Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 1 Veröffentlichungen aus dem Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Begründet von Eckart Henning Herausgegeben von Lorenz Friedrich Beck und Marion Kazemi Band 21 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 2 Der Sternhaufen NGC 602 in der Kleinen Magellanschen Wolke, einer Nachbargalaxie der Milchstraße. Der junge Sternhaufen (~ 5 Mio. Jahre alt) ist umgeben von Staub und Gas seiner Geburtswolke, in der weitere Sterne entstehen. Die Kleine Magellansche Wolke in einer Entfernung von 200000 Lichtjahren war mehrfach Forschungsobjekt von Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie. Auf diesem Hubble-Bild sind im Hintergrund viele Galaxien in Entfernungen von einigen Hundert Millionen Lichtjahren zu erkennen (NASA, ESA). Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 3 Im Himmel über Heidelberg 40 Jahre Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg (1969–2009) von Dietrich Lemke Berlin 2011 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite a4 REDAKTION: Dr. rer. nat. Marion Kazemi (Anschrift s. Auslieferung) ISBN: 978-3-927579-25-5 ISSN: 0935-7459 Herstellung und Druck: mhv, Prinzessinnenstraße 26, 10969 Berlin - Kreuzberg Tel.: (030) 530 08-100 Satz: 5 pt Satzstudio Perl, Zum Feld 24, 15569 Woltersdorf Tel.: (03362) 58 94 30 Verkauf: Max-Planck-Institut für Astronomie, Königstuhl 17, 69117 Heidelberg Tel.: (06221) 528-0 Fax: (06221) 528-246 email: [email protected] www.mpia.de Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 4 REDAKTION: Dr. rer. nat. Marion Kazemi (Anschrift s. Auslieferung) ISBN: 978-3-927579-25-5 ISSN: 0935-7459 Herstellung und Druck: mhv, Prinzessinnenstraße 26, 10969 Berlin - Kreuzberg Tel.: (030) 530 08-100 Satz: 5 pt Satzstudio Perl, Zum Feld 24, 15569 Woltersdorf Tel.: (03362) 58 94 30 Auslieferung: Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Boltzmannstraße 14, 14195 Berlin-Dahlem Tel.: (030) 84 13-37 01; Fax: (030) 84 13-37 00; e-mail: [email protected] www.archiv-berlin.mpg.de Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 5 Inhalt Geleitworte ..........................................................................................11 Vorbemerkung ......................................................................................14 1 Aufbruch ins All................................................................................17 2 Vorgeschichte und frühe Jahre des Max-Planck-Instituts für Astronomie ........19 2.1 Ein Kaiser-Wilhelm-Institut für Astronomie ? ..................................19 2.2 Die Denkschrift zur Lage der Astronomie vom Jahre 1962 ..................22 2.3 Von der Denkschrift zur Gründung des Max-Planck-Instituts für Astronomie ........................................................................25 2.3.1 Drei Kommissionen prüfen das Vorhaben ..............................26 2.3.2 Der Gründungsbeschluss ..................................................31 2.4 Arbeitsbeginn auf dem Königstuhl ................................................33 2.4.1 Erste Mitarbeiter..............................................................33 2.4.2 Der Neubau – preisgekrönt ................................................34 2.5 Calar Alto – die Nord-Sternwarte..................................................47 2.6 Gamsberg – Besitz auf der Südhalbkugel ........................................54 2.7 Eigene Teleskope ......................................................................63 2.7.1 Das 1.23 m-Teleskop – damals das größte der Bundesrepublik ....63 2.7.2 Zerodur-Spiegel für die 2.2 m-Teleskope................................66 2.7.3 Das 3.5 m-Teleskop – eines der größten der Erde ....................70 2.8 Südsternwarte – die kleine Lösung in Chile ....................................79 2.9 Extraterrestrische Forschung ........................................................82 2.9.1 Heidelberger Astronomen am Deutschen ElektronenSynchrotron DESY ..........................................................84 2.9.2 Raketen-Experimente........................................................85 2.9.3 Die Sonnensonde HELIOS ................................................88 5 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 6 2.9.4 Ballonteleskop THISBE ....................................................91 2.9.5 Ein GIRL wird kaltgemacht................................................96 2.10 Wissenschaftliche Programme am Calar Alto und auf La Silla (1970 – 1990) ..........................................................................98 2.10.1 Geburtsstätten der Sterne ..................................................99 2.10.2 Galaxien und Quasare ....................................................104 2.11 Instrumentelle Entwicklungen an der technologischen Zeitenwende ....109 2.11.1 Von der Photoplatte zum CCD ........................................109 2.11.2 Von der Bleisulfid-Zelle zum Infrarot-Array ..........................114 2.11.3 Spektrographen ............................................................117 3 Das Max-Planck-Institut für Astronomie wird zu einem weltweit führenden Institut ........................................................................................120 3.1 Erweiterung des Direktoriums....................................................120 3.1.1 Erfolgreiche und abgelehnte Berufungen (1974 – 1991) ..........120 3.1.2 Generationswechsel und Zeitenwende: Steven Beckwith (ab 1992) ....................................................................123 3.1.3 Steven Beckwith: wissenschaftliche und instrumentelle Initiativen ....................................................................125 3.2 Die deutsche Wiedervereinigung erlebt am Institut..........................133 3.3 Hans-Walter Rix: Nachfolger für den Gründungsdirektor Hans Elsässer ........................................................................137 3.4 Thomas Henning aus Jena: Nachfolger für Steven Beckwith ..............142 3.5 Neugliederung des Instituts ......................................................144 3.6 Abteilung Planeten- und Sternentstehung ....................................148 3.6.1 Braune Zwerge ..............................................................148 3.6.2 Die Geburtsstätten der Planeten ........................................152 3.6.3 Suche nach extrasolaren Planeten ......................................156 3.6.4 Labor-Astrophysik ..........................................................158 3.7 Abteilung Extragalaktische Astronomie und Kosmologie ..................160 3.7.1 Der fernste Quasar und die Durchleuchtung der Urmaterie ....161 6 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 7 3.7.2 Die Milchstraße – Fallstudie für den Zusammenbau einer Galaxie ........................................................................163 3.7.3 Galaxienentwicklung in der zweiten Lebenshälfte des Universums ..................................................................165 3.8 Selbstständige Nachwuchsgruppen ..............................................169 3.9 Ausbau des Heimatinstituts auf dem Königstuhl ............................171 4 Technische Abteilungen für den wissenschaftlichen Gerätebau....................180 4.1 Feinmechanische Werkstatt und Konstruktions-Abteilung ................180 4.2 Abteilungen für Elektronik und Elektronische Datenverarbeitung ......183 5 Observatorien im Weltraum und am Boden ..........................................189 5.1 Astronomie mit Weltraumteleskopen ..........................................189 5.1.1 Infrared Space Observatory (ISO) ......................................190 5.1.2 ISO-Beobachtungen und -Zufallsdurchmusterung ................193 5.1.3 Herschel ......................................................................198 5.1.4 James Webb Space Telescope (JWST)..................................202 5.1.5 GAIA und andere Durchmusterungssatelliten ......................206 5.2 Beteiligung an internationalen Observatorien am Boden ..................208 5.2.1 Das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ..210 5.2.2 Das Large Binocular Telescope (LBT) in Arizona ..................215 5.2.3 Das Europäische „Extremely Large Telescope“ (E-ELT) ..........219 5.3 Die Calar-Alto-Sternwarte im Wandel ..........................................221 6 Verbindungen zu Universität und Öffentlichkeit ....................................224 6.1 Studenten und Lehre................................................................224 6.2 Internationale Max-Planck-Forschungsschule für Astronomie und Kosmische Physik an der Universität Heidelberg ............................227 6.3 Berufliche Aufstiege von Wissenschaftlern des Instituts ....................229 6.4 Öffentlichkeitsarbeit ................................................................232 6.4.1 Institutsführungen, Pressearbeit, Vortragsreihen ....................232 6.4.2 Tage der Offenen Tür......................................................234 6.5 Die Zeitschrift „Sterne und Weltraum“ und das Haus der Astronomie..241 7 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 8 6.6 Astronomische Forschung an weiteren Heidelberger Instituten (ARI, ITA, MPIK, ZAH, HITS) ................................................246 7 Ein Ausblick: Das kommende Jahrzehnt Gespräch mit den Direktoren Thomas Henning und Hans-Walter Rix ........252 8 Ein Rückblick: 400 Jahre Astronomie in Heidelberg und der Kurpfalz..........275 8.1 Johannes Keplers „Astronomia Nova“ wird 1609 in Heidelberg gedruckt ..............................................................................275 8.2 Jacob Christmann und seine Fernrohre ........................................279 8.3 Die Sternwarten in Schwetzingen und Mannheim (ab 1764) ............284 8.4 Christian Mayers erfolgreiche Denkschrift von 1771........................286 8.5 Spektralanalyse der Gestirne – Gustav Kirchhoff und Robert Bunsen (1859) ..................................................................................290 8.6 Die Landessternwarte Heidelberg ................................................298 8.6.1 Max Wolf – Stammvater der Heidelberger Astronomie ............299 8.6.2 Raumfahrt-Pionier Hermann Oberth – ein abgelehnter Doktorand ..................................................................305 8.6.3 Wolfs Nachfolger an der Landessternwarte: Heinrich Vogt, Hans Kienle, Hans Elsässer, Immo Appenzeller, Andreas Quirrenbach ......................................................308 9 Übersichten zur Geschichte des Max-Planck-Instituts für Astronomie ..........313 9.1 Wissenschaftliche Mitglieder......................................................313 9.2 Meilensteine der Institutsgeschichte ............................................313 9.3 Kleinplaneten mit Namen von MPIA-Wissenschaftlern ....................318 10 Wegweiser zu Stätten der Astronomie in Heidelberg und Umgebung ..........320 10.1 Geburtstätte der Astrophysik in der Heidelberger Hauptstraße ..........321 10.2 Privatsternwarte Max Wolf in der Heidelberger Märzgasse ................323 10.3 Universitätsmuseum ................................................................324 10.4 Bergfriedhof Heidelberg............................................................325 10.5 Studentenwohnung von Hermann Oberth in Heidelberg ..................326 10.6 Landessternwarte Heidelberg-Königstuhl ......................................327 10.7 Haus der Astronomie Heidelberg-Königstuhl ................................328 8 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 9 10.8 Die Kurpfälzer Grundlinie ........................................................329 10.9 Carl-Bosch-Museum ................................................................330 10.10 Kirchhoff-Institut für Physik......................................................331 10.11 Max-Planck-Institut für Kernphysik ............................................332 10.12 Mannheimer Sternwarte ..........................................................333 10.13 Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim......................334 10.14 Planetarium Mannheim ............................................................335 10.15 Sternwarte auf dem Schwetzinger Schloss ......................................336 10.16 Walter-Hohmann-Höhe in Hardheim ..........................................338 10.17 Wegweiser zum Max-Planck-Institut für Astronomie ......................340 Quellen- und Literaturverzeichnis: ..........................................................341 Abkürzungen ......................................................................................347 Danksagung ......................................................................................351 Personenregister ..................................................................................353 9 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 10 Im Herbst des Jahres 1618 „ist ein schröcklicher Comet-Stern mit einem sehr langen brennenden Schwanz am Himmel erschienen und in ganz Europa mit sonderlichem Schrecken gesehen worden“. Im gleichen Jahr brach der Dreißigjährige Krieg aus, der Deutschland verwüstete („Krieg/Auffruhr/Blutvergiessen viel/Dir ein Komet verkünden will“). Der Kupferstich von Matthäus Merian aus dem „Theatrum Europaeum“ (1635) zeigt den Kometen über dem noch unzerstörten Heidelberg (Näheres: Stefan Oldenburg, SuW 48 (2009) 4, S. 94-97). 10 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 11 Geleitworte Das Archiv der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin versteht sich traditionell als zentrale Einrichtung und als Gedächtnis der gesamten Max-Planck-Gesellschaft. Besonders aus Anlaß von Jubiläen nutzen ihre Institute gern seinen Service und den Fundus seiner Quellen – für Ausstellungen und historische Darstellungen, aber auch in Rechtsfragen. In seinen Veröffentlichungen hat das Archiv vor allem Hilfsmittel zu den historischen Quellen bereitgestellt. In der gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Wissenschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin herausgegebenen Buchreihe „Pallas Athene. Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte" konnten bereits verschiedentlich Darstellungen aus der Geschichte der Gesellschaft und ihrer Institute erscheinen. Die Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Astronomie anläßlich seines 40jährigen Jubiläums bietet nun eine schöne Gelegenheit, die Verbundenheit des Archivs mit den Instituten der Max-Planck-Gesellschaft zu demonstrieren. Im Umfeld des 100jährigen Jubiläums der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft ist dieses Institutsjubiläum Gelegenheit, erstmals auch in die Reihe „Veröffentlichungen aus dem Archiv der Max-Planck-Gesellschaft“ eine Institutsgeschichte aufzunehmen. Lorenz Friedrich Beck Direktor des Archivs der Max-Planck-Gesellschaft 11 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 12 Am 24. November 1967 ist es soweit: Immer wieder vorangetrieben von Reimar Lüst und Hans Elsässer beschließt der Senat der Max-Planck-Gesellschaft die Gründung eines Max-Planck-Instituts für Astronomie. Als Standort dieses neuen Instituts wird der Königstuhl – der Heidelberger Hausberg – gewählt. Auf diesem Berg befindet sich bereits die Landessternwarte, deren Existenz einen zügigen Aufbau des neuen Instituts wesentlich erleichtert. Eng mit der Gründung des MPI für Astronomie in Heidelberg ist der Aufbau des Calar-Alto-Observatoriums in Spanien verbunden. Mit diesem Observatorium für den optischen und infraroten Spektralbereich steht den Astronomen in Deutschland erstmals wieder eine leistungsfähige Sternwarte zur Verfügung. Gleichzeitig beginnt das Institut mit astronomischer Forschung vom Weltraum aus – ein erster Höhepunkt ist die führende Beteiligung am Infrared Space Observatory. Die wissenschaftlichen Entdeckungen folgen unmittelbar: Extrem schnelle optische Jets von jungen Sternen, die Charakterisierung sehr leuchtkräftiger Infrarot-Galaxien und die erste vollständige Durchmusterung des Taurus-Sternentstehungsgebietes nach Doppelsternen gehören zu den wichtigsten Forschungsresultaten der frühen Jahre des Institutes. Über die 40 Jahre seines Bestehens war das Institut immer wieder im Wandel begriffen. Heute baut das MPI für Astronomie Instrumente für mehrere der größten bestehenden Teleskope, das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile und das Large Binocular Telescope auf dem Mt. Graham in den USA. Gleichzeitig bereitet es seine Beteiligung an der Instrumentierung für das European Extremely Large Telescope vor. Im Weltraum folgt, nach erfolgreichem Instrumentenbau und Einrichtung eines Bodenobservatoriums für ESA’s Herschel-Mission, eine Beteiligung am James Webb Space Telescope. Die enge Zusammenarbeit zwischen den wissenschaftlichen Abteilungen des Institutes und den leistungsfähigen technischen Gruppen, die erfolgreiche Kooperation mit der Heidelberger Universität, anderen Max-Planck-Instituten und Universitätsinstituten in Deutschland sowie Forschungseinrichtungen in aller Welt, die Internationalität des Instituts – die Mitarbeiter kommen gegenwärtig aus mehr als 35 Ländern – sowie die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sind die Erfolgsrezepte des Instituts. Inzwischen beherbergt das Institut eine der größten, produktivsten und prominentesten Gruppen an Nachwuchsgruppenleitern, Post-Doktoranden und Doktoranden in Deutschland. Mit seinen beiden wissenschaftlichen Abteilungen erforscht das Institut die Planetenund Sternentstehung sowie die Bildung von Galaxien und die Struktur des Universums. Zu den wissenschaftlichen Höhepunkten der letzten Jahre zählen die räumliche Auflösung von protoplanetaren Scheiben um junge Sterne und der Torus-Strukturen von Aktiven Galaktischen Kernen, die Entdeckung einer Vielzahl von Satellitengalaxien unserer 12 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 13 Milchstraße und die direkte Abbildung von extrasolaren Planeten und die Messung ihrer Atmosphärenspektren. Auf technischem Gebiet wird das MPI für Astronomie ein Vorreiter für die Entwicklung der Adaptiven Optik, der Infrarot-Interferometrie und von Infrarot-Instrumenten für Weltraummissionen. Die Entwicklung einer wissenschaftlichen Einrichtung benötigt die richtigen Randbedingungen: Eine interessante wissenschaftliche Landschaft, aber auch die Anziehungskraft einer Stadt – beides ist in Heidelberg in idealer Kombination gegeben. Ohne die Mitarbeiter eines Instituts, ohne ihre Ideen und ihr Engagement, könnte sich jedoch ein wissenschaftliches Institut auch bei besten Randbedingungen nicht entwickeln. So freut es mich besonders, dass der Autor dieses Buches als Zeitzeuge der Institutsentwicklung die Menschen in den Vordergrund seines geschichtlichen Abrisses gestellt hat. Ich wünsche allen Lesern, dass sich bei der Lektüre dieses Buches zur Geschichte des Max-Planck-Instituts für Astronomie die Spannung aktiver Forschung auf sie überträgt und sie Wissenschaft und technische Entwicklung über die beteiligten Personen erleben. Prof. Dr. Thomas Henning GeschäftsführenderDirektor des Max-Planck-Instituts für Astronomie 13 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 14 Vorbemerkung 2009 beging das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) seinen 40. Geburtstag. Es war ein Jahr mehrerer astronomischer Jubiläen mit Beziehungen zu unserer Stadt. Vor 400 Jahren haben Johannes Kepler und Galileo Galilei das mittelalterliche Weltbild zum Einsturz gebracht. Diese beiden Ereignisse hatten die UNESCO veranlasst, das Jahr 2009 zum „Internationalen Jahr der Astronomie“ auszurufen. Keplers „Astronomia Nova“ mit seinen ersten beiden Gesetzen zur Planetenbewegung wurde 1609 in Heidelberg gedruckt. Vor genau 150 Jahren hatten Kirchhoff und Bunsen in Heidelberg mit ihrer Spektralanalyse der Sonne die Astrophysik begründet. Zum ersten Mal haben vor 40 Jahren Menschen einen fernen Himmelskörper betreten. Mondgestein war damals zur Analyse nach Heidelberg ins Max-Planck-Institut für Kernphysik gekommen. Sicherlich wäre ein 50. Instituts-Geburtstag ein noch bedeutenderer Anlass, ein solches Buch zu schreiben. Aber vermutlich leben dann nur noch wenige von den „Gestalten der ersten Stunde“ (Elsässer), und es ist eher unwahrscheinlich, dass die dann über 80-jährigen eine solche Aufgabe übernehmen würden. Der Verfasser dieses Buches hat als Wissenschaftler am MPIA die 40-jährige Geschichte des Instituts von der Gründung an miterlebt. Es waren glückliche und aufregende Jahre des Aufbruchs und der Erneuerungen. Diese Schrift soll auch ein Dank an die Kollegen des Instituts sein, die mir hier in den vier Jahrzehnten begegnet sind und mit denen ich zusammenarbeiten konnte. Die Darstellung durch einen Zeitzeugen kann persönlich gefärbt sein, anders als die neutrale Geschichtsschreibung eines Außenstehenden, der sich in größerem zeitlichen Abstand streng auf Akten und Dokumente stützt. Um die Gefahr der Subjektivität zu mildern, wurden alle Kapitel des Buches von einigen Dabeigewesenen gegengelesen und nötigenfalls ergänzt. Ein Zeitzeugenbericht bietet die Chance, auch Ereignisse zu erzählen, die sich nicht in den Akten und Veröffentlichungen finden. Damals wurden sie als unwichtig, skurril oder unangenehm angesehen, heute amüsieren sie uns und runden das Geschichtsbild ab. Und manchem, der dieses Buch liest, wird später wohl eher Anekdotisches in Erinnerung bleiben. Der damalige jährliche wissenschaftliche und technische Fortschritt ist an anderen Stellen gut dokumentiert, aber heute interessiert davon meist doch nur das Neueste. Deshalb werden hier ausführlicher die Menschen und Ereignisse in der Institutsgeschichte geschildert. Über die Wissenschaft wird in einigen ausgewählten und zu ihrer Zeit passenden Beispielen berichtet. Wer tiefer in die astronomischen Forschungs- 14 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 15 ergebnisse der letzten vier Jahrzehnte einsteigen möchte, dem seien die ausführlichen Jahresberichte des MPIA empfohlen. Bei der Quellenforschung für dieses Buch stieß der Verfasser immer wieder auf noch ältere Spuren der Astronomie in Heidelberg und der Kurpfalz. Von ihnen lassen sich direkte Linien zur Gründung des MPIA auf dem Königstuhl ziehen. Diese früheren Ereignisse und Schauplätze sind es wert, hier zusammenfassend aufgezeichnet zu werden. Sie lassen uns unser Hier und Heute besser verstehen. In das letzte Kapitel des Buches ist deshalb auch ein kurzer Wegweiser zu Stätten der Astronomie in und um Heidelberg aufgenommen. Dem Interessierten können sie als Anregung zu eigenen weiteren Nachforschungen dienen. Ihm wird dabei höchstwahrscheinlich weitergeholfen, hat doch Heidelberg von allen deutschen Städten mit seinen sechs in der Astronomie arbeitenden Instituten den höchsten Astronomen-Anteil an den Einwohnern. Der Verfasser ist den beiden Direktoren des Instituts, Thomas Henning und HansWalter Rix, für die Ermutigung zum Schreiben dieser „Instituts-Chronik“ dankbar, insbesondere auch dafür, dass er es allein tun konnte. In einem andernorts oft begangenen Weg hätten mehrere Mitarbeiter einzelne Beiträge zu ihren Fachgebieten verfassen können. Herausgekommen wäre dabei sicher eine faktenreichere Darstellung (so wie im vorliegenden Fall die hoffentlich erträgliche Überbetonung der Weltraum-Astronomie), aber eine vielleicht weniger unterhaltsame Geschichte. So bleibt zu wünschen, dass diese Darstellung aus einer Feder flüssig lesbar ist. Sie möge die Dabeigewesenen und die in die Hunderte gehende Zahl von Studenten, Gastwissenschaftlern und Freunden des Institutes an schöne und spannende Jahre des immer neuen Aufbruchs und des stetigen wissenschaftlichen Fortschritts auf dem Königstuhl erinnern. Und sie sollte junge Leser ermutigen, ihr Leben der Physik und der Astronomie zu widmen. Das Goldene Zeitalter der Astronomie dauert an. In diese Aufzeichnungen ist auch das Jubiläumsjahr 2009 weitgehend mit einbezogen, es wird also tatsächlich über fast 41 Jahre Institutsgeschichte berichtet. Dietrich Lemke 15 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 16 Edinburgh Groningen Dwingeloo Stockholm Durham Helsinki Amsterdam Cambridge St. Petersburg Leiden Manchester Kopenhagen Hamilton Dublin Warschau Harvard Pittsburgh Oxford Moskau Chilton Liège Columbus Budapest Seattle Stanford London Chicago Basel Paris Taschkent Princeton Saclay Padua Tucson Berkeley Neapel Middletown Versoix Moffett Fields Florenz Tel Aviv Rochester Nizza Pasadena Baltimore Grenoble Flagstaff Charlottesville Calar Alto Los Alamos Gainesville Lissabon Honolulu Las Cruces Teneriffa Houston Tokyo Kyoto Taiwan Nanjing Seoul Paranal La Silla Canberra In den vierzig Jahren seines Bestehens wurde das Max-Planck-Institut für Astronomie zu einem wichtigen Knoten im weltweiten Netzwek der Astronomie. Die Karte zeigt die Orte seiner wissenschaftlichen Partnerinstitute. 16 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 17 1 Aufbruch ins All Vor 40 Jahren wurde Wirklichkeit, wovon die Astronomen in Deutschland ein halbes Jahrhundert lang geträumt hatten: der Bau einer eigenen Sternwarte im günstigen Klima des Südens, ausgerüstet mit großen Fernrohren. Für dieses Ziel hatten sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehrere Generationen von Wissenschaftlern leidenschaftlich eingesetzt. Zu Stande gekommen waren aber nur zwei kleinere Beobachtungsstationen bei La Paz und bei Windhuk, die für einige Jahre betrieben werden konnten. Zwei Weltkriege und ihre Folgen verhinderten die Verwirklichung der großen Wunschträume. Erst 15 Jahre nach dem Ende des letzten Krieges konnte im geteilten Deutschland mit Aussicht auf Erfolg eine neue Planung begonnen werden. Sie führte über viele Hürden im Jahre 1969 schließlich zum Aufbau des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA). Dem vorangegangen waren mehrjährige Bemühungen des Rates Westdeutscher Sternwarten zur Gründung einer deutschen Südsternwarte. Aus diesen Anstrengungen ragen mehrere Persönlichkeiten heraus, deren richtige und zeitgemäße Ideen und deren Überzeugungskraft den Wunsch zur Wirklichkeit werden ließen. Diese Gründungsgeschichte soll hier lebendig werden. Die Arbeit des neuen Max-Planck-Instituts war anfangs auf das Ziel gerichtet, leistungsfähige Sternwarten in Südeuropa und auf der Südhalbkugel der Erde zu errichten. Der Beginn für das Heimatinstitut in Heidelberg war ganz bescheiden. Es war zunächst Untermieter in einigen Räumen der Landessternwarte auf dem Königstuhl. Wenige Mitarbeiter der Landessternwarte erhielten Anfang 1969 die ersten Arbeitsverträge des neugegründeten MPIA. Der Gründungsdirektor Hans Elsässer nahm ab diesem Zeitpunkt zwei Aufgaben wahr: weiterhin die Leitung der Landessternwarte und zusätzlich die Leitung des neuen Instituts. Man blieb noch einige Jahre Gast in den Räumen der Sternwarte, bis die neu errichteten Gebäude des MPIA in der Nachbarschaft auf dem Königstuhl bezogen werden konnten. In 40 Jahren Forschungsarbeit am MPIA haben wir große Veränderungen durchlebt. Mit dem Übergang von Photoplatten zu digitalen lichtelektrischen Sensoren gab es eine gewaltige Empfindlichkeits- und Reichweiten-Steigerung beim Blick in den Kosmos. In diesen Zeitraum fällt auch der Start von Fernrohren auf Satelliten und der Zugang zu ganz neuen Spektralbereichen. Gehörten anfangs unsere neuen Teleskope auf dem Calar 17 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 18 Alto zu den größten, ist heute die Nutzung und Beteiligung an multinationalen Großteleskopen in noch trockeneren Klimazonen unerlässlich geworden. Institute wie das MPIA konnten nicht länger wie große Sternwarten betrieben werden, sondern wurden zu international ausgerichteten Wissenschaftszentren. Diese Entwicklung verlief nicht stetig, die größten Veränderungen brachten die Generationswechsel in der Leitung des Instituts mit sich. Anfangs den Nachholbedarf in Deutschland aufholend, wurde das Max-Planck-Institut für Astronomie im letzten Jahrzehnt ein führendes Institut der weltweiten „Big Science“ . Der Geschichte des MPIA, von der ersten Erwähnung der Idee in der Kaiser-WilhelmGesellschaft vor über 80 Jahren bis zu seinem 40. Geburtstag im Jahre 2009, ist der Hauptteil des Buches in den folgenden fünf Kapiteln gewidmet. Das noch vor uns liegende Jahrzehnt bis zum 50. Institutsgeburtstag wird im Kapitel 7 durch ein Gespräch der beiden gegenwärtigen Direktoren des Institutes mit dem Verfasser vorausgeahnt. Im Jahre 2019 werden wir überprüfen können, welche Überraschungen die Zukunft bereithielt. Im 8. Kapitel geht es in einem Zeitsprung zurück zu den Wurzeln der Astronomie in Heidelberg und seinem Umland. Bereits vor 400 Jahren gab es an der hiesigen Universität eine Sternwarte und es wurden hier zeitgleich mit Galileo die ersten Fernrohre gebaut. Die benachbarte Mannheimer Sternwarte war im 18. Jahrhundert eine der berühmtesten der Erde. Von Heidelberg aus trat vor 150 Jahren die Astrophysik ihren weltweiten Siegeszug an, begründet durch Kirchhoffs und Bunsens Spektralanalyse der Sonne. Schließlich entstand vor 110 Jahren die erste Bergsternwarte Deutschlands auf dem Heidelberger Königstuhl. Aus ihr heraus wuchs in enger Nachbarschaft das neue Max-Planck-Institut für Astronomie, was uns zum Anfang des Buches zurückführt. Wer einen nur knappen Überblick über die Institutsgeschichte sucht, oder ein herausragendes Ereignis in den letzten 40 Jahren datieren möchte, dem kommt die kurze „Meilenstein-Geschichte“ im Kapitel 9 entgegen. Dort findet sich auch die vollständige Liste der Wissenschaftlichen Mitglieder des MPIA seit dessen Gründung. 18 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 19 2 Vorgeschichte und frühe Jahre des Max-Planck-Instituts für Astronomie 2.1 Ein Kaiser-Wilhelm-Institut für Astronomie? Ein erster Vorschlag zur Errichtung einer deutschen Südsternwarte geht auf den berühmten Astronomen Karl Schwarzschild vom Astrophysikalischen Observatorium Potsdam zurück. Auf einer Konferenzreise im Jahre 1910 besuchte er die wichtigsten amerikanischen Sternwarten und war von den großen Fernrohren, dem guten Wetter in Kalifornien und der produktiven Arbeitsweise der amerikanischen Astronomen angetan. Das Lickund das Harvard-Observatorium betrieben damals bereits kleinere Sternwarten als Außenstationen unter dem Südhimmel in Chile und Peru. Dort wurden wichtige Entdeckungen gemacht. Zurück in Deutschland, berichtete Schwarzschild einer breiteren Öffentlichkeit in der „Internationalen Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik“ über den inzwischen großen Vorsprung der beobachtenden Astronomie in Amerika. Um mithalten zu können „müssen wir mit dem einen oder anderen großen Instrument künftig in den Süden gehen, am besten gleich auf die Südhalbkugel“. Und: „ob ein kleiner Anfang in Windhuk in [Deutsch-] Südwestafrika nicht den Kern für eine solche Institution [Sternwarte] bilden könnte.“ Schwarzschild, der sich bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges als deutscher Jude freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatte, erkrankte 1916 schwer und starb im Alter von nur 42 Jahren. Und auch die Kolonie Deutsch-Südwestafrika ging mit dem Krieg verloren. Einen erneuten Anlauf unternahm Erwin Finlay Freundlich (Abb. 2.1-1) vom Astrophysikalischen Observatorium Potsdam im Jahre 1928. Er war vorher (um 1920) Wissenschaftliches Mitglied des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik in Berlin unter der Leitung von Albert Einstein. Freundlich hatte das berühmte Turm-Teleskop (Einstein-Turm) in Potsdam wissenschaftlich konzipiert und widmete sein Forscherleben damals der experimentellen Bestätigung der Relativitätstheorie durch Lichtablenkung und Rotverschiebung. Freundlich legte im Sommer 1928 der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft eine Denkschrift vor: „Zu der Frage der Errichtung einer auswärtigen astronomischen Beobachtungsstation“. Deren Vorsitzender, Staatsminister Friedrich Schmidt-Ott, sah die Angelegenheit bei der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) besser aufgehoben, war 19 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 20 Abb. 2.1-1: Erich Finlay Freundlich vom Astrophysikalischen Institut Potsdam legte 1928 eine erste Denkschrift zur Errichtung einer deutschen Südsternwarte vor. Die beginnende Weltwirtschaftskrise hinderte die „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ und die „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft“ an der Durchführung der Pläne. Der Ehemann seiner MusikKollegin, Erich Mendelsohn, wurde Architekt des berühmten Einsteinturmes, den Freundlich wissenschaftlich ausgelegt hatte (MacTutor History of Mathematics Archive). er doch gleichzeitig in den Jahren 1920 bis 1937 deren Vizepräsident. In einer gemeinsamen Besprechung am 26. Juli 1928 in den Räumen der Notgemeinschaft im Berliner Schloss wurde Freundlichs Vorschlag günstig aufgenommen. Der Generaldirektor der KWG, Friedrich Glum, notierte: „dass die Errichtung eines deutschen Instituts im Auslande in der Linie der Pläne der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft läge“. Auf Wunsch der Besprechungsteilnehmer legte Freundlich im September 1928 mit einer noch ausführlicheren Fassung seiner Denkschrift nach: „Über die Notwendigkeit der Errichtung eines auswärtigen astronomischen Forschungsinstituts“. Beigelegt war als Anhang eine Untersuchung seines Potsdamer Kollegen Fritz Löhle: „Die klimatischen Verhältnisse im Mittelmeerbecken in Hinsicht auf ihre Eignung für Himmelsbeobachtungen“. Freundlich schildert zunächst die Gründe für den Rückgang der deutschen Astronomie. Erstens haben sich die Sternwarten nicht rechtzeitig den instrumentellen Entwicklungen der Astronomie angepasst, und zweitens haben sich die Astronomen nicht rechtzeitig den sich darbietenden, neuen Forschungsmethoden angepasst. Im Klartext: „… Dadurch, dass bei den ersten Unternehmungen der A.G. Kataloge [Sternkataloge der Astronomischen Gesellschaft] eine ganze Generation junger Astronomen gezwungen wurde, die sonst produktivsten Jahre ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit mit langwierigen unproduktiven Messungen zu verbringen, ist das wissenschaftliche Leben vielfach erstarrt gewesen und auch die folgende Generation nicht in dem Maße zu Naturforschern, mit dem auf die lebenden Probleme gerichteten Blick herangezogen worden, wie dies z. B. in den 20 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 21 Nachbargebieten der Physik und Chemie der Fall gewesen ist“. Und noch deutlicher: „dass unleugbar bisher unter der Mehrzahl der Astronomen starke Hemmungen bestehen, die noch sehr hypothetischen, aber ungemein fruchtbaren Erkenntnisse der modernen Atomphysik sich zu Nutze zu machen und ihre Kenntnisse dauernd dem Fluss der Forschung anzupassen, wie dies z.B. von den Physikern bis in ihr spätes Alter dauernd verlangt wird.“ Er empfiehlt den Übergang vom bisherigen Datensammeln mit immer weiter verfeinerten Methoden zur modernen Astrophysik. Dafür sind lichtstärkere Spiegelteleskope und höher auflösende Spektrographen vonnöten. Freundlich konzipiert detailliert Aufgaben, Aufbau, Instrumente und Anforderungen an die Mitarbeiter und den Direktor des neuen Instituts. „Dieses sollte keiner der bisherigen Sternwarten als Filiale anzugliedern sein, sondern als selbständiges Institut zu gründen sein, jedoch durch eine besondere Organisation allen Astronomen Deutschlands zugänglich sein.“ Auch könnten in Deutschland vorhandene Fernrohre nach dem neuen Beobachtungsort „verpflanzt“ werden, um sie dort voll ausnutzen zu können. Die neue Sternwarte sollte im günstigen Klima des Mittelmeerraums liegen: „Spanien müsste bei seiner hochentwickelten Kultur und den günstigen klimatischen Voraussetzungen eine in jeder Hinsicht vorteilhafte Lage zur Errichtung einer Sternwarte gewährleisten“. Diese sehr gut durchdachte Denkschrift liest sich wie die Handlungsanleitung zum tatsächlichen Geschehen 40 Jahre später. Freundlichs Vorschläge kamen leider zu ungünstiger Zeit – der beginnenden Weltwirtschaftskrise. In diesen Jahren verzeichnen die Sitzungsprotokolle der KWG Kürzungen der bewilligten Mittel und Mittelkürzungen auch bei der Notgemeinschaft, die die Vorhaben der KWG unterstützte. Anträge auf Neugründungen von Instituten wurden in diesen Jahren nicht behandelt. Noch härter traf es Freundlich selbst. Wegen einer jüdischen Großmutter galt er nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten als „Beamter nichtarischer Abstammung“ und hatte fortan keine Berufsaussichten. Er verließ 1933 seine deutsche Heimat. Dennoch baute er weitere drei Sternwarten auf: Istanbul (1933), Prag (1937) und St. Andrews in Schottland (1939). Vorher bereits hatte er Carl Boschs Privatsternwarte in Heidelberg (1920) und das Einstein-Turmteleskop (1921) errichtet. Was hätte dieser hervorragende und produktive Wissenschaftler und Organisator für eine deutsche Südsternwarte leisten können, wenn ihn nicht die unglücklichen politischen Verhältnisse damals in Deutschland gehindert hätten … Einen weiteren Anlauf nahm Hans Kienle von der Göttinger Universitätssternwarte. Er beantragte im Jahre 1938 die Errichtung einer Sternwarte im Großglockner-Gebiet im Rahmen eines Kaiser-Wilhelm-Instituts für Astronomie. Der Antrag wurde vom Senat in der Sitzung vom 30. Mai 1938 abgelehnt. Nach Ansicht des Generalsekretärs der 21 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 22 KWG, Ernst Telschow, „ist der Zeitpunkt noch nicht gekommen, um diesem Projekt näherzutreten“ Er verwies auf die kostengünstigere Nutzung der vorhandenen Jungfraujoch-Station. In einer weiteren Senatssitzung der KWG vom 4. April 1939 wird erneut über einen Antrag Kienles zum Bau einer Sternwarte in Deutschland verhandelt. Angedacht war beim damaligen deutschen Autarkiestreben eine Hochlage der Schwäbischen Alb oder der östliche Rand des Schwarzwaldes. Die Vorarbeiten wurden auf 10000 Reichsmark jährlich geschätzt. „Zu dem Plan nimmt eingehend Geheimrat Bosch Stellung, der die Bereitstellung des Betrages empfiehlt. Der Senat beschließt dementsprechend“. Dies dürfte die erste Bereitstellung eines größeren Geldbetrages für ein astronomisches Vorhaben im Rahmen der KWG gewesen sein. Die Bewilligung hing sicherlich damit zusammen, dass Präsident Carl Bosch selbst ein starkes Interesse an der Astronomie hatte, betrieb er doch auf seinem Villenanwesen am Heidelberger Schlosswolfsbrunnenweg eine gut ausgerüstete Privatsternwarte. Bosch hatte bereits als Generaldirektor der BASF in den frühen 1920er Jahren in Ludwigshafen Quarzschmelz-Versuche für die Herstellung eines 2.5 m-Fernrohrspiegels veranlasst. Seine Mitarbeiter Ernst Hochheim und Fritz Winkler vom Ammoniak-Laboratorium der BASF in Ludwigshafen stellten bald 60 cm Quarz-Scheiben her. Ebenso erfolgreich verliefen Experimente mit hochreflektierenden Spiegelbelägen aus Silber und Aluminium. Angeregt zu diesen Arbeiten wurde Bosch durch Erwin Freundlich. Die Weltwirtschaftskrise führte allerdings im Jahre 1931 zum Abbruch der Teleskopspiegel-Entwicklungen bei der BASF. Als Präsident der KWG liebäugelte Bosch nun mit dem Bau einer großen Sternwarte (für 5 bis 6 Millionen Reichsmark), und die sollte bevorzugt in Südwestafrika entstehen. Dafür glaubte er, etwa 2 Millionen RM für ein großes Teleskop von der Chemischen Industrie beitragen zu können. Den Plänen Boschs und den seit 1939 von der KWG geförderten Vorarbeiten Kienles war jedoch kein Glück beschieden. Noch im gleichen Jahr begann Hitler den Zweiten Weltkrieg, und das Vorhaben einer großen deutschen Sternwarte kam für ein weiteres Vierteljahrhundert zum Erliegen. 2.2 Die Denkschrift zur Lage der Astronomie vom Jahre 1962 Der in der Nachkriegszeit der 1950er Jahre immer offensichtlicher werdende museale Zustand der deutschen Sternwarten veranlasste die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), eine umfassende Bestandsaufnahme an allen Standorten einzuleiten. Sie sollte aus einer Hand kommen, und so wurde Paul ten Bruggencate, Professor für Astronomie 22 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 23 und Direktor der Göttinger Sternwarte, um einen Personenvorschlag für den Entwurf einer Denkschrift gebeten. Er empfahl, seinen jungen und tüchtigen Privatdozenten Hans-Heinrich Voigt mit diesem Zukunftsprojekt zu betrauen. Der erhielt im Jahre 1959 von der DFG einen kleinen Reiseetat und konnte damit die 16 astronomischen Einrichtungen in der Bundesrepublik besuchen: auf einer Nordreise von Kiel bis Münster und auf einer Südreise von Heidelberg bis München. In Gesprächen mit allen Sternwarten-Direktoren erhielt er ein zwiespältiges Bild. Da gab es viel Stolz auf das nach dem Krieg schon wieder Erreichte und gleichzeitig Klagen über die schlechte Lage der Astronomie in Deutschland. Aus dieser Vielzahl von Berichten und Inaugenscheinnahmen hat Hans-Heinrich Voigt einen Sachstandsbericht für das ganze Land kondensiert und Empfehlungen zur Modernisierung gegeben. Um breite Unterstützung unter deutschen Astronomen sicherzustellen, wurden nun Mitverfasser hinzugezogen: die Professoren Friedrich Becker aus Bonn, Hans Elsässer, gerade von Göttingen nach Heidelberg berufen, Walter Fricke aus Heidelberg und Dipl. Phys. Erich Kirste von der Forschungsgemeinschaft. Fachlicher Rat wurde außerdem von vielen herausragenden Personen aus Ministerien, der Industrie, den Universitäten und der Max-Planck-Gesellschaft eingeholt, die dann, ebenso wie alle Sternwarten-Direktoren, Mitunterzeichner der Denkschrift wurden. Im Dezember 1962 war es so weit: Die Denkschrift zur Lage der Astronomie wurde von Abb. 2.2-1: Die Denkschrift der DFG zur Lage der Astronomie vom Jahre 1962 gab auf 60 Seiten wichtige Anstöße für eine deutsche Südsternwarte, die im Rahmen des MPIA verwirklicht wurde (DFG). 23 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 24 der DFG der Öffentlichkeit vorgestellt (Abb. 2.2-1). Sie sollte in den folgenden Jahren Bedeutung für den Ausbau der Astronomie in Deutschland gewinnen. Sie beeinflusste Berufungsverhandlungen und schaffte auch die Voraussetzungen für die Gründung des MPIA. Mit der folgenden Zusammenfassung ihres Inhaltes soll an die Lage und die Wünsche von vor ~ 50 Jahren erinnert werden. Während die Astronomie in Deutschland noch im 19. Jahrhundert in hoher Blüte stand (erinnert wird an die Arbeiten von Carl Friedrich Gauß, Friedrich Wilhelm Bessel, Friedrich Wilhelm August Argelander, Gustav Kirchhoff, Robert Bunsen und Karl Schwarzschild), war sie seit dem 1. Weltkrieg stark hinter anderen Ländern zurückgeblieben. Nur auf Teilgebieten wie Positionsastronomie, theoretische Astrophysik und der (im 2. Weltkrieg als kriegswichtig geförderten) Sonnenphysik hatte man etwa internationalen Standard. Für Spektroskopie und Photometrie, die wichtigsten Antreiber des Fortschrittes, waren nur veraltete Instrumente an zu kleinen Fernrohren vorhanden. Die Radioastronomie hatte kriegsfolgebedingt einen späten Start, und die Weltraum-Astronomie stand ganz am Anfang. Der Vergleich zu anderen Ländern wie Holland, Frankreich und den USA, die große Observatorien bauten, fiel ungünstig für die Bundesrepublik aus. Bereits damals erkannten die Verfasser, dass die föderalistische Struktur der Bundesrepublik die Planung überregionaler Forschungseinrichtungen erschweren würde. Ähnlich betrüblich war die finanzielle und personelle Ausstattung der Sternwarten. Es gab im Jahre 1962 im ganzen Lande nur 12 Lehrstühle für Astronomie und eine viel zu geringe Zahl von Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Zwischen 1950 und 1960 haben 62 Studenten in Astronomie promoviert, nur 19 konnten in Stellen an Universitätsinstituten eingewiesen werden. Vergleichsweise wurden damals mehrere tausend Stellen in der Weltraumforschung in den USA besetzt, wohin es auch viele junge Wissenschaftler aus Deutschland zog. Die jährlichen festen Haushaltsmittel einer mittelgroßen Sternwarte betrugen nur 20000 DM, so dass selbst bescheidene Forschungsarbeit nur mit Drittmitteln möglich war, die unter anderem bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft beantragt werden konnten. Ganz unzureichend und starr war der für die astronomische Forschung wichtige Reiseetat zu Beobachtungsaufenthalten. Angesprochen wurde auch die mangelhafte Verbindung der Astronomie mit der Physik an den deutschen Universitäten. Überschneidungen bei Kernphysik und stellaren Energiequellen oder bei der Plasmaphysik und dem interstellaren Medium hätten die Zusammenarbeit schon damals dringend nahegelegt. Es musste also vieles besser werden, und dafür zeigten die Verfasser der Denkschrift die Ziele auf. Die erhoffte Aufbruchsstimmung wurde auch durch das „Wirtschaftswunder“ in den 1950er Jahren in der Bundesrepublik beflügelt. Empfohlen wurden: 24 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 25 – Der Ausbau der bestehenden Institute durch Schaffung neuer Lehrstühle, gut dotierter Stellen im akademischen Mittelbau für selbstständige Forschungsarbeit und technische Spezialkräfte, beispielsweise für Elektronik. – Verdreifachung der Haushaltsmittel mit „elastischen“ Verwendungsmöglichkeiten für Personal, Reisen und Auslandsaufenthalte. – Bau einer optischen Sternwarte mit einem großen Fernrohr in günstigem Klima, bevorzugt auf der Südhalbkugel. – Bau eines großen Radioteleskops, um den Anschluss an die internationale Forschung zu sichern, was mit der Bonner 25 m-Antenne auf dem Stockert nicht möglich sein würde. Da ein neues großes Teleskop nicht einem Universitäts-Institut angegliedert werden konnte, wurde bereits die Suche nach einem Betreiber mit Verbindung zur Universität, aber ohne Abhängigkeit von deren Finanzierung und Personalstruktur, empfohlen. – Aufbau von Arbeitsgruppen für die Weltraumforschung, insbesondere für die Astronomie von einem extraterrestrischen Standort aus. Damit sollten neue Wellenlängenbereiche erschlossen und die Luftunruhe überwunden werden. Gerade weil gleichzeitig die gemeinsame „European Space Research Organisation“ (ESRO) aufgebaut wurde, sollte die Bundesrepublik hier investieren, um in das Gemeinschaftsunternehmen mit dem gleichen personellen und wissenschaftlichen Potenzial zu starten, das die anderen europäischen Mitgliedsländer schon besaßen. – Förderung des Nachwuchses durch astronomische Grundvorlesungen an allen Universitäten und Technischen Hochschulen. Behandlung astronomischer Fragen in den Schulen und Förderung von Volkssternwarten, Planetarien und der Arbeit der Liebhaberastronomen. 2.3 Von der Denkschrift zur Gründung des Max-Planck-Instituts für Astronomie Die Denkschrift hat die unbefriedigende Lage der Astronomie in unserem Lande zu Beginn der 1960er Jahre treffend dargestellt. Auch die Schwerpunkte für die gewünschte Entwicklung waren richtig gewählt: Optische Sternwarte, Radioastronomie und Weltraumforschung. Aber es war ein Sachstandsbericht mit einer langen Wunschliste. Sie reichte von größeren Teleskopen, über besser ausgestattete Bibliotheken, den Neubau von Instituten, mehr Ordinarien und Dauerstellen für Wissenschaftlern bis zu stärkerer 25 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 26 Förderung internationaler Projekte und besserem Schulunterricht. Damit waren in unserem förderalistisch gegliederten Land sehr verschiedene mögliche Helfer angesprochen: die Bundesregierung, die damals noch gar kein Forschungsministerium hatte, die Länderregierungen mit ihrer ausschließlichen Zuständigkeit für Universitäten und Schulen, die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Der Denkschrift fehlte aus heutiger Sicht ein „Implementierungsplan“. Die gewünschten Vorhaben waren nicht hinreichend konkretisiert, es gab keine Kostenabschätzung und keine Zeitpläne. So ist es nicht verwunderlich, dass die Sache kein Selbstläufer wurde. Abb. 2.3-1: Walter Fricke war im Jahre 1962 Direktor des Astronomischen Rechenzentrums in Heidelberg und Vorsitzender des Rates Westdeutscher Sternwarten. Er hat wichtigen Anteil an der Schaffung des MPI für Astronomie und des Instituts für Theoretische Astrophysik in Heidelberg (ARI). 