JOURNAL . GENERAL-ANZEIGER GE SUNDHEIT Samstag/Sonntag, 6./7. November 2010 7 Die Tumore in Schach halten ration Sinn, weil die Tumore früh genug erkannt werden. „Diese Patienten haben eine echte Chance auf Heilung“, sagt Gerigk. Bei zwei Dritteln habe der Krebs bereits gestreut, also Metastasen gebildet. „Dann geht es darum, mit wirksamen Therapien die Tumore in Schach zu halten.“ Ziel ist, für den jeweiligen Patienten den erfolgreichsten Behandlungsweg zu finden. Dabei spielt auch die Schmerztherapie eine Rolle. Es geht nicht nur darum, die Lebenszeit der Patienten zu verlängern, sondern auch die Lebensqualität im Auge zu behalten. Internistische Onkologen betreiben in erster Linie Systemtherapien, also die Behandlung mit Medikamenten, die als Infusion oder auch als Tabletten verabreicht im ganzen Körper, also im Unterschied zur Operation oder zur Strahlentherapie „systemisch“ wirken, berichtet Dr. Helmut Forstbauer vom Praxisnetzwerk Hämatologie/Internistische Onkologie in Troisdorf. „Solche Medikamente können Chemotherapien, aber auch sogenannte Antikörper oder sehr gezielt wirkende Tabletten sein“, sagt er. Jährlich erkranken mehr als 46 000 Menschen in Deutschland an Lungenkrebs. Die Diagnose ist schwierig und kommt für eine Heilung oft zu spät. Das Lungenkrebszentrum Bonn/RheinSieg soll die Behandlung dieser Patienten verbessern Tum ore kön n e n s ich für lä n ge re Ze it zurückb ild e n Vo n Jo h a n n e s Se ile r D er Husten hält schon über Wochen an und wird einfach nicht besser. Hinzu kommen Schmerzen, Fieberschübe, Abgeschlagenheit und Atemnot. Die Symptome sind oft von einer chronischen Bronchitis kaum zu unterscheiden. „Das Tückische am Lungenkrebs ist, dass es in frühen Stadien keine spezifischen Symptome gibt“, sagt Professor Yon-Dschun Ko, Chefarzt Hämatologie/Onkologie an den Evangelischen Kliniken Bonn. Erst das Röntgen könne Anhaltspunkte liefern, die dann in weiteren Untersuchungen abgeklärt werden müssen. „Das erklärt, warum etwa zwei Drittel der Lungenkrebsfälle so spät erkannt werden, so dass eine Heilung nur in Ausnahmefallen möglich ist“, stellt Ko fest. Um die Behandlungsergebnisse von Krebspatienten zu verbessern, wurde das Lungenkrebszentrum Bonn/Rhein-Sieg gegründet. Im Juli wurde es nach den Richtlinien der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert. Die Übergabe des Zertifikats erfolgt in Kürze. „Es handelt sich beim Lungenkrebszentrum nicht um ein in Stein gehauenes Zentrum an einem konkreten Ort, sondern um die strukturierte Zusammenarbeit verschiedener Fachleute und Institutionen, die sehr eng miteinander kooperieren“, erklärt Dr. Ulrich Gerigk, Chefarzt Lungenchirurgie am Malteser-Krankenhaus Bonn/Rhein-Sieg. Im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft seien bislang 18 Lungenkrebszentren in Deutschland zertifiziert worden, so Ko vom Johanniter Krankenhaus Bonn. Das Lungenkrebszentrum Bonn/RheinSieg sei das einzige in der Region. Die nächsten gebe es in Mainz, Mönchengladbach und Essen. Im Lungenkrebszentrum Bonn/Rhein-Sieg haben sich unter der Federführung des Malteser Krankenhauses Bonn/Rhein-Sieg und des Johanniter Krankenhauses Bonn zahlreiche niedergelassene Fachärzte sowie weitere Experten aus der Region zusammengeschlossen, um sich gemeinsam für die Betreuung der Patienten einzusetzen. „Verschiedene Experten – sowohl aus den Praxen als auch aus den Kliniken – diskutieren und stimmen den optimalen Behandlungsweg eng miteinander ab“, berichtet Ko. Dadurch könne die immer noch hohe Sterblichkeitsrate bei der Diagnose Lun- Rön t ge n b ild : Ein Arzt