"Was hat Ethik mit Statistik zu tun?" Die Bedeutung der Biometrie

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Thesenpapier „ Was hat Ethik mit Statistik zu tun?“ Die Bedeutung der Biometrie innerhalb medizinischen Ethikkommissionen und in der klinischen Forschung Dr. rer. nat. Geraldine Rauch Der gesellschaftliche medizinische Fortschritt basiert zu einem wesentlichen Teil auf den Erkenntnissen, die aus klinischen Studien gewonnen werden und somit auf klinischer experimenteller Forschung am Menschen. In klinischen Studien werden medizinische Methoden und Interventionen auf ihre Anwendbarkeit, Wirksamkeit und Sicherheit an Patienten getestet, um so neue Erkenntnisse über Therapien sowie über diagnostische und prognostische Verfahren zu gewinnen. Dem gesellschaftlichen Erkenntnisinteresse steht jedoch das Individualinteresse des Patienten gegenüber. Dieser hat Anspruch auf einen maximalen medizinischen Nutzen der medizinischen Maßnahme unter minimalem Risiko. Hieraus entsteht ein Spannungsgefälle zwischen dem allgemeinen Erkenntnisinteresse, dem gesellschaftlichen Nutzen und dem Individualinteresse der Versuchspersonen. In klinischen Studien müssen daher Risiken und Unannehmlichkeiten der Probanden in einem angemessenen Verhältnis zum potentiellen Nutzen des Forschungsprojekts stehen. Medizinische Ethikkommissionen haben die Aufgabe, medizinische Forschungsvorhaben am Menschen auf ihre ethische Vertretbarkeit und ihre wissenschaftliche Validität zu überprüfen, um medizinische Forschung zu ermöglichen und gleichzeitig den Schutz der Patienten zu gewährleisten. Diese Überprüfung erfolgt maßgeblich anhand des Studienprotokolls. Die Ethikkommission hat neben der prüfenden auch beratende Funktion. Für klinische Studien, die nach dem Arzneimittelgesetz oder dem Medizinproduktegesetz zu bewertet sind, ist vor Beginn der klinischen Prüfung ein zustimmendes Votum einer Ethikkommission rechtlich erforderlich. Mitglieder der Ethikkommissionen sind in der Regel Mediziner verschiedener Fachrichtungen, Juristen, Medizinethiker oder Theologen sowie Biometriker. Die Rolle der Biometrie in der klinischen Forschung hat in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. An jedem gut geplanten Forschungsvorhaben ist heute ein Biometriker beteiligt. Die biometrischen Grundlagen einer klinischen Studie Seite 2
werden vor der Veröffentlichung in den Fachzeitschriften gesondert bewertet. In einer klinischen Studie sind die Aufgaben des beteiligten Biometrikers u. A. die richtige Wahl der statistischen Auswertungsverfahren, die Wahl eines angemessenen Studiendesigns und die Berechnung der benötigten Fallzahl. Dem unabhängigen Biometriker in der Ethikkommission obliegt es, diese Aspekte gründlich zu überprüfen. Warum aber ist der biometrische Bereich für die Prüfung der ethischen Vertretbarkeit von so zentraler Bedeutung? Die Marktzulassung von Medikamenten oder Medizinprodukten hängt von den Ergebnissen vorangegangener klinischer Studien ab. Diese Ergebnisse beruhen auf dem gewählten statistischen Auswerteverfahren. Die Literatur der statistischen Methodik ist heute so umfassend, dass kaum pauschale Empfehlungen für adäquate Auswertungsstrategien gegeben werden können. Die Wahl des richtigen Auswerteverfahrens hängt von zahlreichen Faktoren ab. Hierzu zählen die gewählten Zielvariablen, die zur Verfügung stehende Fallzahl (rekrutierbare Patienten), die Dauer der Studie, potentielle Einflussfaktoren und sogenannte „Confounder“ (Einflussfaktoren, die das Ergebnis verfälschen können), und die interessierenden Nebenfragestellungen (sekundäre Endpunkte) um nur einige Aspekte zu nennen. Nur unter enger Absprache mit dem Mediziner ist es möglich eine geeignete Auswertungsstrategie für eine spezielle medizinische Fragestellung festzulegen. Eine ungünstige oder gar falsche Wahl der statistischen Methodik kann dazu führen, dass die Ergebnisse der Datenanalyse missverständlich oder gar falsch werden und somit falsche Entscheidungen bezüglich einer möglichen Marktzulassung getroffen werden. Auch die korrekte Berechnung der benötigen Fallzahl (Probanden oder Patienten) ist für die ethische Vertretbarkeit einer klinischen Studie eine wesentliche Voraussetzung. Wird die Fallzahl zu niedrig angesetzt, werden die beteiligten Patienten unnötig den studienbedingten Risiken ausgesetzt, da dann kein eindeutiges Studienergebnis zu erwarten ist. Ist die Fallzahl jedoch zu hoch angesetzt, so werden unnötig viele Patienten mit einer weniger wirksamen Therapie behandelt, obwohl bereits genügend Evidenz für die klinische Wirksamkeit des anderen Therapiearms nachweisbar wäre. In der medizinischen Literatur gibt es zahlreiche Beispiele für klinische Studie, die aus statischer Sicht erhebliche Mängel aufweisen, und deren Ergebnisse somit mit Vorsicht zu interpretieren sind. Der Dialog und die enge Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Biometrikern sind daher essentiell, um valide und patientengerechte klinische Forschung zu betreiben. 
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