2.3.1 Drei Kommissionen prüfen das Vorhaben Der Rat Westdeutscher Sternwarten, oft gerügt als „aus zu vielen Individualisten bestehend“ (Wolfgang Gentner), wurde diesmal erstaunlich schnell aktiv. Der Vorsitzende, Walter Fricke (Abb. 2.3-1) vom Astronomischen Recheninstitut Heidelberg, schrieb im Sommer 1962 an den Bundesinnenminister Hermann Höcherl mit der Bitte um Unterstützung für „eine deutsche Sternwarte auf der Südhalbkugel“. Das Ministerium erbat zunächst eine Stellungnahme des Wissenschaftsrates, um gute Karten bei den intermini- 26 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 27 steriellen Beratungen zu bekommen. Zu dieser Zeit waren die Zuständigkeiten für die Forschungsförderung im Nachkriegs-Deutschland noch unübersichtlich geregelt. In einem interministeriellen Ausschuss waren das Innenministerium, das Außenministerium, das Verkehrsministerium und das Atomministerium vertreten. Bei der allgemeinen Forschungsförderung war das Innenministerium federführend, bei der Weltraumforschung das Atomministerium. Der 1957 gegründete Wissenschaftsrat koordinierte die Wissenschaftsförderung zwischen den damals 11 Bundesländern und dem Bund, wobei letzterer in der föderalistischen Gliederung der Bundesrepublik für Bildung und Wissenschaft kaum zuständig war. Der Präsident des Wissenschaftsrates, Ludwig Raiser, wurde von Fricke um die von der Politik gewünschte Empfehlung für eine Südsternwarte gebeten. Beigelegt hatte Fricke seinem Schreiben ein neunseitiges Memorandum „Über die Notwendigkeit einer deutschen Sternwarte auf der Südhalbkugel“. Dieses Papier hatte der Rat Westdeutscher Sternwarten im April 1962 von einer eigenen Kommission unter dem Vorsitz von Hans Elsässer erarbeiten lassen. Mit der erfolgten Befürwortung durch den Wissenschaftsrat setzte sich Minister Höcherl für die Gründung der Sternwarte ein. Er musste die Angelegenheit aber kurze Zeit später an das neue Wissenschaftsministerium abgeben. Dort wurde angestrebt, die Sternwarte mit Bundesmitteln zu errichten und als Bundesanstalt zu unterhalten. Diese Absicht wurde aber sogleich von den Kultusministern der deutschen Bundesländer durchkreuzt, die es nicht als Aufgabe des Bundes sahen, eine solche Anstalt zu gründen, sondern als eine Aufgabe der Länder. Eifersüchteleien bei der Standortfrage für das Heimatinstitut und damit weitere Verzögerungen waren zu befürchten. So entstand schließlich die Idee, die Angelegenheit in die Max-Planck-Gesellschaft zu tragen, da diese gemeinsam von Bund und Ländern finanziert wird. Gestützt vom Rat Westdeutscher Sternwarten unternahmen daraufhin Reimar Lüst (Abb. 2.3-2), Mitglied des Wissenschaftsrates und Direktor des Instituts für extraterrestrische Physik des Max-Planck-Instituts für Physik und Astrophysik, und Hans Elsässer, seit knapp zwei Jahren Direktor der Landessternwarte, einen Vorstoß beim Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft. Am 22. Mai 1964 konnten sie Adolf Butenandt überzeugen, dass die MPG der richtige Träger für das deutsche Sternwartenprojekt ist. Sein einziger Vorbehalt war, in einem Gespräch mit Wissenschaftsminister Hans Lenz zu klären, ob sich die MPG hier einschalten solle, nachdem sich auch das Ministerium bereits für die Südsternwarten-Pläne interessierte. Nach grünem Licht aus Bonn und vom Senat der MPG beauftragte der Präsident am 13. Januar 1965 den Vorsitzenden der ChemischPhysikalisch-Technischen Sektion (CPTS) des Wissenschaftlichen Rates der MPG, Werner Köster, mit der Bildung einer entsprechenden Kommission. Sie solle prüfen, ob 27 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 28 Abb. 2.3-2: Reimar Lüst hat sich als damaliges Mitglied des Wissenschaftsrates große Verdienste bei der Schaffung des MPI für Astronomie erworben. Als Präsident der MaxPlanck-Gesellschaft förderte er den weiteren Aufbau des Instituts und seiner Sternwarten. die Voraussetzungen für die Gründung einer solchen Sternwarte in der MPG gegeben seien. Er empfahl außerdem, der schon weiter vorangetriebenen Gründung eines MPI für Radioastronomie Vorrang vor der optischen Astronomie zu geben und wegen der engen sachlichen Verbindung die „Radioastronomie-Kommission“ auch für das Sternwartenprojekt einzusetzen. Dieser Kommission gehörten neben dem CPTS-Vorsitzenden Köster auch Ludwig Biermann, Walter Dieminger, Wolfgang Gentner, Reimar Lüst, Arnulf Schlüter und Carl Wagner an. In mehreren Sitzungen in den Jahren 1965 und 1966 hat diese Gruppe sehr sachkundig und fleißig alle relevanten Fragen behandelt: wissenschaftliche Ziele, Instrumentierung und internationaler Vergleich, Standortwahl, 28 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 29 Mittelbedarf, Zeitskala der Realisierbarkeit, Verhältnis zu den Universitätsinstituten. Um Befürchtungen der Universitäts-Sternwarten von Anfang an entgegenzutreten, wurde klar gesagt, dass das neue Institut nicht die „guten Leute von den Sternwarten abziehen“, sondern dass es überwiegend Physiker rekrutieren wird. Einigkeit herrschte auch darüber, dass nach den jahrzehntelangen vergeblichen Bemühungen der deutschen Astronomie dieses Projekt schnellstmöglich realisiert werden sollte, da „die gegenwärtigen Umstände günstiger sein dürften, als sie jemals zu Lebzeiten eines der heute lebenden Astronomen gewesen sind“. Ausführlich wurde auch die Besetzung des Direktorpostens diskutiert; dabei wurden die Stärken der verschiedenen Kandidaten aus Deutschland und den USA abgewogen. Vorgespräche zeigten schnell, dass die erstklassigen amerikanischen Kandidaten die hervorragenden Arbeitsmöglichkeiten in ihrem eigenen Land bevorzugten und kaum für eine lange Aufbauphase im Ausland zu gewinnen wären. Unter den deutschen Kandidaten hatte sich Hans Elsässer bereits als guter Organisator und vielseitiger Wissenschaftler qualifiziert. Seine neuen Aktivitäten an der Landessternwarte (Infrarot, Weltraum, 1.23 m-Teleskop, …) und sein mehrjähriger Einsatz für eine Südsternwarte hatten Eindruck gemacht. Ein Vorhaben von damals geschätzten 75 Millionen DM konnte die MPG nicht aus dem laufenden Haushalt finanzieren, sie musste sich wegen der Anfangsinvestitionen erneut an den Bund wenden. Vor der Prüfung einer Sonderfinanzierung für größere Institutsbestandteile wünschte das Wissenschaftsministerium deshalb im Mai 1966 eine aktuelle Stellungnahme des Wissenschaftsrates. Der musste sich nun zum dritten Male mit der Angelegenheit „Errichtung eines Max-Planck-Instituts für Astronomie“ befassen. Der Rat setzte eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Reimar Lüst ein. Die Gruppe war hochkarätig besetzt, ihr gehörten neben Vertretern der Regierung die Astronomen Otto Heckmann (Hamburg), Bengt Strömgren (Kopenhagen) und Jan Hendrik Oort (Leiden) an. Diese Gruppe entwickelte die Leitlinie mit zwei Sternwarten für die Nord- und Südhalbkugel und einem Heimatinstitut als geistigem Zentrum. Dieser große Wurf ging deutlich über die Empfehlung der Denkschrift von 1962 für eine Südsternwarte zur Nutzung durch alle kleineren astronomischen Institute hinaus. In der Stellungnahme begründete der Wissenschaftsrat die Notwendigkeit der Ausstattung mit mehreren großen Teleskopen. Betont wurde, dass die neue Europäische Südsternwarte (ESO) kein Ersatz für eine nationale Einrichtung sein könne. Im Gegenteil, wollte man den hohen deutschen Beitrag zur ESO nutzen, müssten erstklassige Forschungsmöglichkeiten im eigenen Lande entwickelt werden. Als einzigen Kostendämpfer empfahl der Wissenschaftsrat die Aufstellung des 3.5 m-Teleskops an der „Mittelmeer-Station“ statt auf der Südhalbkugel. Die Errichtung des Instituts sei nun nach mehrjährigen Verzögerungen 29 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 30 Abb. 2.3-3: Lichtsammelnde Fläche der Teleskope mit einem Durchmesser > 50 cm einzelner Länder seit 1945. Während die USA mit ~ 80 m2 uneinholbar vorn liegen, ist die Bundesrepublik Deutschland mit ~ 2 m2 selbst vergleichbaren Ländern gegenüber weit im Rückstand (Wissenschaftsrat 1967). 80 70 60 50 40 30 USA Lichtsammelnde Fläche [m2] 20 18 16 14 12 10 Großbritannien 8 6 Frankreich 4 Italien 2 Bundesrepublik Deutschland 1945 30 1950 UdSSR 1955 Jahr Japan 1960 1965 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 31 dringend notwendig, denn inzwischen waren das Max-Planck-Institut für Radioastronomie und das Teilinstitut für extraterrestrische Physik gegründet worden, „nur die optische Astronomie als dritte Komponente fällt bei uns fast völlig aus“ (Abb. 2.3-3). Der Wissenschaftsrat empfahl, das Heimatinstitut aus einem bestehenden Hochschulinstitut herauswachsen zu lassen und das neue MPIA mit seinen beiden Sternwarten für Astronomen anderer Hochschulen „in einem bestimmten Umfang als eine Art Dienstleistungsbetrieb“ zu öffnen. Bei seiner Gesamtbetrachtung der Astronomie in der Bundesrepublik empfahl der Wissenschaftsrat interessanterweise bereits damals, mit Überlegungen zum Bau noch größerer Teleskope (5 bis 6 m) für die 1962 gegründete Europäische Südsternwarte zu beginnen, deren Mitglied Deutschland ist. 2.3.2 Der Gründungsbeschluss Im Juli 1967 musste der Kommissionsvorsitzende Reimar Lüst in einer Sitzungspause des Wissenschaftsrates mit PANAM von Berlin nach Hamburg und am gleichen Tage wieder zurück fliegen, um dem zögernden Kollegen Heckmann die Unterschrift unter die weiterreichende Empfehlung der Arbeitsgruppe förmlich abzuringen. Heckmann, der inzwischen erster Direktor der Europäischen Südsternwarte ESO geworden war, hatte etwas andere Vorstellungen zur Leitung des geplanten Max-Planck-Instituts. Nach positiven Signalen aus Bonn konnte die MPG die Gründung eines Max-Planck-Instituts für Astronomie endlich beschließen. Das geschah in der Senatssitzung vom 24. November 1967 in Göttingen. Wenige Tage später unterrichtete MPG-Präsident Butenandt dann Hans Elsässer über den Beschluss zur Gründung und seine Berufung zum Direktor. Zu einem späteren Zeitpunkt sollten weitere Direktoren für ein Direktorenkollegium berufen werden. Das alles stand noch unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit. Nun begannen die Verhandlungen der MPG mit Bund und Ländern zur finanziellen Sicherstellung des Vorhabens. Sie sollten innerhalb eines Jahres erfolgreich abgeschlossen werden. Dass die Hürden in drei Kommissionen, in Sektion, Verwaltungsrat und Senat der MPG erfolgreich übersprungen wurden, war keinesfalls selbstverständlich. In den 1960er Jahren hatte es eine Fülle von Vorschlägen für Instituts-Neugründungen gegeben, so für Radioastronomie, Festkörperforschung, Psycholinguistik, Biologische Kybernetik, Lebensbedingungen in der wissenschaftlich-technischen Welt. Deshalb befasste sich der Erweiterte Verwaltungsrat der MPG in einer Sitzung im Juli 1963 in Göttingen kritisch mit der neuen „Gründungsfreudigkeit“. Allein in den letzten fünf Jahren seien 24 Institute, selbstständige Abteilungen und Forschungsstellen entstanden, die zusätzlich 31 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 32 15 Mio. DM laufende Mittel erforderten. Zwei Beispiele von „herangetragenen Vorhaben“, die bereits bei der Vorprüfung ausgeschieden werden konnten, wurden dort genannt: ein Institut für Astronomie („wird nicht für notwendig gesehen ein solches Institut im Rahmen der MPG zu gründen“) und ein MPI für Blutforschung. Im März 1963 wandte sich ein Förderndes Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft, Generaldirektor Emil Frey von der Mannheimer Versicherungs-Gesellschaft, an den Vizepräsidenten der MPG. Nachdem er die 1962er Denkschrift „Astronomie“ gelesen hatte, sei ihm unwillkürlich der Gedanke gekommen: “Warum hat sich nicht die Max-Planck-Gesellschaft dieses Wissenschaftszweiges speziell angenommen?“ Ludwig Biermann, Direktor des Institutes für Astrophysik im Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik in München nahm dazu Stellung. Die MPG trüge doch zur Förderung der Astronomie bei, mit den Instituten für Astrophysik und für extraterrestrische Physik, und dann gäbe es auch noch die Europäische Südsternwarte und das Projekt einer deutschen optischen Südsternwarte. Er meinte: „wenn ich die für die Neugründung eines Max-Planck-Institutes üblichen Maßstäbe auf dieses Projekt anwende, möchte ich eher davon abraten, sich im Augenblick dafür zu interessieren“. Als dann der Vorschlag für die Gründung des Astronomie-Institutes wenige Jahre später doch Fahrt aufnahm, gab es noch einmal einen ernsthaften Mitbewerber. Der Vorschlag für ein Max-Planck-Institut für Musik wurde von mehreren Naturwissenschaftlern, darunter Nobelpreisträgern, und in der Spitze der MPG unterstützt. Auch der mögliche Direktor (ein Vertreter der neuen Musik) war schon gefunden. Dieses Institut wäre durchaus kostspielig geworden, da an ein eigenes Orchester mit großem Konzertsaal für die musikwissenschaftliche Forschung gedacht war. Realitätssinn führte in jenen Aufbaujahren der Bundesrepublik dann doch zunächst zu naturwissenschaftlichen Instituten. Neben der Personalie spielte der Standort des Heimatinstitutes eine wichtige Rolle. Die Vorentscheidung für Hans Elsässer war auch eine Vorentscheidung für Heidelberg. Hier konnte das neue MPI aus „seiner“ Landessternwarte herauswachsen, während die wissenschaftliche Arbeit weiterlief. Wolfgang Gentner vom MPI für Kernphysik unterstützte Heidelberg gegen die starke Münchner Konkurrenz. Gentner war selbst sehr am Kosmos interessiert und wollte das MPIA am liebsten neben seinem Institut am Bierhelderhof ansiedeln, um fruchtbare Wechselwirkungen auf einem großen Wissenschaftscampus zu erzielen. Mit all diesen Entscheidungen wurden die seit den späten 1920er Jahren in der KaiserWilhelm-Gesellschaft verfolgten Pläne für die Astronomie schließlich in ihrer Nachfolgeorganisation doch noch schrittweise verwirklicht. 1947 schuf Werner Heisenberg in seinem Max-Planck-Institut für Physik in Göttingen eine Abteilung für Astrophysik 32 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 33 unter der Leitung von Ludwig Biermann, der theoretisch arbeitete. Dieses Institut wurde, da Heisenberg einer Berufung folgen wollte, 1957 nach München verlegt. Es wurde dort in zwei Teilinstituten fortgeführt: Physik (Heisenberg) und Astrophysik (Biermann). 1963 entstand in Garching ein weiteres Teilinstitut für extraterrestrische Physik. Unter der Leitung von Reimar Lüst sollten Teleskope und Experimente für den Weltraum entwickelt werden. Das war der Einstieg in die beobachtende Astronomie. Es folgte 1965 die Gründung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn unter der Leitung von Otto Hachenberg, und schließlich im November 1967 der Gründungsbeschluss für das Max-Planck-Institut für Astronomie. Damit wurden für die Max-Planck-Institute astronomische Beobachtungen in allen Spektralbereichen möglich. Bis zur Arbeitsaufnahme dieses neuen MPIA sollten allerdings noch 13 Monate vergehen. 2.4 Arbeitsbeginn auf dem Königstuhl 2.4.1 Erste Mitarbeiter Im Oktober 1968 wurde Hans Elsässer offiziell zum Wissenschaftlichen Mitglied und Direktor des neu gegründeten Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg berufen. Er war damals 39 Jahre alt. Zunächst aber blieb er Direktor der Landessternwarte und Ordinarius an der Universität und damit Beamter des Landes Baden-Württemberg. Deshalb begann seine Leitung des MPIA formal als Nebentätigkeit. Die beiden Ämter sollten solange gleichzeitig von ihm ausgeübt werden, bis das neue MPIA über eigene Räume in einem Neubau verfügte. Drei Jahre waren dafür eingeplant. In diese Zeit fielen auch die 68er Unruhen an den Universitäten. Hans Elsässer war zu jener Zeit Prodekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität. Von diesem Amt trat er Anfang 1969 zurück und folgte damit dem Rücktritt des Dekans Heinz A. Staab, dem späteren Präsidenten der MPG. Zur Begründung schreibt Elsässer: er sehe die Universitäten zwar auch als reformbedürftig an, vermisse aber in der angestrebten neuen Grundordnung das Leistungsprinzip. „Mitspracherecht [der Nichtordinarien], das nicht durch fachliche Kompetenz begründet ist, wird zu unsachlichen Entscheidungen führen, denen stundenlange, zermürbende Diskussionen in zahllosen vorgesehenen Gremien vorausgehen“. Institutsbesetzungen, Kundgebungen, Sit-Ins, wie sie damals vor allem unter den geisteswissenschaftlichen Studenten verbreitet waren, gab es in den astronomischen Instituten in Heidelberg nicht. 33 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 34 Die ersten fünf Vollzeitmitarbeiter konnte das MPIA ab Februar 1969 einstellen. Es waren die Mechaniker und Sichtexpeditions-Techniker Wolfgang Hormuth und Franz Pihale, der Elektroniker Bodo Schwarze und die Wissenschaftler Thorsten Neckel und Dietrich Lemke. Im April 1969 folgten die Sekretärin Traudel Filsinger und die Wissenschaftler Walter Herrmann und Josef Solf. Bis zum Ende dieses ersten Jahres war das Personal auf sechs Wissenschaftler und sieben Angestellte in Technik und Verwaltung angewachsen. Die Mitarbeiterzahl des MPIA stieg in den Folgejahren stetig an, und so wurden die „Gäste“ in den Räumen der Landessternwarte (LSW) bald zahlreicher als die Hausherren. Trotz zunehmender räumlicher Enge war die Zusammenarbeit der verschiedenen Institutsmitglieder gut. Hans Elsässer verfasste den Jahresbericht für die „Mitteilungen der Astronomischen Gesellschaft“ in den Jahren 1969 bis 1974 für beide Institute gemeinsam. Diese mehrjährige enge Verflechtung der unterschiedlich finanzierten Institute in Räumen eines Landesinstituts zog bald die Aufmerksamkeit des Landesrechnungshofs Baden-Württemberg auf sich. In einem mehrseitigen Prüfbericht wurden an den Direktor der beiden verschachtelten Institute Fragen nach der räumlichen und finanziellen Abgrenzung zwischen MPIA und LSW gestellt, so nach den Mieten des MPIA für die Raum- und Labornutzung in der Landessternwarte. Elsässer antwortete darauf sehr gelassen, dass vom Land immer wieder die enge Zusammenarbeit der Heidelberger Astronomischen Institute verlangt werde, die in der Praxis auch gut funktioniere. Er könne die Trennung der gemeinsamen Projekte auf die letzte D-Mark nicht ohne großen Aufwand vornehmen. Und im Übrigen profitiere die Landessternwarte doch beträchtlich bei gemeinsamen Vorhaben vom MPIA, so bei Telefon- und Reisekosten. Der Landesrechnungshof war mit der Antwort nicht ganz zufrieden, beharrte aber nicht weiter auf Details. Erst als die Verlängerung der Nebentätigkeitsgenehmigung nicht pünktlich beantragt wurde, hakte er wieder nach … Im Mai 1975 endete die gemeinsame Leitung von LSW und MPIA durch Hans Elsässer. Er bat das Land Baden-Württemberg um Entlassung als Landesbeamter und konzentrierte sich von nun an auf die Leitung und den weiteren Aufbau des MPIA. Auf die freigewordene Direktorenstelle an der Landessternwarte wurde Immo Appenzeller berufen. 2.4.2 Der Neubau – preisgekrönt Einen schnelleren Start als mit dem Neubau eines Institutgebäudes hätte der Kauf einer geeigneten Immobilie in Heidelberg ermöglicht. Der Max-Planck-Gesellschaft wurde von einer Mannheimer Immobilien-Firma 1967 die Villa Bosch am Schloßwolfsbrun- 34 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 35 Abb. 2.4-1: Die Villa Bosch mit mehreren Nebengebäuden und dem umgebenden Park (Bildmitte) am Schloßwolfsbrunnenweg war als Heimatinstitut für das MPIA im Gespräch. Auch die im Vordergrund befindliche Villa hätte erworben werden können. Oben rechts ist die Alte Brücke zu erkennen und am Ufer die Ziegelhäuser Landstrasse, an der ebenfalls ein exklusives Grundstück angeboten wurde. Nachdem der Süddeutsche Rundfunk die Gebäude der Villa Bosch genutzt hat, beherbergen sie heute die Klaus Tschira Stiftung, die dem MPIA vielfältig verbunden ist (LossenFoto, MPG Archiv). 35 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 36 nenweg im Stadtteil Schlierbach angeboten (Abb. 2.4-1). Da gab es mehrere prächtige Gebäude auf einem sehr ausgedehnten Grundstück. Wunderbare Blicke ins Neckartal und die historische Verbindung zu einem ehemaligen Präsidenten der Kaiser-WilhelmGesellschaft, Nobelpreisträger und Astronomiebegeisterten, machten das Angebot zusätzlich attraktiv. Hans Elsässer wurde daraufhin um eine Aufstellung der Nutzflächen für das projektierte Heimatinstitut gebeten. Die MPG-Bauabteilung prüfte Elsässers Planung und befand, dass sich das Raumprogramm in der Villa Bosch verwirklichen ließe. Aber die Chance für den Erwerb der wertvollen Immobilie (~ 3.6 Mio. DM) war nur für kurze Zeit gegeben: knapp drei Monate nach dem Angebot wurde der MPG der inzwischen erfolgte Verkauf an den Süddeutschen Rundfunk mitgeteilt. Die Maklerfirma legte weitere Angebote an die MPG nach: 15000 Quadratmeter am Wieblinger Neckarufer mit eigenem Wasserkraftwerk (Kaplan-Turbine mit 12 cbm Schluckvermögen und 185000 KWh monatlicher Stromerzeugung), ein großes Grundstück an der Ziegelhäuser Landstraße mit unverbaubarem Schloss- und Königstuhl-Blick … Aber Hans Elsässer wollte den Neubau eines eigenen größeren Institutsgebäudes auf einem Bauplatz neben der Landessternwarte auf dem Königstuhl. Die berühmte Villa Bosch übrigens wechselte Abb. 2.4-2: Das erste eigene Gebäude des geplanten MPI für Astronomie war eine Holzbaracke von „Streif-Elementebau“, bestehend aus zwei der abgebildeten Bau-Elemente. Sie wurde vom fertig gestellten MPI für Kernphysik am Bierhelderhof abgegeben und im Herbst 1967 auf das Gelände der Landessternwarte transportiert. Aufgestellt neben der heutigen Durchgangstüre zwischen LWS und MPIA, wurde sie damals vom Baubeauftragten Klaus Heckl und den Mitarbeitern der Sichtexpeditionen für die Süd-Sternwarten bezogen (Streif Firmenprospekt). 36 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 37 Abb. 2.4-3: Der Bebauungs- und Landschaftsgestaltungs-Plan wurde am 1. Dezember 1970 dem Bauausschuss des Heidelberger Gemeinderats vorgetragen und dort unter der Voraussetzung genehmigt, dass „… die endgültigen Eingabepläne keine wesentlichen Änderungen gegenüber heutiger Planung aufweisen“. Wichtig war der Sichtschutz durch Bäume gegen die angrenzenden Waldwege. Oben rechts grenzt das MIPAGelände an das der Landessternwarte. Das schräg stehende Gebäude am Übergang ist die bereits 1967 aufgestellte MPIA-Baracke, siehe Abb. 2.4-2 (MPG Archiv). 37 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 38 nochmals den Besitzer, sie ist seit 1997 Sitz der Klaus Tschira Stiftung. Klaus Tschira ist heute Kuratoriumsmitglied des MPIA und stiftete den Bau des „Hauses der Astronomie“ auf dem jetzigen MPIA-Gelände auf dem Königstuhl. So verflechten sich Geschichten. Das allererste Gebäude des neuen Institutes auf dem Königstuhl war eine Holzbaracke der Firma Streif-Elementbau (Abb. 2.4-2), mit den Abmessungen 17.5 m × 6.25 m. Sie wurde im September 1968 vom MPI für Kernphysik am Bierhelderhof, wo die Bauarbeiten abgeschlossen waren, zum Königstuhl gebracht. Diese erste kleine Baumaßnahme war schon eine gute Übung für Größeres: Da das MPIA offiziell noch gar nicht mit seiner Arbeit begonnen hatte, verfügte es über kein Gelände und keinen Etat. Deshalb ließ Elsässer die Baracke auf dem Gelände der Landessternwarte aufstellen. Aber nun verlangte das Forstamt Heidelberg aus Sicherheitsgründen 30 m Abstand zum Stadtwald, das Gewerbeaufsichtsamt den Einbau von Aborten. Die neugeschaffene Institutsbetreuung mit Günter Preiß in München regelte alle Auflagen bestens: verzichtete auf mögliche Schadensersatzansprüche, ließ Sanitäres installieren und übernahm die Betriebskosten bis zum Jahresende 1968. Der Vorgang zeigte deutlich, dass das MPIA zum weiteren Aufbau dringend einen Baufachmann mit eigenem Sekretariat benötigte. Im Jahre 1969 erwarb die Max-Planck-Gesellschaft von der Stadt Heidelberg das 5.2 ha große Waldgelände neben der Landessternwarte. 2 ha wurden sofort gekauft, der Rest sollte bis 1973 gekauft werden. Maßgeblich gefördert wurde das Neubauvorhaben durch Oberbürgermeister Reinhold Zundel, der Heidelberg durch Ansiedlung neuer Institute zu einer auch wirtschaftlich starken Stadt der Wissenschaft machen wollte. Der Bebauungs- und Landschaftsgestaltungsplan (Abb. 2.4-3) wurde am 1. Dezember 1970 dem Bauausschuss des Heidelberger Gemeinderates vorgetragen. Er wurde dort genehmigt, unter der Voraussetzung, dass „die endgültigen Eingabepläne keine wesentlichen Änderungen gegenüber heutiger Planung aufweisen“. Wichtig war dem Ausschuss der Sichtschutz durch Bäume gegenüber den angrenzenden Waldwegen. Auch von der Rheinebene aus sollte das Institut nicht auffallen. Kurz zuvor hatten die umfangreichen Rodungsarbeiten auf dem Königstuhl begonnen (Abb. 2.4-4). Da der gleichzeitige Aufbau von Heimat-Institut und den beiden Sternwarten für mehrere Jahre einen erheblichen Mittelbedarf bei der MPG erwarten ließ, bemühte sich Elsässer um weitere Fördermittel. So erklärte sich das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung (BMwF) ihm gegenüber grundsätzlich bereit, Mittel aus der „Förderung der Weltraumforschung“ zuzuschießen. Elsässer begründete seine extraterrestrischen Pläne mit dem Ballon-Teleskop THISBE und der Sonnensonde HELIOS, beides Projekte, die er von der Landessternwarte ans MPIA verlagern wollte. Verhandlungen zwischen der MPG und dem Ministerium führten dann zu der Aufteilung des Bauvor- 38 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 39 Abb. 2.4-4: „Schiebebagger dröhnen. Feuer rauchen. Gerodete Baumstümpfe werden verbrannt. Riesenfindlinge aus Sandstein liegen mitten im Schlammfeld des aus dem Wald herausgenommenen 5.2 Hektar großen Geländes hinter der Landessternwarte auf dem Königstuhl. Hier bereitet man den Baugrund … für das Max-Planck-Institut für Astronomie“. Zitat aus dem „Heidelberger Tageblatt“ vom 19. November 1970 (Archiv Ballerin). habens auf dem Königstuhl in zwei Bauabschnitte: 1. Extraterrestrische Astronomie und 2. Allgemeine Astronomie. Das Ministerium wollte ausschließlich die Extraterrestrik finanzieren, nicht aber allgemeine Einrichtungen wie Verwaltung, Bibliothek und Kantine. Der Finanzierungsantrag an das BMwF unterscheidet deshalb die Aufteilung in drei Institutsbereiche mit folgenden Nutzflächenanteilen: 1. Extraterrestrische Astronomie (32 %), 2. Allgemeine Astronomie (49 %) und 3. Gemeinsame Einrichtungen (19 %). Klugerweise enthielt der beantragte Bereich 1 neben den Extraterrestrik-Labors (den heutigen Experimentierhallen) auch die gesamte Werkstatt. Diese Sonderfinanzierung erklärt die Aufteilung des Institutgebäudes in zwei rechtwinklig zueinander angeordnete Baukörper. Bewilligt wurden im August 1971 schließlich 4.3 Millionen DM, abzurufen 39 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 40 Abb. 2.4-5 a, b, c: Die drei Bilder dokumentieren den Baufortschritt vom Beginn im Herbst 1971 bis zur Fertigstellung im Jahre 1975. Auf allen Luftbildern ist die benachbarte Landessternwarte zu erkennen, aus der das MPIA herauswuchs (MPIA). in den Haushaltsjahren 1971 bis 1973. Der Baufortschritt in jenen Jahren gestaltete sich etwas langsamer, und so mussten durch viele kluge Maßnahmen der Generalverwaltung der MPG der Mittelabfluss und die Bindung der Gelder dem jeweiligen Baubedarf angepasst werden (Abb. 2.4-5 a, b, c). Die Bauvollmacht für den Königstuhl blieb bei der Bauabteilung der Max-Planck-Gesellschaft in München. Bauherr war das MPIA, vertreten durch Hans Elsässer. Der wiederum beauftragte im Juni 1970 Dipl. Ing. Klaus Heckl mit der Wahrnehmung der Aufgaben. Für sein kleines Bauaufsichtsbüro benötigte dieser eine Sekretärin, die Elsässer für ihn einstellte, ohne dass Heckl sie vorher sehen konnte. Es stellte sich schnell heraus, dass die neue Sekretärin keinerlei Schreibmaschinenkenntnisse besaß, sie musste alles in der Baubaracke erlernen. Elsässer hatte möglicherweise die Fachkenntnisse falsch eingeschätzt, 40 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 41 Abb. 2.4-5 b Abb. 2.4-5 c 41 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 42 Abb. 2.4-6: Die Großbaustelle des MPIA im Sommer 1974. Die Gebäude wurden von den Architekten Fritz Jarchow und Robert Wächter vom Heidelberger Architekturbüro Mutschler entworfen. Gebaut wurden sie von Arbeitern der Mannheimer Baufirma Renner und Butsch (Foto Ballerin). nicht aber das Talent der jungen Dame. Einige Jahre später wurde sie die Chefsekretärin des Vorstandsvorsitzenden eines der größten deutschen Verlagshäuser. Den Architektenwettbewerb für den Bau des Heimatinstitutes auf dem Königstuhl gewann das Architekturbüro Carlfried Mutschler aus Heidelberg. Diese Architekten hatten sich durch Entwürfe für größere öffentliche Gebäude in Mannheim und Heidelberg (Helmholtz-Gymnasium) einen Namen gemacht. Sie bevorzugten die Stilrichtung „Sichtbeton“ (Abb. 2.4-6). Der Entwurf berücksichtigte die sehr unterschiedlichen Anforderungen an Arbeitsräume, Labors, Experimentierhallen, Werkstätten, Gemeinschaftseinrichtungen und Begegnungsräume. Mutschler entwickelte das Gebäude von „innen nach außen“. Die ideal gestalteten Innenräume wurden schließlich in eine Außenhülle aus nacktem Beton gepackt, die auch die beiden unterschiedlich finanzierten Baukörper der „Extraterrestrik“ und der „Allgemeinen Astronomie“ harmonisch zusammenfasste. Außen gibt es nur wenige schmückende Elemente am Bau. Sie beschränkten sich weitgehend auf wasserfallähnliche Regenabläufe mit bizarren Eiszapfenbildungen im Winter und auf die Tropfen fangende Betonpyramide am Haupteingang. Das Gebäude sollte, aus 42 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 43 Abb. 2.4-7: Als letztes Gebäude wurde das Astrolabor ab Anfang 1974 in Angriff genommen, ebenfalls im Sichtbeton-Stil. Hier sollten die Instrumente für die Teleskope an den Süd-Sternwarten getestet werden („im Probierstübchen“, so das „Heidelberger Tageblatt“). einigem Abstand gesehen, an eine Felsgruppe auf dem Berggipfel erinnern. Durch Treppenvorbauten und abgeschrägte Wandflächen passt sich das große Gebäude der abfallenden Landschaftsform der Bergkuppe an. Die einzelnen Bauelemente, wie Wände und Geländer, wurden in (zu) sparsamer Dicke ausgeführt. Das bedeutete, dass die Stahlarmierung oft nur ~ 2 cm unter der Betonoberfläche liegt. Damals fehlte die Erfahrung, dass so etwas in wenigen Jahrzehnten Betonsanierungen erforderlich machen würde. Insbesondere auf dem häufig in Wolken gehüllten Königstuhl setzte die in den Regenwolken enthaltene Säure aus Abgasen dem Baustoff zu. Die Verschalung für den flüssigen Betoneintrag bestand aus schmalen Bretterwänden, deren Abdrücke mit Ritzen, Holzmaserung, Astlöchern und Laubblättern in einigen bisher nicht überstrichenen Wandflächen auch gegenwärtig noch gut erkennbar sind. Das Haupttreppenhaus mit verschachtelten Säulen und Querbalken aus nacktem grauem Beton gibt heute noch den besten Eindruck von diesem Baustil der späten 1960er Jahre. Ebenfalls typisch für die Sichtbetonarbeiten aus dieser Zeit sind die gebrochenen Kanten am gesamten Gebäude. Das MPIA ist der letzte große Sichtbetonbau aus dieser früheren Bau-Epoche in Heidelberg (Abb. 2.4-7). Inzwi- 43 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 44 Abb. 2.4-8: Einweihungsfeier des neuen Institutes am 4. Mai 1976. Erste Reihe von rechts: Hans Elsässer (Direktor), Wolfgang Gentner (Direktor MPI für Kernphysik), Reinhold Zundel (Oberbürgermeister), Ruth Elsässer, Reimar Lüst (Präsident der Max-Planck-Gesellschaft), Adolf Butenandt (Präsident der Max-Planck-Gesellschaft im Gründungszeitraum). In der ersten Reihe dritter und vierter von links: Padre Romana (Direktor Ebro-Observatorium), Nunez de las Cuevas (Generaldirektor Instituto Geografico Nacional). In der zweiten Reihe von rechts: Ludwig Biermann (Direktor MPI Physik und Astrophysik), Bengt Strömgren (Vorsitzender MPIA-Fachbeirat), Walter Fricke (Direktor des Astronomischen Recheninstituts). Links außen: Horst Schneider und Otto Meitinger von der MPG-Bauabteilung (MPIA). schen wird in der Stadt ein veränderter Sichtbeton-Stil mit glatten Verschalungen und scharfen Kanten wiederbelebt (Südasien-Institut, Polizeipräsidium). Beim Bau des Heimat-Institutes gab es, ähnlich wie gleichzeitig am Calar Alto, einiges Unvorhergesehenes. So musste das Restgelände von 3 ha auf dem Königstuhl schon zwei Jahre vor dem geplanten Termin erworben werden, da die geplanten zwei Bauphasen doch enger verzahnt waren als anfangs gedacht. Ein größeres Vorfinanzierungsproblem musste daraufhin gelöst werden. Die veranschlagten Kosten und Termine wurden, wie üblich bei großen Bauvorhaben, überzogen und auf die dringenden Mahnungen des MPIA im Jahre 1974 antwortete der Architekt: „es ist mir nicht möglich, als planender und koordinierender Architekt irgendwelche verbindlich garantierten Termine zuzusagen“. Am 4. Mai 1976 konnte der Neubau feierlich eingeweiht werden. Anwesend beim Festakt 44 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 45 Abb. 2.4-9: Institutsbesprechung im neuen Institut. Von links die Kollegen (mit ihren damaligen Aufgaben): Karl-Heinz Sorg (Verwaltungsleiter), Josef Solf (Spektroskopie, Bipolare Nebel), Thorsten Neckel (Gamsberg, OB-Sterne), Hans Hippelein (Fabry-Perot), Hans Elsässer (Direktor), Dietrich Lemke (THISBE, HII-Regionen), Klaus Bahner (Teleskope), Christoph Leinert (HELIOS, Zodiakallicht), Ronald Weinberger (Bipolare Nebel) (MPIA). am Vormittag waren für die Max-Planck-Gesellschaft unter anderen Ehrenpräsident Adolf Butenandt, Präsident Reimar Lüst, die Leiter der Bauabteilung und die Institutsbetreuung (Abb. 2.4-8). Vertreten waren die Stadt mit dem Oberbürgermeister Reinhold Zundel, das Land Baden-Württemberg und die dem MPIA über den Calar Alto verbundene spanische Astronomie mit wichtigen Repräsentanten. Am Nachmittag stellten Wissenschaftler des Institutes in einem Festkolloquium die laufenden Forschungen vor. Am Folgetag begann die Beratung des neuen Wissenschaftlichen Fachbeirates unter dem Vorsitz von Bengt Strömgren (Nordita Kopenhagen, Präsident der Internationalen Astronomischen Union). Der im neuen Gebäude reichlich vorhandene Platz machte es ab jetzt möglich, die in der Institutssatzung vorgesehenen Institutsbesprechungen regelmäßiger durchzuführen (Abb. 2.4-9). Die Tagesordnung hatte in diesen Anfangsjahren üblicherweise nur zwei Punkte: 1. Bericht des Vorsitzenden(Elsässer), 2. Verschiedenes. Der MPIA-Neubau wurde im Jahre 1978 als „Gesamtkunstwerk“ mit dem Architekturpreis von Baden-Württemberg ausgezeichnet und hat Eingang in Kunst- und Architekturführer gefunden. Die Auszeichnungs-Plakette findet sich an einer Betonsäule im linken Eingangsbereich zum Hauptgebäude. Teil des „Gesamtkunstwerks MPIA“ ist auch die Vorplatzgestaltung. Hier und auf der südöstlichen Außenterrasse wurden Katzenkopf-Pflastersteine verlegt. Das sind sehr grob behauene Sandsteinquader aus dem am Königstuhl anstehenden Gestein. Diese Pflasterung sollte nach der Vorstellung des Architekten ein Stück Heidelberger Altstadt symbolisieren, zu der der Königstuhl ver- 45 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 46 Abb. 2.4-10: Nicht die Instituts-Fußballer, sondern Wildschweine haben den Sportplatz im InstitutsGelände verwüstet. Der Jagdpächter des Königstuhl-Reviers ersetzte den Schaden und versuchte weiteren vorzubeugen, durch „Ablenkungs-Fütterungen“ und „..durch 2 Drückjagden in Ihrem Bereich konnten einige Sauen zur Strecke kommen, wir wünschten, es wären einige mehr gewesen“ (MPIA). waltungsmäßig gehört, und sie sollte den Anblick des rauhen grauen Betons mildern. Das Heidelberger Schloss und viele historische Gebäude in der Altstadt bestehen aus diesem rötlichen Odenwald-Sandstein. Obgleich die alten Pflastersteine aus dem aufgelassenen Alt-Klinikum stammten, sollte Hans Elsässer, nach Einrede seines Architekten, im Vorplatz auch ein Stück des ähnlich anmutenden Schlosshofes wiedererkennen. Die Lage im Walde verschaffte dem Institut bald ungewohnte Gäste. Aus den Büroschränken im Astrolabor schauten gelegentlich Siebenschläfer heraus, nachdem sie die Akten zu behaglichen Nestern zerpflückt hatten. Wildschwein-Rotten zerpflügten den gärtner-gepflegten Rasen (Abb. 2.4-10). Der Jagdpächter lag daraufhin einige Abende lang mit seiner Flinte auf dem Dach des Instituts, aber in jenen Nächten zeigten sich die Tiere nicht. Ein Elektrozaun um das gesamte Institutsgelände, errichtet mit Kostenbeteiligung des Jagdpächters, hielt seither die ungebetenen nächtlichen Besucher dauerhaft fern. 46 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 47 2.5 Calar Alto – die Nord-Sternwarte Trotz der jahrzehntelangen Bemühungen der deutschen Astronomen um eine Sternwarte in günstigem Klima, hatte es nur wenige vorbereitende Standortuntersuchungen gegeben. Als die Firma Zeiss beim Vertragsabschluss für das 1.23 m-Teleskop der Landessternwarte im Jahre 1966 eine Lieferzeit von nur 3 Jahren angab, musste es schnell gehen: Wo konnte in so kurzer Zeit ein Kuppelgebäude zu seiner Aufnahme errichtet werden? Der Anschluss an eine bestehende Sternwarte im Mittelmeerraum schien unbefriedigend, denn es wurde auf Dauer mehr Platz gebraucht. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die das 1.23 mTeleskop bezahlte, erwog bereits auch den Umzug des großen Hamburger Schmidt-Spiegels an den noch auszuwählenden klimatisch günstigen Ort zu finanzieren. Und es gab in diesen Jahren Hoffnungen auf die baldige Gründung eines Max-Planck-Instituts für Astronomie, das eigene große Teleskope haben würde. Elsässer bevorzugte deshalb die Suche nach einem neuen Platz, der Erweiterungsmöglichkeiten bot. Unter dem gegebenen Zeitdruck wurde in Heidelberg mittels meteorologischer und geographischer Karten eine Vorauswahl getroffen. Bedingungen waren dabei: 1 2 3 4 Geringe Bewölkung für möglichst viele Beobachtungsnächte; Lage oberhalb der bodennahen Dunstschicht, also höher als 1500 m; Keine Himmelsaufhellungen durch Siedlungen und Industrie-Abgase; Keine Beeinträchtigung durch atmosphärische Sandeintrübungen aus der Sahara; 5 Schnelle Erreichbarkeit von Deutschland aus; 6 Möglichst weit südlich, um auch im Sommer dunkle Nächte zu haben. Erörtert wurden Sizilien (aber: Ätna-Rauch, Schirokko), das Taurus-Gebirge in der Türkei (aber: zu weit weg, zu wenig erschlossen), Spanien (aber: Calina-Staubdunst, höhere Bewölkung auf küstenferneren Bergen), Kanarische Inseln (aber: zu weit weg, Saharastaub) und Griechenland. Insbesondere der östliche Peloponnes, berühmt durch die sonnenreiche Ägäis-Küste, schien verlockend. Im parallel zu dieser Küste verlaufenden Parnon-Gebirge wurden ab Dezember 1967 Sichtbeobachtungen durch die Heidelberger Sternwarte durchgeführt. In der 1800 m hoch gelegenen Station wurden atmosphärische Durchsichtigkeit, Luftunruhe (Seeing), Bewölkungsgrad, sowie Temperatur, Feuchte und Windgeschwindigkeit in verschiedenen Höhen über dem Boden gemessen. Die 47 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 48 Abb. 2.5-1: Sichtexpedition in Südspanien in der Sierra Nevada im August 1969. Von links: George Herbig (Lick-Observatorium und später Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied des MPIA), Hans Elsässer, Kurt Voelcker (Kurt Birkle). Ergebnisse schienen vielversprechend, mit etwa 200 Beobachtungsnächten konnte gerechnet werden. Nachteilig war, dass es ausgedehntere Bergplateaus nur bis zu einer Höhe von etwa 1800 m gab, der Gipfel des Parnons mit 1935 m bot kaum Fläche für eine größere Sternwarte. Parallel zu Griechenland wurde vor allem Andalusien in Spanien im Auge behalten (Abb. 2.5-1). In der Sierra de Gador, der nordwestlich von Almeria gelegenen Gebirgskette, führten französische Astronomen eine Sichtexpedition durch. An deren Erkundung hat Kurt Voelker aus Heidelberg zeitweise teilgenommen. Mit den übrigen Heidelberger Sichtexpeditionen wurden Messdaten ausgetauscht und Besuche vereinbart. Der Standort in der Sierra de Gador wurde trotz befriedigender meteorologischer Daten schließlich von keinem Partner ausgewählt, da naher Erzabbau zu Staubbildung führte und der Himmel durch die wachsende Stadt Almeria und den zunehmenden Tourismus längs der Küste im Süden aufgehellt war. Inzwischen war beim Studium von neu beschafften Militärlandkarten Spaniens in Heidelberg die weiter von der Küste entfernte Bergregion der Sierra de los Filabres mit Höhen über 2000 m als interessant aufgefallen. Im Wettstreit um die besten Standortvorschläge hatte Theodor Schmidt-Kaler aus Bochum auf der Bamberger Tagung der Astronomischen Gesellschaft im Jahre 1967 diesen Gebirgszug bereits genannt. Kurt Birkle und Kurt Voelcker, beide griechenland-sichtexpeditionserfahren, wurden mit der 48 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 49 Abb. 2.5-2: Standortsuche in Spanien mit dem Dienst-„Käfer“. Kurt Birkle und Kurt Voelcker vor dem schneebedingt unpassierbaren Puerto de la Ragua in der Sierra Nevada am 31. Januar 1970. Am gleichen Tag „entdeckten“ beiden den Calar Alto (Kurt Birkle). Erkundung des Gebirges beauftragt. Am 31. Januar 1970 erreichten beide im Volkswagen-Käfer über Forstwege den Gipfel des Calar Alto (Abb. 2.5-2). Dass sie tatsächlich oben gewesen waren, bemerkten sie erst, als es wieder abwärts ging. Denn der Berg war an jenem Tag in Wolken eingehüllt. Am 4. Februar 1970, einem klaren Tag, beeindruckte sie das weitläufige flache Gipfelplateau in 2160 m Höhe. Sofort wurden meteorologische Instrumente aufgebaut, darunter Seeing-Monitore zur Messung der Luftunruhe mittels Sternspuren und später lichtelektrischer Aufzeichnung (Abb. 2.5-3). Es folgten eine Hütte und dann Baracken zum Leben und Arbeiten auf dem Berg. Birkles Anruf bei Elsässer, mit der Mitteilung einer möglichen Eignung des Berges, veranlasste diesen zu einem sofortigen Besuch Mitte Februar 1970: Es schien Liebe auf den ersten Blick zu sein. Ab jenem Zeitpunkt wurde, neben Vergleichsmessungen in der Sierra Nevada, vor allem dem Calar Alto die volle Aufmerksamkeit mit sorgfältigen Messungen aller meteorologischen und astronomischen Daten gewidmet. Der Vergleich mit den Sichtmessun- 49 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 50 Abb. 2.5-3: Photographische Seeing-Monitore auf dem Calar Alto im Winter 19701971. Im Hintergrund links die Sierra Nevada mit Spaniens höchsten Bergen (bis fast 3500 m) in 70 km Entfernung (Kurt Birkle). gen aus Griechenland und den französischen und eigenen aus der Sierra de Gador zeigte, dass an allen Standorten etwa gleich viele klare Nächte zu erwarten waren. Der Calar Alto zeichnete sich vor allem durch etwas besseres Wetter im Winter und das leichter zugängliche große, flache Gipfelgelände aus (Abb. 2.5-4). Bei den folgenden lückenlosen ganzjährigen Sichtbeobachtungen zeigte sich allerdings, dass die klimatologischen Werte etwas hinter den Erwartungen zurückblieben. Das wurde mit einem „merklichen Abfall des Klimas im gesamten Mittelmeerraum“ in den späten 1960er Jahren erklärt. Statt von 200 wurde nun von 180 Beobachtungsnächten von mindestens 6 Stunden Dauer ausgegangen. Erfreulicherweise erwiesen sich die Seeing-Werte am Calar Alto als sehr gut. Diese Richtungs- und Helligkeits-Schwankungen des Sternlichtes lieferten oft Sternbilder mit weniger als einer Bogensekunde Durchmesser (Abb. 2.5-5). Das ist für viele astronomische Messungen ebenso wichtig wie ein großer Fernrohrdurchmesser. Nach dieser Vorentscheidung für den Calar Alto als Standort für die NordhalbkugelSternwarte begannen im Jahre 1970 Verhandlungen zwischen der Max-Planck-Gesellschaft und den spanischen Regierungsstellen. Der Boden für diese Gespräche war gut vorbereitet: Im Jahre 1963 hatte MPG-Präsident Adolf Butenandt auf Einladung des 50 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 51 Abb. 2.5-4: Die wüstenähnliche trockene Landschaft in der spanischen Provinz Almeria. Im Hintergrund im Norden der 2168 m hohe Calar Alto mit seinem flachen Gipfelgelände. Das Bild entstand nach dem Bau des 3.5 m-Teleskopes (Kurt Birkle). 51 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 52 Abb. 2.5-5: Sternspuren bei verschiedener Luftunruhe, aufgenommen mit einem nicht nachgeführten 10 cm-Fernrohr auf Film. Das oberste Bild zeigt sehr gute Bedingungen mit einer Richtungsschwankung von ~ 0.2 Bogensekunden an, das untere ist bei schlechtem „Seeing“ von ~ 3.6 Bogensekunden aufgenommen. Solche photographischen und später lichtelektrischen Seeing-Monitore wurden vom MPIA bei den Sichtexpeditionen in Griechenland, Spanien und Südwestafrika eingesetzt (Kurt Birkle). spanischen Wissenschaftsrates das Land besucht und eine Vertiefung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland vereinbart. Die spanische Seite zeigte daher bei den Verhandlungen über die Errichtung einer Sternwarte auf dem Calar Alto viel Entgegenkommen, stellte das Gelände und eine umgebende Schutzzone von 95 Quadratkilometern, baute die Zufahrtsstraße, Strom- und Wasserleitungen (Abb. 2.5.6). Die deutsche Seite sollte alle Gebäude und die Instrumente der Sternwarte finanzieren und für die laufenden jährlichen Betriebskosten aufkommen. Das alles wurde in einem Vertrag zwischen der Max-Planck-Gesellschaft und der Spanischen Nationalen Kommission für Astronomie geregelt, eingebettet in ein Deutsch-Spanisches Regierungsabkommen vom Jahre 1972. Für die Laufzeit des Vertrages gab es unterschiedliche Vorstellungen: Deutschland strebte 99...50 Jahre an, Spanien dagegen wünschte 10...20 Jahre mit nur 5-jährigen Verlängerungsperioden (allein wegen der gewaltigen Größe des Geländes). Die Einigung sah dann 30 Jahre Laufzeit mit 10-jährigen Verlängerungen vor. Das Thema rückte 1973 nochmals in den Brennpunkt, als die Aufstellung des 3.5 m-Teleskops auf dem Calar Alto beschlossen wurde und dessen lange Bauzeit eine Inbetriebnahme nicht vor 1980 zu ermöglichen schien. Dann wären bereits 25 % der Vertragslaufzeit abgelaufen gewesen. Für diese große Investition wünschten das Bundesministerium und die MPG nun eine Laufzeit von 60...99 Jahren. Spanien aber wollte keine Vertragsänderung, beide Seiten verzichteten schließlich auf das Kündigungsrecht nach den ersten zwei Verlänge- 52 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 53 Abb. 2.5-6: Karten-Anhang zu den Deutsch-Spanischen Verträgen über die Errichtung der Calar Alto Sternwarte. Neben dem zentralen Sternwarten-Gelände ist eine 95 Quadratkilometer große Umgebungszone ausgewiesen. Dieses Gelände wurde kostenlos überlassen, blieb aber Eigentum des Spanischen Staates. Spanien trägt dafür Sorge, dass dort „… keine Beeinträchtigung des wissenschaftlichen Tätigkeit erfolgt“ (Archiv MPG). 53 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 54 rungsperioden. Spanien erhielt anfangs 10 % der Beobachtungszeit an den neuen Fernrohren. Das Land entsandte ein Mitglied seines nationalen Komitees für Astronomie in den Fachbeirat des MPIA und wirkte im Wissenschaftlichen Programmkomitee für die Beobachtungszeit-Vergabe am Calar Alto mit. Spanien stellte mit Felix Lahulla den zweiten Direktor des neuen Observatoriums, neben Kurt Birkle aus Heidelberg, der das MPIA als örtlicher Direktor auf dem Calar Alto vertrat. 2.6 Gamsberg – Besitz auf der Südhalbkugel Die Suche nach einem Standort für die Sternwarte auf der Südhalbkugel konzentrierte sich von Anfang an auf das südliche Afrika. Hans Elsässer hatte noch als Universitätsassistent in Tübingen an astronomischen Beobachtungen am Boyden-Observatorium bei Bloemfontein in Südafrika teilgenommen. 