ihrer Anmut nicht widerstehen und wählten sie als Sujet für ihre Bilder. Häufig zierten sie Skulpturen, Vasen, Möbel und Gegenstände des täglichen Lebens, während Mediziner, Heiler und Kräuterkundige eher an der potenziellen Heilkraft «der Schönen» interessiert waren. Heilpflanze der Indianer Der Gebrauch ihrer getrockneten unterirdischen Organe, der Wurzeln und des Wurzelstockes, ist bereits den alten Ägyptern, Römern und Griechen bekannt gewesen. Sie verwendeten die Droge für Heilzwecke und für die Herstellung luxuriöser Salben. Auch die Indianer kannten und schätzten ihre wohltuenden Kräfte. Die Iris ist sogar bis zum heutigen Tage eine der am häufigsten gebrauchten Arz- neipflanzen mancher Indianerstämme Nordamerikas, insbesondere der Creek, die sie stets in der Nähe ihrer Dörfer anbauten. Ohne über die Inhaltsstoffe der Pflanze Bescheid zu wissen, nutzten sie den Wurzelstock (Rhizom) als Heilmittel bei Erkrankungen der Atemwege, wie auch bei Entzündungen des Gehörorgans und der äusseren Geschlechtsorgane des Mannes. Von den im Missourital lebenden Stämmen der Ponca, Omaha und Nakota weiss man, dass sie Quetschungen, Schwellungen, Muskel- und Sehnenzerrungen mit einem Brei aus Wasser und pulverisiertem Wurzelstock der Iris noch heute erfolgreich behandeln. Der geheimnisvolle Duft der Iris Es sind nicht die Blüten der Iris, wie man es erwarten würde, die Wohlgerüche verbreiten, sondern flüchtige Stoffe ihrer unterirdischen Organe. Bereits beim Trocknen der frisch geernteten, gesäuberten und zerkleinerten Rhizome nehmen diese bei manchen Arten, konkret bei der Deutschen Schwertlilie (Iris germanica), einen charakteristischen Veilchenduft an. Der Verursacher ist ein ätherisches Öl. Kein Wunder, dass die Parfümindustrie längst ein Auge auf die Iris geworfen hat. Irisöle, die von Art zu Art mal blumig, holzig, erdig oder nach Schokolade riechen können, sind Bestandteile berühmter Duftmarken, wie zum Beispiel der Chloe von Karl Lagerfeld und des Chanel Nr. 5 von Coco Chanel. Zudem werden Schwertlilienextrakte bei der industriellen Herstellung von Zahnpflegemitteln benutzt. Und sie dienen sogar als Zusatzstoffe in erlesenen Likören und in Tabakmischungen. zome. Mit Hilfe moderner Methoden ist es gelungen die einzelnen Substanzen der am häufigsten verwendeten Arten zu isolieren. Demnach enthält die Deutsche Schwertlilie neben Zucker, Stärke, ätherisches Öl, Schleim, Harz und Gerbstoffe. Alle diese Substanzen üben im menschlichen Körper ganz bestimmte Funktionen aus. So entziehen zum Beispiel Gerbstoffe den auf der verletzten Haut und Schleimhaut angesiedelten Bakterien den Nährboden, wodurch eine Infektion verhindert und der Heilungsprozess beschleunigt werden kann. Schleime wirken reizmildernd und ätherische Öle harntreibend, krampflösend und stärkend auf Magen, Darm und Galle. Iris und die Botanik Die Schwertlilien (Iris) bilden eine Gattung einkeimblättriger Blütenpflanzen in der Familie der Schwertliliengewächse (Iridaceae) und sind verwandt mit den Liliengewächsen. Ihre auffallenden, auch mit freien Augen erkennbaren Merkmale sind: Ganzrandige, längliche Laubblätter mit längs verlaufender, unverzweigter Nervatur, deren Form eindeutig an ein Schwert erinnert – daher der deutsche Name. Anstatt von Kelch und Kronenblättern spricht man über Blütenblätter (Perigonblätter). Die Schwertlilie hat deren sechs, wobei die drei äusseren nach unten, die drei inneren nach oben gerichtet sind. Speziell bei manchen Zuchtformen befinden sich auf den Hängeblättern Haare, die als Bart bezeichnet werden (Bartiris). Alle wilden Arten spriessen aus einem unterirdischen Dauerorgan, dem Rhizom, hervor, der sich im Laufe von Millionen Jahren Die Verwendung in der Medizin Die zahlreichen erzielten therapeutischen