deutet mit dem Finger auf den Bildschirm, wo in der Aufnahme der Krebs die Lunge befallen hat genkrebs gesenkt werden. „Durch eine Behandlung beziehungsweise Operation in einem Lungenkrebszentrum kann – so zeigt es die Statistik – der Anteil der Patienten, die fünf Jahre, nachdem die Krankheit erkannt wurde, noch am Leben sind, verdoppelt werden“, sagt der Chefarzt des Johanniter Krankenhauses. Im Lungenkrebszentrum arbeiten Onkologen, Lungenfachärzte, Lungenchirurgen, Strahlentherapeuten, Radiologen, Nuklearmediziner und Pathologen zusammen. Rund 450 Patienten pro Jahr werden behandelt. „Insgesamt gibt es schätzungsweise 600 Neuerkrankungen pro Jahr im Umkreis von 30 Kilometer“, sagt Ko. „Wir decken also rund drei Viertel dieser Fälle ab.“ Das Lungenkrebszen- trum hatte die Qualitätsziele der Krebsgesellschaft erreichen. „So mussten wir eine Mindestzahl an Operationen nachweisen, das sind 100 Operationen“, berichtet Ko. „Dadurch hat der Patient die Gewissheit, dass wir auch geübt sind, komplizierte Eingriffe durchzuführen.“ Aktuell führe das Zentrum mehr als 130 Operationen jährlich durch. Die wissenschaftliche Basis werde durch die Teilnahme an Studien gesichert. „Mindestens zehn Prozent der Patienten nehmen deshalb an medizinischen Studien teil“, so Ko. Die Krebsgesellschaft verleiht den Titel „Lungenkrebszentrum“ nicht auf Dauer. „Wir müssen jedes Jahr aufs Neue nachweisen, dass wir die Qualitätsstandards einhalten“, sagt der Chefarzt des Johanniter Krankenhauses. Foto: dpa Jährlich erkranken mehr als 46 000 Menschen in Deutschland neu an Lungenkrebs. Er ist damit nach Brust- beziehungsweise Prostatakrebs und Darmkrebs die dritthäufigste Krebserkrankung. „Sie verändert den Alltag der Betroffenen ernorm“, sagt Gerigk. „Umso wichtiger ist es, dass neben der medizinisch kompetenten Behandlung alle Lebensbereiche von Beginn an in einer ganzheitlichen Versorgung durch Spezialisten berücksichtigt werden.“ Dazu zähle etwa auch die Psychoonkologie, die sich um die seelischen Belastungen der Betroffenen und ihrer Angehörigen kümmert. Auch nach der Diagnose Lungenkrebs würden die Patienten mit ihrer Angst nicht allein gelassen. Bei nur einem Drittel der Lungenkrebsfälle macht eine Ope- Eine Systemtherapie könne nach einer erfolgreichen Operation rein vorbeugender Natur sein. „Hierdurch können einige Patienten zusätzlich geheilt werden“, sagt Forstbauer. Aber auch bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen machten medikamentöse Antitumortherapien, eventuell in Kombination mit einer Strahlentherapie, Sinn. „Die Erfolge sind manchmal ganz erstaunlich: Tumore können sich für längere Zeit zurückbilden, die Patienten sind dann weitgehend beschwerdefrei, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit“, berichtet der Troisdorfer Facharzt. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Kliniken funktioniert laut Gerigk sehr gut. So kümmerten sich Pathologen des Bonner Universitätsklinikums um die Diagnose von Gewebeproben aus der Lunge. „Wenn wir wissen, welcher spezielle Typ von Krebszellen vorliegt, können wir viel gezielter die richtigen Medikamente einsetzen“, sagt der Chefarzt des Malteser-Krankenhauses. „Das Lungenkrebszentrum verfügt über ein Netzwerk aus erstklassigen Experten“, fügt Ko hinzu. Auch die Deutsche Krebsgesellschaft habe festgestellt, dass diese Art der Kooperation aus Klinikern und niedergelassenen Ärzten hier in Bonn und der Region einmalig ist. Einmal wöchentlich findet im Malteseroder im Johanniter-Krankenhaus die Tumorkonferenz statt. Sie ist das Herzstück des Lungenkrebszentrums, hier laufen die Fäden zusammen. Es kommen für mehrere Stunden die behandelnden Ärzte verschiedener Disziplinen sowohl aus dem niedergelassenen Bereich als auch aus den Kliniken zusammen. Reihum stellen die Ärzte ihre Patienten vor und beraten gemeinsam, welches die optimale Therapie für den Patienten ist. „Alles wird protokolliert“, sagt Gerigk. „Die Tumorkonferenz stellt sicher, dass die Patienten von der gesamten Expertise des Lungenkrebszentrums profitieren.