1956 war Elsässer als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft Teilnehmer einer Sichtexpedition der Europäischen Südsternwarte in Afrika. Er kannte daher die Vorteile des südlichen Afrika gegenüber dem von der ESO später bevorzugten Chile: geringere Entfernung und nur eine Stunde Zeitverschiebung (im Sommer keine) gegenüber Deutschland. Seit Mitte der 1960er Jahre betrieb die Landessternwarte am Boyden-Observatorium ein eigenes 50 cm-Teleskop, an dem Heidelberger Astronomen regelmäßig den Südhimmel erforschten. Aber Boyden war kein idealer Standort, da in nur 1300 m Höhe gelegen und relativ häufig bewölkt. Als sich 1967 die Nachricht von der beabsichtigten Gründung des Max-Planck-Instituts für Astronomie verbreitete, veranlasste sie zwei zeitweise in Boyden arbeitende junge Astronomen aus Heidelberg zu einer mutigen Erkundung in Richtung Westküste zu reisen – in das ehemalige Deutsch-Südwestafrika. Dort sollten die astronomischen Beobachtungsmöglichkeiten viel besser sein. Der aus der Antarktis kommende kalte Benguela-Meeresstrom kühlt auf seinem Weg entlang der afrikanischen Westküste die darüber liegende Luft stark ab, so dass sie wenig Feuchte enthält. Erwärmt sich diese Luft beim Transport auf das südafrikanische Festland, sinkt die relative Luftfeuchte noch weiter und führt zu einem wolkenarmen, trockenen Klima. Auf ähnliche Weise bewirkt der Humboldt-Strom die Trockenheit in Nord-Chile. Diese erste, auf eigene Faust und Kosten unternommene Afrika-Expedition über eine Entfernung von 2000 km, führte Thorsten Neckel und Thomas Schmidt im Südwinter 1968 in die Karrasberge. Sie bestiegen den 2202 m hohen Schroffenstein, der sich aber für den möglichen Bau einer Sternwarte als zu schwierig zu erschließen zeigte. Die angetroffenen guten klimatischen 54 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 55 Abb. 2.6-1: Der Gamsberg gesehen mit Google Earth (zum Selbersuchen: -23°20´32´´, 16°13´31´´E). Der Berg erhebt sich ~ 500 m über die umgebende Landschaft. Seine fast ebene Fläche von ~ 2.9 km × ~ 0.8 km2 Fläche besteht aus einer 30 m dicken Quarzitplatte. Im Norden ist die vom MPIA veranlasste Zufahrtsstraße erkennbar (Google Earth). Verhältnisse in Südwestafrika ließen sie nicht mehr los, und so startete ein Jahr später die nächste Heidelberger Expedition von Bloemfontein in jenes Gebiet. Neckel wurde dieses Mal vom Doktoranden Gerhard Schnur begleitet. Nach eingehendem Kartenstudium hatten sie sich für die Erkundung des fast auf dem südlichen Wendekreis bei – 23.5° Breite gelegenen Gamsberges entschieden (Abb. 2.6-1). Das bergsteigerische Überwinden des von Steilwänden umgebenen 2347 m hohen Berges erforderte über 1.5 Stunden. Am 31. Mai 1969 betraten erstmals Mitarbeiter des MPIA den Gamsberg und waren beeindruckt von der großen, fast ebenen Fläche dieses Tafelberges. Neckels begeisterter Bericht in Heidelberg veranlasste Elsässer zu einer Besichtigungsreise im kommenden Südwinter (Abb. 2.6-2). Begleitet von Neckel und dem ortskundigen Farmer Jürgen Cranz bestiegen sie am 25. Mai 1970 den Berg. Mit seiner Plateaufläche von 2.9 × 0.8 km2 erschien auch Elsässer der Berg als ein guter Standort für die geplante Südsternwarte. Sicherheitshalber 55 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 56 Abb. 2.6-2: Im Mai 1970 stand Hans Elsässer zum ersten Mal vor dem Berg, den das MPIA wenig später als möglichen Standort für die Südsternwarte käuflich erworben hat (Thorsten Neckel). mietete er noch ein Kleinflugzeug und ließ sich einige Male über die Abbruchkanten des Berges fliegen: keine Turbulenzen, also wahrscheinlich gutes Seeing, weitere Untersuchungen schienen lohnend... Ab jetzt trieb Thorsten Neckel das MPIA-Geschäft voran, im August 1970 zog er mit seiner Familie nach Afrika. Ziel waren das sofortige Umsetzen des Heidelberger 50 cm-Teleskops von Bloemfontein zum Gamsberg und Wettermessungen auf dem Gipfel. Mitarbeiter des Boyden-Observatoriums bereiteten den Lastwagentransport des Teleskops nebst Instrumenten vor. Dazu wurde die Ladefläche dick mit Sägespänen gepolstert, alles gegen Staubentwicklung gut angefeuchtet und mit einer Plastikfolie abgedeckt. Auf der Fahrt auf schlechten Straßen unter brennender Sonne hämmerte das Teleskop auf diese Unterlage. Neckel, der in einem Kleinflugzeug vorausreiste, wurde bei einem Tankstop in den Kontrollturm gerufen: „There is something wrong with your telescope“. Die gut gemeinte Polsterunterlage hatte sich nach Gärung selbst entzündet, und das Teleskop war verbrannt (Abb. 2.6-3). Ein langer Rechtsstreit zur nur mündlich abgesprochenen 56 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 57 Abb. 2.6-3: Das 50 cm-Teleskop des MPIA auf dem Wege von Bloemfontein zum Gamsberg. Die feuchte und luftdicht abgeschlossene Polsterunterlage aus Sägespänen hatte unter der afrikanischen Sonne ein hohes Selbstentzündungspotential: Der Brand auf dem Lastwagen verursachte Totalschaden. Sogar das Metall der Teleskop-Elektronik schmolz (Thorsten Neckel). Transportversicherung führte schließlich zur Zahlung einer Entschädigung, und im Jahre 1972 konnte ein Nachbau des 50 cm-Fernrohres auf dem Gamsberg montiert werden. Die Zeit bis dahin wurde gut genutzt. Thorsten Neckel musste viele Talente entwickeln. Er richtete sich auf dem Berg ein, zunächst im Zelt (Abb. 2.6-4), später in einer Hütte. Das Baumaterial dafür konnte er selbst auf den Berg transportieren, nachdem das MPIA eine „Straße“ in Auftrag gegeben hatte (Abb. 2.6-5). Er begann nächtliche Beobachtungen mit einem 8 cm-Teleskop zur genauen Bestimmung der atmosphärischen Extinktion an helleren Sternen. Daneben musste er den Beobachtungsbetrieb an den Seeing-Monitoren und an sechs Wetterstationen auf dem weitläufigen Berg allein übernehmen. Und er war Diplomat: Er erreichte den Transport mehrerer größerer Ausrüstungsgegenstände in „Übungsflügen“ für Polizei-Hubschrauber. Vor allem hatte er den Kauf des gesamten 57 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 58 Abb. 2.6-4: Die erste Dienstreise zum Gamsberg erforderte Pfadfindergeist. Thorsten Neckel (32) beginnt in der Regenzeit auf dem Gipfelplateau den Bau einer Sternwarte zu planen (Thorsten Neckel). Abb. 2.6-5: Der Bau einer provisorischen Straße zum Gamsberg im Jahre 1970 wurde von Hans Elsässer sehr einfach beauftragt: „… sie soll es Herrn Neckel ermöglichen, den Berg mit einem Fahrzeug zu erreichen …“. Es zeigte sich bald, dass etwas genauere Anforderungen an die Baufirma für Mensch und Maschine schonender gewesen wären. Selbst der für die Auffahrt eigens beschaffte Landrover 109 mit 6 Zylindern und verstärkten Federn und Stoßdämpfern machte häufig schlapp (Thorsten Neckel). 58 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 59 Berges vorzubereiten. Dabei unterstützte ihn die in der Hauptstadt Windhuk beheimatete „Wissenschaftliche Gesellschaft“. Sie hatte bereits jüngste deutsche Forschungsarbeiten, so die des Instituts für Ionosphärenphysik im MPI für Aeronomie und von Göttinger Geologen in der Gegend gefördert. Am Heiligabend des Jahres 1970 trafen Thorsten Neckel, begleitet von dem befreundeten Farmer Jürgen Cranz, beim Besitzer des Berges, dem Farmer Lois Richter, auf der Farm Picadilly ein. Sie boten 6 Rand für einen Hektar Fläche. Das war dem Besitzer zu wenig, man einigte sich auf 7 Rand pro Hektar, also 0,4 Pfennig pro Quadratmeter. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht in Heidelberg: Unser Institut hat einen ~ 2.4 Quadratkilometer großen Berg in Südwestafrika zum Preise eines VW-Käfers erworben! Vertraglich wurde dann alles mit ortsansässigen Rechtsanwälten durch die Max-Planck-Gesellschaft abgesichert. Mit dem Aufbau einer ersten, einfachen Sternwarte (Abb. 2.6-6), ausgerüstet mit einem 50 cm-Teleskop mit einem lichtelektrischen Photometer (Abb. 2.6-7), begann auch eine wissenschaftlich produktive Zeit am Gamsberg. Thorsten Neckel und Gerhard Klare beobachteten 1660 südliche OB-Sterne im Farbsystem U, B, V, H und bestimmten ihre Entfernungen. Damit konnten sie Spiralarmabschnitte unserer Milchstraße ausmachen: den Cygnus-Arm, an dessen Rand die Sonne liegt, den Sagittarius- und den Perseus-Arm. Diese Beobachtungen und die mit dem Vorgänger des 50 cm-Teleskopes am Boyden- Abb. 2.6-6: Die erste Sternwarte auf dem Gamsberg. Die Hütte beherbergte das neu gebaute 50 cmTeleskop. Im Hintergrund Masten für die langfristige Erfassung der Wetterbedingungen (Thorsten Neckel). 59 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 60 Abb. 2.6-7: Das 50 cm-Teleskop des MPIA auf dem Gamsberg (Thorsten Neckel). 60 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 61 Observatorium gemachten Polarisations-Messungen gingen in eine Veröffentlichung ein, die 2009 zum 40-jährigen Jubiläum der Zeitschrift „Astronomy and Astrophysics“ als eine der meistzitierten Publikationen gewürdigt wurde (siehe Kapitel 5.1.5). Was so gut begonnen hatte, erlitt nach 1972 einen unerwarteten Rückschlag. Es ging um den angestrebten UNO-Beitritt der beiden deutschen Staaten im kriegsfolgenbedingt gespaltenen Deutschland. Die Bundesregierung erwartete von der öffentlich finanzierten Max-Planck-Gesellschaft die Befolgung einer UNO-Resolution, nach der mit der Südafrikanischen Union nicht über Angelegenheiten in Südwestafrika (jetzt Namibia) verhandelt werden solle. Grund war die noch immer andauernde Verwaltung Südwestafrikas durch die südafrikanische Regierung, obwohl das Völkerbundsmandat dafür abgelaufen war. Die Verhandlungen zum Bau einer Sternwarte in Südwestafrika hätten als indirekte Stützung der südafrikanischen Präsenz in Namibia ausgelegt werden können. Der Chef des Bundeskanzleramtes schrieb Ende 1972 an den Generalsekretär der Max-PlanckGesellschaft: „möchte ich deshalb der Max-Planck-Gesellschaft raten, den Gedanken an einen Standort in Namibia aufzugeben und die Planungen für ein Observatorium auf der Südhalbkugel auf einen anderen Standort abzustellen.“ Die Max-Planck-Gesellschaft musste sich fügen. Das für die Südhalbkugel vorgesehene 2.2 m-Teleskop II war damit zunächst heimatlos geworden. Um die hohen Aufbewahrungskosten beim Hersteller zu umgehen, musste es 1976 auf dem Königstuhl eingelagert werden (Abb. 2.6-8). Als nächstes wurde die Planung des 3.5 m-Teleskops geändert. Die Entwicklung wurde nun für die Polhöhe des Calar Alto, also die Nordhalbkugel, weitergeführt. Ein Abwarten auf günstigere politische Verhältnisse in Afrika und zeitliches Strecken des 3.5 m-Projektes hätte die ohnehin angespannte Finanzierung des großen Teleskops gefährdet. Da aber Hans Elsässer auf baldige Klärung der politischen Verhältnisse im südlichen Afrika hoffte, wurde der Gamsberg mit seinem 50 cm-Teleskop weiter betrieben. So gewann Rolf Chini (später Leiter des Astronomischen Instituts der Universität Bochum) als Doktorand dort seine Daten aus den Sternentstehungsgebieten M16 und M17. Die letzten wichtigen Beobachtungen führte Thorsten Neckel im Jahre 1986 am Kometen Halley aus, für eine gemeinsame Publikation mit Guido Münch, Wissenschaftliches Mitglied des MPIA. Zwei kurze aufregende Episoden folgten noch: Das erste Mal wurde der Gamsberg 1994 reaktiviert, als die ESO mit dem Bau des Very Large Telescope (VLT) auf dem Paranal in Chile wegen Uralt-Erbrechten der Nachfahren eines historischen Admirals in Schwierigkeiten geriet. Jetzt wurde der Gamsberg als Ausweichstandort für das VLT untersucht. Diesen von der ESO sehr sorgfältig durchgeführten einjährigen Klima- und Seeing-Messungen verdanken wir ein unabhängiges und endgültiges Urteil über die Qualität des Berges, das die mehrjährigen Beobachtungen des MPIAs bestätigt: Seeing ebenso gut wie 61 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 62 Abb. 2.6-8: Das für den Gamsberg vorgesehene 2.2 m-Teleskop II musste für einige Jahre im Untergeschoss des damaligen Astrolabors auf dem Königstuhl eingelagert werden. Hier wird im Jahre 1976 gerade ein Teil der Deklinationsachsen-Gabel entladen (Lemke). in Chile, Wetter im Südwinter (mit den langen Nächten) besser. Auch wenn auf dem Berg gegenwärtig nicht beobachtet wird, bleibt er ein interessanter Standort für eine Südsternwarte – und er bleibt im Besitz der MPG. In seiner Nachbarschaft betreibt das Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik sehr erfolgreich die großen „HESSTscherenkow-Teleskope“ für die Gammastrahlen-Astronomie. 1995 erkundete Südafrika die Möglichkeit, ein eigenes großes Teleskop (3.5 bis 11 m) auf dem Gamsberg aufzustellen. Das veranlasste Elsässer zum Bau eines 70 cm-Teleskops in der Heidelberger Instituts-Werkstatt, wichtig zur wissenschaftlichen Ergänzung des großen Teleskops und klein genug, um nicht zu provozieren. Noch bevor das 70 cm-Teleskop in Heidelberg fertig gestellt war, hatte Südafrika die Aufstellungspläne seines SALT-Teleskopes zugunsten seines Kernlandes geändert. Elsässer schenkte das nun nicht mehr benötigte und nicht vollendete Teleskop der neu gegründeten „Internationalen AmateurSternwarte Gamsberg“. Dieser gemeinnützige Verein mit 50 Mitgliedern darf nach einem Vertrag mit der MPG den Berg und die alten Gebäude des MPIA kostenlos nutzen. 62 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 63 Einige Mitglieder fanden aber den Aufstieg zu mühsam und haben auf der am Fuße des Berges gelegenen Farm Hakos ihre Beobachtungshütten errichtet. Das „70 cm“ soll nach Vollendung durch den Amateurverein auf dem Gamsberg 2010 aufgestellt werden. Mit einem weiteren Vertrag zwischen der MPG und der „Gamsberg Tourism Projects Close Corporation“, einer Vereinigung von ansässigen Farmern, darf der Berg wegen seiner hervorragenden Aussicht auch als touristisches Ziel genutzt werden. Interessierte Besucher werden mit Geländewagen auf den Gipfel gebracht, dafür unterhält die Vereinigung die Zufahrtsstraße in einem benutzbaren Zustand. Diese von der MPG vertraglich genehmigten Nutzungen sind durchaus wichtig, um nach namibischem Recht durch die ständige Kontrolle des Zuganges zum Gamsberg den Besitz auf Dauer zu sichern. 2.7 Eigene Teleskope Das wichtigste Bestreben des neuen Max-Planck-Institutes war der Bau eigener Teleskope, mit denen der Anschluss an die internationale Spitzenforschung erreicht werden sollte. Dabei half der fliegende Start aus der Landessternwarte heraus. Noch vor der Gründung des MPIA hatte die Sternwarte auf Antrag von Hans Elsässer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft Mittel für den Bau eines 1.23 m-Fernrohres erhalten. Dieses Gerät wurde im Jahre 1966 bei Carl Zeiss in Oberkochen in Auftrag gegeben. Es war bei seiner Fertigstellung im Jahre 1971 das größte Fernrohr der Bundesrepublik, vor einem 60 Jahre alten 1 m-Fernrohr im nebligen Hamburg und dem 72 cm-Waltz-Reflektor der Landessternwarte aus dem Jahre 1906 auf dem oft wolkenverhangenen Königstuhl. Die Forschungsgemeinschaft stimmte der Einbringung des neuen Fernrohres in das MPIA zu, weil so Aufstellung, Betrieb und Zugänglichkeit für die deutschen Astronomen gesichert waren. 2.7.1 Das 1.23 m-Teleskop – damals das größte der Bundesrepublik Das 1.23 m-Fernrohr war zu seiner Zeit sehr modern. Es bekam eine poluniversale Montierung, die das Gerät unabhängig vom damals noch unbekannten Aufstellungsort machte. Dazu befand sich im Schnittpunkt von Stunden- und Deklinationsachse eine große Stahlkugel, auf der das Fernrohr ölhydraulisch gelagert war. Der Hauptspiegel wurde von der Firma Schott in Mainz aus Duran-Glas hergestellt. Dieses Material hat 63 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 64 Abb. 2.7-1: Die erste Kuppel auf dem Calar Alto beherbergt das 1.2 m-Teleskop. Sie wurde vom spanischen Architekturbüro S. Margarit, Barcelona, entworfen und von der Firma Dragados gebaut. Die 11 m-Stahlkuppel baute die Firma Dillinger aus Saarlouis, die später auch die Kuppeln für die größeren Teleskope lieferte (Kurt Birkle). einen kleinen thermischen Ausdehnungs-Koeffizienten, es ist bekannt als „feuerfestes Jenaer Glas“. Haupt- und Sekundärspiegel wurden zu einem Ritchey-Chrétien-System geschliffen, das ein großes fehlerfreies Bild von 15 Bogenminuten Durchmesser lieferte. Mit dem zweilinsigen Feldkorrektor konnten Felder von 1.5 Grad Durchmesser belichtet werden, also mit einer Kantenlänge vom dreifachen Vollmond-Durchmesser. Nach seiner Fertigstellung bei der Firma Zeiss im Jahre 1971 vergingen aber noch über drei Jahre, bis das Fernrohr sein Zuhause im neuen Kuppelgebäude auf dem Calar Alto fand (Abb. 2.7-1). 64 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 65 Abb. 2.7-2: Das 1.23 m-Teleskop war von 1975 an als erstes Teleskop auf dem Calar Alto in Betrieb. Es wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert und von der Firma Carl Zeiss, Oberkochen, gebaut. Anfangs erfolgte die Bedienung vom Steuerpult in der Kuppel (Windstosser / Zeiss). 65 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 66 Im Juli 1975 begann der Beobachtungsbetrieb zunächst mit der Astrokamera (Photoplatten) und der Bildwandlerkamera für das nahe Infrarot (Abb. 2.7-2 u. 2.11-1). 2.7.2 Zerodur-Spiegel für die 2.2 m-Teleskope Gegenüber dem „1.23“ war die wichtigste Verbesserung beim Bau der beiden 2.2 m- und des 3.5 m-Fernrohres die Einführung eines neuartigen Spiegelmaterials. Bereits im Jahre 1966 hatte Hans Elsässer sich bei Schott erkundigt, ob die Firma größere Spiegelrohlinge aus einer inzwischen bekannt gewordenen Glaskeramik mit sehr kleinem Wärmeausdehnungs-Koeffizienten herstellen könne. Diese Anfrage erfolgte noch vor dem Gründungsbeschluss für das Max-Planck-Institut und es sollte ein folgenreicher Schritt werden. Die Glaskeramik war bereits im Jahre 1954 von S. D. Stookey in den USA erfunden worden, und auch Schott begann damit zu experimentieren. Da der mehrstufige Herstellungsprozess schwierig war und kein verkaufsfähiges Produkt in Sicht war, verfügte die Geschäftsleitung die Einstellung der Arbeiten. Aber J. Petzold von Schott hatte ein wenig als „U-Boot“ in seinem Labor weitergeforscht. Als Elsässers Anfrage einging, war die Firma deshalb in der Lage, eine Materialentwicklung mit der Aussicht auf den Verkauf großer Spiegelscheiben für die Astronomie zu beginnen. Die Herstellung eines LiO2-Al2O3SiO2-Glases und dessen Überführung in eine Glaskeramik führte Schott in den späten 1960er Jahren zu mehreren Patenten und zu einem neuen Markenprodukt: ZERODUR, ein Material mit dem Wärmeausdehnungskoeffizienten Null. Die Entwicklungsarbeit von zeitweise bis zu 150 Mitarbeitern hat sich gelohnt, denn im Mai 1969 bestellte das neue Max-Planck-Institut für Astronomie 11 Spiegelscheiben, darunter eine von 3.6 m Durchmesser. Der Auftrag war ein mutiger Schritt, denn Schott hatte erst noch zu beweisen, dass die Firma tatsächlich große ZERODUR-Scheiben in hoher Qualität herstellen konnte. Während die Verhandlungen mit Schott liefen, bot die Firma Owens Illinois der Max-Planck-Gesellschaft einen großen Spiegelrohling aus ihrer bereits erprobten Glaskeramik Cervit an. Es wäre dies die vierte Scheibe einer erfolgreich gegossenen Serie für andere Sternwarten im Ausland geworden und sie wäre deshalb sehr günstig zu erhalten gewesen. Nach dieser Entscheidung für die heimische Industrie gab es im Jahre 1973 noch einmal Sorgen, als die ersten Gussversuche für die 3.6 m-Scheibe bei Schott nicht zum Erfolg führten. Die folgenden Versuche ergaben dann aber hervorragende Qualität und pünktliche Lieferung. Nach dieser Initialzündung durch das MPIA konnte Schott viele Spiegelscheiben in alle Welt verkaufen, die größten mit 8.2 m Durchmesser für die vier Fernrohre des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO. 66 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 67 Abb. 2.7-3: Glasschmelze eines ZERODUR-Spiegels (hier der 3.5 m Spiegel) bei Schott in Mainz (Schott). Das neue Material wurde schließlich millionenfach in CERAN-Kochfeldern und in Geräten für die Mikrochipfertigung (Mobiltelefone) eingesetzt und brachte dadurch der Firma auch einen großen wirtschaftlichen Erfolg. Als erstes erhielt das 2.2 m-Fernrohr I für den Calar Alto einen ZERODUR-Spiegel (Abb. 2.7-3). Das Teleskop wurde im August 1969 bei Carl Zeiss in Auftrag gegeben, ebenfalls als Ritchey-Chrétien-System, mit dem im Cassegrain-Fokus ein Feld von 1° Durchmesser fehlerfrei abgebildet werden kann. Dazu wurden bei 17 m Brennweite Photoplatten von 30 × 30 Quadratzentimetern benötigt, die größten damals verfügbaren. Dieses Fernrohr erhielt eine Gabelmontierung, wurde also genau für die geographische Breite des Calar Alto (37° N) gebaut. Vervollkommnet wurde dieses Fernrohr mit einem raumfesten Coudé-Spektrographen in einzigartiger Anordnung. Nach Haupt- und Sekundärspiegel wird das Licht über einen im Schnittpunkt von Stunden- und Deklinationsachse 67 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 68 Abb. 2.7-4: Schnitt durch das Kuppelgebäude des 2.2 m-Teleskops auf dem Calar Alto. Das im Norden (links) angeordnete „Sehrohr“ lenkt das Licht in den vertikal angeordneten CoudéSpektrographen, dessen große Baulänge über mehrere Stockwerke reicht (MPIA). 20 m 10 m angeordneten dritten Spiegel polwärts geleitet. Es trifft dann auf einen vierten Spiegel, der in einer Art U-Boot-Sehrohr das Licht senkrecht nach unten in das Coudé-Labor lenkt (Abb. 2.7-4). Mit dieser neuen, von Klaus Bahner vorgeschlagenen Anordnung werden Lichtverluste und Streulicht verringert. Den Bau des leistungsfähigen Spektrographen mit den größten herstellbaren Gittern von 30 × 40 Quadratzentimetern bei der Firma Perkin-Elmer (USA) hat Josef Solf am MPIA betreut. Er war es auch, der die hohe spektrale Auflösung von ~ 100000 bei detaillierten Untersuchungen von Sternentstehungsgebieten, darunter S106, nachweisen konnte. Das 2.2 m-Fernrohr I wurde im Sommer 1974 gemeinsam mit dem 1.23 m-Fernrohr von Carl Zeiss zum Calar Alto geliefert. Das „2.2“ musste zunächst auf dem Berg eingelagert werden, da das Kuppelgebäude noch nicht fertig gestellt war. Kurz nach seiner Indienststellung im Jahre 1979 erfolgte dann die feierliche Einweihung des Deutsch- 68 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 69 Abb. 2.7-5: Der Einweihungsfeier der Calar Alto Sternwarte wohnten über 100 Festgäste aus Deutschland und Spanien bei. König Juan Carlos I. betrachtet Himmelsaufnahmen durch ein Mikroskop, links von ihm Königin Sofia und Hans Elsässer, rechts Kurt Birkle und Dolmetscher H. Villain (Blachian, MPG). Spanischen Astronomischen Zentrums (Abb. 2.7-5). Die instrumentelle Erstausrüstung des „2.2“ bestand aus dem oben erwähnten Coudé-Spektrographen und der großen Astrokamera für Photoplatten, die aber bald von lichtelektrischen Kameras abgelöst wurde. Nachdem das MPIA das Instrument fast drei Jahre lang allein genutzt hatte, weil es laut Elsässer an ausgebildetem Personal mangelte, wollten natürlich auch andere deutsche Sternwarten das neue große Fernrohr nutzen. Der Druck von außen wuchs. 1981 beklagte sich Immo Appenzeller, der Direktor der benachbarten Landessternwarte und Auswärtiges Mitglied des MPIA, beim Vorsitzenden des Rates Westdeutscher Sternwarten Rudolf Kippenhahn und beim Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, Reimar Lüst, über den eingeschränkten Zugang der Universitätsinstitute: „Ist denn hier – überspitzt ausgedrückt – nur Herrn Elsässers Privatsternwarte entstanden?“. Wenn es drei Jahre nach Betriebsbeginn immer noch Probleme gäbe, könnten gerade erfahrene Gastbeobachter nützliche Anregungen geben. Der Brief hatte die gewünschte Wirkung, und auch die drei vom Rat Westdeutscher Sternwarten in den Fachbeirat des MPIA entsandten Mitglieder stellten künftig sicher, dass alle deutschen Astronomen Beobachtungsanträge für sämtliche Instrumente mit Aussicht auf Erfolg stellen konnten. 69 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 70 Das zweite 2.2 m-Fernrohr wurde im Jahre 1976 von Carl Zeiss ans MPIA übergeben. Sein geplanter Standort auf dem Gamsberg auf der Südhalbkugel war zu diesem Zeitpunkt aus politischer Rücksichtnahme nicht mehr zugänglich, Näheres dazu in Kapitel 2.6. 2.7.3 Das 3.5 m-Teleskop – eines der größten der Erde Den Höhepunkt erreichte die Teleskop-Entwicklung am MPIA mit dem 3.5 m-Fernrohr, das damals zu den zehn größten der Erde gehören sollte. Planung und Bau haben über 15 Jahre in Anspruch genommen. Es begann im Jahre 1969 mit dem Auftrag an Carl Zeiss für eine Projektstudie zur Optik, Montierung, Steuerung und Entwicklungsplanung. Sie sollte vor allem Kostenschätzungen enthalten, die ein nachvollziehbares Preisangebot ermöglichten. Bedingt durch die erkennbare Komplexität des großen Projektes wurde 1971 mit Zeiss ein Rahmenvertrag zur Herstellung des 3.5 m-Fernrohres abgeschlossen, der dann durch Einzelverträge zu verschiedensten Leistungen, beginnend mit Management- und Ingenieursarbeiten, ausgefüllt wurde. Erst 1974 war der Gesamtvertrag unter Dach und Fach. Zeiss war dabei der Hauptauftragnehmer und beschäftigte als Unterauftragsnehmer Voith (Heidenheim) für die Montierung, MAN (Gustavsburg) für den Tubus, Schott (Mainz) für die Rohlinge von Spiegeln und Linsen, IDAS (Limburg) für die Steuerungssoftware. Betreut wurde diese industrielle Entwicklung von der „Teleskop-Gruppe“ am MPIA. Zu ihr gehörten im Laufe der Aufbaujahre Rainer Wolf, Lutz Schmadel, Gerhard Schnur und Ulrich Hopp. Geleitet wurde die Gruppe von Klaus Bahner, einem auch durch einschlägige Handbuch-Artikel ausgewiesenen Fachmann für Fernrohre und Optik. Er blieb „Hauptobservator“ bei der Landessternwarte, hatte aber sein Büro im MPIA. Bahner plante mit seinen Mitarbeitern die Gesamtsysteme: Teleskope mit maßgeschneiderten Gebäuden, Hilfseinrichtungen und die wissenschaftlichen Instrumente der ersten Generation. Bei der Errichtung der Gebäude und der Kuppeln (Abb. 2.7-6) arbeitete er eng mit dem Baubeauftragten Klaus Heckel im Heimatinstitut zusammen. In der frühen Planungsphase stand das MPIA vor schwierigen Entscheidungen. Einerseits war der Standort (Nord- oder Südhalbkugel) bis Ende 1972 nicht festgelegt. Weiterhin entwickelten sich zu dieser Zeit die elektronischen Rechner und Steuerungen mit atemberaubender Geschwindigkeit, nach zwei Jahren war alles veraltet. Andererseits mussten die technischen Anforderungen im Pflichtenheft für den Vertrag eingefroren werden, wollte man nicht eine Kostenlawine für ständige Modernisierungen riskieren. Die Gesamtkosten lagen mit ~ 110 Millionen DM (die Hälfte davon für das Zeiss-Konsor- 70 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 71 Abb. 2.7-6: Werkmontage der 30 m-Kuppel für das 3.5 m-Teleskop bei Dillinger Stahlbau in Saarlouis (Dillinger). tium) ohnehin deutlich über den ursprünglichen Planungen. Zusätzliche Sorgen machte die „Baustelle Calar Alto“, denn die beauftragte spanische Firma Dragados wollte zu den ursprünglich vereinbarten Bedingungen an Kuppeln und Gebäuden nicht weiterbauen. Der Standort in über 2000 m Höhe, die langen schneereichen Winter und die starke Steigerung des Baukostenindex hatten inzwischen zu einer voraussichtlichen Verdopplung der Baukosten geführt. Das wurde auch vom für die MPG gutachtenden Architekten als „nicht überhöht“ angesehen. Als Reserve mussten jetzt die Mittel für die zurückgestellte zweite Sternwarte auf der Südhalbkugel eingesetzt werden. Daraufhin ließ das Bundesministerium für Forschung und Technologie, das den Aufbau des MPIA mit Sondermitteln förderte, erkennen „dass es bei dieser Sachlage keine Möglichkeit zur Realisierung der Südhalbkugel-Station geben wird.“ 71 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 72 Abb. 2.7-7: Oberflächenbearbeitung der Zerodur-Scheibe für das 3.5 m-Teleskop bei Carl Zeiss, Oberkochen. Wegen der vernachlässigbaren Wärmeausdehnung der Glaskeramik können Bearbeitung und Prüfung schneller erfolgen als bei den früher verwendeten Gläsern (Zeiss). Der Hauptspiegel für das 3.5 m-Teleskop wurde aus ZERODUR gefertigt (Abb. 2.7-7). Das bescheidene Öffnungsverhältnis von f/3.5 führte zu der großen Kuppel mit 30 m Durchmesser. Das Ritchey-Chrétien-System mit einem Öffnungsverhältnis von f/10 72 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 73 Abb. 2.7-8: Aufbau der Hufeisen-Montierung für das 3.5 m-Teleskop in der eigens errichteten Montagehalle bei Carl Zeiss in Oberkochen. Die Montierung besteht aus fast 400 Tonnen Stahl und wurde von MAN entwickelt (Zeiss). erlaubt im Cassegrain-Fokus die fehlerfreie Abbildung von 30 Bogenminuten-Feldern auf 30 cm-Platten, mit einem Abbildungsmaßstab von 6 Bogensekunden pro mm. Besonderheit des „3.5“ war eine Primärfokuskabine, die Instrument und Beobachter aufnehmen konnte. Mit einem dreilinsigen Korrektor kann im Primärfokus sogar ein 1 Grad-Feld abgebildet werden. Zusätzlich gibt es Frontringe für den Coudé-Fokus und einen für den kleinen Infrarot-Sekundärspiegel mit dem schlanken f/45-Strahlengang. Der Wechsel 73 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 74 der Frontringe wird automatisch gesteuert vollzogen, sie schweben an Hebezeugen unter der Kuppel ins Magazin am Kuppelboden bzw. auf den vorderen Tubus des dann senkrecht stehenden Teleskops. Das Fernrohr erhielt eine äquatoriale Hufeisen-Rahmen-Montierung mit zum Himmelspol zeigender Stundenachse. Vorbild was das in den 1940er Jahren gebaute 5 mMount-Palomar-Teleskop. Bei guter Stabilität und Zugänglichkeit wird bei dieser Anordnung allerdings „viel Eisen verbaut“ (Abb. 2.7-8). Modern waren die hydrostatischen Lager, bei denen die bewegten Teile praktisch reibungsfrei auf einem 0.1 mm dicken Ölfilm schweben. Die optische und mechanische Qualität des Fernrohres erwies sich im Probebetrieb des Jahres 1985 als hervorragend. Bei gutem Seeing und langen Nachführzeiten wurden schwache Sterne mit Durchmessern von ~ 1 Bogensekunde abgebildet. Die Encoder der Steuerung lösen 0.05 Bogensekunden auf. Damit wurde eine Nachführgenauigkeit von 0.1 Bogensekunden erreicht, was noch heute als hervorragend gelten kann. Was heute erstaunt, sind die großen Massen und Abmessungen: 430 t für das Gesamtteleskop, 225 t davon werden bewegt (Abb. 2.7-9). Der Hauptspiegel ist eine volle Glaskeramikscheibe von 59 cm Dicke und 13 t Gewicht. Das Teleskopgebäude mit der 30 m-Kuppel ist insgesamt 42 m hoch (Abb. 2.7-10). Auch damals schon wäre die azimutale Montierung, die bei großen Teleskopen üblich ist, möglich gewesen. Sie spart viel Masse ein. In Verbindung mit einem das Teleskop eng umgebenden und mitdrehenden Kuppelgehäuse ließen sich am Ende beträchtliche Kosten einsparen. Man kannte auch die Vorteile von auf der Rückseite gewichtserleichternd verrippten Spiegeln mit wesentlich geringeren Massen und geringerer thermischer Trägheit. Die Verantwortlichen am MPIA haben sich damals in den meisten Fällen für den konservativen, risikoarmen Weg entschieden. Dafür gibt es mehrere nachvollziehbare Gründe. Weder am neuen Institut noch bei der deutschen Industrie gab es nach jahrzehntelangem Stillstand beim Bau von größeren Teleskopen Erfahrungen, die zu ganz neuen Lösungen ermutigt hätten. Man fürchtete teure und langwierige Entwicklungen bei einer Entscheidung für Technologien, die als noch nicht ausgereift angesehen wurden. Und es sollte schnell gehen – Deutschland hatte in der beobachtenden Astronomie durch die zweifachen Kriegswirren fast den Anschluss an die internationale Astronomie verloren. Schließlich begannen selbst bei den gewählten konservativen Lösungen die Kosten der Teleskop-Entwicklung aus dem Ruder zu laufen. Wichtig war, dass die getroffenen Entscheidungen für das Herkömmliche bei der wissenschaftlichen Nutzung keinen Nachteil gebracht hätten. Da Optik und Mechanik hervorragend ausgeführt waren, konnte das „3.5“ in den folgenden Betriebsjahren ständig modernisiert werden: mit neuerer Elektronik, einer Spiegelkühlung für schnellere Anpassung an die Temperaturen der bevorstehenden Nacht, mit wirkungsvol- 74 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 75 Abb. 2.7-9: Das 3.5 m-Teleskop in der Kuppel. Es besitzt eine Hufeisenmontierung. Durch Drehung um die Stundenachse (Rektaszension), gelagert im „Hufeisen“, folgt das Teleskop der scheinbaren Drehung des Sternenhimmels. Der Einschnitt im Hufeisen (oben) erlaubt die Ausrichtung des Teleskops zum Himmelsnordpol. Links sind die Spaltschieber zu erkennen, rechts die FrontringWechseleinrichtung (Windstosser). 75 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 76 Abb. 2.7-10: Schnittbild durch das Kuppelgebäude des 3.5 m-Teleskops am Calar Alto. Die schräge Stundenachse mit dem großen Hufeisenlager (links) zeigt zum Himmelsnordpol, der sich 37° über dem Horizont befindet. Links in der Kuppel sind die Wechseleinrichtungen für die Frontringe erkennbar (MPIA). 76 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 77 ler Lüftung zur Seeing-Verringerung. Und das „3.5“ wurde als eines der ersten Teleskope weltweit mit einer adaptiven Optik für noch schärfere Bilder ausgerüstet. Mit dem Betriebsbeginn des 3.5 m-Teleskopes im Jahre 1984 war der Aufbau der CalarAlto-Sternwarte nach über einem Jahrzehnt abgeschlossen. Entstanden war das größte astronomische Observatorium auf dem europäischen Festland (Abb. 2.7-11). Eine Zusammenstellung der fünf Teleskope auf dem Calar Alto gibt die Tabelle 2.7 -1. Abb. 2.7-11: Die Calar-Alto-Sternwarte in 2160 m Höhe. Von rechts: 3.5 m-, 2.2 m-, 1.2 m-, Schmidt-, spanisches 1.5 m-Teleskop. Links der Bildmitte das Auswerte- und Werkstattgebäude, rechts die Astronomenwohnungen. Im Vordergrund Cafeteria und Mitarbeiterwohnungen. Inzwischen ist das Gelände etwas grüner, nachdem sich der örtliche Direktor Kurt Birkle mit der spanischen Naturschutzbehörde Icona auf die Bepflanzung des Gipfelbereiches mit dort natürlich vorkommenden Pflanzen und die Nichtweiterbeweidung durch Schafe geeinigt hatte (Atair-Foto, Madrid). 77 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 78 Tabelle 2.7-1: Teleskope des Calar-Alto-Observatoriums Teleskop Fokalstationen HauptspiegelDurchmesser Inbetriebnahme Jahr Hersteller Wichtige Fokalebenen Instrumente 3.5 m-Teleskop Primär f/3.5 Cassegrain f/10 Coudé f/35 Cassegrain f/45 1984 ZEISS, Oberkochen Omega 2000 MOSCA LAICA ALFA MAGIC Doppel-Spektrograph 2.2 m-Teleskop Cassegrain f/8 Coudé f/40 1979 ZEISS, Oberkochen CAFOS Coudé-Spektrograph 1.23 m-Teleskop Cassegrain f/8 Nasmyth f/8 1975 ZEISS, Oberkochen Bildwandler-Kamera CCD-Kamera Schmidt-Spiegel (1.2 m-Spiegel, 0,8 mKorrekturplatte) f/3 1955 ZEISS, Jena 1955, HamburgBergedorf 1980, Calar Alto Photoplatten 5°. 5 × 5°. 5 Spanisches 1.5 m-Teleskop Cassegrain f/8 Coudé f/30 1976 REOSC, Paris CCD-Kamera IR-Photometer 78 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 79 2.8 Südsternwarte – die kleine Lösung in Chile Die politischen Vorgaben, nicht in Namibia zu investieren, hatten im Jahre 1973 zu der Entscheidung geführt, das 3.5 m-Teleskop auf dem Calar Alto aufzubauen, entgegen Elsässers ursprünglicher Hoffnung, es zusammen mit einem der 2.2 m-Teleskope in eine neue Südsternwarte einzubringen. Die Absicht, wenigstens das zweite 2.2 m-Teleskop doch noch auf die Südhalbkugel zu bringen, wurde nicht aufgegeben. Dazu bestand Anlass, denn Südafrika geriet durch Freiheitsbewegungen gegen das Apartheitsregime von innen und politischen Druck der Weltgemeinschaft von außen in Bewegung. Als das im Jahre 1970 bestellte 2.2 m-Teleskop II nach fünfjähriger Bauzeit bei Carl Zeiss fertig gestellt wurde, schien die Unabhängigkeit Namibias nur noch eine Frage von wenigen Jahren. Nach der Werksabnahme im Jahre 1976 entschied das MPIA deshalb, das Teleskop vorläufig einzulagern. Da das bei Carl Zeiss zu teuer geworden wäre, wurde das Teleskop nach Heidelberg auf den Königstuhl gebracht. Die Einlagerung der vielen großvolumigen und schweren Kisten erfolgte im Kellergeschoß des gerade fertig gestellten Astrolabors (Abb. 2.6-8). Dann wurde es einige Jahre ruhig um dieses Instrument, denn die Entwicklung des 3.5 m-Teleskops und der Aufbau der Calar Alto Sternwarte hatten die finanziellen und personellen Möglichkeiten des MPIA stark belastet. Der gleichzeitige Aufbau einer Südsternwarte ab 1976 wäre schon deshalb kaum möglich gewesen. Erst Anfang der 1980er Jahre gab es Bewegung. Ein Staatssekretär des Forschungsministeriums wollte „eine Forschungsleiche im Keller nicht länger verantworten“, und teilte das der MPG mit. Ein Aufbau in Namibia schied aber nach wie vor aus. Die ersehnte Unabhängigkeit als Voraussetzung für Investitionen am Gamsberg wurde übrigens erst im Jahre 1990 erreicht. Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Reimar Lüst, nahm deshalb damals mit dem Generaldirektor der Europäischen Südsternwarte ESO, Lodewijk Woltjer, Kontakt auf mit dem Ziel, das 2.2 m-Teleskop II leihweise in die ESOSternwarte auf La Silla in Chile einzubringen. Das war nahe liegend, denn bereits 1966 wurde bei den Überlegungen zur Gründung eines MPI für Astronomie dessen Südhalbkugel-Beobachtungsstation auf dem neuen ESO-Gelände erwogen. Hans Elsässer war über diese Entwicklung nicht glücklich. Er strebte einen eigenen Standort auf einem anderen Längengrad an, um zeitlich veränderliche Erscheinungen am Himmel lückenlos überdecken zu können. Nach schwierigen Verhandlungen konnte Ende 1981 ein Vertrag zwischen der MPG und der ESO unterzeichnet werden, mit dem „die Erforschung der südlichen Hemisphäre gemäß dem Gründungsvertrag der ESO gefördert wird“. Die ESO übernahm darin die volle Zuständigkeit für das Teleskop, ein- 79 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 80 schließlich der Installation, der Anpassung an den Breitengrad, der Modernisierung der Elektronik nach eigenen Standards. ESO errichtete ein eigenes Gebäude, das in den technischen Anlagen zum Vertrag beschrieben wird. Es ist deutlich kleiner und einfacher als das entsprechende auf dem Calar Alto, aber dennoch zweckmäßig eingerichtet und es stellt gutes Seeing sicher. Einen Coudé-Fokus hat ESO, anders als beim 2.2 m-Teleskop I auf dem Calar Alto, nicht realisiert. Dafür gab es inzwischen einen guten Grund: EchelleSpektrometer liefern hohe Auflösung auf einem einfacheren Weg. Dennoch wurden die von ESO vorgenommenen „Abstriche“ von den Verantwortlichen des MPIA anfangs stark bedauert. Aber das MPIA hat eine große Gegenleistung erhalten: für die Ausleihzeit des Teleskops von 25 Jahren, beginnend am 1. Januar 1982, erhielt das MPIA 25 % der Beobachtungszeit, gleichmäßig über die Jahreszeiten verteilt. Und das MPIA konnte an der hervorragenden Infrastruktur und Arbeitsorganisation bei ESO teilhaben, gegen Unkostenbeteiligung. Das Seeing am gemeinsam ausgewählten Aufstellungsort im Observatoriumsgelände stellte sich als sehr gut heraus. Abb. 2.8-1: Verladung des 2.2 m-Teleskops II für die Schiffsreise von Bremen nach Valparaíso, Chile (MPIA). 80 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 81 Abb. 2.8-2: Aufbau des 2.2 m-Teleskops II in dem von ESO errichteten Kuppelgebäude auf La Silla, Chile (MPIA). Das Teleskop wurde auf Kosten des MPIA mit dem Schiff von Bremen nach Valparaíso transportiert (Abb. 2.8-1). Der Aufbau des Kuppelgebäudes erfolgte sehr zügig, und bereits im Jahre 1984 konnten die Beobachtungen beginnen (Abb. 2.8-2). Beide Partner brachten Instrumentierung ein. ESO lieferte anfangs eine CCD-Kamera („Adapter“), das MPIA baute einen f/45-Sekundärspiegelchopper für Beobachtungen mit einer ESOInfrarotkamera ein. Mit der Lösung „1/4 Teleskop für ein Vierteljahrhundert in Chile“ wurde zwar das ursprüngliche Ziel einer eigenen Südsternwarte auf dem Gamsberg nicht erreicht, dennoch war dieses Vorgehen wirtschaftlich vernünftig, da es Kosten und Personaleinsatz gespart hat. Und in den gleichmäßig über das Jahr verteilten Beobachtungs-Zeitblöcken für das MPIA wurden sehr erfolgreich langfristige Programme von Heidelberger Astronomen ausgeführt. Da das Teleskop nach Vertragsabschluß mit ESO sehr viel schneller betriebsbereit war, als es das MPIA je auf einem neu zu erschließenden Standort hätte realisieren können, war die „kleine Lösung“ wahrscheinlich doch die bessere Idee. ESO hatte mit dem „2.2 m II“ ein hervorragendes Instrument in die La Silla-Sternwarte ein- 81 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 82 gliedern können, das bald sehr begehrt wurde. Drei Viertel der Beobachtungszeit wurden nach dem ESO-Antragsverfahren an europäische Astronomen vergeben, dabei kamen viele deutsche Forschungsgruppen zum Zuge. 2.9 Extraterrestrische Forschung Die 1950er und 1960er Jahre waren beherrscht von Spannungen und Misstrauen zwischen den USA und Westeuropa einerseits und dem von der Sowjetunion angeführten Osteuropa andererseits. Der Sowjetunion gelang mit dem Start des ersten Erdsatelliten Sputnik im Jahre 1957 ein wichtiger technischer und propagandistischer Erfolg, der die Überlegenheit des sozialistischen Blockes zeigen sollte. Der anschwellende Flüchtlingsstrom aus Mitteldeutschland veranlasste die DDR-Regierung zum Bau der Berliner Mauer und damit zur weiteren Vertiefung der Spaltung Deutschlands und Europas. Vor diesem bedrohlichen Hintergrund schlossen sich die westeuropäischen Staaten enger zusammen, vereinbart in den Römischen Verträgen von 1958. Dazu gehörten auch gemeinsame wissenschaftliche Großvorhaben wie CERN in der Elementarteilchen-Forschung und später die Europäische Südsternwarte ESO. Angeregt vor allem aus Frankreich, wurde auch der gemeinsame Einstieg in die Weltraumforschung vorangetrieben. Ziele waren der Bau eigener Raketen und Startplätze sowie die Entwicklung von Satelliten und wissenschaftlichen Instrumenten. Westdeutschland war in diesen europäischen Gemeinschaftsunternehmen trotz der Erinnerungen an den nur ~ 15 Jahre zurückliegenden Angriffskrieg Hitlers willkommen, da es wirtschaftlich erstarkt war. Eine erste Denkschrift zur Lage der Extraterrestrischen Forschung in der Bundesrepublik wurde im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1961 erstellt. Sie beschäftigte sich noch weitgehend mit Untersuchungen der hohen Atmosphäre und den physikalischen Bedingungen im erdnahen Weltraum. Das waren Forschungsthemen, die bereits in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft gepflegt wurden. Astronomische Beobachtungen oberhalb der Atmosphäre spielten eine untergeordnete Rolle, denn zu den Verfassern der Denkschrift gehörte noch kein Astronom. Diese Trennung sollte schon ein Jahr später aufgehoben werden. Auf der Jahrestagung der Astronomischen Gesellschaft im September 1962 in Freiburg hielt Reimar Lüst vom Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik in München zwei wichtige Ansprachen: einen Plenarvortrag vor den zur Tagung versammelten Fach-Astronomen zum Thema „Extraterrestrische Forschung“ und einen Abendvortrag für die interessierte Öffentlichkeit zum gleichen Thema. Er begeisterte seine Kollegen 82 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 83 Abb. 2.9-1: Das Zodiakallicht am Abendhimmel, gesehen aus 4000 m Höhe vom Mauna Kea auf Hawaii. Die dreiecksförmige Himmelsaufhellung wird durch Sonnenstreulicht an interplanetaren Staubteilchen erzeugt. Das Zodiakallicht hat in der Ekliptik (Tierkreis) die größte Helligkeit. Oben die Venus, unten der gerade aufgehende Mond (Christoph Leinert). und die Zuhörer des Abends durch die Schilderung der Vorteile astronomischer Beobachtungen mit Ballons, Raketen, Satelliten: Ausdehnung der beobachtbaren Spektralbereiche über das Sichtbare hinaus, Vermeidung des Himmelsleuchtens der oberen Atmosphäre und Verbesserung des Auflösungsvermögens durch Überwindung der Luftunruhe. Er schilderte die wissenschaftlichen Möglichkeiten der Erforschung der Sterne und des interstellaren und interplanetaren Mediums vom Röntgen- und Ultraviolett-Bereich bis zum Infraroten. Und dann berichtete er von den Vorbereitungen für den Aufbau einer Europäischen Organisation für Weltraumforschung (ESRO), nach dem Vorbild der Europäischen Organisation für Kernphysik (CERN). Lüst teilte auch gleich die Rezepte mit, wie sich deutsche Sternwarten mit eigenen Experimenten an dieser neuen Forschungsrichtung beteiligen könnten: Die wissenschaftlichen Vorschläge werden über das Bundesatomministerium (als damals zuständige nationale Organisation) an das ESRO- 83 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 84 Gutachter-Komitee weitergeleitet. Die Baukosten für die Experimente müssten im vorschlagenden Land aufgebracht werden. ESRO würde Satellit, Rakete, Start und Datengewinnung übernehmen. Lüst wies auf zwei weitere wichtige Punkte hin. Einerseits muss die deutsche Seite neben dem 20 % Mitgliedsbeitrag zur ESRO, entsprechend ~ 40 Millionen DM, unbedingt mindestens die doppelte Summe in ein nationales Programm investieren, um die Beteiligung an ESRO sinnvoll nutzen zu können. Zweitens sollten die Sternwarten nicht fürchten, dass ihnen durch die geplanten Extraterrestrik-Beobachtungen Geld entzogen würde. Er sagte voraus, dass die Astronomie durch die Weltraumforschung insgesamt sehr gestärkt würde und die neuen Möglichkeiten starke Anziehung auf den wissenschaftlichen Nachwuchs ausüben würden. Hans Elsässer trug auf dieser Freiburger Tagung gemeinsam mit Thomas Schmidt noch über ein ganz konventionelles Thema vor: die Messung des Zodiakallichtes vom Erdboden aus (Abb. 2.9-1). Aber er war einer der ersten deutschen Astronomen, der die von Reimar Lüst vorgestellten Möglichkeiten der Weltraumkunde in wissenschaftlicher und förderungspolitischer Hinsicht erkannte und unverzüglich an der Heidelberger Sternwarte zu nutzen begann. 2.9.1 Heidelberger Astronomen am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY Der erste Schritt in diese Richtung war die Erweiterung der von Hans Kienle übernommenen Spektralphotometrie der Sonne und der Sterne aus dem sichtbaren Spektralbereich ins Ultraviolette. Der als „Sternthermometer“ bewährte Schwarze Körper lieferte im Ultravioletten zu wenig Strahlung, da er höchstens auf ~ 3000 C erhitzt werden konnte. Gesucht wurde als Ersatz eine im Ultravioletten hellere Quelle mit exakt berechenbarer Intensität. Geeignet erschien die Synchrotronstrahlung des gerade in Hamburg fertig gestellten großen Elektronenbeschleunigers DESY. Betreut von Dietrich Labs gingen ab 1965 eine Reihe von Doktoranden vom Königstuhl nach Hamburg. Dietrich Lemke konnte experimentell zeigen, dass die Intensität der Synchrotronstrahlung den theoretischen Vorhersagen des amerikanischen Nobelpreisträgers Julian Schwinger folgte. Es gelang die Bestimmung der momentanen Zahl der Elektronen im (damals noch ziemlich unstabilen) Beschleuniger. Erste Quecksilber-Hochdrucklampen aus dem Heidelberger Labor konnten als sekundäre Eichstandards für das mittlere Ultraviolett angeschlossen werden. Eckhart Pitz gelang dann als nächstem Doktoranden die Schaffung einer Reihe von exakt geeichten Deuterium-Lampen für Wellenlängen bis zum Vakuum-Ultraviolett. Parallel dazu wurde im Happel-Strahlungslabor auf dem Königstuhl investiert: eine große Vakuumkammer und neue fensterlose Lichtquellen wurden mit Mitteln der Welt- 84 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 85 raumforschung beschafft, bewilligt vom Bundesforschungsministerium. Ziele waren der Start von Raketenexperimenten zur genauen Helligkeitsmessung des Zodiakallichtes und von Sternen im Ultravioletten. In diese Zeit fielen die ersten Gespräche über die mögliche Gründung eines Max-PlanckInstituts für Astronomie, mit aktiver Anteilnahme von Hans Elsässer. Sollte es gelingen, dieses Institut nach Heidelberg zu holen und aus der Landessternwarte herauswachsen zu lassen, war Elsässer entschlossen, die „Extraterrestrik“ in das neue Institut zu überführen. Er förderte diese Arbeiten deshalb sehr, und bereits 1968 waren sie in drei Zweige aufgeteilt: 1. Raketenexperimente, 2. Instrument auf der Sonnensonde und 3. Ballonteleskop. Von ihnen soll der Reihe nach die Rede sein. Begonnen haben sie formal alle noch an der Landessternwarte, durchgeführt wurden sie ab 1969 aber im Rahmen des neuen Max-Planck-Institutes. Das hat sich nicht nur wissenschaftlich und technisch ausgezahlt, sondern auch dazu geführt, dass das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft den Institutsneubau Anfang der 1970er Jahre durch einen bedeutenden Zuschuss aus Mitteln der Weltraumforschung förderte. In der Institutssatzung vom Jahre 1969 wurde deshalb im § 1 als Zweck des MPIA bestimmt: „Das Institut ist der Forschung auf dem Gebiet der optischen und der extraterrestrischen Astronomie gewidmet.“ 2.9.2 Raketen-Experimente Christoph Leinert, Hartmut Link und Eckhart Pitz entwickelten zur technischen und wissenschaftlichen Vorbereitung des geplanten größeren Experimentes auf der Sonnensonde ein kleines Raketen-Experiment. Fünf Photometer mit 5 cm-Linsen sollten Helligkeit, Farbe und Polarisation des Zodiakallichtes in verschiedenen Wellenlängenbereichen des Sichtbaren messen. Das Flugexperiment wurde bei der Firma Dornier gebaut und in Heidelberg geeicht. Auf einer zweistufigen Skylark-Höhenforschungs-Rakete wurde es als Projekt „R-214“ am 2. Juli 1971 von Sardinien aus in eine Flughöhe von 224 km gestartet (Abb. 2.9-2). In vier Minuten Messzeit wurden die wissenschaftlichen Beobachtungen durchgeführt. Die Nutzlastspitze mit einem französischen RöntgenExperiment war auf die Sonne ausgerichtet, das dahinter im Schatten liegende Heidelberger Instrument beobachtete auf Kreisen um die Sonne mit einem geringsten Abstand von 15 Grad das interplanetare Streulicht. Es wurde herausgefunden, dass die größte Helligkeit des Zodiakallichts überraschenderweise nicht auf der Ekliptik liegt. Der Flug brachte auch eine Bestätigung für das neu entworfene optische Streulicht-Blendensystem, das das um Größenordnungen hellere direkte Sonnenlicht abschirmen musste und später 85 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 86 Abb. 2.9-2: Start einer Skylark-Rakete am 2. Juli 1971 von Sardinien aus. In der Nutzlastspitze befindet sich das erste Raketen-Experiment R214 des MPIA zur Messung des Zodiakallichtes nahe bei der Sonne (Hartmut Link). 86 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 87 Abb. 2.9-3: Die zweistufige Skylark-Rakete mit dem ZodiakallichtExperiment des MPIA vor dem Start in Huelva, Südspanien, im Jahre 1975. Die Raketenspitze mit den empfindlichen Messinstrumenten ist noch mit einer lichtundurchlässigen Staubkappe abgedeckt, die erst kurz vor der Zündung entfernt wird. Der Start wurde mit der mobilen Raketenbasis (MORABA) der damaligen Deutschen Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt durchgeführt (Günther Hille). 87 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 88 auf der Sonnensonde eingesetzt werden sollte. Unter der Leitung von Eckhart Pitz entstand in den frühen 1970er Jahren ein weiteres Raketenexperiment zur Messung des Zodiakallichts im Ultravioletten. Als „ASTRO-7“ wurde es am 9. Oktober 1975 von Huelva in Spanien auf einer Skylark-Rakete gestartet (Abb. 2.9-3). Dieses 2-Achs-stablisierte Instrument konnte den Himmel abrastern und legte Messbahnen über Ekliptik, Milchstraße, den Pol der Ekliptik und Eichsterne. Mit den neuen Beobachtungen konnte auch eine Theorie widerlegt werden, nach der das Zodiakallichtspektrum zum Ultravioletten hin im Vergleich zum Sonnenspektrum stark ansteigen sollte. Das glaubten amerikanische Astrophysiker aus Streurechnungen an kleinen Modell-Staubteilchen herausgefunden zu haben. 2.9.3 Die Sonnensonde HELIOS Zum Gold-Standard der Zodiakallicht-Messungen im Sichtbaren sollten die Messungen mit den beiden Sonnensonden HELIOS werden. Aus der Taufe gehoben wurde dieses Raumfahrtvorhaben bei einem USA-Besuch des damaligen Bundeskanzlers Ludwig Abb. 2.9-4: Bau der Sonnensonde HELIOS bei der Firma MBB in Ottobrunn. Die Außenseiten der großen „Garnrolle“ sind mit Sonnenzellen belegt. Dahinter sind im Schatten die Experimente angeordnet, darunter das ZodiakallichtInstrument des MPIA (MBB). 