Programmierter Erfolg - «South Pole» uraufgeführt

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Programmierter Erfolg - «South Pole»
uraufgeführt
Ein solches Staraufgebot zur Uraufführung einer Oper gibt es selten.
Trotzdem hinterlässt «South Pole» von Miroslav Srnka an der
Bayerischen Staatsoper ein zwiespältiges Gefühl.
München (dpa) - Ein jubelndes Haus und ein Komponist, der sein Glück
nicht fassen kann. Was will man mehr nach der Uraufführung einer
zeitgenössischen Oper?
Die Bayerische Staatsoper hatte alle Register gezogen, um das erste
abendfüllende Musiktheater «South Pole» des tschechischen
Jungkomponisten Miroslav Srnka zu einem Ereignis zu machen. Die
Stars Rolando Villazón und Thomas Hampson in den Hauptrollen, Kirill
Petrenko am Pult, dazu Regie-Altmeister Hans Neuenfels. Zeitversetzt
war die Premiere am Sonntagabend auf Arte zu sehen. Ein beinahe
schon programmierter Erfolg.
Das Drama um die Eroberung des Südpols zu Beginn des 20.
Jahrhunderts eignet sich gut als Opernstoff. In Roald Amundsen, der
den Wettlauf gewann, gibt es einen doppelbödigen Helden mit
Charakterschwächen. Und in Robert Falcon Scott, der den Pol nur als
Zweiter erreichte und auf dem Rückweg mit seinen Männern erfror,
auch menschlich eine Art Gegenentwurf. Doch warum soll man diese
Geschichte gerade heute erzählen? Eine Klimaoper ist «South Pole»
jedenfalls nicht - das Thema taucht nur im Beiprogramm zur Premiere
auf.
In Srnkas erstem großen Musiktheater geht es nicht um Politik. Es
geht um Größeres: Der Mensch im Kampf mit der Natur und mit sich
selbst. Srnka versucht, die Kälte der Eiswüste, die gleißende Sonne
des Polarsommers, die irisierenden Polarlichter, die Ausgesetztheit
dieser menschenfeindlichen Welt in Töne zu fassen. Mit
dem Riesenorchester der Staatsoper malt er Klangflächen,
zerbrechlich wie Eis. Meist bleibt die Musik scharf schneidend oder
drohend im Untergrund, kulminiert nur in wenigen, etwas verklemmt
wirkenden Steigerungen.
Die Möglichkeiten, die ihm das Orchester bietet, nutzt Srnka
selten. Vor allem der erste Akt hängt zuweilen mächtig durch, wobei
man sich fragt, ob Erstarrung hier absichtsvoll komponiert ist oder
Ergebnis mangelnder Inspiration. Da vermag auch Kirill Petrenko,
Generalmusikdirektor der Staatsoper und Chefdirigent der Berliner
Philharmoniker ab 2018, keinen mitreißenden Sog zu erzeugen. Besser
gelingt der zweite Akt, wo schon äußerlich mehr passiert, wenn beide
Teams nacheinander den Pol erreichen und am Ende Scott sein Leben
lässt. Als sich die Briten zum Sterben in ihre Schlafsäcke
verkriechen, werden die Norweger schon als Helden gefeiert.
Startenor Rolando Villazón, in neuer Musik wenig erfahren, schlägt
sich als Scott wacker, obwohl er nach seiner Stimmkrise nie wieder
zu alter Form gefunden hat. Dabei macht es ihm Srnka nicht besonders
schwer: Die Männerstimmen bewegen sich meist in gefälliger, etwas
monotoner Mittellage. Nur die Frauen, die den Männern im Traum
erscheinen - Tara Erraught als Kathleen Scott und Mojca Erdmann als
Mrs. Amundsen - setzen andere Akzente. Star des Abends ist der
altgediente, aber stimmlich und schauspielerisch nach wie vor
überzeugende Bariton Thomas Hampson als Amundsen.
Die Riesenbühne des Münchner Nationaltheaters ist ganz in weiß
gehalten. Auf der Rückseite ist ein stilisierter, mit schwarzen
Streifen markierter Pol zu erkennen. Neuenfels' puristische, fast
schon klassische Inszenierung kommt mit wenigen Utensilien aus eine altertümliche Schneeraupe, die mit Getöse auf die Bühne
rollt, ein Zelt, zwei Grammophone, die den Männern tröstliche Musik
aus «Carmen» und «Peer Gynt» spielen. Dazu Menschen, die als
Ponys und Schlittenhunde verkleidet sind. Sie werden in einer
ergreifenden Szene getötet, um den Menschen als Nahrung zu
dienen. Eine zweite Bedeutungsebene gibt es nicht.
Am Ende großer Jubel, Fussgetrampel, ein einzelnes schüchternes
Buh. Angesichts des Staraufgebots konnte das Publikum wohl nicht
anders. Trotzdem der Eindruck, dass hier ein eher mittelprächtiges
Werk mit Hilfe einer bestens geölten PR-Maschinerie zum großen
Kulturereignis stilisiert werden sollte. Als Kammeroper in etwas
bescheidenerem Rahmen hätte «South Pole» vielleicht besser
funktioniert.
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