“ Mit der wöchentlichen Tumorkonferenz sei die Kooperation institutionalisiert, sagt Forstbauer. Die regelmäßigen Treffen und die kurzen Wege verbesserten enorm die Kommunikation zwischen den Ärzten. „Es wäre ohne die Tumorkonferenz sehr schwierig, fünf oder sechs viel beschäftigte Experten zusammenzubringen“, sagt der niedergelassene Facharzt. Über Prävention sprach mit den Ärzten des Lungenkrebszentrums Bonn/ Rhein-Sieg Johannes Seiler Ist das Rauchen eine Hauptursache für den Lungenkrebs? Dr. Helmut Forstbauer: Ja. Es gibt einen klaren Zusammenhang: Rund 90 Prozent der Männer und etwa 80 Prozent der Frauen, die an Lungenkrebs erkranken, haben zuvor geraucht, und rund jeder neunte Raucher bekommt Lungenkrebs. Wie ist der übliche Weg ins Lungenkrebszentrum? Dr. Ulrich Gerigk: Stellt etwa der Hausarzt entsprechende Auffälligkeiten in der Lunge fest, überweist er den Patienten an einen Partner des Lungenkrebszentrums. Das kann ein niedergelassener Arzt, aber auch ein Krankenhaus sein. Dort werden weitere Untersuchungen von Spezialisten vorgenommen. Goldstandard ist dann die Gewebeanalyse des Pathologen, die den Tumorzelltyp offenbart. Wichtig für das weitere Vorgehen ist die Klärung, ob der Tumor bereits gestreut hat und ob Metastasen vorhanden sind. Davon hängt ab, ob der Krebs durch eine Operation an der Lunge entfernt werden kann oder ob eine Chemotherapie oder Bestrahlung in Frage kommt. Aber auch nach Abschluss der Therapie kümmern wir uns um den Patienten und verfolgen weiterhin, wie es ihm geht. Daraus leiten wir Rückschlüsse auf den Erfolg der eingeleiteten Therapie ab. Wie kann man Lungenkrebs vermeiden? Forstbauer: Der größte Schutz vor Lungenkrebs ist, erst gar nicht mit dem Rauchen an- Fo to : Da u b / Ma lte s e r-Kra n ke n h a u s Rauchen ist beim Lungenkrebs Risikofaktor Nummer eins Be i d e r Tum o rkon fe re n z: Reihum stellen die Ärzte die Daten ihrer Patienten vor und beraten gemeinsam, welches die optimale Therapie ist zufangen oder aber es sofort sein zu lassen. Raucher haben gegenüber Nichtrauchern ein 20- bis 40-fach erhöhtes Risiko, Lungenkrebs zu bekommen. Bei Passivrauchern ist es dagegen nur um etwa ein Viertel erhöht. Professor Yon-Dschun Ko: Auch für Menschen, die schon lange rauchen, lohnt sich Abstinenz. Wer zehn Jahre lang nicht raucht, für den sinkt das Lungenkrebsrisiko fast wieder auf das Niveau von Nichtrauchern. In fo r m a t io n s v e r a n s t a lt u n g Am Sa m s t a g , 13. No ve m b e r, führt das Lungenkrebszentrum Bonn/Rhein-Sieg im Hotel Königshof, Adenauerallee 9 in Bonn, von 11 bis 13 Uhr eine Informationsveranstaltung durch. Ärzte informieren dabei über die Diagnose und Therapiemöglichkeiten von Lungenkrebs. Es geht auch um die Frage, wie Betroffene und Angehörige mit der Diagnose Lungenkrebs umgehen. Dazu geben Selbsthilfegruppen Tipps. Außerdem laden „Gesprächsinseln“ dazu ein, Fragen direkt an die Experten zu richten. Die Informationsveranstaltung ist für alle interessierten Teilnehmer kostenlos. Informationen gibt es im Internet unter www.lungenkrebszentrum.com oder zur Aktion unter www.hilfe-beilungenkrebs.de. sj