88 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 89 Erhard bei Präsident Lyndon B. Johnson im Jahre 1965. Das wichtigste Anliegen Erhards bei dieser Reise war es, die drückenden Stationierungskosten für die amerikanischen Streitkräfte in Deutschland zu verringern. Das verweigerten die Amerikaner. Um dennoch ein vorzeigbares Ergebnis der Reise heimbringen zu können, bot Präsident Johnson einen Besuch des Raketenstartplatzes Cape Kennedy und die Zusammenarbeit bei einem Raumfahrtprojekt an: einer Raumsonde, die sich der Sonne bis auf ein Drittel des Erdabstandes nähern sollte. Diese Sonde wurde in der Folge in Deutschland bei der Firma Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) gebaut, ein anspruchsvolles Vorhaben, da der Flugkörper in der Sonnennähe sehr warm und einem hohen Fluss energiereicher Teilchen ausgesetzt werden würde. Ludwig Biermann vom MPI für Physik und Astrophysik war um einen Vorschlag für die Instrumentierung der Sonnensonde gebeten worden. Unter seinen Vorschlägen zur Erforschung des interplanetaren Raumes war auch ein Zodiakallicht-Instrument. Biermann benannte sogleich einen geeigneten Experimentator: Hans Elsässer. Der nahm das Angebot an und beauftragte seinen frisch angestellten Doktoranden Christoph Leinert mit der Ausarbeitung der technischen Einzelheiten und eines wissenschaftlichen Messprogramms. Diese Aufgabe war schwierig, weil der Satellit nicht „dreiachs-stabilisiert“ war, sich also nicht auf gewünschte Positionen am Himmel ausrichten ließ. HELIOS war „spinstabilisiert“, die 4 m hohe „Garnrolle“ (Abb. 2.9-4) rotierte mit 1 Umdrehung / Sekunde. Leinert entwarf drei kleine Fernrohre mit 5 cmLinsen und einem langen Streulichtblenden-System (Baffle) vor jeder Linse, die das Sonnenlicht um das Billionenfache zu unterdrücken hatte (Abb. 2.9-5). Als Empfänger dienten Photomultiplier. Dem Drehen des Satelliten wurde durch Sammeln der Daten längs kleiner Winkelabschnitte am Himmel und Mittelwertbildung begegnet. Zwei Fernrohre rasterten Bahnen parallel zur Ekliptik ab und näherten sich dabei der Sonne bis auf 15° Abstand. So dicht an die Sonne heran waren zuverlässige Zodiakallicht-Messungen noch nie gelungen. Das dritte Fernrohr schaute in der Drehachse der Sonde zum Pol der Ekliptik, dem dunkelsten Punkt am Himmel. HELIOS-A wurde im Dezember 1974 mit einer Atlas-Centaur-Rakete von Cape Canaveral gestartet. HELIOS-B folgte im Januar 1976. Diese zweite Sonde war gegenüber der ersten „auf den Kopf gestellt“, sie beobachtete diesmal den Nordhimmel. Weil die interplanetare Staubwolke auf einer Strecke von 150 bis 45 Millionen Kilometer Sonnenabstand durchquert wurde, konnte mit den Sonnensonden durch „in situ“-Messungen ein dreidimensionales Bild der Staubwolke im inneren Sonnensystem gewonnen werden. In Erdbahn-Nähe findet man etwa ein Dutzend Staubteilchen pro Kubikkilometer mit typischen Teilchengrößen von einigen Mikrometern. Der Staub stammt je zur Hälfte aus dem Asteriodengürtel und von Kometen. 89 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 90 Abb. 2.9-5: Die drei kleinen Zodiakallicht-Photometer für die Sonnensonde HELIOS werden von Christoph Leinert (Principal Investigator, rechts) und Norbert Salm (Elektroniker) im Labor geprüft. Auffallend sind die langen Blendenrohre aus Kohlefaser zur Verhinderung von Sonnenstreulicht (MPIA). Der Erfolg der Sonnensonden veranlasste Vorschläge für weitere Vorhaben: HELIOS-C und ULYSSES, eine Sonde mit einer Bahn aus der Ekliptik heraus über die Pole der Sonne. Letztere wurde tatsächlich gebaut und zu einem bedeutenden wissenschaftlichen Erfolg. An diesen neuen Forschungsmöglichkeiten waren die Wissenschaftler des MPIA stark interessiert. Aber die Weichen wurden anders gestellt. Während der Verantwortliche Wissenschaftler (Principal Investigator) Leinert und seine Kollegen Pitz und Link nach dem geglückten Start von HELIOS-A noch auf der Rückreise von Cape Canaveral nach Heidelberg waren, verkündete Elsässer bei der Weihnachtsfeier 1974 den übrigen Mitarbeitern des Institutes den Schlussstrich unter die Zodiakallicht-Forschungen. An weiteren Sonden sollte sich das MPIA nicht mehr beteiligen, da ihm die offenen Fragen weitgehend gelöst schienen. Die verblüfften Rückkehrer haben dann aber noch über 12 Jahre erfolgreich an der Datenauswertung für die beiden Sonden gearbeitet. HELIOS-A hat elf Jahre und HELIOS-B vier Jahre gemessen, so dass ein ganzer Sonnenfleckenzyklus 90 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 91 abgedeckt werden konnte. Bei diesem Projekt gab es lebhaften wissenschaftlichen Austausch mit dem MPI für Kernphysik, das unter der Leitung von Hugo Fechtig, Jochen Kissel und Eberhard Grün Staubdetektoren auf HELIOS und ULYSSES flog. 2.9.4 Das Ballon-Teleskop THISBE Parallel zu Raumsonden und Raketen begann im Jahre 1967 die Planung für ein Ballonteleskop. Während die Beteiligung an einem Experiment für eine Raumsonde oder einen Satelliten viele Jahre erfordern und Raketenexperimente nur einige Minuten Beobachtungszeit erlauben, sollte ein Ballonteleskop jährlich stundenlange Flüge zu vergleichsweise sehr geringen Kosten ermöglichen. Mit der Leitung wurde Dietrich Lemke beauftragt, der gerade seine Doktorarbeit abgeschlossen hatte. Die Firma Dornier erhielt den Auftrag zum Bau einer Ballongondel nach technischen und wissenschaftlichen Vorgaben aus Heidelberg. Diese Gondel sollte in der Stratosphäre ein Teleskop auf jede Stelle des Himmels ausrichten können. Sie musste die wissenschaftlichen Daten eines mehrstündigen Fluges zur Bodenstation funken können und eine sichere Landung mit einfacher Instandsetzung für den nächsten Flug erlauben. Die Teleskope sollten leicht austauschbar sein. Sie sollten je nach wissenschaftlicher Fragestellung von Diplomanden oder Doktoranden des Institutes gebaut werden. Mit einem Ballon lassen sich je nach Größe der Hülle Flughöhen von 30 bis 40 km erreichen. Dabei können ~ 99 % der Erdatmosphäre überwunden werden. Damit werden Beobachtungen im Infraroten und mittleren Ultraviolett möglich. Den bei solchen Vorhaben üblichen Wettstreit zur Namensgebung für das „Raumfahrzeug“ gewann ein Mitarbeiter bei Dornier: THISBE = Telescope of Heidelberg for Infrared Studies by Balloon-Borne Experiments. (Thisbe und Pyramus, ein babylonisches Liebespaar, wurden in Shakespeares „Sommernachtstraum“ verewigt). THISBEs Erstflug startete am 30. September 1969 vom Erprobungsgelände der Bundeswehr in Meppen im Emsland. Die technische Durchführung hatten Kollegen von der Universität Kiel übernommen, die ähnliche Ballon-Experimente zur Erforschung der kosmischen Strahlung durchführten. THISBE erreichte eine Flughöhe von 29 km, musste aber wegen starken Westwindes bald landen. Keinesfalls durfte sie in die Nähe der innerdeutschen Grenze („Eiserner Vorhang“) gelangen. Bei der Bergung der unbeschädigt gelandeten Gondel in der Lüneburger Heide durch einen Hubschrauber der Bundeswehr wurde schnell klar, was die schwer deutbaren Datensignale verursacht hatte. Die motorisch betriebenen Abdeckklappen der vier 10 cm-Fernrohre hatten sich nicht vollständig öffnen lassen und auch der Höhenachsenantrieb der Gondel war steckenge- 91 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 92 Abb. 2.9-6: Die beim ersten Testflug des Ballonteleskops THISBE aufgetretenen Schwierigkeiten bei Mechanik und Elektronik waren offenbar durch die sehr niedrigen Temperaturen in der Stratosphäre verursacht worden. In Schutzkleidung betreten Hubert Schütz (links) und Dietrich Lemke die Kältekammer der IABG in München-Ottobrunn. Hier konnte bei einer Temperatur von –45° C gearbeitet werden, dabei wurden alle technischen Probleme erkannt und behoben. Die Kammer war auch abpumpbar, so dass ein unbemannter Flug in die Stratosphäre vollständig simuliert werden konnte (Lemke). blieben. Offenbar hatte die Kälte in der Stratosphäre (– 60° C) die Probleme verursacht: Vereisung, nicht ausreichend kältefeste Schmierung, Materialversprödung, zu geringes Spiel von Lagern und Getrieben. Gründliche Fehleranalyse, Umbau und Erprobung des gesamten Ballonteleskops in einer großen Kälte-Vakuumkammer in München-Ottobrunn (Abb. 2.9-6) haben dann alle durch die Kälte verursachten mechanischen Probleme beseitigt. Die dabei gewonnenen Erfahrungen hat das MPIA später zu immer anspruchsvolleren Kryo-Mechanismen für die folgenden Infrarot-Satelliten-Experimente auf GIRL, ISO, Herschel und JWST ermutigt. Die meisten Flüge von THISBE wurden vom Startplatz des amerikanischen Zentrums 92 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 93 Abb. 2.9-7: THISBE vor dem Start vom Flugplatz der National Centers for Atmospheric Research in Palestine, Texas. Im Hintergrund wird ein 50000 m³ Plastik-Ballon zu 1% seines Volumens mit Helium gefüllt. Beim Aufstieg dehnt sich das Gas aus und füllt schließlich die gesamte Ballonhülle. Da der Ballon unten offen ist, sind dort Innen- und Außendruck gleich. Deshalb reicht die dünne Plastikhülle (25 Mikrometer) aus, um das Füllgas gefangen zu halten. In 33 km Höhe sind 99 % der Atmosphäre überwunden, beim Flug auf 41 km Höhe sogar 99,6 % (Lemke). für Atmosphärenforschung (NCAR) in Palestine (Texas) durchgeführt (Abb. 2.9-7). Mit kleinen Teleskopen, die von den damaligen Studenten Werner Gabsdil, Wilfried Hofmann, Albrecht Frey u. a. gebaut wurden, gelangen Messungen des Zodiakallichts vom mittleren Ultravioletten bis zum nahen Infraroten. Mit einem trockeneisgekühlten 15 cm-Teleskop (Abb. 2.9-8) wurde der hinter dichten interstellaren Staubwolken verborgene Zentrumsbereich unserer Milchstraße im nahen Infraroten kartiert. Die Arbeiten mit dem Ballonteleskop hatten einen völlig anderen Charakter als die späteren Weltraumexperimente auf Satelliten. Für die Ballongondel wurden alle Instrumente im Institut gebaut, die Beobachtungsprogramme eigenhändig in den Lochstreifen für die Steuerelektronik gestanzt. Umbauten der Instrumente für den nächsten Flug mussten in 93 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 94 Abb. 2.9-8a u. b: Das trockeneisgekühlte Infrarotteleskop in der Ballongondel THISBE vor einem Nachtstart. Daneben die bei diesem Flug gewonnene 2.4 μm-Karte des Zentralbereiches der Milchstraße. Im Optischen ist dieser Bereich durch interstellare Staubwolken verdunkelt. Im nahen Infraroten wird die Ansammlung von Milliarden kühler Sterne erkennbar (Wilfried Hofmann). 94 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 95 Abb. 2.9-8b wenigen Tag- und Nachtschichten von Studenten und Technikern aus dem Institut durchgeführt werden. Dabei waren alle Beteiligten vor Ort stark gefordert, es musste viel improvisiert werden, aber es wurde auch sehr viel gelernt. Der heute bei modernen Satellitenexperimenten notwendige teure und lang andauernde Produktsicherungs-Aufwand, die gewaltige Dokumentation und die vielen Projekt-Reviews wurden damals nicht durchgeführt. Trotz dieser Einfachheit und schnellen Startfolge (bis zu drei Flüge in zwei Monaten) haben über die Hälfte der insgesamt 17 Flüge mit THISBE wissenschaftliche Daten geliefert. Die restlichen Versuche waren Fehlstarts, Erprobungen, technische Pannen. Satelliten-Experimente sind dagegen fast immer erfolgreich, kosten aber leicht das Vielhundertfache und erfordern über ein Jahrzehnt für Vorbereitung und Durchführung. THISBE hat dank ihrer robusten Konstruktion alle Urwald- und Gebirgslandungen fast unbeschädigt überstanden. Selbst Einschusslöcher blieben ihr erspart, wie sie in anderen Gondeln gefunden wurden, bei denen unwissende Einheimische die Landung der vermuteten „Extraterrestrischen“ verhindern wollten. Das Ballon-Teleskop wurde 2007 95 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 96 zusammen mit einem Experiment der Sonnensonde Helios dem Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim übergeben, dort warten sie auf eine geplante Ausstellung über „unzugängliche Räume“. 2.9.5 Ein GIRL wird kaltgemacht Das THISBE-Programm wurde 1980 eingestellt, weil sich eine viel bequemere Beobachtungsmöglichkeit im richtigen Weltraum anbot. Auf der neuen amerikanischen Raumfähre (Space Shuttle) sollte das von Europa bereitgestellte Spacelab bis zu 250 Mal zum Einsatz kommen. In Deutschland wurde für ein Nutzungsprogramm geworben, es schien sogar möglich, dass gesunde Forscher mit ihren Laborgeräten an Bord gehen und nach zwei Wochen mit ihren Daten wieder auf der Erde landen. Gefördert durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie wurde durch die Firma MesserschmittBölkow-Blohm ab 1978 ein mit flüssigem Helium gekühltes 40 cm-Infrarot-Teleskop entworfen. Es erhielt den Namen GIRL = German Infrared Laboratory. Es sollte mit dem von der Firma Dornier entworfenen Instrument-Pointing-System (IPS) vom Spacelab aus auf jeden Punkt des Himmels ausgerichtet werden können (Abb. 2.9-9). Das GIRL-Teleskop wurde mit drei astronomischen Instrumenten (aus Garching, Tübingen und Heidelberg) und einem atmosphären-physikalischen Instrument (aus Wuppertal) ausgerüstet. Projektwissenschaftler von GIRL und Principal Investigator des Heidelberger Infrarot-Photometers wurde Dietrich Lemke vom MPIA. Am MPIA wurde ein neuartiger Sperrklinkenantrieb für die Filterräder zum Messbetrieb nahe dem absoluten Temperatur-Nullpunkt (–273° C) entwickelt und zur Einsatzreife gebracht. Gemeinsam mit der Industrie wurden hochempfindliche Detektoren für das ferne Infrarot entwickelt, wobei das Heidelberger Labor die Charakterisierung unter simulierten Weltraumbedingungen übernahm. Ähnlich erfolgreich waren die Entwicklungen in den anderen deutschen Instituten und in der Industrie angelaufen. Es war deshalb ein Schock für alle Beteiligten, als im Februar 1985 das Bundesministerium für Forschung und Technologie den Abbruch des GIRL-Projektes verfügte. Hauptgrund für diese Entscheidung war, dass die von der NASA genannten Flugkosten auf dem Space Shuttle von Jahr zu Jahr immer höher wurden. Die Bemannung des Shuttles erforderte einen viel höheren Sicherheitsaufwand als das bei unbemannten Flugkörpern nötig ist. Und obwohl das Spacelab-Programm noch gar nicht richtig angelaufen war, wurde bereits gleichzeitig die Raumstation geplant. Dort sollte wiederum alles besser und billiger werden. Da an viele Einsätze von GIRL auf dem Spacelab nun nicht mehr 96 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 97 Abb.2.9-9: Das German Infrared Laboratory GIRL in der Ladebucht des Space-Shuttles. Es sollte astronomischen und aeronomischen Messungen mit einem heliumgekühlten 40 cm-Teleskop dienen. Vor der Fertigstellung wurde das Projekt wegen der stark gestiegenen Flugkosten durch das Forschungsministerium abgebrochen (MBB). zu denken war, stoppte das Forschungsministerium die Entwicklung nach sieben Jahren und Ausgaben von fast 50 Millionen DM. Die Ausgaben waren nicht komplett verloren, sondern erwiesen sich doch noch als gute Investition. MBB konnte ein dem GIRL ähnliches Gerät im Rahmen des amerikanischen SDI-Programms liefern. Die wissenschaftlichen Experimentatoren von GIRL waren in eine gute Ausgangslage für die Bewerbung 97 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 98 um anstehende europäische Satellitenprojekte gekommen. Ein halbes Jahr nach dem Abbruch von GIRL wurde das MPIA mit Dietrich Lemke als Principal Investigator für ein Instrument auf dem ersten Infrarot-Weltraum-Observatorium ISO der ESA ausgewählt, Näheres dazu im Kapitel 3.5.1 Die Abbruchsentscheidung des Ministeriums hat sich nachträglich als Eingeständnis des Scheiterns der Spacelab-Nutzung erwiesen, denn statt hunderter sind wegen der sehr hohen Kosten und Zeitverzögerungen nur wenige Spacelab-Flüge vom Boden gekommen. Und auch die Raumstation wird, wie von den Astrophysikern lange vorher befürchtet, astronomisch bisher kaum genutzt: ungünstige Umlaufbahn, wechselnde thermische Umgebung, gestörte Stabilisierung, kontaminierte Umgebung. 2.10 Wissenschaftliche Programme am Calar Alto und auf La Silla (1970 – 1990) Bereits während der Aufbauphase der neuen bodengebundenen Teleskope wurde deren wissenschaftliche Nutzung intensiv vorbereitet. Dabei konnten die Fernrohre der Landessternwarte auf dem Königstuhl und die der Europäischen Südsternwarte in Chile genutzt werden. Mehrere Mitarbeiter des MPIA waren längere Zeit als Gastwissenschaftler an ausländischen Instituten, vor allem in den USA, und hatten dort Zugang zum Beobachten an großen Teleskopen. Mit der Inbetriebnahme der Teleskope am Calar Alto kamen Wissenschaftler von anderen deutschen und internationalen Observatorien für mehrjährige Forschungsaufenthalte nach Heidelberg. Dieser zunehmende Austausch brachte neue Ideen und fruchtbare wissenschaftliche Diskussionen in die Institutskolloquien. Es begann ein breitgefächertes Forschungsprogramm, von Objekten des Sonnensystems bis zu den fernsten Galaxien. Die neuen Teleskope waren ständig überbucht. Die Beobachtungszeit wurde von einem international besetzten Calar Alto Programmkomitee nach wissenschaftlicher Güte vergeben. Dabei diente für die Zeitvergabe als Richtschnur: 45 % MPIA, 40 % deutsche Institute, 15 % Spanien. Ausländische Astronomen erhielten Beobachtungszeit als Kooperationspartner einer der vorstehenden Gruppen. Nach einigen Jahren Beobachtungsbetrieb schälten sich mehrere besonders interessante und erfolgreiche Forschungsrichtungen heraus. Zwei sollen hier als Beispiele für die Arbeit der 1970er und 1980er Jahre am MPIA angeführt werden. 98 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 99 2.10.1 Geburtsstätten der Sterne Die Entstehung der Sterne wurde in den 1970er Jahren zu einem der spannendsten Themen der Astronomie. Die frühen Phasen der Sternentstehung können optisch nicht beobachtet werden, da sie im Inneren dichter interstellarer Wolken vor sich gehen. Die Staubteilchen in diesen Wolken haben eine Größe vergleichbar der des sichtbaren Lichtes, also etwa einige Tausendstel Millimeter. Das führt zu starker Wechselwirkung und Absorption. Beobachtungen im neu erschlossenen Spektralbereich der längerwelligen Infrarot-Strahlung dagegen erlauben einen Blick in das staubverdeckte Innere der Wolken, auf die tatsächlichen Geburtsorte der Sterne. Gleichzeitig konnte mit den ersten leistungsfähigen Rechnern der Kollaps einer interstellaren Wolke zu einem oder mehreren Protosternen und die folgende Entwicklung zu einem Stern ähnlich dem unserer Sonne theoretisch nachvollzogen werden. Ein Erfolg versprechender Beginn war die eingehende Beobachtung von Objekten, die Sternentstehungsgebiete enthalten. Das sind beispielsweise Gasnebel, die stets von mindestens einem sehr jungen, heißen Stern (Temperatur > 20000 K) zum Leuchten angeregt werden. Um ihre hohe Leuchtkraft zu erzeugen, verbrauchen solche Sterne ihre Kernenergievorräte sehr schnell. Sie können deshalb erst vor astronomisch kurzer Zeit entstanden sein. Bekanntes Beispiel für diese Objektklasse ist der helle Orionnebel, zum Leuchten angeregt durch vier in Form eines Trapezes beieinander stehende junge, heiße Sterne. Wie wir heute durch räumlich hoch aufgelöste Beobachtungen mit dem HubbleWeltraumteleskop wissen, sind im umgebenden Orionnebel eine große Zahl gerade entstandener Sterne beheimatet. Bei den Untersuchungen in den späten 1970er Jahren wurden die Forscher des MPIA auf eine besondere Untergruppe von kompakten Gasnebeln aufmerksam: die bipolaren Nebel. Sie zeigen zwei in entgegengesetzte Richtungen ausströmende Gaswolken (Flügel), getrennt durch eine dunkle Lücke. Besonders intensiv wurde der bipolare Nebel S106 am Calar Alto untersucht, der damals geradezu zum „Wappentier“ des MPIA wurde (Abb. 2.10-1). Messungen mit dem Coudé-Spektrographen durch Josef Solf zeigten, dass mit Staub vermischtes heißes Gas mit vielfacher Schallgeschwindigkeit vom Zentrum in die beiden „Flügel“ fließt. Durch Infrarot-Messungen von Carlos Eiroa und Kollegen wurden in der dunklen Lücke, einer lichtabsorbierenden Staubscheibe, der das Leuchten des Gases anregende heiße junge Stern gefunden. Bei Durchmusterungen der Milchstraße konnten Thorsten Neckel und Jakob Staude viele weitere bipolare Nebel finden und am Calar Alto nachuntersuchen. Alle zeigten einen ähnlichen Aufbau: von einem heißen kurzlebigen Stern (vom Typ O oder B) strömt heißes leuchtendes Gas in 99 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 100 Abb. 2.10-1: Der bipolare Nebel S106, aufgenommen mit einer Bildwandlerkamera im nahen Infraroten. Im Zentrum (Pfeil) ist der anregende junge, heiße Stern erkennbar. Im Optischen ist dieser Stern nicht zu sehen, da die ihn umgebende Staubscheibe sein Licht millionenfach schwächt. Der untere vom Stern wegströmende Gasflügel erscheint heller, da er auf uns zu geneigt ist (Carlos Eiroa). zwei Flügel, die senkrecht auf der Staubscheibe stehen, in ihrer Mitte befindet sich der anregende Stern. Das führte Elsässer und Staude zu ihrem Modell für die Sternentstehung: Ein neuer Stern ist stets von einer dünnen Staub- und Gasscheibe umgeben, aus der später Planeten entstehen können. In die Polrichtungen strömt Materie ab und führt dabei überschüssigen Drehimpuls ab, was zur weiteren Kontraktion des Systems führt (Abb. 2.10-2). Dieses Modell wurde seither vielfach bestätigt und verfeinert. Bei einer besonderen Gruppe sehr junger Sterne vom Typ T Tauri wurden ab 1983 von Reinhard Mundt schlauchförmige Ausströmungen (Jets) entdeckt. Sie enden im dichten interstellaren Material mit einer aufgestauten Kopfwelle. Manche dieser hellen Kopfwellen, oder auch helle Knoten im Jet, waren früher schon isoliert als Herbig-Haro-Objekte wahrgenommen worden. Am MPIA wurde die direkte Verbindung zwischen diesen Objektklassen geklärt. Thomas Bührke, Reinhardt Mundt und Tom Ray haben die Eigenschaften des Stern/Jet-Systemes gemessen: Abströmgeschwindigkeit im Jet bis zu 400 km/s, Massenverlust des Sterns etwa ein Milliardstel Sonnenmasse pro Jahr, Gas- 100 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 101 Abb. 2.10-2: Modell für junge Sterne, nach Elsässer und Staude. Die Sterne entstehen in dichten, kalten Molekülwolken. Sie sind anfangs von einer Staubscheibe umgeben, aus der eventuell Planeten entstehen. In Polrichtung des rotierenden Sternes strömt Gas ab, das durch die Ultraviolett-Strahlung des Sternes zum Leuchten angeregt wird. Vergleiche dazu Abb. 2.10-1 (Jakob Staude, Hans Elsässer, MPIA). dichten etwa 100 Teilchen pro Kubikzentimeter. In günstigen Fällen gelang durch CCDAufnahmen am 3.5 m-Teleskop der Nachweis des „Gegen-Jets“ (Abb. 2.10-3). Diese Jets führen im Zeitraum von 1 Million Jahren den Drehimpuls aus der Geburtswolke des Sterns ab und ermöglichen so die weitere Kontraktion von Stern und Scheibe. Bei verschiedenen Quellen konnten über einen Zeitraum von einigen Jahren sogar die Eigenbewegungen der Knoten in den Jets gemessen werden. Mit dem Speckle-Interferometer stand ab 1985 am Calar Alto ein Instrument zur Abbildung mit hoher räumlicher Auflösung zur Verfügung. Statt der durch die Luftunruhe auf etwa eine Bogensekunde begrenzten Auflösung, konnten im nahen Infraroten nun auf 101 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 102 Abb. 2.10-3: Bipolarer Jet eines jungen Sterns. Der südliche Jet ist im Licht einer Schwefellinie über eine weite Strecke erkennbar, er endet mit einer Kopfwelle (Herbig-Haro 34S). Die Kopfwelle des nördlichen Jets ist oben als HH34N erkennbar, während der größte Teil des nordwärts laufenden Jets durch davor liegenden Staub verdeckt ist. Aufnahme mit dem 3.5 m-Teleskop am Calar Alto (Reinhardt Mundt, Thomas Bührke, Tom Ray). 102 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 103 4.0 FV TAU 17. Okt. 89 Signal [ V ] 3.0 2.0 1.0 0 0.5 1.0 t[s] 1.5 2.0 Abb. 2.10-4: Ende der Mondbedeckung des Sterns FV Tau am 17. Oktober 1989 um 23 h 25 m 58 s UT. Die gesamte Beobachtung mit dem 3.5 m-Teleskop am Calar Alto dauerte nur zwei Sekunden. Dabei wurde FV Tau durch zwei Signalsprünge als Doppelstern erkannt, mit einem Abstand von 0.537 Bogensekunden der beiden Komponenten. Die beiden Helligkeitsanstiege sind nicht ideal treppenförmig, sondern zeigen die zu erwarteten Beugungsmuster (Martin Haas, Christoph Leinert, Andrea Richichi, Hans Zinnecker). Zehntelbogensekunden scharfe Bilder erhalten werden. Dazu muss ein Objekt sehr kurz belichtet werden (~ 1/100 s), dann erhält man „unterbelichtete“ Bilder, aber mit beugungsbegrenzter Information. Von denen wird eine große Zahl wie in einem digitalen Film aufgezeichnet. Im Rechner kann daraus ein nahezu beugungsbegrenztes (scharfes) Bild erzeugt werden. Bei der sonst üblichen längeren Belichtungszeit würden sich die Beugungsscheibchen zu einem verwaschenen Fleck von etwa einer Bogensekunde Durchmesser (Seeing-Scheibchen) überlagern. Mit dieser Methode konnten Christoph Leinert und Martin Haas die Durchmesser der Staubscheiben um sehr junge Sterne messen und die häufige Doppelnatur der massearmen jungen Sterne nachweisen. Anschließend haben die beiden Wissenschaftler die schnelle Speckle-Kamera für ein weiteres Verfahren zur hohen räumlichen Auflösung eingesetzt: die Mondbedeckungen. Der Mond bewegt sich vergleichsweise schnell am Himmel, in einer Stunde um etwa ½ Grad, was gerade seinem 103 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 104 Winkeldurchmesser am Himmel entspricht. Taucht ein zuvor vom Mond bedecktes Objekt am dunklen Mondrand wieder auf, zeigt die Strahlung eine charakteristische Helligkeitsschwingung (Fresnel-Beugung), aus der der Durchmesser des Objektes berechnet werden kann. Die Abb. 2.10-4 zeigt die Mondbedeckung des jungen T Tauri-Sterns FV Tau, bei dem die Doppelsternnatur dieses Objektes erkannt wurde. Da der Mond im Laufe der Jahre einen mehrere Grad breiten Streifen am Himmel überstreicht, konnten eine größere Zahl von Quellen aufgelöst werden. Das Verfahren erfordert allerdings lange Vorausberechnungen für eine interessante Bedeckungserscheinung und kann natürlich nur in der Nacht und bei gutem Wetter durchgeführt werden. Das Arbeitsgebiet der Sternentstehung, hier mit wenigen frühen Beispielen eingeführt, ist bis heute ein Hauptarbeitsgebiet des MPIA geblieben. Seit der Ankunft von Thomas Henning wurde es erweitert und um die damit zusammenhängende Planetenentstehung ergänzt (Kapitel 3.6). 2.10.2 Galaxien und Quasare Ein heißes Thema zu Beginn der 1980er Jahre war die Natur der Quasare, heller punktförmiger („quasistellarer“) Objekte mit hoher Rotverschiebung, die auf hohe Entfernungen im Kosmos hindeuteten. Viele dieser bläulichen Objekte zeigten außerdem starke Radiostrahlung, andere waren „radioruhig“. Radioastronomen katalogisierten bei Durchmusterungen des Himmels zahlreiche Quellen, deren Spektrum auf ihre Quasar-Natur hindeutete. Am 1.23 m- und am 2.2 m-Teleskop begann eine Suche nach den optischen Gegenstücken von kompakten Radioquellen, die eventuell Quasare sein könnten. Dabei erlaubten es die neuen Teleskope mit den lichtelektrischen Kameras, schwächere Quellen zu erfassen, als auf den berühmten Palomar-Photoplatten aufgezeichnet sind. Mit weiteren Beobachtungen zur Veränderlichkeit und Polarisation, charakteristischen Merkmalen dieser neuen Objektklasse, konnten eine Reihe von bisher unbekannten Quasaren identifiziert werden. Solange das 3.5 m-Teleskop noch nicht verfügbar war, musste Beobachtungszeit am 3.6 mTeleskop der ESO in Chile eingeworben werden. Dabei gelangen Peter Wehinger und Thomas Gehren im Primärfokus Aufnahmen von Quasaren, die die hellen Punktquellen eingebettet in eine ausgedehnte Hülle zeigten. Folgeuntersuchungen mit dem 2.2 mTeleskop bestätigten: die Radioquasare liegen in den Zentren von elliptischen Galaxien. Quasare als Kerne von Galaxien, das war damals eine aufregende Entdeckung! Viele Quasare zeigen im Radiobereich eng gebündelte Ausflüsse (Jets). Sie erreichen Aus- 104 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 105 Abb. 2.10-5: Die riesige elliptische Galaxie M87 befindet sich im Zentrum des Virgo-Galaxienhaufens. Dem Zentrum von M87 entspringt ein Jet, möglicherweise von einem dort befindlichen Schwarzen Loch. Der Jet leuchtet im Synchrotronlicht, das durch schnelle Elektronen im Magnetfeld des Jets erzeugt wird. Polarisationsmessungen an diesem Jet zeigt Abb. 2.10-6 (Hubble Space Telescope). 105 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 106 dehnungen von mehreren 100000 Lichtjahren von der Ursprungsgalaxie und enden mit einer Bugwelle im intergalaktischen Gas. Dort, am Ende der Beschleunigungsstrecke des Teilchenflusses, entsteht ein „Hot Spot“, eine kappenförmige helle Radioquelle über dem Jet. Die Radiostrahlung wird bei der Beschleunigung von Elektronen in kosmischen Magnetfeldern erzeugt, die den Jet bündeln. Diese Synchrotronstrahlung (nach dem gleichen Prinzip wird sie in irdischen Teilchenbeschleunigern erzeugt) sollte also auch im Optischen zu sehen sein. Und tatsächlich gelang es im Jahre 1985 Hermann-Josef Röser und Klaus Meisenheimer mit dem 2.2 m-Teleskop auf La Silla die optische Synchrotronstrahlung am Radiojet des Quasars 3C33 nachzuweisen. Mit einer doppelten Kalkspatplatte wurden Doppelbilder in verschiedenen Polarisationsrichtungen erzeugt, aus denen ein Polarisationsgrad von 30 % abgeleitet wurde, charakteristisch für die optische Synchrotronstrahlung. Mit dieser Entdeckung wurde ein weiterer Zugang zum Verständnis des Beschleunigungsmechanismus der Elektronen ermöglicht. Weitere optische Hot Spots wurden entdeckt, darunter Pic A mit 45 % Polarisation. Mit Infrarotmessungen konnte 1987 die Lücke im Spektrum zwischen der optischen und der Radio-Synchrotronstrahlung geschlossen werden. Daraus folgten typische Werte für die Hot Spots: die Magnetfeldstärke beträgt etwa 40 Nanotesla, das ist ein Tausendstel der Stärke des Erdmagnetfeldes, das unsere Kompassnadel ausrichtet. Die Jet-Geschwindigkeiten erreichen 20 bis 50 % der Lichtgeschwindigkeit, und die Zeitskala für die Beschleunigung der relativistischen Teilchen beträgt etwa 1000 Jahre. Ein Ringberg-Workshop zu diesem „heißen“ Thema zog 1988 viele amerikanische und britische Astronomen an. Mit den neuen Instrumenten am Calar Alto wurden von Martin Schlötelburg und Klaus Meisenheimer auch die bekannten optischen Jets von Galaxien untersucht. Eindrucksvoll ist die Polarisationskarte des Jets von M87, einer elliptischen Riesengalaxie (Abb. 2.10-5) im Zentrum des Virgo-Galaxienhaufens. Abb. 2.10-6 zeigt die perfekte Übereinstimmung von optischer und Radio-Polarisation ausgehend vom Galaxienkern über die Knoten bis zum Hot Spot im NW. Dies und die große Helligkeit längs des gesamten Jets bedeuten auch, dass die Teilchen dort ständig nachbeschleunigt werden müssen, ein Befund, der zu neuen theoretischen Modellen führte. Zu einer anhaltenden Erfolgsgeschichte wurde die Untersuchung wechselwirkender Galaxien. Das sind Sternsysteme auf kosmischem Kollisionskurs. Dabei ergeben sich sehr enge Begegnungen oder gar Verschmelzungen. Sie führen zu ungewöhnlichem Aussehen der Galaxien, oft zu langen „Gezeitenschwänzen“, die eine ähnliche Ursache haben wie die beiden durch den Mond erzeugten um die Erde laufenden Flutwellen. Mit den damals neuen Bildwandler- und CCD-Kameras konnten Josef Fried und Hartmut Schulz im Jahre 1981 in der Galaxie NGC 6240 zwei Kerne im Abstand von 1.8 Bogensekunden 106 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 107 Abb. 2.10-6: Polarisationsmessungen lassen die Richtung der Schwingungsebene der Lichtwellen erkennen. Optische (650 nm) und Radio (2 cm) Polarisationsvektoren sind um einen kleinen Betrag verschoben gezeichnet – sie stimmen gut überein, ein starker Hinweis auf die ständige Nachbeschleunigung der Elektronen, die bei optischer Abstrahlung mehr Energie verlieren (Klaus Meisenheimer). (oder 2000 Lichtjahren) entdecken (Abb. 2.10-7). Die Kerne stammen aus den beiden ursprünglichen Galaxien, die sich gerade in einem Verschmelzungsprozess befinden. Reichlich Datennachschub erhielt dieses Forschungsfeld ab 1983, als mit dem IRASSatelliten bei der ersten Himmelsdurchmusterung im fernen Infraroten bei vielen optisch ungewöhnlich aussehenden Galaxien große Leuchtkräfte entdeckt wurden. Ulrich Klaas und Hans Elsässer starteten eine ausgedehnte Untersuchung der optischen Gegenstücke zu den hellen Infrarot-Galaxien. Mit einer CCD-Kamera im Primärfokus des 3.5 mTeleskops und dem großen Langspalt-Spektrographen im Cassegrain-Fokus dieses Teleskops fanden sie heraus, dass das Aussehen der Objekte durch eine enge Wechselwirkung zweier oder mehrerer Galaxien stark verändert wird (Abb. 2.10-8). Bei diesem Vorgang werden interstellare Wolken in den Galaxien komprimiert. In kosmisch kurzer Zeit entstehen dabei viele neue Sterne („Starburst Galaxien“). Diese jungen Sterne „heizen“ die umgebenden Staub- und Gaswolken, innerhalb derer sie gerade erst entstanden sind, auf Temperaturen von etwa 40° K (–230° C) auf. Das führt zu großen Helligkeiten im fernen Infraroten bei Wellenlängen um 100 μm. Mehrere der hier beispielhaft für die 1980er Jahre vorgestellten Forschungsfelder sind aktuell geblieben und werden uns beim Überblick über die jüngste extragalaktische Forschung am MPIA wieder begegnen (Kapitel 3.7). 107 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 108 Abb. 2.10-7: Die Galaxie NGC 6240 in einer Entfernung von 300 Millionen Lichtjahren. Diese frühe CCD-Aufnahme im Roten zeigt im Zentrum zwei Kerne im Abstand von 1.8 Bogensekunden. Frühere photographische Aufnahmen von NGC 6240 waren im Kern stets überbelichtet und konnten die Doppelquelle nicht auflösen. Die Galaxie ist offenbar aus der Verschmelzung zweier kleinerer hervorgegangen. Aufnahme am 2.2 m-Teleskop auf dem Calar Alto (Josef Fried). Abb. 2.10-8: Zwei Galaxien im Stadium der Verschmelzung. Dieses Objekt IRAS 14168 + 8256 hat im Infraroten die gewaltige Leuchtkraft von 200 Milliarden Sonnenleuchtkräften, ausgelöst durch eine hohe Sternentstehungsrate bei der Kollision. Es befindet sich in einer Entfernung von über einer Milliarde Lichtjahren. CCD-Aufnahme im Primarfokus des 3.5 m-Teleskops, die Helligkeiten sind in Falschfarben codiert (Ulrich Klaas). 108 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 109 2.11 Instrumentelle Entwicklungen an der technologischen Zeitenwende Der Aufbau des MPIA fällt mit der zweiten technologischen Zeitenwende in der Geschichte der Astronomie zusammen. Die erste Wende wurde im Jahre 1609 durch die Erfindung des Fernrohres eingeleitet: der Übergang vom Beobachten mit unbewaffnetem Auge (5 mm Öffnung) zu Fernrohröffnungen von mehreren Zentimetern und dem damit verbundenen Vordringen in hundertfach größere Raumbereiche im Kosmos. Die vergrößernden Fernrohre erlaubten auch ein besseres Auflösungsvermögen und damit das erstmalige Erkennen der Jupitermonde, der Mondkrater und der Venus-Sichel. Die zweite Zeitenwende fand ab den 1960er Jahren statt. Sie wird durch eine Vielzahl neuer Technologien für die Astronomie charakterisiert: die stürmische Entwicklung der Radio-Teleskope, die Verdrängung der Photoplatte durch CCDs, die Einführung von elektronischen Rechnern, neuen Materialien und Regelungstechniken, Lasern, Tiefstkühltechniken, Erschließung neuer Spektralbereiche mit Teleskopen auf Ballons, Raketen und Satelliten. Damit wurde das „Goldene Zeitalter“ der Astronomie eingeleitet, das uns eine bis heute nicht abreißende Fülle von Entdeckungen im Kosmos beschert. Auf einige Beispiele dieses Technologiewandels blicken wir in den folgenden Abschnitten zurück. 2.11.1 Von der Photoplatte zum CCD Die Teleskope des MPIA wurden Ende der 1960er Jahre überwiegend für photographische Aufzeichnungen ausgelegt. Sie besitzen bildfehlerfreie Gesichtsfelder für Aufnahmen großer Himmelsfelder. In fast jedem Stockwerk der Teleskopgebäude und auch im Heimatinstitut gab es gut ausgerüstete Dunkelkammern, in den Kuppelgebäuden sogar einen Photoplatten-Wechselraum. Einfache lichtelektrische Detektoren gab es zwar zu dieser Zeit bereits, so Photomultiplier oder Photozellen für das nahe Infrarot, aber alle diese Sensoren hatten nur ein oder wenige Bildelemente (Pixel). Ihre Signale oder Pulse wurden mit einem Zähler oder auf Papierstreifen festgehalten. Eine große Photoplatte dagegen hat hunderte Millionen Bildelemente und kann gleichzeitig als dauerhafter Signalspeicher dienen. Ihr entscheidender Nachteil ist aber: Photoplatten sind nicht besonders lichtempfindlich. 100 Photonen (Lichtquanten) sind nötig, um eine nachweisbare Schwärzung der Photoschicht zu bewirken, d.h. die Quantenausbeute der Photoplatte beträgt nur ein Prozent. Außerdem können Helligkeitsunterschiede nur über einen begrenzten 109 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 110 Abb. 2.11-1: Die BildwandlerKamera, entwickelt von Max Beetz, war im Jahre 1975 das erste lichtelektrische Aufzeichnungsgerät am 1.23 m-Teleskop (Kurt Birkle). (dynamischen) Bereich aufgezeichnet werden, und das leider nicht linear, d.h. beispielsweise ein zehnfaches Signal bedeutet nicht genau eine zehnfache Schwärzung. Als erster elektronischer „Verstärker“ bei der Bildaufzeichnung wurde die von Max Beetz entwickelte Bildwandler-Kamera am MPIA eingesetzt (Abb. 2.11-1). Bei ihr lösen Photonen aus dem unsichtbaren nahen Infraroten (Wellenlänge ~ 1 μm) aus einer halbdurchlässigen Photokathode Elektronen aus. Diese werden mit Hochspannung auf einen phosphoreszierenden Bildschirm beschleunigt und fokussiert, dort erzeugen sie ein sichtbares Bild des Objektes. Das wurde dann auf einer herkömmlichen Photoplatte aufgezeichnet. Mit der Bildwandler-Kamera wurden die ersten vielbeachteten Bilder am Calar Alto erzeugt: in staubverhüllten Sternentstehungsgebieten wurden deutlich mehr junge Sterne sichtbar. 110 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 111 Pulszahl m101 1. Dezember 1979, 23:34:50 SE+, BD 57 DDR 741 10 Min B 97.8 85.2 32.6 0 510 515 Wellenlänge [Im] 520 Abb. 2.11-2: Eines der ersten Spektren aufgezeichnet mit dem ~ 1000 Pixel Dioden-Array von Reticon an der „langen“ Coudé-Spektrographen-Kamera am 2.2 m-Teleskop am Calar Alto im Jahre 1979. Im Spektrum des Sternes 9. Größenklasse (BD 57° 741), aufgenommen bei einer Dispersion von 4.4 Å/mm, erkennt man die Magnesium-Triplett-Linien (Pfeile) (MPIA). Nach einem ähnlichem Prinzip arbeiten Bildverstärker für den optischen Bereich, die in mehreren Stufen aus ganz schwachen Signalen, sogar aus einzelnen Photonen, hellere Bilder erzeugen konnten. Mit einem zweistufigen Bildwandler wurde so am CoudéSpektrographen die Grenzhelligkeit einer „ungebackenen“ Kodak IIaO Photoplatte um sechs Größenklassen (Faktor 250) bei gleicher Belichtungszeit gesteigert! Mit diesen Bildverstärkern wurden bis 1981 noch Photoplatten belichtet. Dabei musste die Bildwandler-Kathode auf –30° C gekühlt werden, um den Dunkelstrom klein zu halten. Außerdem musste viel Verlustwärme von der magnetischen Fokussiereinrichtung abgeführt werden. Weil diese Bildverstärker bei allen Instrumenten zur Bildaufzeichnung eingesetzt wurden, entstand im 2.2 m-Kuppelgebäude ein ganzes isoliertes Kühlrohrsystem, mit Schlauchsteckern für Methanol (Kathode) und Wasser (Fokussierung). Ab 1978 begannen dann schrittweise lichtelektrische Sensoren die photographische Aufzeichnung zu verdrängen. Zunächst wurden „Reticons“ eingesetzt, die in zwei Zeilen je 936 Photodioden (Pixel) boten. Mit einer Faseroptik an einem dreistufigen Bilderverstärker gekoppelt, konnten so Spektren elektrisch aufgezeichnet werden, zuerst am Cassegrain-Spektrographen des 2.2 m-Teleskops (Abb. 2.11-2). Guido Münch hat nach seinem Dienstantritt als Wissenschaftliches Mitglied am MPIA 1978 die Entwicklung der digitalen Bildsysteme vorangetrieben. Durch seine engen Verbindungen in die USA konnte er 1980 die Beschaffung einer ersten CCD-Kamera an das MPIA erreichen. Sie wurde von Princeton Scientific Instruments geliefert, einer kleinen 111 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 112 Abb. 2.11-3: Das „CCD-Team“ des Institutes stellte ab Anfang der 1980er Jahre die Calar Alto Sternwarte auf digitale Bildsysteme um, womit die bisher verwendeten Photoplatten aufgegeben wurden. Von links: Walter Rauh (Steuerung und Datenerfassung), Karl-Heinz Marien (CCDs), Uwe Graser (Verbindungs-Astronom auf dem Calar Alto) (MPIA). von Wissenschaftlern betriebenen Firma, die diese Technik für das Hubble-Weltraumteleskop entwickelt hatte. Diese Kamera hatte 512 × 320 Pixel und wurde 1981 erstmals für Direktaufnahmen im Cassegrain-Fokus des 2.2 m-Teleskops benutzt. Diese zweidimensionalen CCD-Kameras erlaubten auch die Aufzeichnung sehr langer Spektren, wobei die Gitterspektren durch eine senkrecht dazu angebrachte Prismenanordnung in mehreren Streifen nebeneinander aufgezeichnet werden konnten. In einer solchen „Echellette“-Konfiguration konnten der gesamte optische Spektralbereich und das nahe Infrarot im Wellenlängenbereich 330 bis 1080 mm elektrisch registriert werden. Für die technische Entwicklung der digitalen Bildsysteme, insbesondere der CCDs, hatte seit 1979 Karl-Heinz Marien die Schlüsselrolle am Institut inne (Abb. 2.11-3). Die Pixelzahlen der CCDs stiegen von Jahr zu Jahr an, ebenso ihre Empfindlichkeit. Ab 1990 wurde mit dem Tektronix CCD mit 1024 × 1024 Bildelementen und einer Pixelgröße von 24 μm eine „Standard-Kamera“ am Calar Alto eingeführt. Mehrere Exemplare in stickstoffgekühlten Dewargefäßen konnten an allen Instrumenten eingesetzt werden 112 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 113 Abb. 2.11-4: CCD-Kameras ersetzten ab 1980 zunehmend die Photoplatte. Beispiele für den technologischen Fortschritt am Calar Alto zeigen die drei CCDs von links nach rechts: (1) 576 × 385 Pixel (je 22 μm), Hersteller GEC (1983); (2) 1024 × 1024 Pixel (24 μm), Tektronix (1990); (3) 4096 × 4096 Pixel (15 μm), Fairchild (2007) (Karl-Heinz Marien) (Abb. 2.11-4). Bei Direktaufnahmen des Himmels wurde nun nicht mehr das große (~ 30 cm) Feld des Teleskops genutzt, denn die CCDs hatten damals nur eine Kantenlänge von knapp 2 cm. Aber dafür waren alle Daten der Kamera sofort in digitaler Form vorhanden und mussten nicht, wie bei den Photoplatten üblich, langwierig mit Schwärzungsdichte-Messmaschinen digitalisiert werden. Der Hauptvorteil der CCDs ist ihre große Quantenausbeute von ~ 90 % (gegenüber 1 % der Photoplatte), ihr hoher dynamischer Bereich und ihre gute Linearität. Im Jahre 1986 war der Technologiewechsel am Calar Alto weitgehend vollzogen: Astrokamera, Photoplatten und Dunkelkammern hatten ausgedient. Ein allerletztes mal kamen Photoplatten im Jahre 1991 bei Hans Elsässers Suche nach großen Leerräumen zwischen Galaxien-Gruppen im Primärfokus des 3.5 mTeleskopes zum Einsatz. Für das Auffinden dieser „Voids“ sollten sehr große Felder belichtet werden, das war damals mit den vergleichsweise kleinen CCDs noch nicht 113 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 114 möglich. Als wissenschaftlich ergiebiger als die Plattenaufnahmen erwiesen sich während der Arbeit am Voids-Programm aber schließlich doch die empfindlicheren CCD-Aufnahmen mit dem Fokalreduktor des 3.5 m-Teleskopes, die ab 1993 von Elsässers letzter Doktorandin Christina Popescu gewonnen wurden. Die sehr großen Himmelsfelder des Schmidt-Spiegel (Kantenlänge 5.5°) konnten weiterhin nur auf Photoplatten aufgezeichnet werden. Der schnelle Anfall großer Mengen digitaler Daten durch die neuen CCDs machte einen schnellen Ausbau der Rechner am Calar Alto und im Heimatinstitut notwendig. Noch 1980 wurden die Rechner am MPIA nur werktags für zwölf Stunden betrieben, eine Sicherheitsmaßnahme, veranlasst durch einen Brand im Rechenzentrum des Heidelberger MPI für Kernphysik. Mit steigender Zuverlässigkeit und sinkenden Preisen der Rechner wurde ab 1983 der Betrieb dann auch auf das Wochenende ausgedehnt. 1988 wurde zu einer Cluster-Konfiguration für die Rechner übergegangen, mit der VAX 11/780 als Zentrum. Und die ersten zehn PCs von Atari wurden in jenem Jahr für das Institut beschafft. 2.11.2 Von der Bleisulfid-Zelle zum Infrarot-Array Im Infraroten konnte anfangs nur das kurzwelligste Ende des neuen Spektralbereichs bis zu 1 μm mit speziellen Photoplatten oder Photokathoden (Bildwandler, Multiplier) erfasst werden. Um kühlere Objekte zu studieren und dichtere interstellare Staubwolken durchdringen zu können, müssen aber die Bereiche des nahen (1 .. 5 μm) und des mittleren (5 .. 30 μm) Infraroten erschlossen werden. Das erste Infrarotphotometer des MPIAs wurde bereits ab 1970 vom Doktoranden Hans-Ulrich Fahrbach gebaut. Es war mit einer Bleisulfid (PbS)- Zelle als Einzeldetektor für eine Wellenlänge = 2.2 μm ausgerüstet und wurde am 72 cm-Teleskop auf dem Königstuhl eingesetzt. Bei einer größeren Zahl von Sternen wurden dabei langsame Helligkeitsschwankungen gefunden. Sie sind auf Veränderungen in den diese Sterne umhüllenden (zirkumstellaren) Staubwolken zurückzuführen: der Staub absorbiert die sichtbare Strahlung und gibt sie als Wärmestrahlung im Infraroten wieder ab. Dieses Instrument, ausgerüstet mit mehreren Breitbandfiltern, wurde der Prototyp für ein ab 1974 gebautes IR-Photometer für das 1.23 m-Teleskop am Calar Alto. Es wurde mit einer Indium-Antimonid (InSb)-Zelle bestückt. Auch das war, dem technischen Stand der Zeit entsprechend, noch ein Einzeldetektor (Abb. 2.11-5). Damit konnten Wellenlängen bis = 5 μm erfasst werden, wie sie von zirkumstellaren Staubhüllen mit einer Temperatur 114 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 115 Abb. 2.11-5: Ein Indium-AntimonidDetektor für das nahe Infrarot. Anfang der 1970er Jahre waren nur Einzelpixel erhältlich. Wegen der notwendigen Kühlung ist der Detektor in einem kleinen Glas-Dewar untergebracht. Dem Größenvergleich dient rechts unten eine Cent-Münze (MPIA). von ~300° C ausgesandt werden. Herbert Hefele baute dann für die größeren Teleskope ein Instrument mit einem Bolometer als Detektor, das auch die langwelligsten vom Boden aus erreichbaren atmosphärischen Fenster bei 10 und 21 m erfassen konnte. Das Bolometer erforderte Kühlung mit flüssigem Helium, das umständlich aus Rotterdam über Madrid zum Calar Alto transportiert werden musste. Das Abbilden eines ausgedehnten Objekts mit Einzeldetektoren, beispielsweise einer Galaxie oder einer Sternentstehungsregion, erforderte zeitraubendes zeilenweises Abrastern des Objekts mit dem Teleskop. Auch das in den Jahren 1982 und 1983 in Betrieb genommene Infrarot-Polarimeter (Rainer Lenzen) und das Speckle-Interferometer (Christoph Leinert, Mel Dyck) mussten dem Stand der Technik entsprechend Einzeldetektoren verwenden. Ab 1985 wurde erstmals eine Infrarot-Detektorzeile mit 32 Bildelementen von der Firma AEG eingesetzt. Mit ihr konnten Bilder schneller gewonnen werden, allerdings überzeugte die Empfindlichkeit nicht ganz, da diese Detektorzeile für ganz andere Anwendungen als die Astronomie entwickelt worden war. Alfred Krabbe baute 1987 den ersten Infrarot-Spektrographen für das nahe Infrarot, der aber nur kurz im Einsatz war, da Alfred Krabbe nach Abschluss seiner Doktorarbeit zu einem anderen MPI wechselte. Höhepunkt der Infrarot-Instrumentierung in der hier besprochenen Periode war der Bau einer InfrarotKamera durch Rainer Lenzens Gruppe. Erstmals kam dabei ein neues zweidimensionales Kamera-Array mit 58 × 62 Pixeln aus InSb zum Einsatz. Gekühlt mit festem Stickstoff auf ⫺210° C, konnten Betriebszeiten von vielen Nächten nacheinander erreicht werden. Jetzt ließen sich ausgedehnte Objekte in Minuten statt in Stunden abbilden (Abb. 2.11-6). Der Erfolg dieser Kamera hat dazu beigetragen, dass Rainer Lenzen von der Europäischen 115 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 116 Abb. 2.11-6: Das Sternentstehungsgebiet Cepheus A ist im Optischen nicht beobachtbar. Diese 1 × 1 Bogenminuten Karte entstand im Jahre 1990 mit der ersten IR-Kamera am 3.5 m-Teleskop. Bei einer Wellenlänge von 2.2 m im nahen Infraroten wird ein Reflexionsnebel sichtbar, der von einem im Staub eingebetteten sehr jungen Stern beleuchtet wird. In unmittelbarer Nähe befinden sich Herbig-Haro-Objekte, Molekülwolken- und Maser-Radioquellen, alles Anzeiger für Sternentstehung. Die Quelle befindet sich in einem Abstand von 2000 Lichtjahren im Orion-Spiralarm der Milchstraße (Rainer Lenzen). 116 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 117 Südsternwarte ESO zum Principal Investigator für ein großes Infrarot-Instrument der im Bau befindlichen vier 8 m-Teleskope (VLT) ausgewählt wurde. Über dieses Instrument (CONICA) wird im Abschnitt 5.2.1 berichtet. Ab Mitte der 1990er Jahre wurden großformatige Quecksilber-Cadmium-Tellurit-Arrays für das nahe Infrarot von der amerikanischen Firma Rockwell erhältlich. Angeregt durch Steven Beckwith wurden solche Arrays (256 × 256 Pixel) in den Instrumenten MAGIC, OMEGA-Cass und -Prime am Calar Alto eingesetzt (Abschnitt 3.1.3). Heute haben die größten dieser HgCdTe-Arrays 2048 × 2048 Pixel. Sie sind nur von amerikanischen Herstellern erhältlich, da die Technologie ursprünglich für militärische Zwecke gefördert wurde. An der Entwicklung dieser leistungsfähigen Kamera-Chips für astronomische Anwendungen war ein ehemaliger Student des MPIA wesentlich beteiligt: Klaus Werner Hodapp, seit 1986 Mitglied der Universität von Hawaii. Die großen flüssigstickstoffgekühlten Arrays wurden vom MPIA beispielsweise in die Weitfeldkamera OMEGA 2000 (Hermann-Josef Röser) für das 3.5 m-Teleskop und in das LINC-NIRVANAInterferometer (Tom Herbst) für das Large Binocular Telescope eingebaut. 