„ Was hat Ethik mit Statistik zu tun?“ Die Bedeutung der Biometrie innerhalb medizinischer Ethikkommissionen und in der klinischen Forschung Dr. rer. nat. Geraldine Rauch* Einleitung Der gesellschaftliche medizinische Fortschritt basiert zu einem wesentlichen Teil auf den Erkenntnissen, die aus klinischen Studien gewonnen werden und somit auf klinischer experimenteller Forschung am Menschen. In klinischen Studien werden medizinische Methoden und Interventionen auf ihre Anwendbarkeit, Wirksamkeit und Sicherheit an Patienten getestet, um so neue Erkenntnisse über Therapien sowie über diagnostische und prognostische Verfahren zu gewinnen. Dem gesellschaftlichen Erkenntnisinteresse steht jedoch das Individualinteresse des Patienten gegenüber. Um diesen Interessenskonflikt zu umgehen fordert die „Deklaration von Helsinki“ [1] die Prüfung der ethischen Vertretbarkeit jeglichen Forschungsvorhabens am Menschen. Aufgaben der Medizinische Ethikkommission • Vorlagepflichtig sind alle Forschungsvorhaben am Menschen oder an menschlichem Material Ethikkommission berät Antragsteller und prüft ethische Vertretbarkeit, wissenschaftliche und juristische Validität AMG oder MPG Studien: Ethikkommission gibt begründetes Votum ab - Positives Ethikvotum vor Studienbeginn gesetzlich erforderlich! Andere Studien: Ethikkommission gibt begründete Bewertung ab - Positive Bewertung nicht zwingend erforderlich, doch von Fachzeitschriften erwünscht Mitglieder der Ethikkommissionen: Mediziner, Juristen, Medizinethiker/ Theologen, Biometriker • • • • Wissenschaftliche Validität und ethische Vertretbarkeit „Gute wissenschaftliche Qualität ist eine Grundvoraussetzung für die ethische Vertretbarkeit einer klinischen Studie, ihre Prüfung ist daher von hoher ethischer Relevanz“ [2]. Eine wissenschaftlich valide Studie stellt sicher, dass • die richtigen Schlüsse aus den erhobenen Daten gezogen werden • wissenschaftlich gesicherte Ergebnisse möglichst früh veröffentlicht werden • die medizinische Fragestellung mit hoher Sicherheit eindeutig beantwortet werden kann Diese Forderungen dienen nicht nur dem Erkenntnisgewinn sondern auch dem Schutz der Probanden. Durch die Teilnahme an klinischen Studien nehmen Probanden zusätzliche Risiken sowie körperliche und zeitliche Belastungen auf sich. Dies ist nur ethisch vertretbar, wenn die Studie auch zielführend ist. Darüber hinaus sind klinische Studie mit erheblichen Kosten verbunden, die teilweise aus öffentlichen Kassen bezahlt werden. Die verfügbaren Gelder sollten aus ethischen Gründen nur für wissenschaftlich valide Forschung ausgegeben werden. Biometrische Aspekte der wissenschaftliche Validität Die wissenschaftliche Validität klinischer Studien hängt maßgeblich von biometrischen Aspekten ab, z.B. von • dem Statistischen Auswerteverfahren: Falsch angewendete Auswerteverfahren können dazu führen, dass die Ergebnisse der Datenanalyse missverständlich oder gar falsch werden. • der Fallzahlberechnung: Bei zu geringer Fallzahl werden Patienten unnötig den studienbedingten Risiken ausgesetzt, obwohl kein eindeutiges Studienergebnis zu erwarten ist. Bei zu hoher Fallzahl werden spät rekrutierte Patienten mit einer weniger wirksamen Therapie behandelt, obwohl bereits genügend Evidenz für die Wirksamkeit des anderen Therapiearms vorliegt. • der Wahl des Studiendesign: Schlecht gewählte Studiendesign können dazu führen, dass Ergebnisse nicht auf die Allgemeinheit übertragbar sind. Die Literatur der statistischen Methodik ist heute so umfassend, dass kaum pauschale Empfehlungen für adäquate Auswertungsstrategien gegeben werden können. Der Dialog und die enge Zusammenarbeit zwischen Mediziner und Biometriker sind daher essentiell, um valide und patientengerechte klinische Forschung zu betreiben. Literatur [1] [2] World Medical Association (1964, 8th Revision 2008) Declaration of Helsinki - Ethical Principles for Medical Research Involving Human Subjects Victor N (1999) Prüfung der wissenschaftlichen Qualität und biometriespezifischer Anforderungen durch die Ethikkommissionen? Med Recht 9, 408-412 * Institut für Medizinische Biometrie und Informatik, Universität Heidelberg [email protected]