Erfolge führten letztendlich zur gründlichen Untersuchung der Iris-Rhi- aus dem Stängel entwickelt hat. Die Blütezeit erstreckt sich je nach Witterung von Mai bis Juni/Juli. Die Fortpflanzung erfolgt vegetativ und durch Samen. Natürlich | 5-2007 23 Fotos: Bildagentur Waldhäusl Bleiche Schwertlilie (Iris pallida) Ähnlich in ihrer Wirkungsweise ist auch das Rhizom der bei uns nur als Zierpflanze vorkommenden Florentinischen Schwertlilie (Iris florentina). Die von den Indianerstämmen gebrauchte buntfarbige Art Iris versicolor enthält ausser den oben erwähnten Substanzen zusätzlich in geringen Mengen die schmerzlindernde Salicylsäure, den einzigen Wirkstoff des heute wohl bekanntesten Schmerzmittels, nämlich Aspirin. Trotz zahlreicher beachtenswerter Resultate distanziert sich die Schulmedizin heute von der Anwendung der Iris Rhizome. Lediglich die Volksmedizin und die Naturheilkunde machen von ihnen Gebrauch. Und zwar innerlich, in Form von Tees bei Husten, Katarrh oder Durchfall, und äusserlich bei kleineren Wunden. Die Homöopathie gebraucht sie gegen Migräne, Ischias und Magenbeschwerden mit Koliken. Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica) Sie mag nasse nährstoffreiche Böden. In der Schweiz kommt sie im Jura, in den Nordalpen, im südlichen Tessin und im Wallis (Rhonetal) vor. Allerdings hat die gelbe Schönheit eine Schattenseite. Sie ist leicht giftig. Die Stinkende oder Übelriechende Schwertlilie (Iris foetidissima) macht, wie es ihr deutscher Name verrät, durch einen unangenehmen Geruch auf sich Leserreise: Feuerlilien in Savognin Die Iris in der freien Natur Von den zahlreichen existierenden Arten gedeihen in der Schweiz lediglich zehn. Eine unter ihnen ist die Sumpfschwertlilie (Iris pseudacorus.) Auffallend sind ihre leuchtend gelben Blütenblätter und ihre dicken, meist beblätterten Stängel. Nach der Bestäubung durch Insekten entstehen dreiklappige Kapseln mit zahlreichen in der Reihe angeordneten Samen. Ihre bevorzugten Standorte sind Wald- und Wiesensümpfe und Flussufer. 24 Natürlich | 5-2007 aufmerksam. Man erkennt sie an dem häufig gekrümmten Stängel und den trüblila bis gelbbraunen Blüten. Im Herbst öffnet sich die dreiteilige Samenkapsel mit den auffallenden, scharlachroten beerenähnlichen Samen. Die Art gehört trotz des üblen Geruches zu den beliebten Zierpflanzen. Bei uns wächst sie verwildert in den Laubwäldern und Hecken der Kantone Genf, Waadt und Tessin. Auch wenn der Name das vermuten lassen würde, ist die Schwertlilie nur eine Verwandte der Liliengewächse. Die wirklichen Lilien sind Meister der alpinen Besiedelung und treten in Höhen bis zu 3000 Meter auf. Viele Arten sind vom Aussterben bedroht. Dennoch gibt es in der Schweiz Möglichkeiten, Lilien zu sehen. Eine besonders prächtige Art ist die geschützte 20 bis 80 Zentimeter hohe Feuerlilie (Lilium bulbiferum). Diese wärmeliebende von Mai bis Juli rot-gelb blühende Lilie ist über weite Teile der Alpen verbreitet, und man findet sie auf Bergwiesen, Felsheiden und rasigen Felsbändern bis über 2000 Meter Höhe. Insbesondere nach der Blütenfarbe werden zwei Unterarten unterschieden: Die Unterart bulbiferum hat hellorange Blüten, während die Krokus-Feuerlilie (Lilium bulbiferum croceum) dunkelorange Blüten besitzt. Sie ist übrigens die einzige einheimische Blume mit roten Blüten. Dies ganz einfach darum, weil kräftiges Rot für Bienen mit UV-Farbsehen keine Leuchtfarbe darstellt und rote Blumen deshalb wenig attraktiv erscheinen. thv «Natürlich» bietet seinen Leserinnen und Lesern die Möglichkeit in Savognin Feuerlilien unter fachkundiger Leitung in natura zu sehen. Beachten Sie dazu die Ausschreibung der Leserreise auf Seite 44. Garten NATUR Sumpfschwertlilie (Iris pseudecorus) Deutsche Schwertlilie (Iris germanica) Die Gescheckte oder Bunte Schwertlilie (Iris variegata) findet man ebenfalls in erster Linie in Gärten. Ihre Erkennungsmerkmale sind einerseits die äusseren blassgelben, mit einem Haarstreifen (Bart) und mit dunklen Adern versehenen Blütenblätter. Die inneren sind goldgelb. Sie mag eher trockene Böden. an überschwemmten, meist kalkreichen, humosen Böden ausgedehnte Bestände und verwandelt in der Blütezeit die Landschaft in ein blaues Blütenmeer. Zu den unverwechselbaren Merkmalen der «Sibirica» zählen die ein Zentimeter schmalen, sehr langen grünen Blätter und die violettblauen Adern auf den weisslichen äusseren Perigonblättern. Leider währt der leuchtende Blütenzauber nur kurze Zeit. Nach der Bestäubung durch Hummeln und Schwebefliegen welken die Blüten rasch. Bis zum Herbst entwickeln sich Fruchtkapseln, in denen kleine flache Samen heranreifen und vom Wind dahingetragen werden. Ihre Verbreitungsgebiete reichen von Norditalien über Mitteleuropa bis hin ins westsibirische Flachland, daher der Artenname. Star mit zweifelhafter Herkunft Nennenswert ist mit Sicherheit auch die Deutsche Schwertlilie (Iris germanica), die zu den populärsten Vertreterinnen ihrer Zunft zählt. Man kennt sie aus Gärten, wo sie in grossem Stil gezüchtet und in den Monaten Mai und Juni auf Blumenmärkten angeboten wird. Ihre äusseren blaulila, seltener weissen Blütenblätter tragen an der Oberseite, wie ihre «bunte Schwester», einen «Bart», und am Grunde dunkle Adern. Verwildert wächst sie an Weinbergmauern, in Trockenrasen und an Böschungen in der südlichen Schweiz. Der Artenname ist übrigens irreführend. Ihre Herkunft ist unbekannt. Blütenmeer in Zartblau Obschon alle oben erwähnten Arten zur Bereicherung der Schweizer Flora beitragen und Aufmerksamkeit verdienen, gehört das Augenmerk der Naturschützer, Botaniker und Pflanzenliebhaber der stark bedrohten Sibirischen Schwertlilie (Iris sibirica). Als Einzige bildet sie Ein empfindliches Pflänzchen Die Sibirische Schwertlilie reagiert sehr empfindlich auf jegliche Veränderungen des Bodens und verschwindet bei Nährstoffanreicherung zum Beispiel durch direkte Düngung oder durch schlechte Riedpflege. Genauso mag sie es nicht, wenn der Boden zu lange nass ist oder umgekehrt, wenn der Standort ausgetrocknet wird, wie dies bei Drainage und der Grundwasserabsenkung passieren kann. Um derartige Falschbehandlungen zu vermeiden, hat man im Naturschutzgebiet des mittelländischen Reusstals ei- niges unternommen. Durch gezielte Aufwertungsmassnahmen, wie Humusabtrag und optimale Riedpflege ist es Josef Fischer, Geschäftsführer der Stiftung in Rottenschwil, zusammen mit seinem Mitarbeiterstab gelungen, die Gesamtzahl der Iris sibirica in den letzten Jahren konstant zu halten oder sogar zu vergrössern. ■ I N FO B OX Irisgärten Gartenanlagen mit Iris in allen Erscheinungsformen und Farben gibt es unter anderem in den Städten Bern, Genf, St. Gallen und Zürich. Einer der europaweit grössten und ältesten Irisparks befindet sich im Château de Vullierens, 1115 Vuillerens VD. Iris-Blumenschau in der Blütezeit von Mai bis Mitte Juni täglich 9 bis 18 Uhr, Informationen über Telefon 021 869 90 20, www.iris-jardin.ch. Literatur • Weber: «Iris – die besten Arten und Sorten für den Garten», Eugen Ulmer Verlag 1997, ISBN 3-8001-6615-2, Fr. 52.20 • Kiehs-Glos: «Iris – eine Heilpflanze verwandelt das Wasser», Aethera Verlag 1999, ISBN 3-7725-5000-3, Fr. 28.60 • Von Rumohr/Romeis: «Iris», Verlag BLV 2001, ISBN 3-405-16208-5, Fr. 9.70 • Gutjahr/Schäfer: «Aqualog Special: Blütenpracht am Gartenteich – Schwertlilien, Primeln und Seerosen», Verlag A.C.S. 2004, ISBN 3-936027-53-2, Fr. 26.80 Internet • www.infochembio.ethz.ch/links/ botanik_irisgewaechse.html Natürlich | 5-2007 25