2.11.3 Spektrographen Als wichtige Instrumente für die Calar Alto-Teleskope wurden in den 1970er und 1980er Jahren leistungsfähige Spektrographen beschafft. Diese Geräte zerlegen das Licht eines Himmelsobjekts mit optischen Beugungsgittern (vollkommener als Glasprismen das tun) in ein farbiges Spektrum, bei dem Wellenlänge neben Wellenlänge in einem leuchtenden Streifen von Blau nach Rot erscheint. Dieses Spektrum ist durchsetzt von Linien, hellen Emissionslinien des Objektes selbst und dunklen Linien von absorbierenden Stoffen in den kühleren Außenschichten des Objektes oder zwischen dem Himmelskörper und uns. Aus ihnen kann der Astrophysiker die Chemie (stoffliche Zusammensetzung) und Physik (Temperatur, Dichte usw.) der Himmelskörper und der interstellaren Materie erschließen. Aus Linienverbreiterungen können Werte für Geschwindigkeit des Gases und den Druck im Objekt, aus Linienverschiebungen für die Geschwindigkeit des Objektes von uns weg oder auf uns zu abgeleitet werden (Doppler-Effekt). Eingeführt wurde die Spektralanalyse an Himmelskörpern von Gustav Kirchhoff und Robert Bunsen im Jahre 1859 in Heidelberg. Sie wurden damit die Begründer der Astrophysik (siehe Kapitel 8.5). Eine Übersicht über die Spektrographen an den drei Teleskopen gibt die Tabelle 2.11-1. Alle Geräte wurden von der Firma Boller & Chivens beschafft (gehört zu Perkin Elmer 117 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 118 in Kalifornien). Sie zerlegen das Licht mit großen optischen Gittern. Zwei der Spektrographen sind dauerhaft an die Teleskope gebunden: im Nasmyth-Fokus des 1.2 m- und im Coudé-Fokus des 2.2 m-Teleskops. Drei weitere können als Wechselgeräte in den bequem zugänglichen Cassegrain-Fokus gebracht werden. Die Spektrographen haben sehr unterschiedliche Leistungsdaten, wichtig sind die spektrale Auflösung und die Dispersion, die angibt, wie weit ein Spektrum zur Erkennung von Einzelheiten der Linien auseinandergezogen wird (Wellenlängenintervall pro mm). Der mächtigste Spektrograph ist der Coudé-Spektrograph am 2.2 m-Teleskop (Abb. 2.7-4). Er erreicht eine Auflösung von 100000, was an relativ hellen Objekten erzielt werden kann. Die lichtempfindlicheren Spektrometer erreichen ~ 30 000 an Objekten bis zur 18. Größenklasse bei einer Stunde Belichtungszeit. Die Beschaffung der fünf Spektrographen war für das MPIA sehr arbeitsintensiv: Josef Solf und seine Mitarbeiter mussten technisch-wissenschaftliche Pflichtenhefte entwerfen, optisch-mechanische Studien durchführen und überwachen, Herstellung und Kostenentwicklung verfolgen und schließlich die komplizierten Geräte beim Hersteller abnehmen und am Calar Alto in Betrieb nehmen. Die Kosten der Spektrographen waren erheblich: 1 Million Euro für den Coudé und jeweils einige 100000 Euro für die übrigen. Die Signal-Aufzeichnungsgeräte für die Spektren wurden stets vom MPIA beigestellt: anfangs Photoplatten, dann Bildverstärker und Diodenarrays und schließlich CCDs. Eine Besonderheit waren die von Hans Hippelein mit Guido Münch für den Calar Alto entwickelten Fabry-Perot-Interferometer (FPI). Durch Vielfach-Interferenz zwischen planparallelen Glasplatten konnten schwache flächenhafte Objekte (Gasnebel usw.) mit hoher Auflösung ( ~ 50000) spektroskopiert werden. Durch winzige Abstandsveränderungen zwischen den streng parallelen Glasplatten sind diese FPIs über einen kleinen Wellenlängenvergleich durchstimmbar. Unterstützt wurden alle optischen Geräteentwicklungen am MPIA durch das „Strahlungslabor“ von Eckhart Pitz und Günther Hille. Herzstücke dieses Labors waren große Spektrometer und Eichlichtquellen für den optischen und infraroten Bereich. Hier konnten mit hoher Genauigkeit die wellenlängenabhängigen Durchlässigkeiten von Filtern, die Reflexion von Spiegeln oder Strahlteilern bestimmt werden. Spezialität war die „absolute“ Strahlungseichung von Empfängern oder Lichtquellen, mit der aus dem gemessenen elektrischen Signal (Volt) am Teleskop auf die Energie-Abstrahlung (Watt) eines Himmelskörpers geschlossen werden kann. Dieses Labor hat über drei Jahrzehnte neben den Instrumententwicklern am MPIA sehr viele internationale Gäste aus der Wissenschaft und Industrie unterstützt. 118 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 119 Tabelle 2.11-1: Spektrographen für die Calar-Alto-Teleskope Teleskop und Fokus Inbetriebnahme Eigenschaften 1.2 m-Nasmyth-Spektrograph 1976 - ständig verfügbar - Auflösung ~ 20000 2.2 m-Cassegrain-Spektrograph 1979 - mit Echellette-Anordnung - für große WellenlängenÜberdeckung 2.2 m-Coudé-Spektrograph 1979 - höchste spektrale Auflösung bis 100000 - fest eingebaut 3.5 m- Cassegrain-Spektrograph 1986 - ähnlich zum 2.2 CassegrainSpektrograph 3.5 m-Zwillings-CassegrainSpektrograph 1988 - mit „blauem“ und „rotem“ Kanal (320-550 und 420-1100 nm) - Auflösung ~ 30000 - Spaltspinne für MultiobjektSpektrograph 119 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 120 3 Das Max-Planck-Institut für Astronomie wird zu einem weltweit führenden Institut 3.1 Erweiterung des Direktoriums 3.1.1 Erfolgreiche und abgelehnte Berufungen (1974 – 1991) Von der Gründung des MPIA an leitete Hans Elsässer als Geschäftsführender Direktor die Geschicke des großen Instituts alleine für 22 Jahre. Dies war anders geplant: bereits in den Gründungsverhandlungen war ein Direktorium von drei bis vier Personen genannt. Ein erster Versuch zur Erweiterung um einen aktiven Astronomen begann im Jahre 1974. Peter Strittmatter, Mitglied des Mt. Palomar Observatoriums in Kalifornien, wurde ans MPIA berufen. Er arbeitete einige Wochen am MPIA und besuchte auch den Calar Alto. Strittmatter hatte aber zu jener Zeit weitere nationale und internationale Angebote, zum Beispiel vom Anglo-Australischen Observatorium in Siding Springs. Auf vergleichbare Beobachtungsmöglichkeiten an der Calar-Alto-Sternwarte hätte er zu jener Zeit noch einige Jahre warten müssen. Und den Aufbau des gesamten Institutes betrachtete Elsässer wohl als seine ureigenste Angelegenheit. Schließlich scheiterte diese Berufung. Aber die Wege Peter Strittmatter / MPIA kreuzten sich dann ab 1997 noch einmal, als das MPIA sich am von Strittmatter geleiteten Bau des Large Binocular Telescope (LBT) auf dem Mt. Graham in Arizona beteiligte. Kurz nach Strittmatters Absage erfolgte ein weiterer Versuch, einen bekannten amerikanischen Astronomen vom California Institute of Technology (Caltech) an das MPIA zu berufen. Diesmal erfolgreich: Guido Münch begann seine Arbeit in Heidelberg im Januar 1978 im Alter von 57 Jahren (Abb. 3.1-1). Als erfahrener Spektroskopiker förderte er diese Arbeitsrichtung im neuen Institut und gewann für das MPIA den Anschluss an die digitale Bildtechnik mit CCDs. Guido Münch fügte sich mit seinen Mitarbeitern in die vorgefundene hierarchische Struktur des Instituts ein und übernahm nie die Aufgabe eines Geschäftsführenden Direktors. Sein hervorragender wissenschaftlicher Ruf, vor allem in den USA, machte das MPIA als seine neue Wirkungsstätte international bekannter. Im Jahre 1988 begann ein neues Berufungsverfahren: Münch war mittlerweile 67 Jahre alt, Elsässer 59. Deshalb strebte Elsässer jetzt die große Lösung zur Nachfolge und Verjüngung an. Er schlug der MPG die gleichzeitige Berufung von zwei Direktoren vor, in 120 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 121 Abb. 3.1-1: Guido Münch war von 1978 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1989 Wissenschaftliches Mitglied des MPIA (Borchard). Anlehnung an die vor über 20 Jahren beabsichtigte Besetzung des Direktoriums mit drei bis vier Personen. Sein erster Vorschlag zielte auf einen deutschen Astronomen im mittleren Alter, der am Calar Alto ein großes extragalaktisches Beobachtungsprogramm erfolgreich begonnen hatte. Der zweite Kandidat war ein junger amerikanischer Astronom, Steven Beckwith, der am Institut durch einen mehrmonatigen Forschungsaufenthalt in Heidelberg im Jahre 1986 wohlbekannt war. Vom ersten Kandidaten konnte erstklassige Forschung unter Nutzung der Calar-Alto-Teleskope erwartet werden, aber trotz Muttersprachlichkeit „keine Entlastung bei den Aufgaben der Geschäftsführung“ (Elsässer). Von Beckwith wurde Vertiefung der laufenden Forschung zur Sternentstehung erwartet, ebenso wie neue Instrumentierungs-Programme für den Calar Alto. Da Beckwith damals kaum Deutsch sprach, stellte sich hier die Frage nach der Übernahme der Geschäftsführung nicht gleich. Die Dinge entwickelten sich dann etwas anders als geplant. Die Berufungskommission stimmte 1989 der „Tandem-Lösung“ nach eingehenden Beratungen nicht zu. Zunächst solle die Berufung Beckwiths vorangetrieben werden. Steven Beckwith war damals 38 121 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 122 Abb. 3.1-2: Steven Beckwith war von 1991 bis 2001 Direktor am Institut (MPIA). Jahre alt und Full Professor der Astronomie an der Cornell University, Ithaca, New York (Abb. 3.1-2). Beckwith galt als Pionier der Erforschung des interstellaren molekularen Wasserstoffs H2. Dessen Linienstrahlung kühlt interstellare Wolken und ermöglicht deren Kollaps zur Entstehung neuer Sterne. Besonderen Wert legte Beckwith bei seinen Beobachtungs-Programmen auf die Steigerung der räumlichen Auflösung, um Einblick in die räumliche Struktur der jungen Objekte zu gewinnen. Mit Speckle-Interferometrie im Infraroten und mit Millimeterwellen-Interferometern hatte er begonnen, die planetenbildenden Scheiben um junge Sterne zu sichten. Bereits im Jahre 1984 war er als einer der hundert „Top Scientists“ im Alter unter 40 Jahren in den USA ausgezeichnet worden. Im Sommer 1990 bot dann Heinz A. Staab, Präsident der MPG, Steven Beckwith Berufungsverhandlungen ans MPIA an. Beckwith informierte sich im November 1990 bei Besuchen in Heidelberg und bei der Generalverwaltung in München ausführlich über die künftigen Arbeitsmöglichkeiten. In einem Brief an Elsässer kündigte er für den Fall seiner Zusage eine Reihe von Modernisierungen an. Dazu gehörten: ein uneingeschränkter 7-Tage Betrieb am Calar-Alto-Observatorium (bisher war die Beobachter-Unterstützung am Wochenende eingeschränkt), ein umfassender Ausbau des Rechnernetzes am 122 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 123 MPIA, Zugang aller Wissenschaftler zu internationalen Telefonverbindungen (die hatten bis dahin nur wenige), die Schaffung von wissenschaftlichen Beratungsgremien am Institut. Elsässer akzeptierte diese neuen Ideen und sagte auch eine Rotation in der Geschäftsführung zu. Inzwischen bedrohte ihn eine Erkrankung, er musste im Interesse des Instituts und seines Lebenswerkes zügig handeln. Er war mittlerweile im 62. Lebensjahr und einziger Direktor an einem Institut mit ~ 130 Mitarbeitern und einem Jahresetat von ~ 15 Millionen DM, das auch noch die deutsche „National-Sternwarte“ am Calar Alto betrieb. 3.1.2 Generationswechsel und Zeitenwende: Steven Beckwith (ab 1992) Steven Beckwith trat seine Stelle in Heidelberg im Oktober 1991 an, offiziell als Nachfolger für Guido Münch, der 1989 im Alter von 68 Jahren emeritiert worden war. Beckwith wurde seinem vorauseilenden Ruf, dynamisch und erfolgsorientiert zu sein, von Anfang an gerecht. In vielen Einzelgesprächen und Gruppenberatungen durchleuchtete er unverzüglich das Institut und seine laufende Arbeit. Schon im August 1992 legte er ein ausführliches „MPIA Planungsdokument Nr. 1“ vor. Erklärtes Ziel war die Steigerung der wissenschaftlichen Produktivität des Instituts. Er analysierte die Stärken und Schwächen des MPIA und diskutierte zahlreiche Möglichkeiten zur Leistungssteigerung. Eine zentrale Rolle spielte dabei das Calar-Alto-Observatorium: es sei an einem witterungsmäßig nicht optimalen Platz gebaut. Verbesserungs-Möglichkeiten für die wissenschaftliche Produktivität der eigenen Sternwarte sah er: (1) in der Vergabe „klarer Nächte“, statt „Nächten“, wie bisher, um interessante Beobachtungs-Programme zügig zu Erfolgen zu führen, (2) im Bau adaptiver Optiksysteme zur Überwindung der Luftunruhe (Seeing), die alle Abbildungen „verschmiert“, und (3) in der Modernisierung der wissenschaftlichen Instrumente für die Teleskope am Calar Alto. Darüber hinaus sollte sich das Institut verstärkt um die Nutzung anderer größerer Teleskope an besseren Standorten bemühen. Das könnte in erster Linie durch den Bau von fortschrittlichen wissenschaftlichen Instrumenten für die von anderen Institutionen betriebenen Teleskope erfolgen. So regte er ein Interferometrie-Instrument für das Europäische Very Large Telescope Interferometer (VLTI) und den Bau eines Sekundärspiegel-Choppers für Infrarotmessungen am UKIRT auf Mauna Kea, Hawaii, an. Für besonders wichtig hielt Beckwith die Schaffung einer Theorie-Gruppe am MPIA, um Beobachtungen gründlich auszuwerten und physikalisch zu deuten und neue Messungen besser planen zu können. 123 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 124 Beckwith anerkannte auch die Stärken des MPIA: eine große Zahl hervorragender Wissenschaftler und Techniker, ein langfristig stabiler Finanzhaushalt, Freiheit von politischem Druck, den Institutionen in anderen Ländern erleiden können. Zu den Trümpfen gehörten ferner gut ausgerüstete Werkstätten, die komplexe Instrumente für den Boden und den Weltraum bauen konnten, reichlich Labor- und Arbeitsräume, herausragende Beteiligungen von Wissenschaftlern des MPIA an internationalen Forschungsprojekten. Dennoch, so seine Analyse, sei das Institut international zu wenig bekannt, jedenfalls nicht in seiner Heimat, den USA, dem führenden Land der Astronomie. Er schlug eine Reihe von weiteren Schritten zur Verbesserung vor, vor allem die zeitgemäße Rechnerausstattung des Heimatinstitutes. Die wissenschaftlichen Fragestellungen müssten sich den internationalen Trends („main stream“) anpassen, mit mehr Mut zum Risiko, um neue Wege in neue Felder zu gehen („... no safe science ...“). Und die gemachten Fortschritte sollten laufend gemessen werden: durch die Zahl der Zitierungen wissenschaftlicher Arbeiten aus dem MPIA, die Zahl der Publikationen pro Wissenschaftler, die Zahl der eingeladenen Vorträge, Preise, Patente und die Anzahl ausgewählter verantwortlicher Wissenschaftler (Principal Investigators) für internationale Instrument-Konsortien (wie damals CONICA oder ISOPHOT). Beckwith legte sein Planungsdokument ausdrücklich als Diskussionsgrundlage vor und forderte alle Mitarbeiter zu qualifiziertem Widerspruch oder Verbesserungsvorschlägen auf. Diese Offenheit und Streitkultur waren neu am Institut. Die meisten Wissenschaftler kommentierten das Planungsdokument, und Beckwith nahm alle Anregungen auf. Hans Elsässer, damals noch Geschäftsführender Direktor, stimmte zwar Überlegungen zu längerfristigen Entwicklungen zu, kritisierte aber in einem an alle Wissenschaftler verteilten Antwortschreiben mehrere von Beckwiths Feststellungen so: „3.5 m-Teleskop an schlechtem Platz“ „blanker Unsinn“, „internationale Reputation verbesserungsfähig“ „undifferenziertes Pauschalurteil“ und „kein Anlass, in Sack und Asche zu gehen“. In anderen wichtigen von Beckwith angesprochenen Punkten, wie dem Streben nach mehr Beobachtungszeit vorzugsweise an den 8 m-Teleskopen bei ESO, herrschte Übereinstimmung. Die Vorlage des Planungspapiers und die folgenden umfassenden und wochenlangen Diskussionen lösten eine kleine Zeitenwende im Institut aus: den Übergang von einer hierarchisch geführten großen Sternwarte mit einem dominierenden Direktor zu einem offenen, international geprägten Institut. Steven Beckwith schaffte ein „Wissenschaftliches Beratungskomitee“ (WBK), in dem alle führenden Wissenschaftler (~ 8) des Instituts monatlich aktuelle Fragen zu Forschung, Instrumentierung, Finanzierung und personeller Entwicklung besprachen. Beckwith war stets sehr gut auf alle Tagesordnungspunkte vorbereitet, nahm die folgenden Diskussionen ernst und modifizierte seine Vorstellungen 124 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 125 nach der Anhörung anderer Gesichtspunkte im WBK öfters. Dabei hatte jeder Teilnehmer das Gefühl, unterrichtet zu sein und wichtige Gesichtspunkte beeinflussen zu können. Beckwith lernte intensiv Deutsch und konnte schon nach einem Jahr die Sitzungen in der neuen Sprache leiten und öffentliche Ansprachen auf Deutsch halten. Er ließ den Kantinenbetrieb wesentlich verbessern, so wurde erstmals ein Salatbuffet angeboten. Speise- und Getränkeautomaten wurden aufgestellt, um auch abends länger arbeitende Wissenschaftler und Studenten leistungsfähig zu halten. Jeder konnte ab jetzt sein Telefon für dienstliche Ferngespräche nutzen, ohne die bisher notwendige Vermittlung durch die Zentrale. Reiseanträge genehmigten ab sofort die Projektleiter (aus einem zugewiesenen Etat), statt wie bisher der Geschäftsführende Direktor. Es gab viele Veränderungen und eine Aufbruchstimmung, wie 22 Jahre früher zur Zeit der Institutsgründung. 3.1.3 Steven Beckwith: wissenschaftliche und instrumentelle Initiativen In den 1990er Jahren waren weltweit mehrere Teleskope der 8 m-Klasse im Bau, darunter das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO). Allein an diesem, aus vier 8 m-Teleskopen bestehenden Instrument, hatte Deutschland mit seinem 25%-Finanz-Beitrag zur ESO praktisch Anspruch auf die Nutzung eines ganzen Großteleskopes unter sehr guten Wetterbedingungen. Konnte da der witterungsmäßig ungünstigere Calar Alto mit seinem inzwischen nur noch mittelgroßen Fernrohren, auf die das MPIA auch nur einen ~ 50-prozentigen Zugriff hatte, noch eine Chance in der Zukunft haben? Beckwith sah für die eigenen Teleskope folgende „Nischen“, in denen auch im folgenden Jahrzehnt erfolgreich am Calar Alto geforscht werden könne: – Durchmusterung großer Himmelsfelder zur Suche nach ausgewählten galaktischen und extragalaktischen Objekten. Erst für detaillierte Folgebeobachtungen der so am Calar Alto entdeckten interessanten Quellen würden 8 m-Fernrohre gebraucht. – Beseitigung der „Bildverschmierungen“ durch die Luftunruhe (Seeing). Die dafür notwendige „adaptive Optik“ begann sich weltweit gerade zu entwickeln, war aber noch nirgends im Routine-Betrieb an einem Fernrohr einsetzbar. Ziel war das Erreichen schärferer Bilder, „beugungsbegrenzt“ nur noch durch den Durchmesser des Teleskops. Damit konnten auch lichtschwächere Objekte abgebildet oder spektroskopiert werden. Im optischen Bereich war das vorläufig noch nicht machbar, aber aussichtsreich war die Technik für das etwas längerwellige nahe Infrarot. 125 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 126 – Verstärktes Beobachten im nahen Infraroten (NIR), bei Wellenlängen von 0.9 bis 2.5 Mikrometern. Die NIR-Strahlung durchdringt dichte Staubwolken und erlaubt beispielsweise Einblicke in „unsichtbare“ Sternentstehungsgebiete. Bei sehr fernen extragalaktischen Quellen ist das optische Spektrum ins NIR rotverschoben. Beckwith wollte schnelle wissenschaftliche Erfolge am Calar Alto und brach daher auch mit dem bisherigen Vorgehen, neue Instrumente in fast allen Einzelheiten in Heidelberg sorgfältig selbst zu konstruieren und in den Institutswerkstätten bauen zu lassen. Der Einkauf der Geräte bei kleinen spezialisierten Firmen schien ihm der schnellere und war oft auch der preiswertere Weg. Die Technischen Abteilungen im Institut sollten nur das entwickeln und fertigen, was man nicht unverzüglich kaufen konnte. Zuerst wurden 1993 und 1994 zwei Kameras für das nahe Infrarot bei der Firma Infrared Laboratories in Tucson bestellt: Blue MAGIC und Black MAGIC. Beide waren mit den besten verfügbaren Detektoren aus Quecksilber-Cadmium-Tellurid ausgerüstet, die ursprünglich für die NICMOS-Kamera des Hubble-Weltraumteleskops entwickelt worden waren. Mit einem Abbildungsmaßstab von 0.8 Bogensekunden pro Pixel am 3.5 mTeleskop erlaubten die 256 × 256 Pixel-Kameras die Durchmusterung eines Gesichtsfeldes von fast 3.5 Bogenminuten Durchmesser in den guten atmosphärischen „Fenstern“ bei Wellenlängen bis zu 2.5 Mikrometern. Untersucht wurden damit beispielsweise Galaxienhaufen, deren Entfernung durch die Rotverschiebung der Linien in einem hellen Abb. 3.1-3: Jupiter im Infrarotlicht aufgenommen mit der MAGIC-Kamera am 3.5 m-Teleskop auf dem Calar Alto am 19. Juli 1994. Inzwischen waren die Hälfte der größeren Trümmerstücke (vgl. Abb. 3.1-4) auf dem Jupiter eingeschlagen. Die dabei in der Atmosphäre erzeugten Wolken haben sich wie eine Perlenkette im Süden um den Planeten gelegt. Ein einmaliger Anblick eines Planeten! (Tom Herbst). 126 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 127 Quasar im gleichen Haufen bekannt war. Mit einer großen Zahl von NIR-Schmalbandfiltern konnte dann in lang belichteten Aufnahmen die mögliche Zugehörigkeit lichtschwächerer Galaxien zu diesem Haufen geklärt werden. Bis heute im Gedächtnis geblieben sind die MAGIC-Aufnahmen der Einschläge des Kometen Shoemaker-Levy 9 auf dem Jupiter (Abb. 3.1-3). Tom Herbst hatte die MAGIC-Kamera mit Filtern so vorbe- Abb. 3.1-4: Vor dem Einschlag: Der Komet Shoemaker-Levy 9 aufgenommen mit einer CCD-Kamera am 3.5 m-Teleskop auf dem Calar Alto am 5. Mai 1994. Bei einem engen Vorbeiflug des Kometen am Jupiter im Jahre 1992 haben dessen Gezeitenkräfte den ursprünglichen ~ 1 km großen Kern in ~ 20 größere Trümmerstücke zerlegt. Hier sieht man die meisten, auseinander gezogen über eine Strecke von 800000 km. Jedes Bruchstück zeigt einen eigenen, von der Sonne wegweisenden Schweif (Kurt Birkle). 127 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 128 reitet, dass beim Einschlag hochgeschleudertes Material oberhalb der absorbierenden Methan- und Wasserstoff-Schicht über dem Jupiter gesehen werden konnte. An jenem Abend des 16. Juli 1994 herrschte am Calar Alto gutes Wetter, und so gelangen dort die weltweit wohl besten Aufnahmen des Einschlages des ersten Kometen-Bruchstückes. Sie erschienen in den folgenden Tagen als Titelbilder vieler Zeitschriften, die Deutsche Post zierte eine Sonderbriefmarke damit. In den darauf folgenden fünf Nächten konnten am Calar Alto hervorragende Bilder weiterer Einschläge aus einer Kette von über zwanzig Kometen-Bruchstücken (Abb. 3.1-4) gewonnen werden. Ebenfalls mit den MAGIC-Kameras begannen 1993 die ersten Experimente zur Erzielung schärferer Bilder mit den Calar-Alto-Fernrohren. Andreas Glindemann schaltete vor die Kamera den von ihm entwickelten CHARM-Korrektor. Mit einem um zwei Achsen kippbaren ebenen „Tip-Tilt“-Spiegel konnten die durch die unruhige Atmosphäre verursachten ständigen kleinen Positionsschwankungen des Sternbildes beseitigt werden: die einfachste Form der adaptiven Optik. Mit diesem einen bewegten Spiegel wurde die Bildschärfe um ~ 0.3 Bogensekunden verbessert. Die großen und schnellen Erfolge mit den MAGIC-Kameras führten schon im Folgejahr zur Bestellung der nächsten Generation von Kamera-Chips mit inzwischen 16-fach grö- Zählrate 300 Unkorrigiert, FWHM: 1". 2 200 100 3" 2" 1" 1" 2" 3" Abb. 3.1-5a-b: Helligkeitsprofile des Doppelsternes 72 Peg. Das obere Bild zeigt das durch die Luftunruhe verschmierte „Seeing-Scheibchen“ des Sterns. Die Doppelnatur des Sterns ist nicht erkennbar. Mit der Adaptiven Optik ALFA des MPIA konnte der Stern 1996 in zwei eng benachbarte Sterne unterschiedlicher Helligkeit aufgelöst werden (MPIA). 128 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 129 ßerer Pixelzahl: OMEGA-Cass und OMEGA-Prime wurden für Cassegrain- und Primärfokus vor allem des 3.5 m-Teleskops entwickelt. Mit 1024 × 1024 Pixeln konnten jetzt im lichtstarken Primärfokus Felder mit Durchmessern von fast sieben Bogenminuten durchmustert werden. OMEGA-Cass sollte mit einem Abbildungsmaßstab von 0.04 Bogensekunden / Pixel benutzt werden, um beugungsbegrenzte Bilder am 3.5 m-Teleskop zu erhalten. Dafür wurde ab 1995 ein Zusatzinstrument für die vollständige adaptive Optik (AO) gebaut. Mit ihr wurden die durch die turbulente Atmosphäre verbogenen Wellenfronten der Sterne analysiert und durch kleine biegsame Spiegel wieder „zurückgebogen“. Alle komplizierten Einzelteile, wie deformierbare Spiegel, Wellenfrontsensor usw. wurden eingekauft. Und so war ein AO-System nach nur zwei Jahren Entwicklungszeit Ende 1996 einsatzbereit. Es war damit eines der ersten in der weltweiten Astronomie mit großen Teleskopen. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Calar-Alto-Sternwarte auf allen internationalen Fachtagungen als Schrittmacher dieser neuen Technologie zitiert. Sogar ein künstlicher Stern, erzeugt durch einen Laserstrahl vom Boden in der Natriumschicht der hohen Atmosphäre (~80 km), gehörte dazu. Dieser Laserleitstern wurde weitgehend vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE, Reinhard Genzel) entwickelt. Er wurde benutzt, wenn kein heller natürlicher Leitstern als Referenz in der Nähe des 0 ". 53 Zählrate 300 Korrigiert, FWHM: 0 ". 15 0 ". 15 200 100 3" 2" 1" 1" 2" 3" Abb. 3.1-5b 129 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 130 Abb. 3.1-6: Der Laser-Leitstern für eines der 8 m-Teleskope des VLT der ESO wurde mit Beiträgen des MPIA entwickelt und ging 2006 in Betrieb. Dieser Laser strahlt 10 000 mal intensiver als ein gewöhnlicher Laser-Pointer (Stefan Seip). 130 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 131 zu beobachtenden Objektes zu finden war. Mit ALFA, der „Adaptive Optics with Laser for Astronomy“, wurden tatsächlich beugungsbegrenzte Bilder im Spektralbereich des nahen Infraroten gewonnen (Abb. 3.1-5). Die Sternbilder hatten Durchmesser von nur 0.15 Bogensekunden, statt der durch die Luftunruhe meist auf ~ 0.8 Bogensekunden verschmierten. Das Laserleitstern-System bewährte sich allerdings wegen der damals noch geringen Laser-Intensität und der häufig dunstigen Atmosphäre über dem Calar Alto nicht sonderlich und wurde nach etwa zwei Jahren außer Betrieb genommen. Die gewonnenen Erfahrungen aber führten zu dem sehr erfolgreichen Laserleitstern-System PARSEC für das 8 m-Teleskop der ESO, das gemeinsam von MPIA und MPE entwickelt wurde (Abb. 3.1-6). Steven Beckwith kümmerte sich bei dem von ihm und seinen engsten wissenschaftlichen Mitarbeitern (Tom Herbst, Andreas Glindemann, Mark McCaughrean, Peter Bitzenberger, Stefan Hippler …) vorangetriebenen Projekten persönlich um viele Einzelheiten. Da er einige Jahre zuvor selbst erfolgreich Instrumente gebaut hatte und ein erfahrener Beobachter war, legte er größten Wert auf die höchste Leistungsfähigkeit der neuen Geräte und auf effektive Beobachtungsabläufe. Bei jeder Inbetriebnahme eines neuen Instrumentes war er nächtelang am Teleskop anwesend (Abb. 3.1-7), gelegentlich mit Abb. 3.1-7: Das „Team ALFA“ mit Steven Beckwith, Andreas Glindemann und Don Hamilton bei der Inbetriebnahme der Adaptiven Optik am 3.5 m-Teleskop im Jahre 1996 (Stefan Hippler). 131 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 132 der Stoppuhr, um alle Abläufe zu optimieren. Selbst beim Verpacken der Geräte auf dem Königstuhl legte er Hand an, das MPIA sollte immer zu den Ersten und Schnellsten gehören. Während der „Beckwith-Zeit“ in den 1990er Jahren entstanden weitere erstklassige Instrumente vor allem für die Durchmusterung und Spektroskopie extragalaktischer Quellen im sichtbaren Spektralbereich, alle ausgerüstet mit CCD-Kameras. Dazu gehörten der Bau (1) des Multi-Objekt-Spektrographen MOSCA für den Calar Alto, geleitet von Josef Fried, und (2) des Fokalreduktors CAFOS, geleitet von Klaus Meisenheimer. Beckwith, der damals Mitglied des ESO-Instrumentierungs-Komitees war, regte (3) den Bau einer Weitfeldkamera für das 2.2 m-Teleskop II auf La Silla an. Letztere wurde gemeinsam mit ESO entwickelt, die MPIA-Projektleitung hatte wieder Klaus Meisenheimer inne. Mit den neuen leistungsfähigen Kameras begann das MPIA dann seine Suche nach hochrotverschobenen „Urgalaxien“ im noch jungen Kosmos. Anfangs wurden weniger gefunden als erhofft, bis klar wurde, dass es einfach weniger Urgalaxien gibt, als bisher vermutet. Diese großen und erfolgreichen Programme sind als CADIS- und COMBO 17-Durchmusterungen international sehr bekannt geworden. Sie konnten unter anderem belegen, daß vor einigen Milliarden Jahren deutlich mehr Sterne in den Galaxien geboren wurden als heute. Neben den Bemühungen zur Modernisierung der Calar-Alto-Instrumente suchte Steven Beckwith Zugang zu weiteren Observatorien in günstigem Klima. Ab dem Jahre 1993 begann eine Zusammenarbeit mit den Betreibern des britischen UKIRT-Teleskops auf dem 4200 m hoch gelegenen Mauna Kea, Hawaii. Für dieses infrarot-optimierte 3.8 mFernrohr baute das MPIA einen neuen Frontring. Der darin zentral angeordnete Sekundärspiegel wurde gleichzeitig als Tip-Tilt-Spiegel, als Sekundärspiegel-Chopper und zum Fokussieren benutzt. Die von diesen bewegten Teilen ausgehenden mechanischen Schwingungen mussten in den Halteblättern gedämpft werden, um kein „MikrophonieRauschen“ in den Infrarot-Sensoren zu verursachen. Für die Halteblätter wurde von Eckhart Pitz ein neuartiges schalldämmendes Metall eingesetzt, das ursprünglich für den U-Boot-Bau entwickelt worden war, um dort die akustische Ortung zu erschweren. Mit der Entwicklung dieses Sekundärspiegel-Antriebes wurde vom MPIA bei der Karlsruher Firma „Physik Instrumente“ die Entwicklung eines Hexapod-Systemes angestoßen, das inzwischen vielfältige Anwendung in der Wissenschaft gefunden hat und auch wirtschaftlich erfolgreich geworden ist. Als Gegenleistung für den neuen Frontring erhielt das MPIA von UKIRT über mehrere Jahre garantierte Beobachtungszeit. Für ihre Nutzung wurde gemeinsam von MPIA und IR-Laboratories in Tucson eine weitere Kamera für das mittlere Infrarot (~ 10 μm) gebaut, die MAX-CAMERA. Sie diente unter anderem 132 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 133 für Folgebeobachtungen der gerade begonnenen ISO-Mission, zu der das MPIA ein Instrument beigetragen hatte. Im Jahre 1997 ging Steven Beckwith auf die Einladung des Steward-Observatoriums der Universität von Arizona in Tucson zur Beteiligung am Bau des Large Binocular Telescope (LBT) ein. Dieses aus zwei 8.4 m-Spiegeln auf einer Montierung bestehende neuartige Teleskop sollte preisgünstig und schnell von einem Konsortium mehrerer astronomischer Institute auf dem Mount Graham östlich von Tucson errichtet werden. Betriebsbeginn war damals für das Jahr 2002 geplant. Damit sollte das MPIA rasch Zugang zu garantierter Beobachtungszeit an einem echten Großteleskop gewinnen. Im Jahre 1998 schlossen sich weitere deutsche Institute der LBT-Betriebsgesellschaft an, so dass der deutsche Anteil an diesem Teleskop auf 25 % stieg. Unter den neu Beteiligten war auch die Landessternwarte Heidelberg. Da Immo Appenzeller nach dem überraschenden Abgang von Steven Beckwith (Kap. 3.3) im gleichen Jahr die kommissarische Leitung des MPIA übernommen hatte, bedeutete das auch eine vertiefte Zusammenarbeit der Institute auf dem Königstuhl. 3.2 Die deutsche Wiedervereinigung erlebt am Institut Mit dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 durch die DDR-Machthaber schien die Teilung Deutschlands für lange Zeit zementiert. Ziele der DDR und ihrer Schutzmacht Sowjetunion waren das Aufhalten des Flüchtlingsstromes und die internationale Anerkennung Mitteldeutschlands als eigenständiger Staat. Deshalb grenzte man sich überall von der Bundesrepublik ab, und die Teilung erreichte bald auch die Astronomen. Im Jahre 1969 traten die mitteldeutschen Mitglieder auf Druck ihrer Institutsleitungen aus der bis dahin gesamtdeutsch geführten Astronomischen Gesellschaft (AG) aus. Stattdessen wurde ein die Selbständigkeit demonstrierendes „National-Komitee“ für die Astronomie der DDR gegründet. Gemeinsame AG-Tagungen gab es nach jener in Eisenach 1965 nicht mehr, nur noch seltene Begegnungen von Astronomen aus beiden Teilen Deutschlands bei Konferenzen auf ausländischem Boden. Es begannen Jahrzehnte der Trennung. Vor dem Hintergrund von „Glasnost“ und „Perestroika“ in der Sowjetunion erreichte in den späten 1980er Jahren das politische Tauwetter auch Mitteleuropa. Im November 1986 kam nach fast einem Vierteljahrhundert der erzwungenen Sprachlosigkeit zwischen Wissenschaftlern aus Ost und West erstmals ein Redner aus der DDR ins Astronomische 133 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 134 Kolloquium nach Heidelberg. Karl-Heinz Schmidt, Direktor des Zentralinstituts für Astrophysik der Akademie der Wissenschaften der DDR, sprach über „Galaxienhaufen“. Pflichtgemäß leitete er seinen Vortrag mit einem Friedensappell für Mitteleuropa ein. Dann stellte er das große Institut mit 200 Mitarbeitern in Potsdam und den Außenstellen in Tautenburg und Sonneberg vor. Zum ersten Mal erfuhren die Zuhörer, die die halbe Welt von Forschungsaufenthalten her kannten, was sich hinter dem Eisernen Vorhang im eigenen Land in der Sonnen-, Stern- und extragalaktischen Astrophysik tat. Hans Elsässer schrieb anschließend in den Mitteilungen der Astronomischen Gesellschaft von „einem bewegenden Ereignis“. Diese „Westreisen“ von Astronomen aus der DDR setzten sich zögernd fort, im Juni 1989 konnte Johannes Dorschner von der Universität Jena im MPI für Kernphysik in Heidelberg über „Interstellaren Silikatstaub“ sprechen. Die Beziehungen zwischen der bekannten Jenaer Staubgruppe und dem MPIA sollten sich bald noch enger gestalten. Die friedliche Revolution in Mitteldeutschland stürzte im November 1989 die Berliner Mauer und bald darauf das DDR-Regime. Bereits im Folgejahr verzeichnet das Gästebuch des MPIA zahlreiche Besuche von Astronomen aus Potsdam, Jena, Tautenburg – oft „mehrmals“. Bereits 1990 erreichten Beobachtungsanträge von „drüben“ das MPIA. Und im Folgejahr konnten Astronomen aus Potsdam (Swetlana Hubrig, Ralf Launhardt) und Jena (Werner Pfau, Christian Friedemann, Hans-Georg Reimann) an allen Teleskopen des Calar Alto Forschungsprogramme durchführen. Sie umfassten die Untersuchung von Begleitern, Scheiben und Hüllen um junge Sterne und das Studium der diffusen interstellaren Banden. Hier bleibt ein mutiger Beobachtungs-Antrag aus dem Jahre 1988, also vor dem Mauerfall, in Erinnerung: Thomas Henning und Werner Pfau aus Jena waren an Messdaten von interstellaren Linien mit dem Coudé-Spektrogaphen am Calar Alto interessiert. Da sie nicht reisen konnten, sollte Josef Solf vom MPIA die Beobachtungen ausführen. Der wissenschaftliche Vorschlag wurde vom Programm-Komitee und Hans Elsässer gutgeheissen. Vor der Ausführung fiel unerwartet die Mauer und Werner Pfau, der Leiter der Jenaer Universitäts-Sternwarte, konnte auf Einladung des MPIA zur Beobachtung mitreisen. Sein sofort danach in der Zeitschrift „Die Sterne“ erschienener Reisebericht („Als Neuling auf dem Calar Alto“) lässt uns heute noch die Begeisterung für die gewonnene Freiheit spüren. Nach der staatlichen Wiedervereinigung 1990 gab es die erste gemeinsame Tagung der Astronomischen Gesellschaft im September 1992 in Jena. Es begann unter anderem eine Zusammenarbeit Jenaer Astronomen (Johannes Dorschner, Jochen Gürtler, Thomas Henning) mit dem MPIA für ein Beobachtungsprogramm mit dem ISO Satelliten: die Suche nach gefrorenen interstellaren Gasen in Sternentstehungsgebieten. 134 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 135 In die große Freude über Deutschlands Einheit fielen kleine Wermutstropfen. Auch in den neuen Bundesländern sollten flächendeckend Max-Planck-Institute entstehen, die von den Ländern und dem Bund stets gemeinsam finanziert werden mussten. Der dafür notwendige Finanzbedarf musste zum Teil durch Einsparungen in bestehenden Instituten in den alten Bundesländern aufgebracht werden. In den frühen 1990er Jahren gab es deshalb beim MPIA kein reales Wachstum des Haushaltes. Ab 1995 sollten dann im Rahmen eines „föderalen Konsolidierungsprogramms“ sogar Personalstellen eingespart und an die MPG zurückgegeben werden. Bereits für die folgenden drei Jahre wurden vom Institut Personalmittel-Einsparungen von ~ 300 000 DM erwartet, das entsprach je nach Qualifikation drei bis fünf Personalstellen. Außerdem nahm die Generalverwaltung der MPG eine „überproportional gute Personalausstattung“ am MPIA wahr und schlug eine Kürzung von fast 20 Stellen auf Sicht mehrerer Jahre vor. Natürlich anerkannte auch die Heidelberger Institutsleitung damals die Unausweichlichkeit von Kürzungen, wehrte sich aber gegen das vermeintliche „Rasenmäherprinzip“. Schließlich war das MPIA ein ganz junges Institut, die Kürzungen hätten zuerst den noch nicht fest angestellten hoffnungsvollen Wissenschaftler-Nachwuchs betroffen. Zudem war ein großer Teil des Personals in der Calar-Alto- Sternwarte gebunden, die allen deutschen Astronomen diente. Und wie sollte ein erstklassiger Nachfolger für Hans Elsässer gefunden werden, wenn gleichzeitig das Institut schrumpfte? In langen Verhandlungen mit der MPG und einem Gespräch mit dem Präsidenten konnte ein dem Institut angemessener Kompromiss gefunden werden: das MPIA musste ein gutes Dutzend Stellen abgeben, aber gestreckt über einen viel längeren Zeitraum. Erwogen wurden damals auch viele kleine Sparmaßnahmen, wie das „Outsourcing“ der Gebäude-Reinigungsarbeiten am Calar Alto. Aber nicht nur am MPIA wurden Stellen gestrichen. Sehr viel härter traf es zeitgleich die astronomischen Institute in der ehemaligen DDR. Eine Eingliederung des Zentralinstituts für Astrophysik in Potsdam-Babelsberg (ZIAP) in die Max-Planck-Gesellschaft kam nicht in Frage. Zum ZIAP gehörten die Außenstellen Karl-Schwarzschild-Observatorium Tautenburg und die Sternwarte Sonneberg. Die Institute waren, laut Elsässer, der sie von Besuchen kannte, personell überbesetzt und überaltert. Der Deutsche Wissenschaftsrat, das wichtigste einschlägige Beratungsgremium der Bundesregierung, sollte die Institute evaluieren und prüfen, was erhalten, verkleinert oder geschlossen werden sollte. Wichtiges Ziel war die Auflösung der zentralistischen Struktur und die Rückführung der Astronomie an die Universitäten. Elsässer, der bei diesen Beratungen mitwirkte, setzte sich stark für den Erhalt des neu hinzugekommenen „astronomischen Potentials“ ein, da Deutschland kriegsfolgebedingt immer noch schwach in der Astronomie war. Durch seine Mitwirkung in Gründungskommissionen wurden neue Träger für die Institute gefunden: Das Tau- 135 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 136 tenburg-Observatorium wurde zur Thüringer Landessternwarte, mit einer Anbindung an die Universität Jena. Mit der Auflösung des Zentralinstituts waren die Mitarbeiter zum Ende des Jahres 1991 entlassen worden, aber in Tautenburg konnte eine fast unveränderte Anzahl von ihnen im neuen Landesinstitut Arbeitsverträge erhalten. Das Zentralinstitut am Standort Potsdam-Babelsberg kam zu den Instituten der „Blauen Liste“, bei der Brandenburg 30 % finanziert und der Bund den Rest. An diesem Standort wurde der Personalbestand halbiert. Die Sternwarte Sonneberg sollte in zwei Jahren geschlossen und das wertvolle Plattenarchiv nach Tautenburg verlagert werden. Parallel zu dieser Neuordnung entstanden in den neuen Bundesländern „Selbstständige Arbeitsgruppen der Max-Planck-Gesellschaft“. Sie wurden finanziell gut gefördert und sollten bei Erfolg zu Abteilungen oder Instituten der MPG oder ihrer Heimatuniversitäten werden. In Jena entstand so die Gruppe „Staub in Sternentstehungsgebieten“, geleitet von Thomas Henning, der einige Jahre später nach Heidelberg berufen wurde. Der Personalaustausch ging auch in die umgekehrte Richtung: Josef Solf, wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPIA und seit 1990 außerplanmäßiger Professor an der Universität Heidelberg, wurde 1993 zum Direktor der neuen Thüringer Landessternwarte Tautenburg und Professor an der Universität Jena berufen. Die Zusammenarbeit erfasste schnell auch die Bereiche der astronomischen Instrumentierung. Bei den Qualifikationstests für das Flugmodell des Heidelberger ISO-Instruments (ISOPHOT) arbeiteten über mehrere Monate Physiker aus Potsdam am MPIA, eine hochwillkommene technische Unterstützung. Das MPIA leistete der neuen Thüringer Landessternwarte Tautenburg Hilfe beim Bau der „Spaltspinne“, einem Hebelwerk, das das Licht mehrerer Galaxien über Glasfasern zur gleichzeitigen Messung in einen Spektrographenspalt leitete. Bei dieser Zusammenarbeit wurden durch die Spaltung des Landes lange verschüttete Freundschaften erneuert, neue entstanden. Die Astronomen in Heidelberg lernten, dass im „Osten“ hochqualifizierte Kollegen arbeiteten, auch wenn deren technische Ausrüstung gelegentlich nicht dem westlichen Standard entsprach. Und die neuen Kollegen bemerkten, dass auch im „Westen“ nur mit Wasser gekocht wird. So war schon wenige Jahre nach dem Mauerfall in der Astronomie die Deutsche Einheit vollzogen. 136 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 137 3.3 Hans-Walter Rix: Nachfolger für den Gründungsdirektor Hans Elsässer Hans Elsässer feierte am 29. März 1994 seinen 65. Geburtstag. Wegen seiner Unverzichtbarkeit beim Aufbau des Instituts und der Calar-Alto-Sternwarte war seine Emeritierung erst zum 68. Geburtstag vorgesehen, also zum März 1997. Bei zeitigem Beginn der Suche nach einem Nachfolger und der Verfügbarkeit guter Kandidaten wäre die Neuberufung ein Routinevorgang gewesen, der vielleicht drei Jahre in Anspruch genommen hätte. Am MPIA wurde sie zu einem etwas quälenden Prozess, bei dem die Mitarbeiter zeitweise um die Zukunft des Instituts bangten. Mehrere nicht vorhergesehene Ereignisse verzögerten die Entscheidungen. Im August 1993 wandten sich Elsässer und Beckwith an den Präsidenten der MaxPlanck-Gesellschaft und schlugen die Berufung eines glänzend beurteilten, jungen deutschen Astrophysikers als Nachfolger für Elsässer vor. Da wegen der laufenden finanziellen Konsolidierungswelle (Kapitel 3.2) vor Elsässers Ausscheiden keine C4-Direktorenstelle verfügbar sein würde, bot das MPIA die vorübergehende Schaffung einer institutseigenen Stelle an. Diese sollte durch Aufstockung der durch Josef Solfs Berufung nach Tautenburg frei werdenden C3-Stelle geschaffen werden. Aber der glänzende Kandidat erhielt gleichzeitig Angebote anderer Universitäten und entschied sich schließlich für eine andere süddeutsche Hochburg der Astronomie. Im Juli 1995 setzte die MPG für die Nachfolge Elsässers eine Findungskommission ein, der profilierte Astronomen aus der Max-Planck-Gesellschaft, von Universitäten und internationalen astronomischen Institutionen angehörten. Ihnen trug der inzwischen am MPIA Geschäftsführende Direktor Steven Beckwith im Oktober 1995 die Vorstellungen des Institutes zur weiteren Entwicklung vor. Nach der „Lex Heisenberg“ konnte Elsässer sich erst bei einem späteren Termin vor der Findungskommission zu seinen Zukunftsvorstellungen und seinem möglichen Nachfolger äußern. Die Kommission fand sehr gute Kandidaten. Der bevorzugte leitete ein Observatorium an einem hervorragenden Standort in den USA und entschied sich nach längeren Vorgesprächen aber doch, dort zu bleiben. Im Januar 1997 wurde schließlich mit einer international geschalteten Stellenanzeige Elsässers Nachfolger gesucht. Der Bewerbungsschluss im April 1997 lag bereits jenseits Elsässers Emeritierung. Aus den zwölf Bewerbern ragte Hans-Walter Rix heraus. Nach dem Studium an den Universitäten Freiburg und München hatte er hochangesehene Forschungsstipendien erhalten und arbeitete einige Jahre an der Princeton University 137 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 138 Abb. 3.3-1: Hans-Walter Walter Rix wurde 1997 als Direktor ans MPIA berufen. Hier auf dem höchsten Punkt des Königstuhls, der Beobachtungs-Plattform des Instituts in ~ 560 m über N.N. (Lemke). und am MPI für Astrophysik. Seine akademische Ausbildung hatte er an der Universität von Arizona vollendet, wo er zuletzt als Associated Professor tätig war. Er arbeitete damals auf dem Gebiet der Galaxien-Dynamik und konnte zeigen, dass die Kerne vieler Galaxien dunkle Zentralmassen von der Größenordnung einer Milliarde Sonnenmassen besitzen. Aus der Verzerrung des Lichtes ferner Quasare versuchte er die Massenverteilung der Dunklen Materie im Universum zu bestimmen. Breite Interessen und vielbeachtete Beiträge aus der theoretischen und beobachtenden Astronomie machten ihn 1996, im Alter von nur 32 Jahren, zu einem der 20 meistzitierten Wissenschaftler im führenden „Astrophysical Journal“. Im November 1997 stimmte die Chemisch-Physikalisch-Technische Sektion der MPG der Berufung von Hans-Walter Rix ans MPIA zu (Abb. 3.3-1). 138 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 139 Fast gleichzeitig mit dieser aussichtsreichen Neuberufung erreichte das Institut eine Nachricht, die bei aller Freude Besorgnis auslöste: Steven Beckwith erhielt das Angebot, als Direktor zum Space Telescope Science Institute (STScI) zu gehen. Dort wird das berühmte Hubble Space Telescope betrieben, eine der erfolgreichsten „Wissenschaftsmaschinen“ der Menschheit. Zusätzlich laufen dort die Vorbereitungen für den Betrieb des noch leistungsfähigeren Nachfolgers von „Hubble“, des James Webb Space Telescope (JWST). Mindestens 500 Mitarbeiter unterstehen dem STScI-Direktor bei einem Jahresetat von 25 Millionen US-Dollar. Steven Beckwith unterrichtete alle Mitarbeiter des MPIA im Januar 1998 in einem Memorandum ausführlich über die neue Entwicklung. Er sagte klar, dass ihn diese große Herausforderung reizte, er aber bei einem Wechsel weiter für das MPIA tätig sein würde, durch häufige Besuche und Telekonferenzen. Für das MPIA, das Beckwith in den gut sechs Jahren seiner Anwesenheit in Heidelberg weltweit bekannt gemacht hatte, war die Berufung in diese Spitzenposition der Astronomie eine hohe Anerkennung. Aber im Institut machten sich Sorgen um die Leitung und die Zukunft des MPIA breit. Beckwith verließ Heidelberg im März 1998, Elsässer war emeritiert und inzwischen schwer erkrankt, mit Rix hatten Berufungsverhandlungen gerade erst begonnen. Und selbst wenn Hans-Walter Rix im Laufe des Jahres zusagen würde, wäre das Institut wieder bei nur einem Direktor angelangt, statt der ursprünglich angestrebten drei bis vier. In dieser „gefühlten“ Krise verbreiteten sich unter den Mitarbeitern Gerüchte über eine mögliche Schließung des Instituts. Steven Beckwith konnte vor seiner Beurlaubung durch die MPG Immo Appenzeller, den Direktor der benachbarten Landessternwarte und gleichzeitig Auswärtiges Mitglied des MPIA, überreden, vor Ort die kommissarische Leitung des Instituts für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren zu übernehmen. Im Sommer 1998 unterzeichnete die MaxPlanck-Gesellschaft mit Immo Appenzeller einen Vertrag, der ihn als kommissarischen Geschäftsführenden Direktor des MPIA ohne Kompetenzeinschränkung bestätigte (Abb. 3.3-2). Appenzeller hatte für die Übernahme dieser zusätzlichen Aufgabe auch die Zusage des Baden-Württembergischen Wissenschaftsministers erhalten, so dass eine Gefährdung der Landessternwarte vermieden wurde. Die Zusatzbelastung meisterte Appenzeller bestens, er war mindestens einen Tag pro Woche im MPIA anwesend und setzte Beckwiths offenen Führungsstil fort. Er vertiefte die Zusammenarbeit der beiden Nachbarinstitute auf dem Königstuhl, so durch den gemeinsamen Bau der beiden LUCIFER-Spektrometer für das Large Binocular Telescope (LBT). In diese Übergangszeit fällt auch die erste Klausurtagung der verantwortlichen Wissenschaftler des MPIA mit dem scheidenden und dem neuen Direktor. Beckwith und Appenzeller hatten dazu auf die „Kreidacher Höhe“ im Odenwald eingeladen. In zwei Tagen wurden alle laufenden und geplanten Forschungs- 139 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 140 Abb. 3.3-2: Immo Appenzeller, Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied und Direktor der benachbarten Landessternwarte, leitete 1998/99 kommissarisch das MPIA (LSW). Programme am MPIA durchleuchtet und neu bewertet. Die folgende „Appenzeller-Zeit“ wurde von vielen als sehr angenehm empfunden, da das Feuerwerk von Beckwiths wissenschaftlichen und instrumentellen Initiativen vernünftig abgearbeitet werden konnte, ohne Druck durch weitere, schnelle Vorhaben. Begonnen wurde zusätzlich nur OMEGA 2000 für das 3.5 m-Fernrohr am Calar Alto, die weltweit erste Weitfeld-Kamera mit 2000 × 2000 Pixeln für das nahe Infrarote an einem großen Teleskop (Abb. 3.3-3). 140 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 141 Abb. 3.3 -3: Omega 2000, die Weitfeld-Kamera für das nahe Infrarot, wird nach mehrjähriger Entwicklung am MPIA im Jahre 2003 im Primärfokus des 3.5 m-Teleskops auf dem Calar Alto in Betrieb genommen. Der lange rosa Zylinder enthält ein Kühlsystem mit flüssigem Stickstoff, mit dem sowohl die großen IR-Kamera-Sensoren (2000 x 2000 Pixel), als auch ein Linsensystem zum Erreichen der Abbildungsskala von 0.45 Bogensekunden/Pixel und ein Blendensystem gekühlt werden. Im Vordergrund das Erbauer- und Erprobungs-Team. V.l.n.r.: Herrmann-Josef Röser (Projektleiter), Arra Guijarro, Peter Bizenberger, Matthias Alter, Ulrich Mall, René Fassbender, Zoltan Kovacs, Clemens Storz, Harald Baumeister (MPIA). 141 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 142 Im November 1998 nahm Hans-Walter Rix den Ruf ans MPIA an. Der offizielle Jahresbericht des Instituts für das Jahr 1999 konnte nun doch drei Direktoren aufführen: Immo Appenzeller (kommissarisch), Steven Beckwith (beurlaubt), Hans-Walter Rix (ab 1.1.1999). Letzterer hatte bei seinen Berufungsverhandlungen mit dem Präsidenten der MPG, Hubert Markl, erreichen können, dass mit der Suche nach einem Nachfolger für Beckwith sofort begonnen werden könne und dass auf längere Sicht die Berufung eines dritten Direktors, vorzugsweise einer Direktorin, möglich sei. Hans-Walter Rix konnte außerdem die Erhöhung des deutschen Anteils am LBT um ein zweites Achtel erreichen, um dem MPIA langfristig Zugang zu einem Großteleskop zu sichern. Nach seiner Ankunft in Heidelberg konnte Rix die LBT-Angelegenheiten noch für ein halbes Jahr der kommissarischen Betreuung Appenzellers überlassen. 3.4 Thomas Henning aus Jena: Nachfolger für Steven Beckwith Während des Jahres 1999 standen für Immo Appenzeller und Hans-Walter Rix zwei Zukunftsfragen auf der Tagesordnung: (1) eine nüchterne Analyse der Bedeutung des eigenen Calar-Alto-Observatoriums im beginnenden Zeitalter der 8 m-Teleskope, unter Berücksichtigung der Forschungsinteressen der Wissenschaftlichen Mitglieder am Institut, und (2) das Finden und Berufen eines Nachfolgers für Steven Beckwith. Nach seiner Berufung an das Space Telescope Science Institute war Steven Beckwith ab 1998 für fünf Jahre von seinem Direktorenamt am MPIA beulaubt worden, was eine Rückkehrmöglichkeit nach Heidelberg einschloss. Im Jahre 2002 unterrichtete er den Präsidenten der MPG dann, dass er auf Dauer in den USA bleiben würde. Gleichzeitig nahm er die Einladung des Präsidenten an, Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied des Heidelberger Instituts zu werden. Für die Suche nach dem zweiten Direktor setzte die MPG Anfang des Jahres 2000 eine Findungskommission ein. Sie schrieb die Stelle öffentlich aus und wies interessante Kandidaten auf die Möglichkeit zur Bewerbung hin. Das Einholen von Gutachten und Gespräche mit den Kandidaten der engeren Wahl zogen sich längere Zeit hin. Absagen von Kandidaten, die ihre Stellung an ihren Heimatinstituten durch solche auswärtigen Interessenbekundungen verbessern konnten, verzögerten die Entscheidungen weiter. Im Januar 2001 war alles geklärt, der Spitzenkandidat war Thomas Henning von der Universität Jena (Abb. 3.4-1). Diese Wahl wurde von den Wissenschaftlern des MPIA begrüßt, da seine Forschungsinteressen gut zu denen des Instituts passten. 142 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 143 Abb.3.4-1: Thomas Henning wurde 2001 als Direktor ans MPIA berufen (MPIA). Thomas Henning hatte in den Jahren 1992 bis 1996 an der Universität Jena die MaxPlanck-Forschungsgruppe „Staub in Sternentstehungsgebieten“ geleitet. Dabei hatte er drei sich ergänzende Wege verfolgt: 1. Astronomische Beobachtungen im Infrarot- und Submillimeterbereich, 2. Theoretische Berechnungen und Simulationen zur Staubentstehung und 3. Laborexperimente mit künstlich hergestelltem „kosmischen“ Staub. Dazu gehörten auch Versuche zum Zusammenballen der Staubteilchen zu immer größeren Körpern wie bei der Planetenentstehung in zirkumstellaren Scheiben. Einer seiner Mitarbeiter in Jena wurde damals Jürgen Blum, der vorher seine Diplomarbeit am MPIA und seine Doktorarbeit am MPI für Kernphysik in Heidelberg durchgeführt hatte. Nach dem Ende der Förderzeit der Forschungsgruppe durch die MPG konnte die leistungsstarke Gruppe als Abteilung des Astrophysikalischen Instituts in Jena weitergeführt wer- 143 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 144 den. Thomas Henning war 1999 zum Ordinarius für Astronomie an der Universität Jena berufen worden. Während der Berufungsverhandlungen mit der MPG im Jahre 2001 unterrichtete sich Henning durch die Teilnahme an mehreren Institutsbesprechungen über die Arbeiten in Heidelberg. Dabei teilte er auch seine Pläne mit, er wolle auf instrumentellem Gebiet den Ausbau der adaptiven Optik, der Interferometrie und der Beobachtungs-Möglichkeiten im mittleren und fernen Infraroten erreichen. Im November 2001 sagte er zu, nach Heidelberg zu kommen und ab sofort im Nebenamt mitzuwirken. Ab Juni 2002 übernahm er sein neues Amt auf dem Königstuhl vollständig. Mit dieser Berufung nach Heidelberg waren die Zusagen der MPG und der Universität Jena verbunden, im Jenaer Institut für Festkörperphysik gemeinsam ein Laboratorium für kosmischen Staub zu betreiben. Damit hatte das MPIA eine weitere interessante Außenstelle bekommen. 3.5 Neugliederung des Instituts Seit der Institutsgründung hatte Hans Elsässer das Amt des Geschäftsführenden Direktors für 25 Jahre inne gehabt. Damit sollte Beständigkeit im Aufbau des Heimatinstituts und der Calar-Alto-Sternwarte sichergestellt werden. Elsässer war der Steuermann des Instituts, der diesen Anspruch durch unermüdlichen Einsatz auf allen Arbeitsfeldern des Instituts rechtfertigte. Für viele Mitarbeiter war er zusätzlich eine Vaterfigur, da er sich auch der persönlichen Sorgen der Mitarbeiter annahm. Sein Lebenswerk wurde im Jahre 1995 durch das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse gewürdigt, verliehen durch den Bundespräsidenten und überreicht durch den baden-württembergischen Wissenschaftsminister Klaus von Trotha (Abb. 3.5-1). Mit dem Arbeitsbeginn von Thomas Henning am MPIA Mitte des Jahres 2002 begann eine neue Entwicklungsstufe des Instituts: die Gliederung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit in getrennte Abteilungen, geleitet von je einem Direktor. Die beiden Direktoren arbeiten auf unterschiedlichen Forschungsgebieten, die sich in dem Namen der Abteilungen widerspiegelt: „Planeten- und Sternentstehung“ (Thomas Henning) und „Galaxien und Kosmologie“ (Hans-Walter Rix). Die bisherigen wissenschaftlichen Mitarbeiter des MPIA wurden bei der Aufteilung jeweils einer dieser Abteilungen zugeordnet. Unterstützt werden beide durch die zentralen technischen Abteilungen, vor allem die Institutswerkstätten und durch die Institutsverwaltung. Die Leitung der Technischen 144 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 145 Abb. 3.5-1: Hans Elsässer erhält das Bundesverdienstkreuz erster Klasse, überreicht vom Wissenschaftsminister Klaus von Trotha. Bei der Feierstunde am 17. Oktober 1995 wurden Elsässers Verdienste für den Aufbau des MPIA und der Calar Alto Sternwarte gewürdigt, aber auch seine astronomische Öffentlichkeitsarbeit und seine Mitarbeit bei der Neuordnung der mitteldeutschen Forschungseinrichtungen nach der Wiedervereinigung. In der ersten Reihe (am Mittelgang) sitzt Steven Beckwith, Elsässers Nachfolger als Direktor des MPIA, links Heinz A. Staab (MPIA). Abteilungen wurde ab dem Jahre 1999 jeweils einem in instrumentellen Fragen erfahrenen Wissenschaftler am Institut übertragen (bis 2004 Dietrich Lemke, danach Martin Kürster), der den Direktoren regelmäßig berichtet. Dieser große Institutsumbau führte zu einer stetigen Leistungssteigerung, die sich bis heute fortsetzt. Die neue Abteilungsgliederung erlaubt es den Direktoren, einen überschaubareren Bereich ihres Fachgebiets anzuleiten. Beide Abteilungen veranstalten spezialisierte wissenschaftliche Seminare, aber zusätzlich gibt es weiterhin abteilungsübergreifende Kolloquien. Die Zahl der wissenschaftlichen Gäste am Institut ist von einigen Dutzend jährlich in den 1990er Jahren auf inzwischen über 200 gestiegen. Die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen hat sich vervielfacht. Aus der „großen Sternwarte“, die das MPIA in der 145 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 146 Abb. 3.5-2: Gäste der Gedenkfeier für den verstorbenen Gründungsdirektor des MPIA Hans Elsässer, versammelt am 25. November 2003 auf dem Königstuhl. In der ersten Reihe von links nach rechts: Brigitte Weber-Bosse, Reimar Lüst, Hans-Walter Rix, Albrecht und Gisela Elsässer. In der zweiten Reihe: Steven Beckwith, Josef Solf, Reinhard Genzel, Karl-Heinz Schmidt, Immo Appenzeller, Werner Pfau (MPIA). 146 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 147 Gründungszeit war, ist ein international bekanntes, leistungsfähiges Wissenschaftszentrum geworden. Auch wenn damit das Ziel eines Max-Planck-Instituts, Leuchtturm der Wissenschaft zu sein, erreicht wurde, bleiben einige moderne Umstände gegenüber den frühen Jahrzehnten für schon länger beschäftigte Mitarbeiter gewöhnungsbedürftig. Viele neue Mitarbeiter bleiben auf befristeten Stellen oder mit Stipendien nur für ein bis drei Jahre am Institut. Deshalb kennt sich ein Teil der inzwischen über 250 Kollegen nicht mehr näher. Amerikanisch/Englisch ist zur täglichen Arbeitssprache geworden. Auf Deutsch kann man noch in der Kantine bestellen: Chickenwings, Wraps, Pizza, Cappuccino, Cevapcici. Als ein junger Wissenschaftler seinen Vortrag auf Deutsch ankündigte, erhielt er unverzüglich eine e-mail des Direktors mit dem Hinweis auf das wegen der Internationalität der Zuhörer gewünschte Englisch. Das Institut bietet seinen fremdsprachigen Gästen (im Jahre 2009 aus 25 Ländern) kostenlos Deutschkurse an, die durchschnittlich von etwa zehn Teilnehmern besucht werden. Zu den besonders erfolgreichen Kursteilnehmern gehören Franzosen und Ungarn; für Chinesen ist Deutsch eine schwierige Sprache, und Englisch scheint ihnen für eine internationale Karriere wichtiger. Parallel zur Neugliederung begann auch der schrittweise Rückzug vom Calar Alto. An seiner Stelle wurden für die astronomische Datengewinnung beider Abteilungen die Teleskope der ESO und Weltraum-Observatorien immer wichtiger. Durch Mitwirkung an internationalen Vorhaben, so an den SLOAN- und Pan-STARRS-Durchmusterungen, am Large Binocular Telescope in Arizona und an der Instrumentierung der europäischen Teleskope der ESO und Satelliten der ESA, erhielt das Institut Zugang zu einzigartigen Beobachtungs-Möglichkeiten und Datenarchiven. Diese neuen Beteiligungen erforderten nicht mehr den Aufwand für den Dienstleistungsbetrieb, mit dem die Calar-AltoSternwarte in den bisherigen drei Jahrzehnten viele Kräfte und Mittel des Instituts gebunden hatte. Die abnehmende Bedeutung der Calar-Alto-Sternwarte war eine schmerzhafte Erfahrung für Hans Elsässer, sah er doch hier sein Lebenswerk wanken. Ab 2000 kamen weitere Sorgen dazu, eine heimtückische Krankheit führte zu mehreren Klinik-Aufenthalten und band ihn schließlich ans Haus. Am 10. Juni 2003 starb er im Alter von 74 Jahren in Heidelberg. Er wurde auf dem Bergfriedhof beerdigt, wo schon andere große Astronomen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben (siehe Kapitel 10.4). Zu einer Gedenkfeier im Institut haben sich am 25. November 2003 über hundert Weggefährten und Schüler eingefunden, darunter die Direktoren der anderen astronomisch orientierten Max-PlanckInstitute, die Vertreter der Max-Planck-Gesellschaft, der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, der Universität Heidelberg und der Industrie (Abb. 3.5-2). In einer 147 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 148 Reihe von Ansprachen von wissenschaftlichen Kollegen wurde in dieser Stunde Elsässers überragender Leistungen für den Neuaufbau der Astronomie in der frühen Bundesrepublik gedacht. Zur bleibenden Erinnerung an den Gründungs-Direktor erhielt das Astrolabor ab diesem Tage den Namen „Elsässer-Labor“; die neuen Namenstafeln wurden am Schluss der Gedenkfeier enthüllt. 3.6 Abteilung Planeten- und Sternentstehung Mit der Neuordnung des Instituts nach der Tätigkeitsaufnahme von Thomas Henning im Jahre 2002 wurden die schon am MPIA auf dem Forschungsgebiet Sternentstehung arbeitenden Wissenschaftler in die neu entstandene Abteilung eingegliedert. Über die bis dahin erreichten wissenschaftlichen Erfolge wurde in Beispielen im Kapitel 2.10.1 berichtet. Henning erweiterte das Forschungsfeld um die Suche nach extraterrestrischen Planeten, um eine Theoriegruppe zur Planetenentstehung, und die Labor-Astrophysik. Einige Ergebnisse der letzten Jahre aus diesen neuen Gebieten sollen hier beispielhaft angeführt werden. Vorangestellt ist ein Forschungsthema, das bereits seit 1993 am MPIA bearbeitet wird und auch heute in der neuen Abteilung reichlich wissenschaftliche Früchte liefert: Braune Zwergsterne. 3.6.1 Braune Zwerge Sterne mit Massen, die deutlich geringer sind als die unserer Sonne, haben wesentlich geringere Leuchtkräfte und niedrigere Temperaturen. Sie sind viel langlebiger als unsere Sonne (~ 9 Milliarden Jahre), da sie ihren Kernbrennstoff (Wasserstoff ) sparsamer nutzen. Ihr Anteil an der Sternbevölkerung ist um so größer, je geringer ihre Massen sind. Unterhalb einer bestimmten Masse sollte die durch die Schwerkraft im Kern eines solchen Zwergsternes erzeugte Druck- und Temperatur-Erhöhung nicht mehr ausreichen, die Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium zu ermöglichen. Ohne Zündung des „Wasserstoffbrennens“ kann kein richtiger Stern entstehen, sondern nur eine Gaskugel, die anfangs noch die Gravitationsenergie in Wärmestrahlung verwandelt und sich später immer weiter abkühlt. Die spannende Frage war, ob es solche „Braunen Zwerge“ wirklich gibt. Theoretiker hatten die Existenz dieser Objekte bereits seit den 1960er Jahren vorausgesagt. Seit 1993 haben Christoph Leinert und Martin Haas vom MPIA mit der 148 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 149 Speckle-Methode gezielt Braune Zwerge als Begleiter von massearmen und wenig leuchtkräftigen Sternen in der Sonnenumgebung gesucht. Entdeckt haben sie zwar sehr massearme Begleiter, aber für die noch lichtschwächeren Braunen Zwerge reichte die Empfindlichkeit ihrer Speckle-Kamera offenbar nicht aus. Gefunden wurden die ersten Braunen Zwerge im Jahre 1995, darunter „Teide I“, ein Mitglied des Plejaden-Sternhaufens. Ihre spanischen Entdecker aus Teneriffa veranstalteten im Jahre 1998 zu diesem neuen Thema eine wissenschaftliche Tagung, die auch von Mitarbeitern des MPIA besucht wurde. Reinhard Mundt und Coryn Bailer-Jones, der gerade von der Universität Cambridge ans Institut gekommen war, waren von den auf Teneriffa vorgetragenen Ergebnissen so begeistert, dass sie ihre Arbeit um die Erforschung der Braunen Zwerge erweitern wollten. Und wie so oft bei der Eroberung von wissenschaftlichem Neuland, konnten sie schnell Erfolge erreichen. Dazu trugen die guten Beobachtungsmöglichkeiten am Calar Alto und die damals begonnene enge Zusammenarbeit mit den Astronomen des Instituto de Astrofisica de Canarias (IAC) bei. Der spanische Entdecker der Braunen Zwerge und vielseitige Astronom Rafael Rebolo wurde im Jahre 2001 zum Auswärtigen Wissenschaftlichen Mitglied des MPIA berufen. Im Jahre 1998 waren gerade fünf Braune Zwerge nachgewiesen. Wichtige Fragen waren damals: 1. Wo beginnt der Übergang von massearmen (aber richtigen) Sternen zu Braunen Zwergen? Ist das bei einer Masse von 0.072 Sonnenmassen (entsprechend 75 Jupitermassen), wie aus Modellrechnungen vorhergesagt? 2. Wie entstehen diese Objekte? Anfänglich ähnlich wie Sterne, deren weiteres Anwachsen aber wegen Materialmangel oder Störstrahlung eines heißen Nachbarsterns unterbrochen wird? Mit dem CAFOS-Instrument am 2.2 m-Teleskop am Calar Alto begannen im Jahre 1999 Nachbeobachtungen zu den in den Plejaden entdeckten Braunen Zwergen. Ziel war das Auffinden von regelmäßigen Helligkeitsschwankungen, aus denen die Rotationsperiode der Objekte abgelesen werden kann. Sehr massearme Sterne zeigen solche Lichtkurven, weil sich in ihren kühlen Atmosphären Staubwolken gebildet haben. Im Unterschied dazu wurde bei den Braunen Zwergen keine regelmäßige Veränderlichkeit gefunden, was auf das Entstehen und Vergehen der Wolkenstrukturen innerhalb einiger Tage hindeutet. Aber bereits ein Jahr später gelang eine andere viel beachtete Entdeckung. Beim Vergleich der Infrarot-Bilder des σ Orionis-Sternhaufens (dicht beim Pferdekopfnebel, Abb. 3.6-1), aufgenommen vom MPIA mit dem 3.5 m- Teleskop mit dem entspre- 149 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 150 S Ori 60 S Ori 56 S Ori 52 Abb. 3.6-1: Im Sternhaufen σ Orionis wurden vom spanischen IAC und Wissenschaftlern des MPIA mehrere Braune Zwerge gefunden. Die Vergrößerungen zeigen den Sternhaufens beim linken Gürtelstern des Orions und stark vergrößert drei Beispiele der lichtschwachen Braunen Zwerge. Darunter ein Modellbild dieser kühlen Objekte mit etwa 1/10 des Sonnendurchmessers (IAC/MPIA; JB 2000, S.14, II.1). 150 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 151 chenden optischen Bild der spanischen Kollegen des IAC, fielen einige extrem rote (kühle) Objekte auf. Gemeinsame Nachfolgebeobachtungen vom Calar Alto und von Hawaii aus ergaben für mehrere dieser sehr lichtschwachen Objekte Massen der Größenordnung 10 Jupitermassen. Das ist noch weniger als die Masse eines Braunen Zwerges, der am Anfang seiner Entwicklung kurzzeitig noch Deuterium (den seltenen schweren Wasserstoff ) brennen kann. Bei Objekten mit weniger als 13 Jupitermassen ist auch die Deuterium-Verbrennung nicht mehr möglich. Solche Leichtgewichte sind Planeten, oft Super-Jupiter genannt. Mundt und Bailer-Jones hatten also gemeinsam mit ihren spanischen Kollegen freifliegende, an keinen Zentralstern gebundenen Planeten entdeckt. Damals galt als gesichert, dass Planeten in den Staubscheiben um junge Sterne entstehen. Waren die neuentdeckten Freiflieger aus solchen Scheiben herausgeworfen worden, beispielsweise durch Begegnung des Muttersterns mit einem Nachbarstern? Oder sind sie, ähnlich wie richtige Sterne, in einem Haufen durch das Zusammenballen einer großen interstellaren Wolke und deren anschließenden Zerfall in kleinere Bruchstücke entstanden? Die Antwort auf diese Fragen suchten die Astronomen des MPIA auf zwei Wegen. Bei Untersuchungen im mittleren Infraroten fanden sie bei mehreren Braunen Zwergen Staubscheiben. Diese Beobachtung spricht mehr für eine Entstehung als sehr massearmer Stern. Der zweite Ansatz vergleicht die Häufigkeit von Doppelsternsystemen bei massearmen Sternen mit der von Braunen Zwergen. Etwa die Hälfte der sonnenähnlichen Sterne lebt in Doppel- oder Mehrfachsystemen. Mit dem Hubble-Weltraumteleskop wurden im Jahre 2002 von MPIA-Wissenschaftlern über 100 Braune Zwerge mit höchster räumlicher Auflösung (0.06 Bogensekunden) abgebildet. Dabei wurde ein Anteil von ~ 20 % Doppelsystemen gefunden. Das ist zwar weniger als bei massearmen Sternen, bezieht sich aber bisher nur auf etwa gleichhelle Partner, da bei ungleichen Partnern der schwächere vom helleren überstrahlt sein könnte. Der dennoch vergleichsweise hohe Anteil an „gebundenen“ Systemen spricht ebenfalls für einen Entstehungsweg ähnlich dem der Sterne. Die Erforschung der Braunen Zwerge als Bindeglieder zwischen Sternen und Planeten bleibt auch in den nächsten Jahren ein aufregendes Forschungsgebiet am MPIA. Inzwischen kann die schwierige Frage angegangen werden: Wie groß sind die masseärmsten Braunen Zwerge und Super-Jupiter, die in einer kollabierenden Wolke neben den Sternen entstehen können? Die Theorie sieht diese Grenze bei etwa 4 Jupitermassen, kleinere Wolken-Bruchstücke bringen wahrscheinlich kein sternähnliches Objekt hervor. Ein Mangel vieler bisheriger Untersuchungen ist, dass das Alter der Objekte nicht aus ihren Spektren abgelesen werden kann, weil die bekannte Physik der Sternentwicklung hier nicht greift. Die Altersbestimmung wird aber möglich, wenn man die Braunen Zwerge 151 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 152 als Mitglieder von Sternhaufen findet, denn das Alter der „richtigen“ Sterne kann genau festgelegt werden. Da diese Sternhaufen typischerweise ~ 500 Lichtjahre entfernt sind, wird man für die Untersuchung der extrem lichtschwachen Objekte aber sehr große Teleskope mit adaptiver Optik benötigen. Das ist ein wichtiger Grund für das MPIA, am Europäischen 42 m-Teleskop (E-ELT) mitzuarbeiten (Kapitel 5.2.3). 3.6.2 Die Geburtsstätten der Planeten Seit der Entdeckung des ersten Planeten bei einem anderen Stern im Jahre 1995 werden jedes Jahr Dutzende neuer extrasolarer Planeten gefunden, im Jahre 2009 waren es über 400. Offenbar ist unser Sonnensystem nicht einzigartig, und deshalb ist es ein spannendes Forschungsziel, eine „zweite Erde“ zu finden. Thomas Henning hat seit dem Jahre 2002 eine große Forschungsgruppe am Institut aufgebaut, die die Entstehung von Planeten mittels der bekannten Gesetze der Physik verstehen will. Die dabei entwickelten Theorien sollen durch Beobachtungen nachvollzogen werden. Bei der theoretischen Simulation sind gewaltige Skalen zu durchschreiten: (1) Stern- und Planetenentstehung dauern viele Millionen von Jahren, im Rechner müssen sie in Tagen ablaufen, und (2) vom ersten Staubkorn zu einem erdähnlichen Planeten wächst der Durchmesser des Objekts um das zehnbillionenfache (1013) an. In groben Zügen scheint der Vorgang verstanden zu sein. Beim Kollaps einer kalten dichten Molekülwolke zerfällt diese in Bruchstücke, aus denen durch weiteres Zusammenballen unter der Wirkung der Massenanziehungskräfte Sternembryos entstehen. Sie rotieren schnell, da die Turbulenzen der großen Mutterwolke auf sie übertragen werden. Und sie sind von einer mitrotierenden Staub- und Gasscheibe umgeben, von der noch lange Zeit Material auf den entstehenden Stern herunterspiralt. Wegen der großen Entfernung der Sterne erscheinen diese protoplanetaren Scheiben so klein, dass sie bis auf wenige Ausnahmen (so im Orionnebel) nicht direkt abgebildet werden konnten. Am einfachsten sind sie im Infraroten nachzuweisen, denn sie liefern im Spektrum des Sterns ein zweites Maximum (Abb. 3.6-2). Messungen mit dem ISO-Satelliten konnten zeigen, dass in jungen Sternhaufen fast alle Sterne von einer warmen Scheibe umgeben sind. Mit zunehmendem Alter der Sternhaufen werden Temperatur und Helligkeit der Scheiben geringer, offenbar weil die sternnahen wärmeren Bereiche der Staubscheibe verschwinden und eine zentrale Lücke in der Scheibe entsteht. Die Vermutung liegt nahe, dass sich dort durch das Zusammenklumpen des Staubes Planeten gebildet haben. 152 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 153 1 –16 NOph Häufigkeit lg (Spektrale Energie / (W/cm)) –15 –17 –18 0,5 –19 R Cr A Taurus Lupus SX Cha 0 Cham I IC 2602 Perseiden Plejaden NGC 7092 TW Hya –20 1 10 Wellenlänge [Im] 100 10 106 107 108 109 Alter [Jahre] Abb. 3.6-2: Links: Spektrum des Sterns SX Cha (durchgezogene Linie) mit einer Staubscheibe, die am zweiten Emissions-Maximum im Infraroten bei Wellenlängen von 10 bis 100 μm zu erkennen ist. Rechts: Untersuchungen der Häufigkeit solcher Scheiben bei Sternhaufen verschiedenen Alters zeigten, dass sie im Laufe von ~ 10 Millionen Jahren verschwinden, weil sich im inneren Bereich (< 3 Astronomische Einheiten) Planeten gebildet haben (Michel Meyer, Steven Beckwith 1998). Die direkte Abbildung entstehender Planeten ist aber ganz schwierig, da der Mutterstern viele Millionen mal heller ist und einen eng benachbarten Planeten überstrahlt. Es wäre deshalb ein großer Fortschritt, wenn man die Planetenentstehung im Rechner nachbilden könnte. Die Eigenschaften des Ausgangsmaterials, der interstellaren Materie, sowie diejenigen des Sterns und die eines fertigen Planetensystems sind gut bekannt und können physikalisch-mathematisch genau beschrieben werden. Die Theoriegruppen der Abteilung, mit Hubert Klahr, Sebastian Wolf, Cornelius Dullemond und Kollegen arbeitete seit dem Jahre 2003 an dieser Planetenentstehung im Computer. Sie mussten den gewaltigen Wachstumsvorgang um 13 Größenordnungen zunächst in handhabbare Teilstrecken zerlegen. Der erste Schritt, die Bildung von millimetergroßen Körnern aus den nur einige tausendstel Millimeter großen interstellaren Staubteilchen gelang im Rechner. Da millimetergroße Teilchen noch nicht beobachtet waren, versuchten Jens Rodmann und Thomas Henning sie bei den Wellenlängen nachzuweisen, bei denen sie die meiste Wärme abstrahlen: Das ist im Millimeter-Wellenlängenbereich. Gemeinsam mit ameri- 153 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 154 kanischen Kollegen benutzten sie dafür das Very Large Array (VLA), ein aus 27 Einzelantennen von je 25 m Durchmesser bestehendes Radiointerferometer in New Mexico, USA. Die Messungen an T-Tauri-Sternen, ganz jungen Sternen, die noch von einer dichten Staubscheibe umgeben sind, ergaben bei Wellenlängen zwischen 7 mm und 3.6 cm Signale, die auf das Vorhandensein von Staubteilchen mit Größen von einigen Millimetern schließen lassen. Damit war durch Beobachtungen das theoretisch berechnete frühe Staubteilchenwachstum in protoplanetaren Scheiben bestätigt. Als Nächstes galt es zu verstehen, wie aus diesem „Sand“ kilometergroße Brocken, sogenannte Planetesimale entstehen. Bei diesen Rechnungen stießen die Theoretiker des MPIA auf ein schon in früheren Simulationen von anderen Forschern erkanntes Hindernis, das unüberwindlich schien. Durch den Stoßen-Haften-Mechanismus wachsen die Gesteinsbrocken nur bis zu einer Größe von etwa 10 cm an. Ab dieser Größe zerstören sich die Brocken bei Begegnungen in der rotierenden protoplanetaren Scheibe öfter, als dass sie zusammenzuwachsen. Im MPIA wurde aber in den Jahren ab 2006 ein Weg gefunden, wie die Natur diese „Zehn-Zentimeter-Grenze“ überwinden kann. Es sind vermutlich Wirbel in der protoplanetaren Gas- und Staubscheibe, in denen sich Verdichtungen von Gesteinsbrocken durch gegenseitige Massenanziehung zusammenlagern können. In solchen Wirbeln können innerhalb kurzer Zeit Körper von der Größe unserer Asteroiden (~ 100 km) entstehen. Aber gibt es diese Wirbel wirklich? Auf Grund ihrer Kleinheit wird man sie nicht direkt beobachten können. Aber im Rechner ließen sie sich von den MPIA-Theoretikern erzeugen und bildlich darstellen. Zwei Effekte führen zu Turbulenzen und Wirbeln in der protoplanetaren Scheibe. Dicht beim Stern wird das Gas in ein heißes elektrisch leitendes Plasma verwandelt, auf das die Magnetfelder des Sterns bremsend einwirken: Dabei entstehen „Magnetorotations-Turbulenzen“. Weiter außen bewirken leicht unterschiedliche Umlaufgeschwindigkeiten des kalten Scheibengases und der Gesteinsteilchen in und über der Scheibenebene die „Kelvin-Helmholtz-Turbulenzen“ (Abb. 3.6-3). Für diese Rechnungen haben der Doktorand Anders Johansen und seine Kollegen über 20 Millionen Teilchen im Rechner kreisen lassen. So konnten sie überzeugend und dreidimensional die Verwirbelungen nachzeichnen. Möglich wurde das durch den äußerst leistungsfähigen Rechner PIA, der den Theoriegruppen beider Abteilungen des MPIA zur Verfügung steht. Dieser Superrechner wurde nicht auf dem Königstuhl aufgestellt, sondern im modernen Rechenzentrum der Max-Planck-Gesellschaft in Garching. Er wird über Internetverbindungen so genutzt, als stände er im Heidelberger Institut. PIA kann 1100 Milliarden Rechenschritte pro Sekunde (1.1 Teraflop) ausführen und wurde damit zum wichtigsten Mitarbeiter der Theoriegruppen. In jüngster Zeit wird die ultimative Simulation zur Entstehung von kilometergroßen Planetesimalen aus winzigen 154 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 155 0.10 t=0 z/H 0.05 0 -0.05 -0.10 0.10 t = 20 70–1 z/H 0.05 0 -0.05 -0.10 0.10 t = 46 70–1 z/H 0.05 0 -0.05 -0.10 0.10 t = 50 70–1 z/H 0.05 0 -0.05 -0.10 0.10 t = 54 70–1 z/H 0.05 0 -0.05 -0.10 0.10 t = 58 70–1 0.05 z/H Abb. 3.6-3: Simulation zur Entstehung von Planetesimalen. Anfangs (oben) haben sich Zentimeter große Körner um die Mittelebene der zirkumstellaren Scheibe angesammelt. Durch Instabilitäten entwickeln sich im Laufe der Zeit Wirbel mit höherer Materiedichte. In diesen „Verklumpungs-Instabilitäten“ können Planetesimale heranwachsen (Hubert Klahr). 0 -0.05 -0.10 -0.2 -0.1 0 y/H 0.1 0.2 155 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 156 Staubteilchen „in einem Zuge“ vorbereitet. Der Superrechner erlaubt die gleichzeitige Einbeziehung der verschiedenen Turbulenzmechanismen und der Massenanziehungskräfte der Felsbrocken untereinander. Vorgänge, die im Kosmos Hunderttausende von Jahren dauern, können im Superrechner in Wochen nachvollzogen werden. Rechner und Fernrohre ergänzen sich in idealer Weise. 3.6.3 Suche nach extrasolaren Planeten Mitarbeiter der Abteilung beteiligten sich an verschiedenen Suchprogrammen und hatten dabei Erfolg. Im Jahre 2005 wurde der erste Heidelberger extrasolare Planet gefunden. Er umkreist einen Roten Riesenstern von zweifacher Sonnenmasse in einem Abstand von 300 Millionen Kilometern und einer Umlaufzeit von 711 Tagen. Entdeckt wurde der Planet mit der „Radialgeschwindigkeits-Methode“. Wegen des umlaufenden Planeten bewegt sich der Stern ebenfalls auf einer engen Bahn um den gemeinsamen Schwerpunkt dieses fernen Planetensystems. Weil sich der Stern dabei periodisch auf uns zu und von uns weg bewegt, verschieben sich seine Spektrallinien durch den Dopplereffekt geringfügig, aber periodisch nach „blau“ beziehungsweise „rot“ (Analogie: Tonveränderung vorbeifahrender Polizeisirene). Der neuentdeckte Planet hat eine Masse von mindestens 6.5 und höchstens 66 Jupitermassen. Diese Unsicherheit in der Massenangabe besteht, weil wir die Neigung der Umlaufbahn gegen die Sichtlinie nicht kennen (beim senkrechten Blick auf die Bahnebene gäbe es gar keine Linienverschiebung). An dieser Entdeckung war neben Johny Setiawan und Jens Rodmann vom MPIA eine größere Gruppe europäischer Astronomen beteiligt, und es kam das 2.2 m-Teleskop II des MPIA bei ESO in Chile zum Einsatz. Johny Setiawan (Abb. 3.6-4) war übrigens nicht nur ein erfolgreicher Planetenjäger, sondern auch ein Spitzenkoch: In Erinnerung bleibt sein festliches Weihnachtsmenü für das gesamte Institut. Im Jahre 2007 konnten dann Johny Setiawan, Thomas Henning und Kollegen die Entdeckung des jüngsten extrasolaren Planeten bekannt machen. Er wurde, noch eingebettet in seine Staubscheibe, beim nur 10 Millionen Jahre alten Stern TW Hydrae gefunden. Dieser Planet von etwa 10 Jupitermassen umkreist seinen Stern in sehr geringem Abstand in nur 3.5 Tagen. Damit wurde gezeigt, dass so massereiche Planeten innerhalb astronomisch kurzer Zeiten von weniger als 10 Millionen Jahre entstehen können. Vermutlich ist der Planet aber viel weiter außen in der protoplanetaren Scheibe entstanden. Die „Migration“ der Planeten von außen nach innen, wo sie wegen des stärkeren Dopplereffekts leichter gefunden werden, kann durch verschiedene Bremseffekte in der Scheibe 156 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 157 Abb. 3.6-4: Johny Setiawan bereitet die Suche nach neuen Planeten vor. Oder denkt er schon über das Festmenü nach der erfolgreichen Entdeckung nach? (Doris Anders). verursacht werden. Diese sind ebenfalls Forschungsthema in der Theoriegruppe. Die ursprüngliche Deutung der Beobachtungen als Planeten-Entdeckung ist auch im Lichte jüngster Messungen die wahrscheinlichste, allerdings können andere Erklärungen (Sternflecken?) nicht völlig ausgeschlossen werden. Rainer Lenzen und Wolfgang Brandner begannen ab dem Jahre 2004 ein Suchprogramm nach Planeten in größerem Abstand vom Stern. Das geht nicht mehr mit der Radialgeschwindigkeitsmethode, da bei einem Abstand von fünf Astronomischen Einheiten (1 AE = Abstand der Sonne zur Erde) die Umlaufzeit des Planeten bei etwa zehn Jahren liegt und der Dopplereffekt zu schwache Wirkung zeigt. Deshalb wurde versucht, die Planeten mit einem der 8 m-Teleskope des VLT und der vom Institut gebauten CONICAKamera direkt abzubilden. Dazu wurden die adaptive Optik (NAOS) und ein Zusatzgerät benutzt, das die Planeten in ihren charakteristischen Methanbändern (die die Sterne nicht zeigen) leichter finden lässt. Im Ergebnis wurde bei keinem der 54 untersuchten Sterne ein massereicher Planet in großen Abständen gefunden. Das ist eine wichtige Erkenntnis: Möglicherweise wandern die Planeten während ihrer Bildungsphase sehr rasch dichter an den Stern heran, wo sie als „Heiße Jupiter“ mit der Radialgeschwindigkeitsmethode bevorzugt gefunden werden. Das MPIA beteiligt sich darüber hinaus in mehreren internationalen InstrumentenKonsortien an der Entwicklung leistungsfähiger „Suchmaschinen“ für extrasolare Planeten. Für das VLTI der ESO wird PRIMA gebaut, von einem großen wissenschaftlichen Kon- 157 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 158 sortium mit der Sternwarte Genf (dort wurde der erste Planet gefunden), der Landessternwarte Heidelberg und dem MPIA. Dieses Gerät soll Positionsveränderungen eines Sterns mit bisher unerreichter Genauigkeit von nur Hunderttausendsteln Bogensekunden messen können. Das MPIA hat zu diesem Instrument die differentiellen Verzögerungsleitungen beigetragen, mit denen Abstände zwischen zwei benachbarten Objekten interferometrisch sehr genau bestimmt werden können. Dazu wurden vier KatzenaugenTeleskope mit 20 cm Durchmesser gebaut. PRIMA wird damit die durch einen umlaufenden Planeten verursachten winzigen Bewegungen eines Sterns messen können, relativ zu einem benachbarten feststehenden Stern. Das Instrument ist in der Erprobung und soll ab 2011 die Entwicklung von Planeten in Abhängigkeit von Masse und Alter des Zentralsterns erforschen. Wenige Jahre später werden die jetzt mit Beteiligung des MPIA im Bau befindlichen Instrumente SPHERE zur direkten Abbildung und GRAVITY zur noch genaueren Bewegungsmessung der planetenumkreisten Muttersterne an den 8 m-Fernrohren des VLT in Chile in Betrieb gehen. 3.6.4 Labor-Astrophysik Auf Anregung von Thomas Henning wurde im Februar 2003 eine neue Forschungseinrichtung eröffnet, die astrophysikalischen Fragen mit Experimenten auf der Erde nachgehen soll. Das dafür notwendige Labor ist im Institut für Festkörperphysik der Universität Jena beheimatet. Es wird gemeinsam vom MPIA und der Universität Jena betrieben, geleitet wird es von Thomas Henning in Heidelberg und Friedrich Huisken in Jena. Die knapp zehn wissenschaftlichen Mitarbeiter werden zu einem Drittel vom MPIA finanziert, die übrigen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Universität Jena. Ziel der Arbeiten ist es, eine Fülle von astronomischen Beobachtungsdaten, die bisher unerklärbar sind, durch Experimente im Labor verständlich werden zu lassen. Dazu müssen im Labor die Bedingungen im Weltraum (Vakuum, Kälte, …) nachgebildet und die im Kosmos vermuteten Moleküle und Teilchen erzeugt werden. Seit über 80 Jahren kennt man durch spektroskopische Untersuchungen die „Diffusen Interstellaren Banden“, das sind viele Absorptionslinien vom Ultravioletten über das Sichtbare bis ins Infrarote. Der Stoff, der sie erzeugt, wurde bis heute nicht gefunden. Vermutet werden „Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe“. Das sind mit Wasserstoff besetzte ringförmige (benzolähnliche) Kohlenstoffmoleküle, die in Ketten aneinanderhängen. Diese Stoffe sind uns aus Warnungen vor Dieselruß und zu scharf gegrilltem Fleisch geläufig. Die offenbar sehr stabilen Partikel sind mit dem ISO-Satelliten überall in der Milchstraße 158 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 159 und in fernen Galaxien entdeckt worden. Da es eine Vielzahl dieser Kohlenstoff-Verbindungen gibt, deren Spektren dann auch noch von der Temperatur, der elektrischen Ladung und der Besetzung mit Wasserstoff abhängen, ist ihre Identifikation sehr schwierig. In Jena werden die zu untersuchenden Verbindungen in Matrizen aus festem tiefkaltem Argon oder Neon eingefroren oder in winzige Heliumtröpfchen eingebracht, um für ihre Untersuchung die Bedingungen im Weltraum nachzubilden. Die bei der anschließenden Untersuchung in kalten Düsenstrahlen gemessenen spektroskopischen „Fingerabdrücke“ der Teilchen werden dann mit den astronomisch gewonnenen Spektren von kosmischen Quellen verglichen. Abb. 3.6-5: An der Universität Jena wird gemeinsam mit dem MPIA ein Labor für Astrophysik betrieben. Der örtliche Leiter Friedrich Huisken muss dabei mit Kälte- und Vakuum-Instrumenten die Bedingungen im freien Weltraum simulieren. Hier werden Reaktionen in kalten Helium-Tröpfchen vorbereitet (Friedrich Huisken). 159 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 160 Ähnlich rätselhaft ist die „Ausgedehnte Rote Emission“, die viele Gasnebel zeigen. Hier werden Siliziumteilchen als Leuchtstoff vermutet. Die Teilchen müssen allerdings sehr klein sein, um „Photoluminiszenz“ zu zeigen, also rote Strahlung aussenden zu können. In Jena werden deshalb winzige Silizium-Nanoteilchen von etwa drei Nanometer (Milliardstel Meter) für die Leuchtexperimente hergestellt. Sie werden anschließend mit ultraviolettem Licht (ähnlich dem von Sternen) bestrahlt, was zu rotem Leuchten führt. Trotz der Komplexität der Aufgaben und der verwendeten Apparaturen (Abb. 3.6-5) gibt es ermutigende Ergebnisse aus den letzten sechs Jahren. So passen beispielsweise ein im Labor gemessenes Spektrum von positiv geladenen Naphthalen-Molekülen (C10H8) und astronomisch gewonnene Spektren gut zusammen. Ein besseres Verständnis der physikalischen Chemie im Kosmos ist höchst wünschenswert. Die dort vorhandenen Moleküle könnten, durch Kometen auf die frühe Erde gebracht und in den Urozeanen gelöst, Keimzellen des Lebens gewesen sein. Für die seit 2002 am MPIA intensiv betriebene Erforschung der Planetenentstehung ist die Labor-Astrophysik deshalb zu einer wertvollen Ergänzung geworden. 3.7 Abteilung Extragalaktische Astronomie und Kosmologie Hans-Walter Rix konnte bei seiner Tätigkeitsaufnahme am MPIA im Jahre 1999 dem Institut ein wertvolles Gastgeschenk aus den USA mitbringen. Einen Teil seiner Berufungsmittel hatte er für die im Folgejahr begonnene große Himmelsdurchmusterung, den Sloan Digital Sky Survey (SDSS), angelegt. Dafür wurde am Apache Point in New Mexico ein 2.5 m-Teleskop mit einer aus vielen CCDs bestehenden großen Mosaikkamera ausgerüstet, die den halben Nordhimmel in mehreren Farbbändern durchmustern sollte. Herauszufinden war die Verteilung der Galaxien und Quasare in einem hundertfach größeren Raumbereich als bisher möglich. Damit sollten sich Schlüsse sowohl auf die frühe Entwicklung dieser fernen Objekte als auch über die unserer Milchstraße ziehen lassen. Der technisch anspruchsvollste Teil des SDSS-Unternehmens war die schnelle und sichere Verarbeitung des riesigen Datenstroms. Dabei halfen Fachleute aus Laboratorien der Elementarteilchenphysik (Fermi-Lab), die es gewohnt sind, wissenschaftliche „Stecknadeln im Heuhaufen“ zu suchen. Die Nutzung der Sloan-Daten wurde ein großer und zudem kostengünstiger Erfolg. Zwei Beispiele für wichtige Folgebeobachtungen am MPIA und ihre Ergebnisse seien in den beiden folgenden Abschnitten herausgegriffen. 160 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 161 Abb. 3.7-1: Der entfernteste Quasar ist auf der SDSS-Entdeckungs-Aufnahme als schwach leuchtendes rotes Objekt zu erkennen (Pfeil) (SDSS). 3.7.1 Der fernste Quasar und die Durchleuchtung der Urmaterie Bereits im ersten Beobachtungsjahr von Sloan wurde der damals am weitesten entfernte Quasar gefunden (Abb. 3.7-1). Bei einer Rotverschiebung von z = 6.28 erscheinen uns heute seine Spektrallinien aus dem fernen Ultravioletten ans rote Ende des Sichtbaren verschoben. Quasare sind Galaxien mit einem Schwarzen Loch im Zentrum, das selbst eine Masse von einigen hundert Millionen Sonnenmassen hat. Dieses materieverschlingende Schwarze Loch ist von einer sehr heißen rotierenden Gasscheibe umgeben, auf die Materie der Galaxie einstürzt, bevor sie schließlich ins Schwarze Loch spiralt. Ein Quasar ist deshalb sehr leuchtkräftig und bis zu den größten Entfernungen im Kosmos zu beobachten. Den neuentdeckten entferntesten Quasar sehen wir zu einer Zeit, als das Universum nur 5 % seines heutigen Alters hatte, also 700 Millionen Jahre nach dem Urknall (das heutige Universum ist 13.7 Milliarden Jahre alt). Deshalb wurde dieser Quasar SDSS 1030 + 0524 benutzt, um die Materie zwischen ihm und uns zu durchleuchten. Hans-Walter Rix und Laura Pentericci vom MPIA untersuchten das Objekt an einem der 8 m-Teleskope des VLT der ESO. Das dabei gewonnene Spektrum zeigt die vom Quasar im Ultravioletten bei einer Wellenlänge von = 1216 Å ausgesandte Lyman--Linie jetzt rotverschoben bei = 8850 Å, also am roten Ende des sichtbaren Spektralbereichs (Abb. 3.7-2). Auf der kurzwelligen Seite der Lyman--Linie sollte helle Kontinuumsstrahlung 161 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 162 Abb. 3.7-2: Das Spektrum des entferntesten Quasars zeigt die aus dem Ultravioletten ins Rote zu = 8850 Å verschobene Lyman-Linie. Die kürzerwellige Ultraviolett-Strahlung des Quasars wird vom neutralen Wasserstoff im jungen Universum vollständig absorbiert (Hans-Walter Rix, Laura Pentericci). 4 Relative Intensität 3 2 Lyman-alpha 1 0 800 820 840 860 880 900 920 Wellenlänge [nm] aus dem heißen Gasplasma erscheinen, beobachtet wird aber Dunkelheit. Der Grund dafür ist, dass diese energiereiche Strahlung vom neutralen, kalten Wasserstoffgas zwischen dem Quasar und uns verschluckt wird. Das Wasserstoffgas wird dabei ionisiert: Das Elektron wird vom Atomkern, einem Proton, getrennt. Diese wichtige Beobachtung bestätigte die theoretischen Vorstellungen von der Frühgeschichte des Universums. Etwa 300000 Jahre nach dem Urknall hatte sich das den expandierenden Kosmos erfüllende Wasserstoff- und Helium-Gas so weit abgekühlt, dass die nackten Atomkerne und freien Elektronen zu neutralen Atomen zusammenfanden. Ab dieser Rekombination war das Gas im gesamten Kosmos neutral. Da noch keine Sterne existierten, war der Kosmos dunkel. Im doppelten Wortsinn wird dieser bisher nicht beobachtbare Zeitraum als das „Dunkle Zeitalter des Universums“ bezeichnet. Nach einigen hundert Millionen Jahren entstanden dann an Orten mit erhöhter Gasdichte die ersten Sterne, Galaxien und Quasare. Die energiereiche Strahlung dieser ersten heißen Objekte ionisierte (trennte) dann erneut die Wasserstoffatome in Proton und Elektron. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Kosmos durchsichtig. Wann genau diese Re-Ionisation stattfand, konnte noch nicht beobachtet werden. Die wichtige Entdeckung der Heidelberger Astronomen zeigt, dass bei z = 6.28, also 700 Millionen Jahre nach dem Urknall, noch viel neutrales Gas vorhanden sein musste, die Re-Ionisation also noch nicht abgeschlossen war. Die ersten Sterne, Galaxien und Quasare müssen bei noch höheren Rotverschiebungen entstanden sein, geschätzt wird bei z > 10. 162 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 163 3.7.2 Die Milchstraße – Fallstudie für den Zusammenbau einer Galaxie Theoretische Studien erklären die Entstehung der großen Galaxien durch die Verschmelzung von kleineren Sternsystemen. Bei diesem kosmischen Kannibalismus verschlingen die größeren Galaxien Nachbarn, die in ihren Anziehungsbereich gelangen. Zahlreiche Beweise für diese Behauptung konnten am MPIA aus Daten der Sloan-Durchmusterung (SDSS) erbracht werden. Grundidee von Hans-Walter Rix, Eric Bell, Eva Grebel und ihren Mitarbeitern war es dabei, nach den verstreuten „Knochenresten“ (Sternen) des „Fressens“ (Wechselwirkung) zu suchen. Bereits im Jahre 2002 entdeckten sie, dass der alte Kugelsternhaufen Palomar 5 im Halo unserer Milchstraße zwei Ausflüsse („Schwänze“) von Sternen längs seiner Bahn um das Milchstraßenzentrum zeigt. Bei der Umrundung des Zentrums innerhalb von etwa 250 Millionen Jahren musste der Sternhaufen zweimal durch die Milchstraßenscheibe hindurchfliegen. Dabei wirkten so starke Gezeitenkräfte auf Palomar 5 ein, dass der Haufen sich nach einigen Runden aufgelöst haben sollte. Die herausgeschleuderten Sterne verteilten sich im ~ 300000 Lichtjahre großen Sternhalo der Milchstraße. Für diese Entdeckung mussten einerseits ganz geringe Erhöhungen der Sterndichten um den abgemagerten Palomar 5 nachgewiesen, sowie andererseits die Zugehörigkeit dieser Sterne zum sich auflösenden Haufen bewiesen werden. Letzteres gelang mit tiefen Farbaufnahmen und mittels Spektroskopie mit dem 2.2 m-Teleskop II und einem der 8 m-VLTTeleskope in Chile. Aber nicht nur Sternhaufen aus dem Halo der Milchstraße werden zerrissen, sondern sogar ganze Zwerggalaxien in ihrer Nähe. In den Sloan-Daten entdeckten die Astronomen des MPIA einen doppelten weit ausgedehnten Sternring durch das Sternbild Monoceros, dessen Mitglieder gemeinsame Eigenschaften wie Elementhäufigkeiten, Eigenbewegungen und Überhäufigkeit eines bestimmten Sterntyps zeigen. Die Sterne dieses Monoceros-Stroms stammen offenbar aus einer kleinen Galaxie im Sternbild des Großen Hundes. Der Nachweis dieses Ursprungs war schwierig, da die Zwerggalaxie sich dicht neben der Scheibe der Milchstraße befindet und ihr Licht durch den interstellaren Staub teilweise verschluckt wird (Abb. 3.7-3). Sogar die Umlaufrichtung des MonocerosGezeitenstroms konnte ermittelt werden: in Richtung der Milchstraßendrehung. Die Erfolge dieser Untersuchungen regten weitere Arbeiten zur Entstehung des Halos um die Milchstraße an. Wenn sich weitere Sternströme mit einem Ursprung in kleinen Begleitgalaxien der großen Milchstraßengalaxie finden lassen, könnte in den Halo die Geschichte des Zusammenbaus der Milchstraße durch Verschmelzungen mit ihren ehemaligen Nachbarn eingeschrieben sein. Die aus den Sloan-Daten als „klumpig“ entdeckte 163 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 164 Strom der Zwerggalaxie Sonne Kern der Zwerggalaxie im Sternbild Großer Hund Milchstraßensystem Abb. 3.7-3: Eine von der Milchstraße fast verschluckte Zwerggalaxie ist am dabei herausgerissenen Gezeitenstrom von Sternen zu erkennen. Hier die schematische Darstellung des Monoceros-Stroms, der aus einer „angefressenen“ Zwerggalaxie im Sternbild Großer Hund entspringt (Hans-Walter Rix, Eric Bell u.a.). Struktur des Halos passte gut zu diesem Bild vom hierarchischen Aufbau unserer Milchstraße durch Kannibalismus. Rätselhaft blieb nur, wo das viele „Futter“ (Begleiter) für das große Fressen herkommt. Die Milchstraße besaß nach dem Kenntnisstand vom Jahre 2005 nur 160 Kugelsternhaufen und neun begleitende Zwerggalaxien. Nach theoretischen Modellen hätten es aber heute noch 50 Zwerggalaxien in der Nähe der Milchstraße geben müssen. Das wurde als das „Problem der fehlenden Satelliten“ bekannt. Im Jahre 2007 konnte eine internationale Gruppe von Astronomen unter Führung des MPIA (Sergej Koposov, Hans-Walter Rix, Eric Bell) das Rätsel lösen. Sie fanden zusätzlich zu den in den Vorjahren in den Sloan-Daten entdeckten vier Zwerggalaxien vier weitere 164 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:16 Seite 165 Begleiter. Diese lichtschwachen Galaxien sind auf den Sternkarten mit bloßem Auge nicht auszumachen, sie wurden mit einem rechnergestützten Auswertungsprogramm in der Sloan-Daten-Basis entdeckt. Mit den acht neuen Zwerggalaxien aus der SloanDurchmusterung, die nur ein Fünftel des Himmels überdeckt, kann man auf 40 Begleiter am gesamten Himmel schließen. Dazu kommen die neun seit längerem bekannten Zwerggalaxien, also nahezu 50, wie erwartet. Damit ist das „Problem der fehlenden Satelliten“ wahrscheinlich gelöst. Dennoch bleibt viel zu tun: Die äußerst lichtschwachen Objekte müssen in Folgeuntersuchungen an großen Teleskopen spektroskopisch auf ihre Zugehörigkeiten studiert werden. Und die Jagd auf weitere Begleiter der Milchstraße wird vorbereitet. Mit dem 2006 erfolgten Einstieg des MPIA in die Pan-STARRSDurchmusterung wird sogar ein Viertel des Himmels erfasst werden können. Damit können künftig noch schwächere Objekte bei noch besserer Winkelauflösung als mit Sloan erfasst werden. 3.7.3 Galaxienentwicklung in der zweiten Lebenshälfte des Universums Die kosmologische Forschung versucht die Entwicklung der Galaxien seit ihrer Entstehung bis zum heutigen Anblick durch Beobachtungen aufzuklären. Die großen Durchmusterungen des Himmels nach hochrotverschobenen Galaxien im noch jungen Universum spielen dabei eine entscheidende Rolle. Als Beispiel für diese Forschungsrichtung am MPIA sei das Unternehmen COMBO-17/GEMS herausgegriffen, das auch international viel Aufmerksamkeit auf sich zog. Dessen Grundidee ist einfach: Mit einem leicht verfügbaren mittelgroßen Teleskop werden einige zehntausend Galaxien in einem Rotverschiebungsbereich bis zu z ⱕ 1 (entsprechend einer Rückblickzeit von 8 Milliarden Jahren seit heute) charakterisiert. Dabei erhält man für jede Galaxie Zahlenwerte zur Entfernung, Farbe und Leuchtkraft. Anschließend werden diese ausgewählten Galaxien mit hoher Auflösung abgebildet, um ihre Struktur, ihren Typ und mögliche Wechselwirkungen mit Nachbargalaxien zu erfassen. Für diese Bildgewinnung musste das HubbleWeltraumteleskop eingesetzt werden. Der erste Schritt wurde bereits ab 1998 vollzogen. Geleitet von Klaus Meisenheimer (Abb. 3.7-4) konnte das MPIA gemeinsam mit der ESO eine Weitfeldkamera für das 2.2 m-Teleskop II auf La Silla aufbauen. Ausgerüstet mit mehreren CCD-Kameras mit zusammen 67 Millionen Pixeln, wurde mit der neuen Weitfeldkamera ein ungewöhnlich großes Himmelsfeld (entsprechend dem Vollmonddurchmesser) abgebildet. Und das in 17 Farben, vom nahen Ultravioletten bis zum nahen Infraroten. Das ermöglicht die genaue 165 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 166 Abb. 3.7-4: Klaus Meisenheimer hat gemeinsam mit Herrmann-Josef Röser (Abb. 3.3-3) mehrere große Durchmusterungen zu jungen Galaxien durchgeführt. Studenten betreuten sie oft gemeinsam („Rösenheimer“). Hier verabschiedet Meisenheimer 2009 seinen langjährigen wissenschaftlichen Weggefährten Röser in den Ruhestand (Doris Anders). Bestimmung der Rotverschiebung der Galaxien und daher auch der Name: Classifying Objects by Medium Band Observations with 17 Filters = COMBO-17. Mit diesem Instrument wurden in 30 Nächten 25000 Galaxien klassifiziert. Das war Weltrekord, denn bis dahin hatten vergleichbare Untersuchungen anderenorts nur etwa 500 ähnlich weit entfernte Objekte erfasst. Die COMBO 17-Durchmusterung konnte die Eigenarten der Galaxien in Zahlenwerten erfassen, die ihre Entfernung, Leuchtkraft und ihr Alter beschreiben. Diese einzigartige „Personaldatenkartei“ der Galaxienentwicklung im Universum sollte nun zusätzlich mit „Passbildern“ aller erfassten Galaxien vervollständigt werden. Erst sie können zeigen, ob die Sterne in einer Galaxie in einer Scheibe oder mehr kugelförmig verteilt sind, ob es große Sternentstehungsgebiete gibt und ob eine Galaxie mit einer anderen wechselwirkt oder gar schon verschmilzt. Wegen der sehr großen Entfernungen dieser jungen Galaxien sind dazu höchstaufgelöste Bilder notwendig, die ein 2 m-Teleskop am Boden nicht liefern kann. Deshalb bemühten sich Eric Bell, Hans-Walter Rix und Kollegen vom MPIA um eine lang dauernde Beobachtung dieses Galaxienfelds mit dem Hubble-Weltraum- 166 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 167 Abb. 3.7-5: Siebzig helle Galaxien aus dem GEMS-Feld. Zu erkennen ist die Vielfalt der Formen, Größen und Strukturen. Die Aufnahmen wurden 2003 mit dem Hubble-Weltraum-Teleskop gewonnen (Eric Bell, Hans-Walter Rix, Klaus Meisenheimer u. a.). 167 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 168 teleskop. Sie erhielten 150 Beobachtungsstunden und gewannen damit die größte je mit Hubble gemachte Farbaufnahme (von etwa der Vollmondgröße). Mit einem Auflösungsvermögen von besser als einer Zehntelbogensekunde konnten dabei Strukturen von wenigen tausend Lichtjahren, also etwa 1 % des Durchmessers einer Galaxie, erfasst werden. Das inzwischen berühmte gewordene GEMS-Bild zeigt 40 000 Galaxien in bisher unerreichter Schärfe, von denen 10 000 mit den in COMBO 17 vermessenen deckungsgleich sind (Abb. 3.7-5). Zwar lässt sich aus einem solchen Bild nicht die zeitliche Entwicklung der einzelnen Galaxien ableiten, denn die dauert Milliarden von Jahren an. Da aber in dieser großen Stichprobe „COMBO 17/GEMS“-Galaxien verschiedensten Alters erfasst sind, lässt sich statistisch die Änderung ihrer Eigenschaften (Größe, Form, Leuchtkraft usw.) in den letzten 8 Milliarden Jahren der Entwicklung des Kosmos ableiten. Verknüpft mit den Daten anderer Durchmusterungen des MPIA konnten wichtige Schlüsse gezogen werden. So lieferten im frühen Universum irreguläre Galaxien und solche mit hoher Sternentstehungsrate den größten Teil der Leuchtkraft. In jüngster Zeit haben elliptische und junge Spiralgalaxien diese Rolle übernommen. Dabei wuchsen die elliptischen Galaxien durch Verschmelzung mit kleineren Galaxien erst während der letzten sieben Milliarden Jahre zu den heute massereichsten Sternsystemen an. Parallel zu dieser Entwicklung sank die Sternentstehungsrate, die angibt, wie viele Sterne pro Jahr in einer Galaxie entstehen. Gemessen wird diese Rate durch die Ultraviolettstrahlung junger, heißer Sterne. Und da Staub in den Galaxien die UV-Strahlung teilweise absorbiert und sich dabei aufwärmt, musste vollständigkeitshalber auch noch dessen Infrarot-(Wärme)Strahlung erfasst werden. Da das COMBO 17/GEMS-Feld zu den in allen Spektralbereichen bestuntersuchten am Himmel zählt, konnten verlässliche Werte abgeleitet werden. Danach sinkt die Sternentstehungsrate von etwa 1000 Sternen pro Jahr und Galaxie im ganz frühen Universum auf etwa 10 zur Halbzeit und etwa einen Stern pro Jahr heute in der Milchstraßen-Galaxie. Die Ursache für diese sinkende Sternentstehungsrate liegt einerseits in den mit der zunehmenden Ausdehnung des Universums seltener werdenden Wechselwirkungen zwischen den Galaxien. Im früheren, kleineren Universum war die Dichte der Galaxien höher und gegenseitige Wechselwirkungen regten durch Zusammenpressung des interstellaren Gases die Sternentstehung an. Eine weitere Ursache für die sinkende Rate wurde in der Abnahme des interstellaren Gasvorrates in den Galaxien erkannt: Es gibt immer weniger Rohstoff für neue Sterne. Für ein volles Verständnis dieser Entwicklung wird dringend auf die Messungen mit dem Herschel-Satelliten im fernen Infrarot gewartet, mit dem die gesamte Energieabstrahlung der Galaxien erfasst werden kann. Hier hat das MPIA durch seine Beteiligung am Bau eines wissenschaftlichen Instruments Garantierte Beobachtungszeit zur Verfügung. 168 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 169 3.8 Selbstständige Nachwuchsgruppen Seit dem Jahre 1969 fördert die Max-Planck-Gesellschaft „Selbstständige Nachwuchsgruppen“ an ihren Instituten. Dabei erhält ein im internationalen Wettbewerb ausgewählter Wissenschaftler begrenzte, aber gesicherte Mittel und lernt, eine kleine, selbstzusammengestellte Gruppe zu leiten und die Mittel zu verwalten. Durch erstklassige Forschungsergebnisse kann er auf sich und sein Heimatinstitut aufmerksam machen. Die Tätigkeit als Nachwuchsgruppenleiter ist oft der Einstieg in eine Laufbahn als Hochschullehrer an einer Universität oder in eine führende Stellung in einem Forschungsinstitut im In- oder Ausland. In den ersten Jahren des MPIA wurde keine Nachwuchsgruppe angestrebt. Alles Bemühen von Hans Elsässer richtete sich auf den Aufbau der Calar-Alto-Sternwarte und ihre eigenständige Nutzung. Mit dem Generationswechsel in der Leitung des Instituts bemühte sich das MPIA um die Anbindung von Nachwuchsgruppen. Gleichzeitig verbesserten sich die Möglichkeiten dafür, da die MPG begann, die Förderung von Nachwuchsgruppen auch themenoffen zu ermöglichen. Zusätzlich nahm die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Bewerbungen für selbstständige Nachwuchsgruppen entgegen. Letztere wurden, bei Gewinn des Wettbewerbs, als „Emmy-Noether-Gruppen“ (benannt nach der Mathematikerin, 1882 – 1935) eingerichtet. Beide Fördereinrichtungen, MPG und DFG, finanzieren dabei jeweils den Forschungsgruppenleiter, einen jungen Wissenschaftler (Postdoc) und etwa zwei Doktoranden. Das Institut kann weitere Personalmittel zur Verfügung stellen. Personal- und Forschungsmittel werden im Allgemeinen für vier bis fünf Jahre bereitgestellt. Spätestens zum Ende dieser Laufzeit sollte dem Nachwuchsgruppenleiter durch wissenschaftliche Erfolge ein entscheidender Schritt in seiner Laufbahn auf eine verantwortungsvolle Position gelungen sein. Als erster Nachwuchsgruppenleiter konnte Sebastian Wolf, ein früherer Doktorand von Thomas Henning in Jena, ab Januar 2004 eine Emmy-Noether-Gruppe am MPIA gründen. Er hatte sich mit dem Thema „Die Entwicklung von zirkumstellaren Staubscheiben zu Planetensystemen“ im Wettbewerb um die begehrten Stellen durchgesetzt. Vielbeachtete Forschungsergebnisse am MPIA führten nach vier Jahren zu seiner Berufung als Professor an die Universität Kiel. Ende des Jahres 2004 entstand um Coryn Bailer-Jones eine weitere Emmy-Noether-Gruppe zum Thema „Eigenschaften und Bildung von Objekten mit substellaren Massen – Beobachtungen, Theorie und Datenarchive“. Nach vier Jahren schaffte Bailer-Jones den Sprung auf eine feste Wissenschaftler-Stellung am MPIA und übernahm die Verantwortung für die Institutsbeteiligung am Astrometrie-Satelliten GAIA. 2005 konnte die Emmy-Noether-Gruppe „Die Bildung massereicher Sterne“ um 169 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 170 Henrik Beuther eingerichtet werden. Auch er erhielt eine feste Wissenschaftler-Stellung am MPIA, mit der er seine Forschung als Leiter der Arbeitsgruppe „Sternentstehung“ fortsetzen kann. Eric Bell gewann ab Anfang 2006 die Mittel für eine Emmy-NoetherGruppe zum Forschungsthema „Welche physikalischen Prozesse steuern die Entwicklung massereicher Galaxien?“ Nach zweieinhalbjähriger Arbeit erhielt er eine Berufung auf eine Professorenstelle an der Universität von Michigan in Ann Arbor in den USA. Die jüngste Emmy-Noether-Gruppe wurde 2007 um Knud Jahnke zum Thema „Untersuchung der parallelen Entwicklung von massereichen galaktischen Zentralbereichen und Schwarzen Löchern“ eingerichtet. Mit Fördermitteln der Max-Planck-Gesellschaft konnten bisher zwei selbstständige Nachwuchsgruppen am Institut eingerichtet werden. Frank van den Bosch und seine Mitarbeiter erforschten seit 2005 die „Galaxieentstehung und großräumige Struktur“. Nach gut drei Jahren erhielt er eine Berufung als Professor an die Universität von Utah in Salt Lake City, USA. Die Finanzausstattung für diese Nachwuchsgruppe gehört auf Dauer zum Institut, da sie Hans-Walter Rix bei Bleibeverhandlungen nach seiner ehrenvollen Berufung an die Universität Cambridge zugesagt wurde. Im Jahre 2006 errang Cornelis Dullemond im Wettbewerb die MPG-Mittel für eine weitere Nachwuchsgruppe „Bildung von Planetenbausteinen“. Die Beheimatung von sieben Nachwuchsgruppen am MPIA in den letzten sechs Jahren spiegelt die hohe Wertschätzung der hier geleisteten Arbeit wider. Die Gruppen, obwohl „selbstständig“, arbeiten eng mit den übrigen Wissenschaftlern des Instituts längs der Hauptforschungsrichtungen zusammen. Das belebt die Arbeit, da laufend neue ideenreiche Köpfe an das Institut kommen. Auch wenn einige Forscher das Institut in Richtung Ausland verlassen, bleibt der Gewinn groß: Schöpferische Jahre mit vielen wissenschaftlichen Hervorbringungen wurden am MPIA gelebt, und der Ideen- und Studentenaustausch über die Grenzen hinweg wird meist Jahrzehnte fortgesetzt. Die internationale Bekanntheit des Instituts wird damit weiter wachsen. Im „Minerva-Programm“ zur Förderung hervorragender Wissenschaftlerinnen in der MaxPlanck-Gesellschaft konnten drei Wissenschaftlerinnen Mittel für ihre Stellen am MPIA einwerben. Alle erhielten vom Institut zusätzliche Doktorandenstellen. Eva Grebel erhielt im Jahre 2000 die erste Minerva-Stelle zum Thema „Stellare Populationen, Zwerggalaxien, Halo-Struktur“ . Sie wurde 2003 als Professorin an die Universität Basel berufen und ist inzwischen als eine Direktorin an das Astronomische Recheninstitut der Heidelberger Universität zurückgekehrt. Eva Schinnerer arbeitet seit 2005 an der „Entwicklung von Aktiven Galaxien in der Vergangenheit des Universums“. Cristina Afonso sucht seit Ende 2006 nach „Extrasolaren Planeten mit der Methode der Bedeckungsveränderlichkeit“. 170 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 171 3.9 Ausbau des Heimatinstituts auf dem Königstuhl In den ersten drei Jahrzehnten nach der Fertigstellung der Institutsgebäude beschränkte sich die Bautätigkeit auf den Erhalt des Bestehenden. Ausbauten waren nicht nötig, da die Größe der Gebäude für starkes Wachstum des Instituts bis zur ursprünglich geplanten Obergrenze von 150 Mitarbeitern ausgelegt war. Außerdem widersetzte sich Hans Elsässer baulichen Veränderungen, da das architekturpreisgekrönte Bauwerk im Ursprungszustand erhalten werden sollte. Zwingend notwendig war die lange Zurückhaltung nicht, da die Ansprüche aus dem Architekten-Vertrag von 1970 (Urheberrecht) nach 5 Jahren verjährt waren. Mitte der 1990er Jahre kam aus dem Mitarbeiterkreis der Wunsch nach zwei Umbauten hervor. Für das ISOPHOT-Instrument des Instituts auf dem europäischen ISO-Satelliten musste ein Datenzentrum errichtet werden. Dazu bot sich die Schaffung mehrerer zusammenliegender Räume im Astrolabor an, das bisher kaum genutzt war. Elsässer stimmte dem Innenausbau zu, legte aber selbst die Raumaufteilungen fest. Dabei tauchte ein unerwartetes Problem auf. Zur natürlichen Beleuchtung eines der neugeschaffenen Arbeitszimmer sollte eine Fensteröffnung in die große östliche Betonaußenwand gesägt werden. Da das eine Veränderung am „Kunstwerk“ bedeutet hätte, wurde die Arbeit erst möglich, nachdem sich die Generalverwaltung mit dem Architekturbüro des „Schöpfers“ geeinigt hatte. Der zweite Veränderungswunsch zielte auf die Schaffung eines neuen Besprechungszimmers. Für die zunehmende Zahl von Projektbesprechungen in den internationalen Vorhaben mit ESA und ESO bot sich der Ausbau der offenen überdachten Terrasse vor der Kantine zu einem Besprechungsraum an (Abb. 3.9-1). Erste Anträge zur Finanzierung dieses Ausbaus, gestellt in den späten 1990er Jahren, scheiterten in der Generalverwaltung wohl an zu geringer Dringlichkeit. Diese Ruhe am Bau änderte sich nach dem Jahre 2000 ganz beträchtlich. Mit dem Generationswechsel in der Institutsleitung und dem folgenden Anstieg der Mitarbeiterzahlen wurden bauliche Anpassungen unausweichlich. Hier half eine glückliche Personalentscheidung von Hans-Walter Rix im Sommer 2000. Als Nachfolger für den in den Ruhestand tretenden Verwaltungsleiter Edgar Fink wurde Mathias Voss eingestellt. Und Voss entwickelte ungeahnte Fähigkeiten im notwendigen Um- und Ausbau des Instituts. Er wechselte zunächst den betreuenden Architekten, der sich sehr konservativ und ganz im Sinne des Gründungsdirektors auf den Erhalt des Bestehenden konzentriert hatte. Die Anträge des Instituts zu Baumaßnahmen wurden ab jetzt so überzeugend, dass seither in jedem Jahr ausgebaut und modernisiert wurde. Der angestrebte Ausbau der Terrasse zu einem Besprechungsraum wurde nun im Jahre 2004 als Schaffung eines „Multifunktionsraums“ abgeschlossen. Es ist ein moderner Konferenzraum entstanden, der durch Öffnen 171 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 172 Abb. 3.9-1a-b: (a) Auf der Westseite des Hautgebäudes sind im hochgelegenen Erdgeschoß links die Fenster der Kantine und rechts eine überdachte offene Terrasse zu erkennen. Letztere war nur im Sommer als Freisitz in der Mittagspause nutzbar. (b) Die Terrasse wurde 2004 zu einem Multifunktions-Raum ausgebaut. Der dient seither ständig als Besprechungsraum, kann aber auch ganzjährig als Kantinen-Erweiterung genutzt werden (Architekturbüro HWP). 172 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 173 raumhoher Türen auch als Kantinenerweiterung dienen kann. Dieser Umbau wurde durch die Berufungszusage für Thomas Henning möglich und hat sich seither vielfach bewährt, die Auslastung ist fast lückenlos. Im Jahre 2003 wurde das über zwei Stockwerke verteilte Bibliotheksmagazin aufgegeben. In die freigewordenen Räume wurden vier Arbeitszimmer mit 14 Arbeitsplätzen eingebaut. Auch hier mussten mehrere große Fensteröffnungen in die Betonwände gesägt werden, da das bisherige Magazin fensterlos war. Das alte Bibliotheksmagazin fand seinen neuen Platz in einem Innenraum ohne Tageslicht, insgesamt eine sehr sinnvolle Veränderung. Die Präsenzbibliothek mit der Auslage der neuesten Fachzeitschriften und einer ständig erneuerten Lehrbuch-Sammlung blieb bei diesem Umbruch erfreulicherweise erhalten, obwohl einige Mitglieder des Instituts das im Online-Zeitalter eigentlich für überflüssig hielten. Seit der Anstellung der Bibliothekarin Monika Dueck im Jahre 2001 genießen die wissenschaftlichen Mitarbeiter zusätzlich jede Unterstützung bei schwierigen Literaturbeschaffungen. Mit der Beteiligung des Instituts an immer größeren internationalen Instrumentierungsvorhaben wuchsen auch die Ansprüche an die Laborräume. Die Satelliteninstrumente mussten unter strengen Sauberkeitsbedingungen aufgebaut werden, die in den beiden großen Experimentierhallen mit Sichtbeton- und Kalksandsteinwänden nicht gegeben waren. Beide Hallen wurden in den Jahren 2001 bis 2003 zu Reinräumen umgestaltet, die nur über Schleusen betretbar sind. In die westliche Experimentierhalle wurde zusätzlich eine geräumige Reinraumkabine eingebaut, die höchste Ansprüche der Raumfahrt erfüllt und die nur in Reinraum-Kleidung betreten werden darf. Da sich das Institut bei seinen Weltraum-Instrumenten auf die opto-mechanischen Komponenten für tiefste Temperaturen spezialisiert hatte, die allerdings auch bei verschiedenen Laborbedingungen betreibbar sein sollten, wurde eine Klimatisierung dieser Halle notwendig. Dafür wurde im Jahre 2007 eine große Klimaanlage auf dem Dach über den Hallen aufgebaut. Sie erlaubt das Einstellen von Temperatur und relativer Luftfeuchte in der Experimentierhalle, je nach Anforderung der Instrumente und unabhängig von den stark wechselnden Witterungsbedingungen auf dem Königstuhl. Für die Beteiligung an den Interferometern und der Adaptiven Optik an den Großteleskopen der ESO und des LBT wurden neue Entwicklungslabors benötigt. Dafür mussten im Untergeschoss des Instituts die ehemalige Schreinerei, die Studentenwerkstatt und Räume des Technischen Dienstes aufgegeben werden. Dadurch entstanden in den Jahren 2003 bis 2007 überwiegend aus Berufungsmitteln von Thomas Henning drei moderne Optiklabors, zum Teil als Reinraum nur über eine Schleuse betretbar. Die Umsetzung von modernen Brandschutzverordnungen hat das gesamte Institut im Jahre 2006 in eine monatelange Baustelle verwandelt. Sämtliche Decken mussten brand- 173 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 174 Abb. 3.9-2a-b: Die stark angewachsenen Mitarbeiter- und Besucher-Zahlen verlangten 2006 nach dem zeitgemäßen und geräumigeren Ausbau des Empfangsraumes (vorher/nachher) (HWP). 174 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 175 hemmend ausgebaut, Leuchten erneuert und Brandmelder eingebaut werden. Gleichzeitig wurde der Empfang („Aquarium“) am Eingang in das Hauptgebäude in ein modernes Informationszentrum umgestaltet (Abb. 3.9-2). Im neu gestalteten Seminarraum verschwand der Oberlicht-Turm mit seinen langsam rumpelnden Verdunklungs-Rollos, er wurde durch ein weiteres in die Betonwand gesägtes großes Fenster ersetzt. Die größte „Baumaßnahme“ konnte im Jahre 2005 begonnen werden: der Aufbau eines ganzen Stockwerks auf dem Südflügel des Instituts. Der Bedarf an Büroarbeitsplätzen war inzwischen durch Personalwachstum und zahlreiche wissenschaftliche Gäste mit längeren Aufenthalten am Institut dringend geworden (Abb. 3.9-3). In einer Holz/ Glas/Metall-Konstruktion entstanden so auf neugeschaffenen 560 m2 Nutzfläche 19 Büros mit 42 Arbeitsplätzen (Abb. 3.9-4). Zusätzlich konnten ein dringend notwendiger Besprechungsraum und ein Kommunikationsbereich eingerichtet werden. Die neuen Abb. 3.9-3: Um die immer zahlreicheren wissenschaftlichen Gäste unterzubringen, mussten im Sommer Büro-Container auf dem Vorplatz des Institutes aufgestellt werden (MPIA). 175 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 176 Abb. 3.9-4: Auf dem bisherigen Dach des Hauptgebäudes wurde 2005 in Leichtbauweise ein ganzes Stockwerk mit 42 Arbeitsplätzen aufgesetzt (HWP). Arbeitsräume sind durch großzügige Verglasung hell, was allerdings an sonnigen Tagen zur Aufheizung führen könnte. Das verhindern Jalousien, die, von einem Sonnenstandsmesser gesteuert, herabgelassen werden. Gleichzeitig wacht ein Windmesser darüber, dass die Jalousien bei starkem Wind nicht beschädigt werden und sie deshalb wieder hochgezogen werden. Auf dem Königstuhlgipfel gibt es aber oft beides: Sonne und Wind. Nach dem Tode des Gründungsdirektors Hans Elsässer verkauften seine Kinder sein mit Erbbaurecht auf dem Institutsgelände errichtetes Wohnhaus an die MPG. Das Institut ließ es zu einem Gästehaus mit vier kleinen Wohnungen umbauen. Damit kann das MPIA bei seiner stadtfernen Lage seit 2008 wissenschaftlichen Gästen mit längeren Aufenthalten und mit Familienbegleitung zusätzlich ein besseres Angebot machen, als das mit den bisherigen vier Gästezimmern im Nachbarhaus möglich war. 176 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 177 Abb. 3.9-5: Im Elsässer-Labor entstanden 2008 nach mehreren Aussägungen in der ursprünglich geschlossenen Betonwand 12 neue Arbeitsplätze für Wissenschaftler und Studenten (Lemke). Neben diesen größeren (verwaltungstechnisch aber „kleinen“) Baumaßnahmen sind auf Initiative der Direktoren und des Verwaltungsleiters Mathias Voss in jedem Jahr zahlreiche weitere Modernisierungen durchgeführt worden: Alle älteren Fenster wurden durch neue wärmedämmende ersetzt, fast alle Möbel wurden durch zeitgemäße ausgetauscht. Im Elsässer-Labor (dem früheren Astrolabor) wurden, nach weiteren Fensterdurchbrüchen im Beton, 12 neue Arbeitsplätze errichtet (Abb. 3.9-5). Die Rechnerräume wurden erweitert und modern klimatisiert, es wurden mehrere Kommunikationsräume im Gebäude und Freisitze außen geschaffen (Abb. 3.9-6). Diese Liste ist noch viel länger. Sie zeigt, dass seit dem Jahre 2000 der Übergang von einem nur behutsam zu modernisierenden „Architekturdenkmal“ zu einem sich laufend den wandelnden Bedürfnissen anpassenden Funktionsgebäude vollzogen wurde (Abb. 3.9-7). Die Planungen des Verwaltungsleiters Voss (Abb. 3.9-8) für weitere Modernisierungen füllen die Kalender für die nächsten Jahre. Zusätzlich war der Bau des „Hauses der Astronomie“ in den Jahren 2009 bis 2011 auf dem Institutsgelände zu begleiten. 177 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 178 Abb. 3.9-6a-b: Durch die vom Architekten beabsichtigte Gliederung des Beton-Baukörpers wurden mehrere im Klima des Königstuhls kaum nutzbare Terrassen geschaffen (oben). Eine wurde 2007 zu einem stets gut genutzten Kommunikations-Raum der Wissenschaftler umgestaltet (unten) (HWP). 178 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 179 Abb. 3.9-7: Mehrere der nach 2002 durchgeführten Baumaßnahmen haben auch die äußere Form des Hauptgebäudes sichtbar verändert. Links das neue Stockwerk auf dem Südflügel, in der Mitte über dem Haupteingang der verglaste Kommunikationsraum, rechts über den Experimentierhallen die große Klimaanlage. Durch Betonsanierung und Schutzanstrich hat sich auch die äußere Sichtbeton-Anmutung des Gebäudes verändert. Siehe zum Vergleich das ursprüngliche Gebäude in Abb. 2.4-5c (Lemke). Abb. 3.9-8: Der Verwaltungsleiter Mathias Voss schafft häufig Gelegenheiten, notwendige Erweiterungsbauten feierlich einzuweihen (Doris Anders). 179 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 180 4. Technische Abteilungen für den wissenschaftlichen Gerätebau Der Wert eines Teleskops wird vor allem durch die Neuheit und Leistungsfähigkeit seiner wissenschaftlichen Fokalebenen-Instrumente bestimmt. Diese Geräte wurden traditionell in den Instituts-Werkstätten „selbstgebaut“. Den feinmechanisch-optischen Werkstätten insbesondere war der Gründungsdirektor Hans Elsässer stets sehr zugeneigt. Die Werkstätten der Landessternwarte waren räumlich sehr beengt gewesen und mit einem bescheidenen Maschinen- und Messgeräte-Park nicht angemessen ausgestattet. Das wollte Elsässer im neuen MPIA für den Aufbruch in die 1970er Jahre ganz wesentlich verbessern. 4.1 Feinmechanische Werkstatt und Konstruktions-Abteilung Bereits 1969, als auf dem heutigen Institutsgelände noch der Hochwald rauschte, suchte Elsässer mit einer Anzeige den Leiter für die künftige feinwerktechnische Abteilung des geplanten Institutsneubaus. Er fand ihn in Heinrich Bellemann, der damals die Werkstatt und Konstruktion am Kernforschungsinstitut in Karlsruhe leitete. Heinrich Bellemann erhielt Mitte 1969 einen Beratervertrag vom MPIA und unterstützte Elsässer fortan bei den Gesprächen mit den Architekten bezüglich der Werkstätten. Anfangs als freistehendes Werkstattgebäude geplant, sorgten die ästhetischen Vorstellungen des Architekten und die Mischfinanzierung des Baus dafür, dass die Werkstätten in den ost-west-verlaufenden „Extraterrestrik“-Block (Kapitel 2.4.2) des gemeinsamen Baukörpers eingegliedert wurden. Die feinwerktechnische Abteilung wurde für wachsende Aufgaben räumlich großzügig geplant: eine Maschinenhalle von 270 m2, Meisterbüro, Messlabor, Galvanikräume, Schlosserei, Lackiererei, Tischlerei, üppige Materiallager. Dazu kamen ein großes Konstruktionsbüro und eine große Montagehalle. Mit der Fertigstellung des Neubaus wechselte Heinrich Bellemann von Karlsruhe nach Heidelberg und wurde im Juni 1974 Leiter der Feinwerktechnik und der Konstruktionsabteilung. Die Werkstatt war modernst ausgerüstet und beherrschte alle Techniken der Metall- und Kunststoffbearbeitung, zusätzlich alle Schweißtechniken. Bald waren für Werkstatt und Konstruktion 16 Mitarbeiter eingestellt. Gepflegt wurde stets die Lehrlingsausbildung zum Feinwerktechniker, die 180 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 181 mit dem Gesellenbrief abgeschlossen wurde. Dabei gewannen die Absolventen vom MPIA überdurchschnittlich viele Anerkennungspreise der Handwerkskammer. Die Zusammenarbeit mit der Werkstatt war für die Wissenschaftler unkompliziert. Man erläuterte seine Wünsche mit einer Handskizze und den notwendigen Zahlenangaben beim Leiter, und der sorgte für Konstruktion und Bau. Regelmäßig wurden die „Auftraggeber“ zu Besprechungen zum Sachstand eingeladen. Unstimmigkeiten gab es gelegentlich bei den in Aussicht gestellten Lieferterminen. Jeder wollte sein Gerät möglichst gleich haben. Hier hat dann Elsässer bei einem morgentlichen Gang in die Werkstatt oft die Prioritäten gesetzt. Die Produkte der Werkstatt aus den 1970er bis 1990er Jahren konnten sich sehen lassen: Sie reichten von kleinen und komplexen opto-mechanischen Abb. 4.1-1: Blick in die Feinmechanische Werkstatt mit ihren zehn Mitarbeitern im Jahre 2009. Hinten die beiden großen rechnergesteuerten Fräßmaschinen. Hinten rechts der Werkstattleiter Armin Böhm (schwarzes Hemd) bei der Anleitung eines Auszubildenden (Doris Anders). 181 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 182 Präzisionsgeräten bis zum selbstgebauten 70 cm-Fernrohr, vom Tieftemperatur-Kryostaten bis zu höchst zuverlässigen Fluggeräten für Ballon- und Satelliten-Teleskope. Nach Heinrich Bellemanns Pensionierung im Jahre 1998 wurde Armin Böhm mit 29 Jahren Leiter der feinmechanischen Werkstatt. Er war nach einer Lehre im Mineralogischen Institut der Heidelberger Universität 1988 zum MPIA gekommen und hatte hier 1993 seinen Meisterbrief erworben. Seine Stärken lagen bei der Handhabung der neuen programmierbaren rechnergesteuerten Werkzeug-Maschinen, hohem Qualitäts-Bewusstsein und „Kundenfreundlichkeit“ gegenüber seinen wissenschaftlichen Auftraggebern. Mit diesem personellen Wechsel wurde auch eine Trennung von Konstruktionsabteilung und Werkstatt vollzogen mit dem Ziel, den Ideenwettbewerb zu fördern. Leiter der neuen Konstruktionsabteilung wurde Ralf-Rainer Rohloff, Diplom-Ingenieur für die Technologie des Wissenschaftlichen Gerätebaus, der bei Zeiss Jena an Planetarien gearbeitet hatte und 1988 zum MPIA kam. Mit der Neustrukturierung hielt die Digitaltechnik verstärkt Einzug in die beiden Abteilungen. Wurde in den ersten Jahrzehnten des Instituts noch an großen Reißbrettern konstruiert, so geschah das ab Mitte der 1990er Jahre an Rechner und Bildschirm. Die bis dahin üblichen Konstruktions- und Fertigungszeichnungen wurden zunehmend durch elektronische Programmpakete ersetzt. Mit ihnen konnten die Werkzeugmaschinen komplizierte Teile dreidimensional fräsen, ohne Umweg über Zeichnung und einen Facharbeiter an der Maschine. Der Werkzeugmaschinenpark wurde ständig modernisiert, ab dem Jahr 2000 kamen eine große Fräsmaschine für Werkstücke von bis zum 1 m Durchmesser und eine 5-Achs-Fräsmaschine hinzu (Abb. 4.1-1). Eine besondere Herausforderung für Werkstatt und Konstruktion waren die hohen Qualitäts-Anforderungen der Weltraum-Instrumente. Hier musste vom Material-Ursprung bis zur Fertigung jedes Teil und jeder Schritt vermessen und dokumentiert werden. Dazu wurden Reinräume geschaffen und eine auf Mikrometer-Genauigkeit abtastende Messmaschine von Zeiss beschafft. Nach dem Abgang von Steven Beckwith in die USA übertrug der Geschäftsführende Direktor Hans-Walter Rix die Leitung der Technischen Abteilungen (Werkstätten) im Jahre 1999 an Dietrich Lemke. Diese Koordinierungsaufgabe tastete die bestehende Eigenverantwortung der einzelnen Abteilungen nicht an. Es wurden eine Reihe von Regeln aus der Erfahrungswelt der Weltraum-Instrumentierung übernommen, und so hielt ein sanftes Projektmanagement Einzug. Ziel war die Verbesserung der Transparenz und eine wirklichkeitsnähere Planung aller Instrumentierungs-Vorhaben. Dazu wurde die langfristige Projektplanung vertieft und an die verfügbaren Personalkapazitäten der Werkstätten angepasst. Quartalsmäßig wurden Sachstand und Auslastung festgestellt und die 182 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 183 Planung laufend überarbeitet. Die Planzahlen wurden mit den wissenschaftlichen Projektleitern und den Werkstattleitern regelmäßig gemeinsam diskutiert. Den Direktoren wurden diese Ergebnisse vorgetragen, dabei konnten bei Terminkonflikten Prioritäten gesetzt werden. Die Personalausstattung der verschiedenen Technischen Abteilungen wurde mittelfristig an den ermittelten Bedarf angepasst. Über diese Vorgänge erfuhren die Mitarbeiter zeitnah in Institutsbesprechungen, so dass gelegentlicher Kritik („wir machen zuviel“, „alles geht zu langsam“, „der Kollege X wird bevorzugt“, ...) der Boden entzogen werden konnte. Nach der Pensionierung von Lemke wurde Martin Kürster sein Nachfolger, der mit vielen Verfeinerungen die transparente Projekthandhabung fortführt. 4.2 Abteilungen für Elektronik und Elektronische Datenverarbeitung Die Steuerung und Datenerfassung bei allen Teleskopen und den mit ihnen verbundenen wissenschaftlichen Instrumenten besorgen maßgeschneiderte elektronische Geräte. Zur Zeit der Gründung des MPIA war der Wechsel von der Vakuum-Röhren-Technik zur Halbleiterelektronik (Transistoren) gerade vollzogen. Auch diese neue Technik hat sich mit immer höherer Integration der Bauteile dramatisch fortentwickelt und zu mehreren Technologiewechseln in der Elektronik-Abteilung des Instituts geführt. Gleichzeitig wurden elektronische Rechner und lichtelektrische Bildsysteme immer leistungsfähiger und erforderten aufwendigere Elektroniken zur Steuerung der Geräte und zur Erfassung und Verarbeitung der gewaltig angeschwollenen Datenlawinen. Diese technischen Umbrüche der letzten vier Jahrzehnte spiegeln sich auch in der mehrfach veränderten Struktur und Ausrüstung der Elektronik-Abteilung wider. Begonnen hat es mit einer „System-Abteilung“ unter der Leitung von Dieter Fath, der als Leiter einer Service-Außenstelle der Firma Control Data am MPI für Kernphysik zum MPIA auf den Königstuhl gewechselt war. Hier bestand seine Abteilung zunächst aus zwei Zweigen: der „Elektronik“ und der „Elektronischen Datenverarbeitung (EDV)“. Diese beiden Unterabteilungen waren weiter gegliedert. Die „Elektronik“ in „Entwicklung“ (Dieter Fath) und „Fertigung“ (Hubert Schütz). Die „EDV“ gliederte sich in „Rechner-Infrastruktur des Instituts“ (Fath, später sein früherer Mitarbeiter Walter Rauh) und „EDV Instrumente“ (Fath, später Karl Zimmermann). In den 1970er Jahren waren Video- und Bildwandler-Röhren-Technik verbreitet. Der damalige Leiter der Elektronik-Fertigung, Hubert Schütz, war Meister der Fernsehtechnik und betrieb Lehrlingsausbildung zum Industrie-Elektroniker. Nach dem krankheits- 183 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 184 Abb. 4.2-1a: Elektronik der 1980er Jahre. Für diesen Pulsmuster-Generator zum Testen der InfrarotKameras für ISO wurden auf der Vorderseite der Platine ~ 80 Logik- und Speicher-Bausteine befestigt (links). Ihre Verbindungen erfolgten auf der Rückseite in Wire-Wrap-Technik (rechts) (Ulrich Grözinger). bedingten Ausscheiden von Dieter Fath erfolgte ein Umbau der Abteilung. Bernhard Grimm, seit 1979 am Institut, übernahm ab 1989 die Leitung der „Elektronik“, in der Entwicklung und Fertigung nun zusammengelegt wurden. Inzwischen hatte die Digitaltechnik die Analogtechnik der Aufnahme-Bildröhren (Vidicons) immer weiter verdrängt. Die bisherige „EDV“ wuchs mit der rasanten Ausweitung der Rechnertechnik. Sie wurde in zwei getrennt geleiteten Abteilungen fortgeführt: für die Rechner-Infrastruktur des Instituts einerseits (Walter Rauh) und für die Programmierung der Steuerungen und Datenerfassung der wissenschaftlichen Instrumente und Teleskope andererseits (Karl Zimmermann). Diese organisatorische Gliederung besteht im Wesentlichen bis heute, nur wurden durch Pensionierungen verschiedene Leiter ersetzt: Karl Wagner hat seit 184 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 185 Abb. 4.2-1b 2007 die Verantwortung für die „Elektronik“, Frank Richter für die „Rechner“ des Instituts und Florian Briegel für die „EDV-Projekte“. Als ein Beispiel für den Technologiewandel beim Bau von elektronischen Geräten am MPIA soll hier an die handwerkliche Verbindungstechnik der verschiedensten Bauelemente in elektronischen Schaltungen erinnert werden. Vor vierzig Jahren baute man die Schaltungen auf Loch-Raster-Platten auf – das sind gleichmäßig gelochte EpoxydharzPlatinen. In diese Lochraster konnten Sockel für elektronische Bausteine (Integrierte Schaltkreise, ICs) oder vergoldete Kontaktstifte eingelötet bzw. eingepresst werden. Die für die Schaltungslogik notwendigen vielfältigen Drahtverbindungen zwischen den Kontakten wurde mit der „Wire Wrap“- Technik erzeugt. Dabei wurden mit einer kleinen Wickelmaschine, ähnlich einem Akkuschrauber, dünne Leiterdrähte um die Kontaktstifte geschlungen. Das ging schnell, war leicht änderbar, ergab aber unübersichtliche und platzbeanspruchende Aufbauten (Abb. 4.2-1). In den späten 1980er Jahren wurden 185 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 186 Abb. 4.2-2: Elektronik aus dem Jahr 2009. Diese Platine für die Auslese-Elektronik der großen CCD-Kameras enthält mehrere hochintegrierte Bausteine, die mit Ball-Grid-Technik (je ~ 250 Kügelchen) auf die Platine „aufgebacken“ wurden. Ein einzelner Baustein (oben rechts) besitzt hier die vielfachen Fähigkeiten der gesamten ~ 25 Jahre vorher entstandenen Platine der vorangegangenen Abbildung (Karl Wagner). die Schaltungen auf für jede Anwendung maßgeschneiderten Platinen aufgebaut. Vorangegangen war jeweils die Simulation der Schaltung auf einem Rechner, die das FehlerRisiko verringerte und die teure Fertigung spezieller Platinen rechtfertigte. Für die allermeisten Verbindungen zwischen Bauteilanschlüssen wurden jetzt Leiterbahnen auf dem isolierenden Trägermaterial fest aufgebracht, Drähte gab es kaum noch. Waren diese Platinen anfangs einseitig kontaktiert und bestückt, entwickelten sich bald beidseitig kontaktierte und schließlich vielschichtige Platinen. Getrieben wurde diese Entwicklung durch die Schaffung immer höher integrierter elektronischer Bausteine, sie wurden immer kleiner und hatten immer mehr und dichter beieinander liegende Kontaktpunkte. Löten auf der Millimeter-Skala wurde zur Kunst. In der heutigen „Ball Grid“- Technik werden die Verbindungen zwischen Bauteilen und Platinen auf der Sub-MillimeterSkala durch eine Vielzahl winziger Lötzinnkugeln hergestellt, die mit einer Art Waffeleisen zum Schmelzen gebracht werden (Abb. 4.2-2). Die elektronischen Bauteile können 186 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 187 frei programmierbare Schaltungen sein, in die eine am Rechner entwickelte Logik einfach hineingeladen werden kann. Mit der drastischen Verkleinerung der Bauteile ging eine Steigerung ihrer logischen Fähigkeiten und ebenso der Geschwindigkeit der Signalverarbeitung einher. Das hätte eigentlich zur Verkleinerung der „Elektronik-Schränke“ für den Betrieb der Instrumente führen sollen. Das Gegenteil war der Fall: Die Ansprüche an moderne Instrumente werden immer vielfältiger und der Elektronikaufwand wächst. Hatten die Instrumente der Anfangsjahre beispielsweise zwei Filterräder, einen Verschluss und wenige Signalausgänge, so haben heutige Geräte (wie LINC-NIRVANA für das LBT-Teleskop) 140 Motoren, Piezoantriebe, Megapixel-Kameras usw. Die Datenübertragung zwischen den Elektronikmodulen und den Rechnern im Teleskopgebäude konnte mit kupfernen Leitungsdrähten nicht mehr bewältigt werden. Seit den 1990er Jahren werden dafür gläserne Lichtleiterkabel benutzt, mit denen die Datenflut moderner Kameras schnellstens in die Rechner übertragen werden kann. Ein Glanzpunkt der Entwicklungen am MPIA war die Schaffung von Elektroniksystemen zum Betrieb großer CCD-Kameras. Durch Standardisierung vieler Baugruppen konnten solche Elektroniken bald sowohl für CCDs für den sichtbaren Bereich als auch für große zweidimensionale Infrarot-Kameras hergestellt werden. Sie wurden benutzt am Calar Alto, am 2.2 m-Teleskop II auf La Silla und am Very Large Telescope der ESO auf dem Paranal. Auch die mit MPIA-Beteiligung entstehenden Instrumente für das Large Binocular Telescope auf dem Mt. Graham werden mit solchen hier gebauten lichtelektrischen Kameras ausgerüstet. Diese MPIA-Entwicklung kam darüber hinaus bei anderen Observatorien zum Einsatz, so beispielsweise bei der Thüringer Landessternwarte in Tautenburg. Seit den 1980er Jahren ist Karl-Heinz Marien der führende Kopf der CCDEntwicklungen am MPIA, unterstützt durch die „Elektroniker“ um Bernhard Grimm, seit 2007 um Karl Wagner. Der Elektronik-Abteilung ist auch die jahrzehntelange und stetige Modernisierung der Teleskope am Calar Alto zu verdanken. Alle Teleskope wurden ursprünglich durch MPIAMitarbeiter mit Fernseh-Leiteinrichtungen ausgerüstet, anfangs noch Fernsehkameras, aber bereits mit einem digitalen Speicher (Rainer Wolf, Hermann Unser). In den 1990er Jahren folgten am MPIA gebaute CCD-Leiteinrichtungen (Uwe Graser, Karl-Heinz Marien). Die Teleskope selbst waren bei Zeiss in den 1970er Jahren in einer Phase des schnellen Fortschritts in der Elektronik- und Rechner-Technik gebaut worden. Ihre komplizierte und vergleichsweise störanfällige elektronische Steuerung wurde von den Elektronikern des MPIA schon wenige Jahre nach dem „ersten Licht“ komplett durch eine modernere Rechnersteuerung ersetzt. 187 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 188 Die Elektronik-Abteilung hatte in den 1990er Jahren bis zu 15 Mitarbeiter (Ingenieure und Techniker). Heute sind es 11 Mitarbeiter. Wertvoll sind dabei die Verbindungen zur Fachhochschule Mannheim, deren Studenten im Rahmen von Diplomarbeiten und Praxissemestern viele Entwicklungen am MPIA hervorgebracht haben. Parallel zur Leistungssteigerung der digitalen Kameras und ihrer Elektroniken wurden auch die Rechner immer größer und schneller. Begonnen hatte es in den 1970er Jahren mit den PDP-11/40-Rechnern, denen in den 1980er Jahren große Zentralrechner vom Typ VAX 11-780 folgten. Sie wurden in den 1990er Jahren wieder abgelöst durch Einzelplatz-Rechner (Workstations), die den Wissenschaftlern am Arbeitsplatz zur Verfügung standen. Die verschiedenen Betriebssysteme dieser Rechner wurden ab dem Jahre 2000 durch das systemunabhängige „Linux“ verdrängt. Damit konnten aus üblichen PCs auf dem Schreibtisch leistungsstarke Rechner werden, die mit zentralen Rechnern in schallgedämpften und gekühlten Räumen verbunden sind. Dort wurden auch die Plattensysteme zur Speicherung der riesigen Datenmengen und zur allnächtlichen Datensicherung aufgebaut. Das Institut ist aus Sicht der EDV-Abteilung in verschiedene Netzwerk-Segmente aufgeteilt, die unabhängig voneinander arbeiten, aber durch Glasfaserverbindungen schnelle Übertragung von Datenpaketen ermöglichen. Die Rechner sind, nach vielen Umzügen in den letzten Jahrzehnten, gegenwärtig in den fensterlosen Räumen im Erdgeschoss des Hauptgebäudes (dem früheren zentralen Photolabor) und im Ostteil des Elsässer-Labors untergebracht. Bei einem dieser Umzüge wurde ein archäologischer Fund gemacht: Als der VAX-Rechner Ende der 1980er Jahre abgebaut wurde, kam unter dem doppelten Fußboden ein altes Bierfass zum Vorschein. Studenten hatten es wahrscheinlich vor einer Examensfeier mittels der kräftigen Klimaanlage im Rechnerraum kühlen wollen und dann vergessen. Das Bier hatte nach vielen Jahren unbeabsichtigter Lagerung nicht an Geschmack gewonnen ... Neben den lokalen Rechnern besitzt das Institut auch zwei Cluster, die im Rechenzentrum der MPG in Garching betrieben werden. Einer dieser Großrechner wurde 2005 zur Nutzung durch die theoretischen Gruppen des MPIA beschafft, der andere 2006 für das PanSTARRS-Vorhaben zur schnellen Himmelsdurchmusterung (Kapitel 7). Letzterer ist mit einem umfangreichen Speicherplatten-System für den riesigen Datenstrom (Terabytes) ausgerüstet. 188 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 189 5 Observatorien im Weltraum und am Boden 5.1 Astronomie mit Weltraumteleskopen Während des Kalten Krieges in den 1950er Jahren entwickelte sich die Raketen- und Satellitentechnik sehr schnell, gefördert aus üppigen Verteidigungshaushalten in Ost und West. Bald standen die neuen Möglichkeiten auch für nicht-militärische Anwendungen zur Verfügung. Die von zehn europäischen Ländern, darunter Deutschland, im Jahre 1975 gegründete Europäische Weltraum-Agentur ESA sollte mit einem eigenen Satellitenprogramm Wissenschaftlern die Erforschung des Weltalls ermöglichen. Zusätzlich wurden, vorangetrieben vor allem von Frankreich, eigene Trägerraketen entwickelt, um vom amerikanischen Raketenmonopol unabhängig zu werden. Das neue MPIA begann frühzeitig nach Teilhabe an den europäischen Vorhaben zu streben. Das Interesse richtete sich auf den infraroten Spektralbereich, in dem bereits auf dem Calar Alto und Anfang der 1970er Jahre mit dem Ballonteleskop THISBE gearbeitet wurde. Näheres zu den Anfängen der extraterrestrischen Forschung des Instituts im nationalen Rahmen findet sich im Kapitel 2.9. Ab Mitte der 1970er Jahre wurden von der ESA mehrere Vorschläge für Infrarot-Weltraumteleskope studiert: ein ~ 3 m-Teleskop auf dem Spacelab (LIRTS), ein noch größeres freifliegendes Teleskop für das ferne Infrarot (FIRST), und ein ~ 1 m-heliumgekühltes Satelliten-Observatorium (ISO). Die Studien dazu wurden gemeinsam von der ESA, der europäischen Industrie und Arbeitsgruppen von Wissenschaftlern aus den Mitgliedsländern durchgeführt. Sie wurden in jeweils mehrere Monate dauernden Phasen immer weiter vertieft (Assessment-, Pre-Phase A-, Phase A-Study usw.). Dietrich Lemke arbeitete für das MPIA über viele Jahre in mehreren dieser europäischen Studiengruppen mit. Im Ergebnis konnte für das Fern-Infrarot-Teleskop noch kein sicheres Verfahren zur Entfaltung eines großen Spiegels zu optischer Qualität garantiert werden. LIRTS wäre von der amerikanischen Raumfähre abhängig gewesen und hätte Missionszeiten von nur wenigen Wochen erlaubt. Von den drei oben erwähnten Infrarot-Teleskopen erwies sich nach einigen Studienjahren das kleine kalte „Infrared Space Observatory“ ISO als das aussichtsreichste. Deshalb sollte ISO im Wettbewerb gegen Projekte anderer Forschungsrichtungen zur Auswahl für eine Phase B-Studie antreten. Um erfolgreich zu sein, musste es innerhalb eines gegebenen Kostenrahmens technisch umsetzbar sein, wissenschaftli- 189 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 190 ches Neuland erforschen können und die breite Unterstützung der europäischen Wissenschaftler erhalten. 5.1.1 Infrared Space Observatory (ISO) ISO wurde im Februar 1983 neben drei anderen Mitbewerbern (ein Ultraviolett-Teleskop und zwei Planetensonden) im Kurhaussaal von Scheveningen in den Niederlanden den Auswahlgremien der ESA vorgestellt. ISO war in diesem Wettbewerb wahrscheinlich das risikoreichste Vorhaben. Viele bezweifelten, dass man eine so große Menge superflüssigen Heliums (geplant waren 2300 Liter) in der Schwerelosigkeit sicher handhaben kann. Superflüssiges Helium besitzt keine innere Reibung, eine winzige Undichtigkeit im Tank würde zum „Superleck“ werden. Zwar war im Tieftemperatur-Labor der Freien Universität Berlin ein „poröser Stopfen“ erprobt, durch den das im Tank entstehende Gas abgezogen werden konnte. Der thermomechanische Effekt sollte dabei verhindern, dass die Superflüssigkeit entweicht. Aber würde das auch nach dem rauen Raketenstart und dann für weitere ~ 2 Jahre im Weltraum, bei Vakuum und Schwerelosigkeit, sicher funktionieren? Schließlich standen Missionskosten von mehreren Hundert Millionen „European Accounting Units“ (ab 1999 „Euro“) auf dem Spiel. Am Tage der Entscheidungsfindung halfen zwei Zufälle weiter. Das Ultraviolett-Teleskop-Team konnte kritische Fragen aus dem Wissenschaftlerpublikum nicht schlüssig beantworten. Und zur Stunde der Entscheidung gelangten auf verschlungenen Wegen die allerersten wunderbaren Daten des gerade gestarteten IRAS-Satelliten, der ebenfalls heliumgekühlt war, aus den USA in das Kurhaus in Scheveningen. Diese beiden „Glücksfälle“ gaben vermutlich den Ausschlag im Kopf-an-Kopf-Rennen der Bewerber: ISO wurde als nächster Wissenschaftssatellit der ESA ausgewählt. Nach einer vertieften Studienphase B (dabei schrumpfte das Teleskop von 1 m auf 0.65 m) lud die ESA im Juli 1984 die europäischen Wissenschafter zu Experimentvorschlägen für das neue Observatorium ein. Das MPIA beteiligte sich an diesem Wettbewerb und wurde zum verantwortlichen Institut für eines der vier vorgesehenen Instrumente auf ISO gewählt, mit Dietrich Lemke als „Principal Investigator“ (PI). Das Heidelberger Photometerinstrument, mit Fern-Infrarot-Kamera und Nah-Infrarot-Spektrometer, erhielt den Namen ISOPHOT, ein Vorschlag des dänischen Co-Investigators (Co-I) Herb Schnopper. Insgesamt beteiligten sich Wissenschaftler aus sechs weiteren Ländern (Großbritannien, Dänemark, Finnland, Irland, USA und erstmals Spanien) an der Instrumentenentwicklung. Dazu gehörten auch wichtige Beiträge aus den Max-Planck-Instituten für Radio- 190 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 191 Abb. 5.1-1: Schnittbild des europäischen ISO-Satelliten. Das Teleskop ist umgeben von einem Tank mit 2300 l superflüssigen Heliums. Eines der vier Instrumente hinter dem goldbelegten 60 cm-Hauptspiegel ist ISOPHOT, das am MPIA entwickelt wurde. Der Start erfolgte im Jahre 1995 mit einer ARIANE 44P-Rakete (ESA). astronomie in Bonn und für Kernphysik in Heidelberg. Die grundsätzlichen technischen Konzepte und die Prototypen der Instrumente wurden am MPIA entwickelt, die Fluggeräte danach bei Dornier, Zeiss und Battelle gebaut. Die Erprobungen, Kalibrierungen und die Schaffung der umfangreichen Programme für die Beobachtungen lagen dann wieder beim ISOPHOT-Konsortium. Nach 12-jähriger angespannter Entwicklung (im MPIA war damals neben einigen Postdocs nur ein Wissenschaftler mit unbefristetem Arbeitsvertrag vollzeitig verfügbar) konnte der ISO-Satellit (Abb. 5.1-1) im November 1995 mit einer ARIANE 4-Rakete gestartet werden. Er wurde in eine hochexzentrische 191 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 192 12-Stunden-Umlaufbahn gebracht, die täglich eine 16-stündige Beobachtungszeit erlaubte. Im Bodenobservatorium der ESA in Villafranca nahe Madrid arbeitete eine internationale Gruppe aus den beteiligten Instituten an der wissenschaftlichen Nutzung des ISOPHOT-Instruments. Ihre Leitung hatte Ulrich Klaas aus dem MPIA. Erstmals konnten Beobachtungen bei Wellenlängen jenseits der von IRAS erreichten 100 μmGrenze ausgeführt werden. Das ermöglichte das Studium noch kälterer Himmelsquellen. So konnte die „Wärmestrahlung“ von Quellen mit einer Temperatur von – 260° C erfasst werden. Im ISOPHOT- und im ISO-LWS-Instrument wurden dafür erstmalig im Weltraum „gedrückte“ Germanium:Gallium-Detektoren (Ge:Ga) bei einer Temperatur von nur 1.8° über dem absoluten Nullpunkt bei – 273 °C eingesetzt. Durch das Drücken der etwa einen Kubikmillimeter kleinen Halbleiterkristalle mit einer Schraube bis an deren Bruchgrenze werden die Bindungen der Störstellen (Gallium im Germaniumkristall) gelockert und Photonen niedrigerer Energie können Ladungsträger freisetzen. Damit wird ein solcher Detektor für Strahlung bis zu 240 μm Wellenlänge empfindlich, statt nur bis 100 μm bei ungedrückten Ge:Ga-Kristallen. Die ISO-Mission dauerte 29 Monate, dann war das flüssige Helium an Bord verdampft. Zu dieser erfreulichen Verlängerung (garantiert waren nur 18 Monate) trug wieder ein Zufall bei. Unmittelbar vor dem Start im November 1995 gab es ein „Halt“, denn in einer gerade geprüften Rakete beim Hersteller in Europa wurde ein kleines technisches Problem gefunden. Daraufhin sollte die startfertige Rakete in Kourou sicherheitshalber überprüft werden. Enttäuscht reisten die „VIPs“ des Top-Managements von ESA und Industrie vom Startplatz ab, aber die Techniker nutzten die Zeit zum weiteren Auffüllen des Heliumtanks. Das geschah im zeitaufwendigen „Pilgerschritt-Verfahren“ zur Erreichung der Superflüssigkeit des Heliums: Füllen, Pumpen, Füllen, Pumpen, … So startete ISO mit einer Woche Verzögerung, aber dafür mit einem zu 99 % gefüllten Tank (statt der vorgesehenen ~ 90 %), was alleine schon eine drei Monate längere Beobachtungszeit bedeutete. An die Mission schlossen sich dann mehrjährige Archivphasen an, in denen weiter beobachtet wurde, nun aber „virtuell“ im riesigen Datenarchiv. Von den ersten Studien bis zum Abschlussbericht erforderte das Projekt einen fast 20-jährigen Einsatz, darunter etwa acht personalintensive Jahre. Dabei wurde die Forschungs-Arbeit im MPIA über die gesamte Laufzeit mit Mitteln des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gefördert. Der ISO-Satellit, der nach dem Ende des flüssigen Heliums im April 1998 während des anschließenden langsamen Aufwärmens noch für einige Wochen im nahen Infraroten messen konnte, wird die Erde auf einer hohen Umlaufbahn noch für fast 1000 Jahre umkreisen und schließlich in unserer Atmosphäre verglühen. 192 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 193 5.1.2 ISO-Beobachtungen und -Zufallsdurchmusterung Insgesamt brachte die ISO-Mission Ergebnisse für über 1400 wissenschaftliche Veröffentlichungen in referierten Zeitschriften und zusätzlich für eine ähnlich große Zahl von Konferenzbeiträgen hervor. Ein Viertel davon geht auf das vom MPIA geführte Instrument zurück. Als besonders ergiebig haben sich dabei die instrumentellen Neuerungen im ISOPHOT-Instrument erwiesen, die erste Messungen im 200 μm-Bereich und Spektrophotometrie im nahen und mittleren Infrarot ermöglichten. Wenige Beispiele sollen davon einen Eindruck geben: – Fast fünfzig ultraleuchtkräftige Galaxien mit dem Tausendmilliardenfachen der Sonnenleuchtkraft wurden studiert. Aus der erstmaligen Erfassung des fernen Infraroten wurden deutlich größere Staubmassen in diesen Objekten ermittelt als bisher bekannt. Der vermutete Zusammenhang „Wechselwirkung mit Nachbargalaxie erhöhte Sternentstehungsrate Ultraleuchtkraft“ konnte für viele Objekte bestätigt werden. – Eine große Zahl von Quasaren wurde erstmals im fernen Infraroten gemessen. Damit konnte das „Vereinheitlichte Modell“ für Quasare und Radiogalaxien mit aktiven Kernen bestätigt werden. Wegen des vom Kern geheizten Staubringes um das Zentrum hängt das Verhältnis von Radio- zu Infrarot-Strahlung vom Blickwinkel auf das Objekt ab. – Nahe Galaxien konnten erstmals im fernen Infraroten kartographiert werden. Dabei wurden neue innere Strukturen aufgedeckt, wie der „Sternentstehungsring“ im Andromedanebel (Abb. 5.1-2) oder ein entsprechender Balken in der Kleinen Magellanschen Wolke. – Die Emissionslinien der polyzyklisch-aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAHs) konnten überall in der Milchstraßenebene und in allen beobachteten Spiralgalaxien nachgewiesen werden. Offenbar sind diese „Rußpartikel“ sehr stabil und deshalb überall im Kosmos vorhanden. Die erstmals im Weltraum eingesetzten gedrückten Ge:Ga-Sensoren wurden zusätzlich zu einem Beobachtungsverfahren eingesetzt, das bisher ohne Beispiel war. Bei den üblicherweise nicht nutzbaren Schwenks des Teleskops von einem Untersuchungs-Objekt zum nächsten am Himmel konnte eine großräumige Zufallsdurchmusterung in dem neu erschlossenen Spektralbereich durchgeführt werden. Der britisch-amerikanische CoInvestigator Bob Joseph schlug dafür den Namen „Serendipity Survey“ (ISOSS) vor (Abb. 5.1-3). ISOSS erbrachte zusätzliche 500 Stunden Beobachtungszeit, in denen eine 193 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 194 Abb. 5.1-2a u. b: Der Andromeda-Nebel ist die uns nächste Spiralgalaxie (~ 2.5 Millionen Lichtjahre) mit einem ähnlichen Aufbau wie die Milchstraße. Links ein optisches Bild, aufgenommen mit dem Schmidt-Teleskop am Calar Alto. Rechts eine Aufnahme im fernen Infrarot mit ISOPHOT. Deutlich treten Ringe hervor, in denen sehr junge Sterne den umgebenden Staub auf Temperaturen von – 250°C „erwärmen“ (Martin Haas). unvollständige Karte des Himmels bei einer Wellenlänge von 170 μm gewonnen wurde. Manfred Stickel vom MPIA konnte damit für hunderte Galaxien erstmals statistische Daten zu Leuchtkraft, Staubgehalt, Gas/Staub-Verhältnis und anderen Zustandsgrößen liefern. Die ISOPHOT-Zufallsdurchmusterung ist auch ein schönes Beispiel dafür, wie die geplante Bearbeitung einer wissenschaftlichen Frage ganz unerwartet neue Forschungsgebiete eröffnen kann. Im Jahre 2003 glaubten britische Astronomen durch Beobachtungen des Supernova-Überrestes Cassiopeia A (Cas A) nachgewiesen zu haben, dass dort in der Folge der Explosion viel interstellarer Staub entstanden sei. Das konnte die Lösung für das Rätsel sein: Warum ist bereits im frühen Universum so viel Staub vorhanden? Er sollte von den Supernovae der ersten Generation massereicher Sterne stammen. Nun war mit der ISOPHOT-Zufallsdurchmusterung die Region Cas A gut überdeckt worden und eine große Staubwolke vor der Quelle deutlich auszumachen. Vermutlich waren die von den britischen Forschern angegebenen Staubraten in Cas A durch diesen Vordergrund-Staub verfälscht. Es begann eine gründliche Untersuchung der Quelle. 194 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 195 Abb. 5.1-3: Himmelskarte der Zufallsdurchsuchung mit dem ISO-Satelliten. Der waagerechte hellere Streifen ist die Milchstraßenebene mit viel warmem Staub. Während der Schwenks von einem Objekt zum nächsten wurde mit der Ferninfrarot-Kamera in ISOPHOT der Himmel durchmustert (weiße Streifen). So konnten 17% des Himmels erstmals bei einer Wellenlänge von 170 μm kartiert werden (Manfred Stickel). Oliver Krause, der sich nach seiner Doktorarbeit in der Infrarot-WeltraumastronomieGruppe am MPIA für zwei Jahre als Postdoc am Steward-Observatorium der Universität von Arizona aufhielt, hatte Zugang zum damals aktiven Infrarot-Satelliten Spitzer. Stephan Birkmann, Doktorand in der gleichen Heidelberger Gruppe, beobachtete vom Calar Alto aus im Optischen und Infraroten und von Hawaii aus im Submillimeterbereich. Die behaupteten Staubwerte für Cas A konnten durch diese Untersuchungen tatsächlich deutlich nach unten berichtigt werden (siehe dazu neueste Ergebnisse in Abb. 5.1-9). Während dieser Untersuchungen wurden die Heidelberger Forscher auf eine Merkwürdigkeit aufmerksam. Auf ihren zu verschiedenen Zeiten gemachten Aufnahmen schienen sich filamentartige Strukturen der Explosionswolke zu bewegen, und das anscheinend 195 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 196 44:00 a 2 Okt 2006 b 23 Jan 2007 c 20 Aug 2007 d 7 Jan 2008 30 Deklination A2000 43:00 30 42:00 30 41:00 30 59:40:00 30 45 23:15:40 35 23:15:30 45 23:15:40 35 23:15:30 45 23:15:40 35 23:15:30 Rektaszension > 2000 45 23:15:40 35 23:15:30 Abb. 5.1-4: Infrarot-Aufnahme eines staubreichen Gebietes nahe dem Supernovae-Überrest Cas A. Deutlich ist die zeitliche Veränderung zu sehen, ein besonders helles Lichtecho erscheint am 20. August 2007 (Quadrat). Aufnahme mit dem Spitzer-Satelliten (Oliver Krause). mit rekordverdächtiger halber Lichtgeschwindigkeit ! So schnell kann sich Materie aber nicht bewegen. Die Erklärung dieser überraschenden Entdeckung sind Lichtechos (Abb. 5.1-4). Der vom ursprünglichen Stern übriggebliebene Neutronenstern im Zentrum der Explosionswolke zeigt immer noch kleine Ausbrüche von Gammastrahlung. Diese breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit aus und trifft dabei auf zufällig verteilte Staub- und Gasfilamente der Explosionswolke, die erwärmt werden und im Infraroten aufleuchten. So entsteht eine Spur von aufglimmenden und wieder verlöschenden Staubfilamenten, die eine echte Bewegung der Filamente nur vortäuschen. Es gelang sogar entfernte Filamente zu finden, die von der vor über 300 Jahren stattgefundenen Supernovaexplosion beleuchtet werden. Oliver Krause begann nun diese Filamente spektroskopisch zu untersuchen, um im „Originallicht“ der Explosion den Typ der Supernova zu bestimmen. Das gelang im Jahre 2008 mit dem 8 m-Subaru-Teleskop auf Hawaii. Danach ist Cas A vom seltenen Typ IIb einer Supernova, die das Ende eines massereichen Sterns bedeutet. Dabei werden die äußeren Hüllen des Sterns mit einer Geschwindigkeit von ~ 10 000 km pro Sekunde abgesprengt, im Zentrum bleibt ein winziger dichter Neutronenstern übrig. Beflügelt von diesem Erfolg, wurde auch der Überrest von Tychos Supernova vom Jahre 1572 vom Calar Alto und von Hawaii aus untersucht (Abb.5.1-5). Hier zeigten die Spek- 196 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 197 Abb. 5.1-5: Tychos Supernova konnte als Typ Ia erkannt werden. Das Bild ist zusammengefügt aus Aufnahmen im Infraroten mit dem 3.5 m-Teleskop auf dem Calar Alto und mit dem Spitzer-Satelliten, sowie Röntgenaufnahmen mit dem Chandra-Satelliten. Der blaue Rand ist die Stoßwelle der Explosionswolke ins interstellare Medium (Oliver Krause). 197 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 198 tren den Typ Ia der ursprünglichen Supernova an. Sie zündete in einem Doppelsternsystem, bei dem Materie von einem Partner zum anderen, einem weißen Zwergstern, überströmt. Da sich dadurch in Letzterem der Druck im Kern ständig erhöht, führte das zu einer thermonuklearen Explosion. Diese interessanten Untersuchungen haben es jetzt ermöglicht, Jahrhunderte nach dem Tod eines Sterns die Physik der Geburt einer Supernova besser zu verstehen. Ungeahnt angestoßen durch ISOPHOT-Zufallsbeobachtungen vor zehn Jahren, ist so ein neues Forschungsgebiet entstanden. 5.1.3 Herschel Parallel zur Entwicklung des ISO-Satelliten führte die ESA die Studien zum Bau des nächsten größeren Infrarot-Weltraum-Observatoriums fort. Aus ihnen ging 1985 ein freifliegender Satellit FIRST (Far Infrared and Submillimeter Telescope) mit einem ~ 5 m-Spiegel als aussichtsreichste Mission hervor. In vertieften Untersuchungen wurde dieses Teleskop zu einem bezahlbaren 3.5 m-Spiegel verbilligt, und FIRST erhielt den Namen Herschel (nach dem deutsch-britischen Musiker, Astronomen und Entdecker der Infrarotstrahlung Wilhelm Herschel). Für den Satelliten wurden drei wissenschaftliche Instrumente ausgewählt, eines davon ist PACS, eine Fern-Infrarot-Kamera mit Spektrometer. Das MPI für extraterrestrische Physik in Garching erhielt die Verantwortung für dieses Gerät, mit Albrecht Poglitsch als Principal Investigator (PI). Das MPIA Heidelberg beteiligte sich seit Beginn an der Entwicklung von PACS: mit (1) der Charakterisierung der Ge:Ga-Kameras für das Spektrometer, (2) dem Bau eines Choppers (Schwingspiegel zur Vermeidung der Wärmestrahlung des Teleskopes und zur Einspiegelung der Eichquellen), und (3) größeren Anteilen am Bodenobservatorium, vor allem der Kalibrierung. Ulrich Klaas und Dietrich Lemke aus Heidelberg wurden Co-Investigatoren (Co-Is) mit zusammen 14 % Anteil an PACS. Nach dem Wechsel des Co-I Thomas Henning von der Universität Jena nach Heidelberg kam der Jenaer Anteil dazu, so dass das MPIA ab dem Jahr 2002 mit 15 % an PACS beteiligt ist. Diese Prozentzahlen spiegeln nicht nur die geleistete Arbeit der Institute wieder, sondern auch den Anspruch auf „Garantierte Beobachtungszeit“, die die Co-Is von der ESA als „Entlohnung“ erhalten. Herschel wurde im Mai 2009 mit einer ARIANE-5-Rakete gestartet (Abb. 5.1-6). Es ist mit seinem monolithischen 3.5 m-Spiegel aus leichtem, steifem Siliziumkarbid (SiC) das bisher größte astronomische Teleskop im Weltraum (Abb. 5.1-7). Herschel bewegt sich auf einer Halobahn um den masselosen Lagrange-Punkt 2 (L2). Dieser liegt 1.5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt in der sonnenabgewandten Richtung. Dort unterliegt 198 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 199 Abb. 5.1-6: Start der europäischen ARIANE 5-Rakete im Mai 2009 mit den Herschel- und Planck-Satelliten an Bord (ESA). der Satellit der gemeinsamen Anziehungskraft von Erde und Sonne und läuft deshalb im Gleichschritt mit der Erde ein Mal im Jahr um die Sonne. Da von Herschel aus gesehen Sonne und Erde stets in gleicher Richtung stehen, kann deren Wärmestrahlung einfach und gleichzeitig abgeschirmt werden. Dabei kühlt sich das Teleskop durch Abstrahlung in den kalten Weltraum passiv auf – 190° C ab, notwendig zur Verringerung seiner eigenen Infrarot-(Wärme)-Strahlung. Die ersten Monate der Beobachtungen mit Herschel, über die hier noch berichtet werden kann, verliefen sehr erfolgreich. Das große Teleskop lieferte scharfe Bilder von Nebeln und Galaxien, die mit bisherigen Infrarot-Observatorien nur verschwommen zu sehen waren (Abb. 5.1-8). Damit können beispielsweise einzelne Sternentstehungsgebiete in den Spiralarmen unterschieden und die gewonnenen Daten mit den entsprechenden Messdaten aus anderen Spektralbereichen verknüpft werden. Das kann genauere Vorstel- 199 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 200 Abb. 5.1-7: Der europäische Herschel-Satellit besitzt einen 3.5 m-Hauptspiegel, der sich durch Abstrahlung in den Weltraum auf – 190 °C abkühlt (ESA). 200 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 201 Spitzer/MIPS NASA/JPL-Caltech / SINGS Herschel/PACS ESA & The PACS Consortium Spiral Galaxy M51 (“Whirlpool Galaxy”) in the Far Infrared (160μm) Abb. 5.1-8: Eines der ersten von Herschel mit der PACS-Kamera im fernen Infraroten aufgenommenen Bilder zeigt die Galaxie M51 (rechts). Während die Sternentstehungsgebiete in den Spiralarmen deutlich zu erkennen sind, zeigt das entsprechende Spitzer-Bild (links) kaum Einzelheiten. Die Größe des Teleskopes (3.5 gegen 0.85 Meter) bewirkt diesen Fortschritt (PACS Konsortium). lungen zum Verlauf der Sternentstehung auf der Skala einer großen Spiralgalaxie liefern. In einem weiteren Garantiezeit-Programm sollen die mit der ISO-Zufallsdurchmusterung entdeckten sehr kalten, aber räumlich nicht aufgelösten Sternentstehungs-Gebiete detailliert untersucht werden. Zu den ersten Ergebnissen gehörte auch die erneute Kartierung des Supernova-Überrestes Cas A, der im Kapitel der ISO-Beobachtungen (5.1.2) besprochen worden war. Die hohe räumliche Auflösung von Herschel erlaubte die ganz klare Trennung des Staubes im Supernova-Überrest vom Staub in der Umgebung der Quelle. Damit kann die Behauptung von der intensiven Staubbildung in den Supernovae als endgültig wiederlegt gelten (Abb. 5.1-9), und die Frage nach der Herkunft des reichlichen Staubes im frühen Universum bleibt weiter offen. 201 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 202 ,ICHTJAHRE "OGENMINUTEN Abb. 5.1-9: Der Supernova-Überrest Cassiopeia A (Cas A) beobachtet mit Herschel-PACS im fernen Infraroten (Falschfarben-Darstellung). Warmer Staub (weiß-blau) in dieser Quelle ist klar getrennt vom kalten interstellaren Staub (rot) in der Umgebung. In Cas A konnten nur 0.07 Sonnenmassen Staub nachgewiesen werden, deutlich weniger als bisher vermutet (Oliver Krause). 5.1.4 James Webb Space Telescope (JWST) Bereits Mitte der 1990er Jahre, kurz nach dem Start des inzwischen weltberühmten Hubble-Weltraum-Teleskops, entschloss sich die NASA zum Bau eines Nachfolgers. Für die Entwicklung dieses „Next Generation Space Telescope“ (NGST) wurden mindestens zehn Jahre veranschlagt. Die Europäer wurden zur Beteiligung eingeladen, und die ESA begann die Koordinierung der hiesigen Arbeiten. Diese umfassen inzwischen die Entwicklung der Hälfte der wissenschaftlichen Instrumente, den Start des Observatoriums mit einer ARIANE-5-Rakete und die Mitarbeit europäischer Wissenschaftler im Bodenobservatorium beim Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore, USA. Seit dem Jahre 2001 beteiligt sich das MPIA an diesem großen internationalen Vorhaben, das inzwischen nach dem früheren NASA-Administrator James Webb benannt wurde, auf vielfältige Weise (Abb. 5.1-10). Für das Mid-Infrared-Instrument (MIRI), das zur 202 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 203 Abb. 5.1-10: Das James Webb Space Telescope besitzt einen 6.5 m-Hauptspiegel. Es umkreist den Lagrange-Punkt L2 in 1.5 Millionen km Abstand von der Erde. Sonne, Erde und Erdmond (unten links) erscheinen vom JWST aus gesehen stets in gleicher Richtung, so dass ihre Wärmestrahlung wirksam mit dem vielschichtigen Strahlungsschild abgeschirmt werden kann (NASA). Hälfte aus Europa kommt, wurden Thomas Henning und Dietrich Lemke Co-Principal Investigatoren (Co-PIs). Der Heidelberger Beitrag besteht aus der Entwicklung und Lieferung der Filter- und Gitterräder für MIRI. Auf diesen Rädern werden optische Elemente wie Prismen, Filter, Koronographen-Masken, Spektralgitter und Strahlteiler angeordnet, die je nach Beobachtungsprogramm exakt in den Strahlengang gedreht werden müssen. Auch hier gelten die Anforderungen des Betriebes bei tiefsten Temperaturen (– 270° C), im Hochvakuum, Beschränkung auf geringste Antriebsleistung (auf der Milliwatt-Skala) und Robustheit gegen die starken Vibrationskräfte des Raketenstarts. Das MPIA entwickelte für diese „Kryomechanismen“ Prototypen in Anlehnung an das beim 203 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 204 Abb. 5.1-11: Filterrad für das MIRI-Instrument im James Webb Weltraumteleskop. Bei diesem vom MPIA für den Einsatz im Kryovakuum entwickelten Sperrklinken-Mechanismus treibt ein zentraler Torque-Motor das Rad an, während die exakte Positionierung stromlos von der Sperrklinke (oben, zwischen zwei Kugellagern am Rand des Rades) übernommen wird. Die Flugmodelle der Filterund Gitter-Räder wurden von Carl Zeiss, Oberkochen gefertigt (Zeiss). ISOPHOT-Instrument erfolgreiche Sperrklinkenkonzept (Abb. 5.1-11). Mit dem Bau der qualifizierten Flugkomponenten wurde die Firma Zeiss beauftragt (Abb. 5.1-12). Gefördert wird dieses Vorhaben vom Deutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR), Bonn. Auch zum NIRSPEC-Instrument, einem leistungsfähigen Spektrometer für das nahe Infrarot, trägt das MPIA zu den Filter- und Gitterrädern bei, geleitet von Oliver Krause. Dieses europäische Instrument wurde von der ESA zur Entwicklung direkt an die Industrie vergeben. Dieses Mal ist das MPIA formal ein (bezahlter) Unterauftragnehmer der Firma Zeiss. Beraten wird die ESA bei der NIRSPEC-Entwicklung von einem internationalen 204 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 205 Abb. 5.1-12: Werksbesichtigung bei Zeiss Oberkochen anlässlich der Unterzeichnung der Verträge für den Bau der MIRI- und NIRSPEC-Instrumente für das James Webb Space Telescope im November 2005. Von links nach rechts: MIRI-Manager Ralph Hofferbert (MPIA), die CoPIs Dietrich Lemke und Thomas Henning, die Zeiss-Abteilungsleiter Georg Luichtel und Hans-Jürgen Wiemer (Lemke). Wissenschaftler-Kommitee, dem Hans-Walter Rix als „Instrument Scientist“ angehört. Auch hier wird es eine Entlohnung mit Garantiezeit geben. Damit hat das MPIA den höchsten Anteil aller deutschen Institute an der Entwicklung des künftigen „Flaggschiffs“ der Weltraum-Astronomie erreicht. Die technischen Beiträge sind eine Fortentwicklung der Kryomechanismen, begonnen bei THISBE und GIRL und vervollkommnet für ISO und Herschel. Die wissenschaftliche Nutzung des JWST wird sich vor allem auf Stern- und Planetenentstehung einerseits und Galaxien und Quasare andererseits erstrecken, alles wichtige Forschungsfelder des MPIA. 205 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 206 5.1.5 GAIA und andere Durchmusterungssatelliten Mit dem GAIA-Satelliten bereitet die ESA die größte Astrometrie-Mission weltweit vor. GAIA wird die Orte, Entfernungen, Bewegungen, Temperaturen, Farben und Leuchtkräfte von über einer Milliarde Sternen in unserer Milchstraße vermessen. Dabei wird ein räumliches Bild unserer Heimatgalaxie entstehen, aus dem wir die Lage des Sonnensystems, der benachbarten Spiralarme und Dunkelwolken in der Milchstraße erkennen können. Daraus werden sich Erkenntnisse über die Entstehungsgeschichte der Milchstraße und ihre Zukunft ableiten lassen. GAIA besteht aus zwei Teleskopen und großen CCD-Kameras, die industriell entwickelt werden (Abb. 5.1-13). Die wissenschaftliche Vorbereitungsarbeit begann lange vor der Abb. 5.1-13: Der europäische GAIA - Satellit wird unsere Milchstraße durchmustern und dabei mehr als eine Milliarde Sterne untersuchen (ESA). 206 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 207 eigentlichen Mission, mit Simulationen und der Programmentwicklung für die vielfältigen wissenschaftlichen Fragestellungen. Seit dem Jahre 2000 beteiligt sich das MPIA an der Entwicklung der Datenanalyse für GAIA, mit der schließlich der einzigartige GAIAKatalog erzeugt werden wird. Coryn Bailer-Jones leitet hier die Koordinierungs-Einheit „Astrophysikalische Parameter“, zu der neben vier Wissenschaftlern am MPIA weitere 17 Institute in 8 Ländern beitragen. Da der gesamte Himmel siebzigmal während der Mission abgebildet wird, enthält er einen „Film“ über die Bewegungen aller gemessenen Sterne der Milchstraße, über ihre Entfernungen und ihre chemische Zusammensetzung. GAIA wird voraussichtlich 2012 mit einer Soyuz-Fregat-Rakete zum Lagrange-Punkt L2 gestartet. Das MPIA wird an der wissenschaftlichen Ausbeute des Datenstroms während des fünfjährigen Fluges, insbesondere der Objektklassifizierung und der Wirkung interstellarer Staubwolken auf das Sternlicht mitwirken. Die anschließenden Archiv-Beobachtungen werden bis zum Jahre 2020 andauern. Mit GAIA wird ein frühes Vorhaben des MPIA seine Vollendung erfahren, nämlich die Erkundung der Lage von interstellaren Wolken und Spiralarmen in der Sonnenumgebung. Thorsten Neckel und Mitarbeiter hatten dafür in den 1970er Jahren vom Gamsberg aus Tausende junger Sterne, die sich bevorzugt in den Spiralarmen befinden, beobachtet. Aus ihrer „Rötung“ durch interstellaren Staub konnte auf die Lage dieser Staubwolken geschlossen werden. So konnten sie ein Teilbild der Milchstraße bis zu einer Entfernung von einigen Tausend Lichtjahren liefern. Ihre damalige Veröffentlichung (Neckel und Klare, 1980) wurde im Jubiläumsheft zum 40-jährigen Bestehen der Zeitschrift „Astronomy and Astrophysics“ im Jahre 2009 als eine der meistzitierten ausgewählt. Mit GAIA soll bald ein dreidimensionales Bild der Milchstraße über einen hundertfach größeren Raumbereich erkundet werden. Das MPIA hat außerdem in mehreren ESA-Studien für kleinere Satelliten zur Himmelsdurchmusterung im nahen Infrarot mitgewirkt (PRIME, EUCLID). Zu den Zielen dieser Missionen gehörte die Untersuchung der Struktur des dunklen Universums, mit der Absicht, die Natur der Dunklen Materie und Energie besser zu verstehen. Hans-Walter Rix und Rainer Lenzen haben in den Jahren 2004 bis 2008 zum wissenschaftlichen Konzept und der instrumentellen Auslegung der vorgeschlagenen Satelliten beigetragen. Ein weiterer Vorschlag unter Beteiligung von Thomas Henning zielt auf ein mittelgroßes Weltraum-Teleskop THESIS (jetzt ECHO) für die Transit-Spektroskopie von extraterrestrischen Planeten. Diese Studien und Vorschläge sind noch in einer frühen Phase vor einer möglichen Auswahl als „nächster wissenschaftlicher Satellit“ der ESA. Von den langen Vorbereitungs- und Laufzeiten solcher anspruchsvollen Vorhaben war am Anfang des Kapitels 5 schon die Rede. 207 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 208 5.2 Beteiligung an internationalen Observatorien am Boden Als das MPIA Mitte 1985 die Calar-Alto-Sternwarte mit dem 3.5 m-Fernrohr vollendet hatte, begann bei der Europäischen Südsternwarte ESO die Planung von 8 m-Teleskopen. Vier dieser Giganten sollten zum größten Teleskop der Erde, dem Very Large Telescope (VLT) vereinigt werden, mit einer Sammelfläche entsprechend der eines 16 m-Teleskops. Während die ESO für den Bau der Teleskope und den Observatoriumsbetrieb zuständig sein würde, sollten die wissenschaftlichen Fokalebenen-Instrumente üblicherweise in Instituten der Mitgliedsländer entwickelt werden. Die Calar-Alto-Sternwarte und die Europäische Südsternwarte waren nach unterschiedlichen Denkmodellen entstanden: einerseits eine nationale Sternwarte in Südeuropa, andererseits eine international finanzierte und betriebene Großforschung-Einrichtung im hervorragenden Klima der chilenischen Anden. Was war die vorteilhaftere Lösung für die deutsche Astronomie? Oder waren beide notwendig? Welche Erfordernisse gab es für die Zukunft? Diese Frage wurde Mitte der 1980er Jahre unter den Astronomen lebhaft diskutiert, sollte doch für eine neue „Denkschrift Astronomie“ eine Empfehlung ausgesprochen werden. Eine starke Gruppe von Vertretern der Universitätssternwarten (München, Tübingen, Göttingen, Bochum, Kiel, Hamburg und LSW Heidelberg) plante seit 1984 ein nationales optisches Teleskop. Dieses „Deutsche Großteleskop“ (DGT) sollte einen minimal segmentierten Zehn- bis Zwölf-Meter-Spiegel erhalten und an einer vorhandenen Sternwarte in ausgezeichnetem Klima aufgestellt werden. Die Befürworter dieses Vorhabens sahen eine sinnvolle Nutzung der mit viel deutschem Geld geförderten internationalen Observatorien am Boden (ESO) und im Weltraum (ESA) nur dann, wenn auch national lebendige und erstklassige Forschung betrieben werden könne. Darüber hinaus würde die Entwicklung des DGT der deutschen Industrie einen TechnologieVorsprung für künftige internationale Vorhaben verschaffen. Das Projekt DGT wurde bei den für die Finanzierung in Frage kommenden Stellen in Bund und Ländern wohlwollend aufgenommen. Aber es gab auch gewichtige Gegenstimmen. Hans Elsässer sah für eine so kostspielig zu unterhaltende Einrichtung keinen geeigneten Träger, schon gar nicht die Bundesländer. Mit der Calar-Alto-Sternwarte sei „die lichtsammelnde Teleskopfläche der Bundesrepublik auf das Sechsfache des vorherigen gesteigert worden.“ An den Teleskopen wurde tatsächlich fast die Hälfte der verfügbaren Zeit an die Universitäts-Institute vergeben. Diese hätten zur modernen Instrumentierung beitragen sollen, was sie damals kaum taten. „Den Traum von einer neuen Großforschungs-Einrichtung ... halte ich für ganz abwegig“, 208 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 209 Abb. 5.2-1: Das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in den chilenischen Anden. Im MPIA wurden mehrere Instrumente für die vier 8 m-Teleskope gebaut (ESO). so Elsässer. Dagegen empfahl Heinrich Völk vom MPI für Kernphysik und späterer Herausgeber der Denkschrift in der Diskussion, „ausschließlich international konkurrenzfähige Forschungsgeräte zu betreiben“. Vorbilder seien die erfolgreichen Großgeräte der Hochenergie-Physik, wie CERN, DESY, GSI. An deren wissenschaftlicher Nutzung könnten kleinere Institute durch Bau von Zusatzinstrumenten, Datenauswertung und theoretische Studien teilnehmen. Die Denkschrift von 1987 empfahl deshalb neben der deutschen Beteiligung am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte den Bau des Deutschen Großtelskops, mit der Möglichkeit der Beteiligung internationaler Partner. Kurz darauf erfolgte, damals für niemanden vorhersehbar, die deutsche Wieder- 209 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 210 vereinigung mit einem gewaltigen Finanzbedarf zur Schaffung gleicher Lebensverhältnisse in Ost und West. Das war das „Aus“ für das DGT. An den internationalen Verpflichtungen für die Europäische Südsternwarte wurde dagegen kein Abstrich gemacht: das VLT wurde gebaut, es wird laufend modernisiert und bietet seither auch für deutsche Astronomen erstklassige Beobachtungsmöglichkeiten (Abb. 5.2-1). Darüber hinaus wurde durch die Beteiligung mehrerer deutscher Institute am Large Binocular Telescope weiterer garantierter Zugang zu einem Großteleskop erreicht. 5.2.1 Das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte Im Jahre 1990 erfolgte eine Ausschreibung für die Instrumente der ersten Generation am VLT: hochauflösende Kameras und Spektrometer für das Sichtbare und den Bereich des nahen Infraroten. Hans Elsässer, der sich gerade gegen ein nationales Großteleskop ausgesprochen hatte, konnte jetzt zeigen, dass seine Planungen über den Calar Alto hinausreichten. Er ermunterte Rainer Lenzen, einen Vorschlag des MPIA für das seiner Meinung nach zukunftsträchtige Instrument für das nahe Infrarot auszuarbeiten. Neben Lenzens Vorschlag für „CONICA“ (Coudé Near Infrared Camera) ging auch ein Vorschlag eines französischen Konsortiums für ein solches Instrument bei der ESO ein. Die ESO entschied sich schließlich für den Heidelberger Entwurf, vermutlich weil er mit Linsensystemen weniger komplex aufgebaut war als der umfängliche Spiegeloptiken enthaltende der Mitbewerber. Rainer Lenzen wurde Principal Investigator (PI) und erhielt von der ESO 1.6 Millionen DM für die „Hardware“-Kosten. Der mehrjährige Personaleinsatz am MPIA zur Entwicklung des Gerätes sollte mit 45 Nächten garantierter Beobachtungszeit am 8 m-Teleskop anerkannt werden. Der Bau des Instruments dauerte über ein Jahrzehnt, da zahlreiche Schwierigkeiten zu überwinden waren. Die von den CONICA-Co-Investigatoren am MPI für extraterrestrische Physik begonnene Entwicklung der Infrarotkamera und Auslese-Elektronik wollte die ESO aus Gründen der Standardisierung schließlich nicht mehr fortführen lassen und statt dessen selbst übernehmen. Das für den Coudé-Fokus mit adaptiver Optik (zur Korrektur des atmosphärischen „Seeings“) ausgelegte Instrument sollte plötzlich in den Nasmyth-Fokus des VLT. Dafür musste aber eine neue adaptive Optik entwickelt werden, die dann von einem französischen Instituts-Konsortium (für ~ 8 Millionen DM) angeboten wurde: NAOS (Nasmyth Adaptive Optics System). In einer einjährigen gemeinsamen Integrations- und Testphase in Meudon bei Paris wurden schließlich CONICA und NAOS zu „NACO“ vereint (Abb. 5.2-2). 210 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 211 Abb. 5.2-2: Heidelberger Wissenschaftler bei der Inbetriebnahme der Infrarotkamera CONICA an einem der 8 m-Teleskope (YEPUN) des VLT (MPIA). Im Jahre 2001 konnte NACO am VLT erprobt (am Unit Telescope UT4 = Yepun/Abendstern) und schließlich an die ESO übergeben werden. Damit hatte das MPIA seine Fähigkeit zum Bau modernster Instrumente für ein internationales Großobservatorium gezeigt. An dieser Entwicklung waren die Institutswerkstätten für Feinmechanik und Elektronik, die Rechner-Gruppe und vor allem der damalige Doktorand Markus Hartung (Optik, Erprobung) beteiligt. Zu den frühen spektakulären Beobachtungen zählen die Auflösung des jungen Sterns T Tauri in ein Dreifachsystem und der Nachweis des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße durch Reinhard Genzels Gruppe vom MPI für extraterrestrische Physik (Abb. 5.2-3). Bemerkenswert ist, dass auch für ein weiteres Gerät der ersten Generation von VLTInstrumenten der Zuschlag an ein von Heidelberg aus geführtes Wissenschaftler-Kon- 211 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 212 Abb. 5.2-3: Die Umgebung des Zentrums unserer Milchstraße. Das hochaufgelöste Bild im nahen Infraroten entstand mit dem CONICAInstrument und dem Adaptiven OptikSystem NAOS. Im galaktischen Zentrum (Pfeile) befindet sich ein materieverschlingendes Loch (Rainer Lenzen). 8“ [1 Lichtjahr] sortium ging. Die optischen Kameras/Spektrometer FORS 1 und FORS 2 kamen zur Landessternwarte mit Immo Appenzeller als Principal Investigator. Sie sind genau wie NACO Botschafter vom Königstuhl, alle diese Geräte sind bei der ESO und ihren Gastbeobachtern hoch geschätzt und stark nachgefragt. Das zweite große Instrumentierungs-Vorhaben für das VLT, mit dem MPIA in der führenden Rolle, ist MIDI, ein Interferometer für das mittlere Infrarot. Seine Wurzeln reichen bis in die frühen 1980er Jahre zurück, als Mel Dyck von der Universität Hawaii als Gastwissenschaftler am Institut arbeitete. Er brachte die Technik der „Speckle-Interferometrie“ nach Heidelberg. Gemeinsam mit Christoph Leinert gelangen damit viele hoch aufgelöste Abbildungen junger Mehrfachsternsysteme. Begeistert von den neuen Möglichkeiten begannen daraufhin Christoph Leinert und Ralf-Rainer Rohloff mit Glasfasern zu experimentieren, um durch Zusammenschalten mehrerer Fernrohre am Calar Alto zu einem „Interferometer“ noch besser aufgelöste Bilder zu erzielen. In diese Zeit fallen die Bemühungen der ESO, die vier VLT-Fernrohre zu einem großen Interferometer 212 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 213 Abb. 5.2-4: Mit dem MIDI-Instrument werden zwei der 8 m-Teleskope des VLT zu einem hochauflösenden Interferometer zusammengeschaltet. Die strahlvereinigende Optik und die Infrarotdetektoren sind tiefgekühlt im quaderförmigen Kryostaten angeordnet. Davor die warme Optik (Christoph Leinert). zu verbinden: als Very Large Telescope Interferometer (VLTI). Christoph Leinert wurde Mitglied einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe für das VLTI, Steven Beckwith gehörte dem Strategie-Komitee für das geplante große Interferometer an. Im Jahre 1997 entschloss 213 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 214 sich die ESO dann auf Empfehlung dieser Berater zur Entwicklung von vier interferometrischen Instrumenten, drei für das nahe und eines für das mittlere Infrarot. Um letzteres bemühte sich das MPIA mit Erfolg: Leinert wurde zum Principal Investigator des MIDI-Instruments am VLTI. Die Vorbereitungen für ein Calar-Alto-Interferometer wurden daraufhin eingestellt, denn bei ESO standen wesentlich größere Teleskope und zusätzliche personelle Unterstützung zur Verfügung. Ab Mai 1997 begann die Entwicklung des anspruchsvollen Gerätes im Heidelberger Institut mit Uwe Graser als Projektmanager. Co-Investigatoren aus den Niederlanden und Frankreich trugen zur Entwicklung der optisch-mechanischen Teile und mit Rechnerprogrammen zur Datenauswertung bei. Da im mittleren Infrarot die gewöhnliche Laborumgebung eine starke Untergrund-Wärmestrahlung aussendet, musste MIDI in wichtigen Teilen gekühlt aufgebaut werden (Abb. 5.2-4). Die Kühlung sollte auf dem entfernt gelegenen Paranal-Observatorium eine Kältemaschine besorgen. Deren Vibrationen zu dämpfen war einer der ersten und schwierigsten Entwicklungsschritte. Ende des Jahres 2002 erfolgte der Aufbau von MIDI am VLTI, und noch im Dezember wurden die ersten interferometrischen „Streifen“ gesehen. Aus diesen können bestimmte Abmessungen der kosmischen Untersuchungsobjekte abgeleitet werden. Zu den ersten Beobachtungen gehörte die 50 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie NGC1068, bei der ein warmer Staubring um das Schwarze Loch im Kern der Galaxie vermessen wurde. Damit war Klaus Meisenheimer und seinem niederländischen Kollegen Walter Jaffe die erste interferometrische Messung an einer extragalaktischen Quelle im mittleren Infrarot gelungen. Großes Interesse fanden auch die Vermessung und die mineralogische Analyse der Planeten bildenden Staubscheiben um junge Sterne durch Roy van Bockel und Kollegen. Ab April 2004 wurde das MIDI-Instrument von der ESO allen Beobachtern angeboten und seither häufig genutzt. MIDI erreicht ein Auflösungsvermögen von einer hundertstel Bogensekunde. Es erlaubt noch keine Abbildungen, sondern zunächst die Bemaßung von Modellvorstellungen zu den Objekten. Der Nachfolger für MIDI, das MATISSEInterferometer, ist bereits in der Entwicklung. Die Hauptverantwortung dafür liegt beim Observatorium Nizza, das MPIA trägt mit ~ 25 % zur Entwicklung bei. Für MATISSE werden drei oder vier Teleskope des VLTI zusammengeschaltet. Damit sollen sich ab 2015 höchstaufgelöste echte Bilder warmer kosmischer Quellen im WellenlängenBereich des mittleren Infraroten gewinnen lassen. Das Institut beteiligt sich seit einigen Jahren in weiteren internationalen Konsortien an der Entwicklung mehrerer räumlich hochauflösender Instrumente der zweiten Generation für das VLT. Für PRIMA stellt das MPIA die optischen Verzögerungsstrecken (Kat- 214 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 215 zenaugenteleskop) bei. Das Instrument soll Winkelabstände mit MikrobogensekundenGenauigkeit messen und wird zu einem astrometrischen Programm zur Suche nach Exoplaneten eingesetzt werden (siehe dazu auch Kapitel 3.6.3). SPHERE soll die direkte Abbildung von Exoplaneten ermöglichen, trotz des Helligkeitsunterschiedes von einem Faktor 10 Millionen zwischen Stern und eng benachbartem Planeten. Der Beitrag des MPIA besteht vor allem in den äußerst aufwendigen intelligenten Datenreduktions-Programmen. GRAVITY soll die astrometrische Genauigkeit gegenüber PRIMA nochmals um das Zehnfache steigern. Dazu wird das Licht aller vier 8 m-Teleskope des VLT zur Interferenz gebracht. Das MPIA entwickelt hier die wichtigen Infrarot-Wellenfront-Sensoren für die adaptive Optik. Dieses Instrument soll in erster Linie zum Studium des Schwarzen Loches im Zentrum unserer Milchstraße genutzt werden. Es wird aber auch die Suche nach Schwarzen Löchern in Sternhaufen und nach Exoplaneten bei Sternen sehr geringer Masse ermöglichen. 5.2.2 Das Large Binocular Telescope (LBT) in Arizona Der in der Mitte der 1990er Jahre von der Universität von Arizona in Tucson vorgelegte Entwurf eines Fernrohres mit zwei 8.4 m-Spiegeln auf einer gemeinsamen Montierung sollte schnell und kostengünstig zu einem Großteleskop führen. Um die damals auf knapp 100 Millionen Dollar veranschlagten Entwicklungskosten aufzubringen, musste Peter Strittmatter vom Steward-Observatorium um ausländische Partner werben. Die Finanzierung dieses „Large Binocular Telescope“ gelang schließlich durch Beteiligung weiterer amerikanischer Institute und durch Konsortien von Instituten aus Italien und Deutschland. Seit 1997 ist das MPIA Mitglied beim LBT, näheres zum Einstieg wurde in Kapitel 3.1.3 berichtet. Der Beitrag der Universität von Arizona zum LBT besteht vor allem aus der in ihrem „Mirror Lab“ in Tucson hergestellten Spiegeloptik, dem TeleskopGebäude und der Observatoriums-Infrastruktur (Abb. 5.2-5). Zum italienischen Beitrag gehören die Montierung und die beiden adaptiven Sekundärspiegel. Aus Deutschland sollten vor allem wissenschaftliche Instrumente kommen. An zwei großen InstrumentEntwicklungen ist das MPIA seither wesentlich beteiligt: LUCIFER und LINC-NIRVANA. Das LBT sollte sich mit seinen beiden auf einem Träger montierten Spiegeln gut für Interferometrie eignen (Abb. 5.2-6). Damit könnten Bilder von Himmelsobjekten mit einer Auflösung wie von der eines 23 m-Fernrohres (dem äußeren Randabstand der beiden Spiegel) gewonnen werden. Das vielversprechende Interferometrie-Instrument für 215 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 216 Abb. 5.2-5: Transport eines der 8.4 m-Spiegel zum Large Binocular Telescope (LBT) auf dem fast 3000 m hochgelegenen Mt. Graham in Arizona (LBT Observatory). das nahe Infrarot wollte die Universität von Arizona ursprünglich selbst bauen. Aber die italienischen und deutschen Institute sahen hier ebenfalls eine einzigartige wissenschaftliche Chance und entwarfen zunächst unabhängig voneinander ähnliche Geräte. Beide verständigten sich im Jahre 1998 auf einen gemeinsamen Vorschlag für ein Fizeau-Interferometer, in den der Heidelberger LINC-Entwurf eingebracht wurde. Tom Herbst wurde der verantwortliche Wissenschaftler (PI). Die erwartete Leistungsfähigkeit des Instruments konnte nach einigen Entwicklungsjahren durch die Hinzunahme einer zweiten Stufe für die adaptive Optik (AO) bedeutend gesteigert werden. Bei dieser „multikonjugierten AO“ beseitigt der deformierbare Sekundärspiegel des Teleskops die Wirkungen der Luftunruhe in der bodennahen Luftschicht (bis zu einigen 100 m Höhe) und ein zweiter deformierbarer Spiegel im Instrument die der oberen Atmosphäre (bis zu ~10 km). Ausgedacht hatte sich dieses Verfahren Roberto Ragazzoni von der Universität Florenz. Das MPIA schlug Ragazzoni im Jahre 2001 für den „Wolfgang-Paul-Preis“ der 216 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 217 Abb. 5.2-6: Beim Large Binocular Telescope (LBT) sind zwei 8.4 m-Spiegel auf einer gemeinsamen Halterung montiert. Das LINC-NIRVANA-Instrument des MPIA nutzt diese Anordnung für ein hochauflösendes Interferometer (LBT Observatory). Alexander-von-Humbold-Stiftung vor. Für seine zahlreichen neuen Ideen (PyramidenWellenfront-Sensor u. a.) erhielt Ragazzoni diese Auszeichnung, verbunden mit 4 Millionen DM Forschungsmitteln. Das großzügige Stiftungsgeld stammte übrigens aus dem Erlös der UMTS-Lizenzen für die Mobil-Telefone, das die Bundesregierung in ein Zukunfts-Investitions-Programm eingebracht hatte. Das Preisgeld beschleunigte die Instrumenten-Entwicklung in Heidelberg: Der Preisträger arbeitete damals viele Monate am MPIA und konnte bis zu sechs Wissenschafter und Studenten anstellen. Aus dem LINC-Interferometer wurde 2002 LINC-NIRVANA, ein Interferometer mit multikonjugierter adaptiver Optik für die höchste räumliche Auflösung. Das Instrument ist am MPIA in großen Teilen fertiggestellt und wird im Labor erprobt (Abb. 5.2-7). Am Teleskop kann es voraussichtlich ab dem Jahre 2013 eingesetzt werden, wenn die adaptiven Sekundärspiegel aus Italien zur Verfügung stehen werden. 217 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 218 Abb. 5.2-7: Das LINC-NIRVANA-Instrument im Jahre 2009 bei einer Erprobung durch den verantwortlichen Wissenschaftler Tom Herbst in einer der großen Experimentierhallen des MPIA (Tom Herbst). 218 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 219 Das zweite Instrument vom Königstuhl, LUCIFER, kommt paarweise mit je einer Einheit für jeden der beiden LBT-Spiegel. Es besteht aus jeweils einer Kamera und einem Spektrometer für das nahe Infrarot. Das erste Gerät ist bereits seit 2008 am LBT. Dieses Instrument entstand unter der Leitung der Landessternwarte (PI Holger Mandel) mit wesentlichen Beiträgen des MPIA: von den Kameras über die Kryomechanik bis zur Integration. Die Vorrichtungen für die gleichzeitige Spektroskopie vieler Quellen im Gesichtsfeld („Multi-Objekt-Spektroskopie“) steuerte das MPI für extraterrestrische Physik in Garching bei. Der Beginn des regelmäßigen Beobachtungsbetriebs mit LUCIFER wurde durch Ausfälle des Teleskops, schlechtes Wetter und instrumentelle Probleme um ein Jahr auf 2009 verzögert. Das MPIA unterstützt neben den Instrumenten-Entwicklungen seit Jahren vielfältig die endgültige Fertigstellung des LBT. Dazu gehören die Programmentwicklung für die Teleskop-Nachführung, die Koppelung von Instrumenten und Teleskop, VibrationsUntersuchungen und die Lieferung von Seeing-Monitoren. Tom Herbst ist Mitglied (und periodisch Vorsitzender) des wissenschaftlichen Beratungskommitees. Der jeweils Geschäftsführende Direktor des MPIA (Thomas Henning oder Hans-Walter Rix) vertritt das MPIA im LBT-Board of Directors, und Mathias Voss, der Verwaltungsleiter des MPIA, wirkt im Finanzkomitee mit. Die erste wissenschaftliche Veröffentlichung vom LBT behandelte die Sternentstehung in einer fernen Galaxie. Sie stammt von Mitarbeitern des MPIA aus dem Sommer 2007 und basiert auf Aufnahmen mit einer Primärfokus-Kamera aus Italien. 5.2.3 Das Europäische „Extremely Large Telescope“ (E-ELT) Während im Jahre 2009 weltweit 16 Teleskope mit Durchmessern von 6 bis 10 m in Betrieb sind, wird bereits seit einigen Jahren an deren Nachfolgern in der Klasse > 25 m gearbeitet. Wieder haben die Europäer die Nase vorn. Aus dem lange studierten 100 mFernrohr OWL ist inzwischen ein technisch machbares und bezahlbares 42 m-Fernrohr geworden: das European Extremely Large Telescope (E-ELT). Seine Finanzierung (etwa 1 Milliarde Euro) aus den regelmäßigen Mitgliedsbeiträgen und Sonderbeiträgen der beteiligten 12 Länder scheint langfristig sichergestellt, ein Vorteil gegenüber der amerikanischen Finanzierung, die oft auf Stiftungen und ausländische Partner angewiesen ist. Da das E-ELT nach gegenwärtiger Planung ab 2018 schrittweise in Betrieb gehen könnte, wird seit einigen Jahren auch an der ersten Generation wissenschaftlicher FokalebenenInstrumente gearbeitet. Das MPIA beteiligt sich seit 2007 an den Studien für zwei 219 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 220 Abb. 5.2-8: Das europäische 42 m-Extremly Large Telescope (E-ELT) der ESO. Es soll nach 2018 in den chilenischen Anden in Betrieb gehen. Das MPIA trägt vielfältig zu den Vorbereitungen für die Instrumentierung bei (ESO). Geräte. METIS besteht aus einer Kamera und einem hochauflösenden Spektrographen für das nahe und mittlere Infrarot (in den atmosphärischen Fenstern bei 3, 5 und 10 Mikrometern Wellenlänge). Diese Instrumenten-Entwicklung wird gemeinsam von fünf europäischen Instituten betrieben, Principal Investigator ist Bernhard Brandl von der Sternwarte Leiden. Rainer Lenzen vom MPIA ist Instrument Scientist, weiter wirken Wolfgang Brandner, Thomas Henning und Stefan Hippler mit. Obgleich derzeit zehn Instrumente parallel studiert werden, können zunächst nur zwei zur Entwicklung für das „Erste Licht“ des Teleskops ausgewählt werden. Die METIS-Studiengruppe sieht eine gute Chance für eine frühe Auswahl, da das Instrument im mittleren Infrarot auch ohne die dann noch nicht voll funktionsfähige adaptive Optik des E-ELT Hervorragendes zu leisten verspricht. Das zweite Instrument mit Heidelberger Beteiligung ist eine Kamera mit beugungsbegrenzter Auflösung für das nahe Infrarot. Dieses MICADO-Instrument wird unter der Führung des MPI für extraterrestrische Physik studiert, am MPIA arbeiten 220 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 221 Hans-Walter Rix und Tom Herbst vor allem an der Erstellung des wissenschaftlichen Pflichtenheftes mit. Erfahrene Wissenschaftler des MPIA tragen seit Jahren vielfältig zur Entwicklung dieses europäischen Teleskop-Giganten bei (Abb. 5.2-8). Tom Herbst leitet für die ESO eine Arbeitsgruppe für Wissenschaft und Technik, er arbeitet weiterhin in Komitees für die langfristige wissenschaftliche Planung und die Instrumentierung der ersten Generation des E-ELT mit. Roland Gredel leitet das Komitee zur Auswahl des Aufstellungsorts für das E-ELT. Thomas Henning ist seit 2008 Vize-Präsident des ESO Councils, des obersten Entscheidungsgremiums der Europäischen Südsternwarte, in dem alle strategischen Verfügungen für zukünftige Vorhaben getroffen werden. 5.3 Die Calar-Alto-Sternwarte im Wandel Leitgedanke für die Gründung des Max-Planck-Instituts für Astronomie in den späten 1960er Jahren war der Aufbau moderner Sternwarten für die deutsche Astronomie im günstigen Klima des Südens. Das ist mit der Schaffung der Calar-Alto-Sternwarte gelungen. Für die ersten beiden Jahrzehnte waren Aufbau, Ausbau und wissenschaftliche Nutzung das zentrale Thema des Institutes. Der Calar Alto hat einer ganzen Generation von Astronomen in unserem Lande Zugang zu modernen Beobachtungsmöglichkeiten gegeben und sie zu eigenen Instrumenten-Entwicklungen angeregt. Vielbeachtete wissenschaftliche Erfolge sind mit den dortigen Fernrohren erzielt worden. Parallel zu dieser Erfolgsgeschichte liefen weltweit Entwicklungen ab, die die Bedeutung des Calar Altos berühren sollten. Im internationalen Forschungs-Wettbewerb wurden immer größere Teleskope an den besten Standorten der Erde gebaut. Bereits einige Jahre vor der Gründung der Calar-Alto-Sternwarte begannen mehrere europäische Länder in einer großen Gemeinschaftsanstrengung die Europäische Südsternwarte (ESO) zu schaffen. Deutschland war Gründungsmitglied und zahlt den höchsten finanziellen Beitrag aller Mitgliedsländer. ESO kann mit mehreren 8 m- und künftig einem 42 m-Fernrohr mit den USA mithalten. Die ESO-Teleskope sind an einem der klimatisch besten Plätze der Erde in den chilenischen Anden aufgestellt, bei idealer geographischer Breite für den Zugang zu wichtigen Quellen am Himmel (Zentrum der Milchstraße, nächste Galaxien). Deutsche Astronomen nutzen die hervorragenden Beobachtungs-Möglichkeiten bei der ESO und werden dabei von deren zahlreichen qualifizierten Mitarbeitern unterstützt. Wer mit seinem Beobachtungsantrag Erfolg hat, erhält sogar die Reisekosten nach Chile 221 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 222 von der ESO, oder die Beobachtungen werden im „Service-Mode“ ausgeführt, womit sich eine Reise erübrigt. Das früher oft angeführte Argument der leichteren Erreichbarkeit des Calar Alto hat mit der vorhersehbaren starken Ausweitung des weltweiten Luftverkehrs und der schnellen Daten-Verbindungen an Bedeutung verloren. So sank der nachgefragte Anteil an der Beobachtungszeit für Astronomen des MPIA am Calar Alto um das Jahr 2001 auf ~ 25%, statt der früher üblichen ~ 45%. Eine weitere Entwicklung begann in den 1980er Jahren mit dem Start von immer leistungsfähigeren Weltraum-Observatorien. Die Kosten für den Bau und Betrieb dieser Observatorien übernehmen weitgehend die Weltraum-Agenturen, in Europa die ESA. Die Satelliten-Teleskope liefern ununterbrochen einen gewaltigen Strom hervorragender Messdaten aus allen Spektralbereichen. Jeder Astronom hat gute Chancen, seine Beobachtungen mit diesen europäischen, amerikanischen oder japanischen Weltraum-Teleskopen durchzuführen. Alle je gewonnenen Daten stehen nach kurzer Zeit in riesigen Datenarchiven allen Astronomen zur Auswertung zur Verfügung (virtuelles Observatorium). Es ist deshalb seit den 1990er Jahren nicht mehr unbedingt notwendig, eine eigene große Sternwarte zu betreiben. Eine solche Einrichtung bindet Mittel und Mitarbeiter. Stattdessen ist die Nutzung der durch ESO und ESA gebotenen Möglichkeiten vielfältiger, kostengünstiger und führt meist auch schneller zum Erfolg. Ähnlich günstig kann die Beteiligung an einem bilateralen oder internationalen Projekt sein, das sich für begrenzte Zeit auf ein ganz bestimmtes Forschungsziel beschränkt, beispielsweise eine Himmelsdurchmusterung. Dabei muss nicht der gesamte Gerätepark eines großen und dauerhaften Observatoriums vorgehalten werden. Die moderne Wissenschaft ist in den letzten Jahrzehnten zu einer Art „Industrie“ geworden, die sich im globalen Wettbewerb befindet. Man stellt heute nicht mehr alles in der eigenen „Fabrik“ her, sondern besorgt sich seine Bausteine von den besten und kostengünstigsten „Zulieferern“. Für die Astronomie heißt das seit Längerem, die Daten werden immer mehr an Teleskopen gewonnen, deren Betrieb und ständige Modernisierung weitgehend aus anderen Quellen finanziert werden. Institute können sich durch die Entwicklung moderner Fokalebenen-Instrumente für diese internationalen Teleskope am Fortschritt beteiligen. Das MPIA hat sich in solchen Wettbewerben mehrfach Vorsprünge verschafft. Der langsame Bedeutungsverlust der Calar-Alto-Sternwarte für das MPIA ist eine unausweichliche Folge dieser Entwicklung. Während der Gründungsdirektor Hans Elsässer vom Gedanken an die seinerzeit wünschenswerte Schaffung von Eigenständigem geleitet war, haben sich seine Nachfolger für die uneingeschränkte Nutzung aller weltweit möglichen wissenschaftlichen Kollaborationen entschieden. Die in diesem Kapitel vorange- 222 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 223 stellten Beteiligungen an internationalen Vorhaben am Boden und für den Weltraum zeigen beispielhaft diese neuen Wege. Die Calar-Alto-Sternwarte wurde nach dem Auslaufen des ursprünglichen 30-jährigen Vertrages zu gleichen Teilen von Deutschland und Spanien weiterbetrieben. Der spanische Partner ist dabei seit 2004 das Consejo Superior de Investigaciones Cientificas. Ein Drittel der deutschen Zeit steht dem MPIA zur Verfügung für Beobachtungen, die meist im „Service-Mode“ ausgeführt werden, der Beobachter muss also nicht mehr selbst zum Fernrohr reisen. In den Jahren 1998 bis 2006 war Roland Gredel vom MPIA der örtliche Direktor der Sternwarte, seither haben spanische Wissenschafler dieses Amt inne. Für ausgewählte Programme wird die Sternwarte weiterhin genutzt. So entsteht gegenwärtig im MPIA das neue Instrument PANIC, eine Panorama-Kamera für das nahe Infrarot zum Einsatz am 2.2 m-Teleskop. Die Landessternwarte plant mit Beteiligung des MPIA und spanischer Institute das höchstauflösende Spektrometer CARMENES zu bauen. Es soll das Entdecken von Exoplaneten bei massearmen Sternen ermöglichen. Im Kapitel 7 äußern sich die beiden Direktoren des MPIA ausführlich zu ihren langfristigen Zukunftsvorstellungen für das Calar-Alto-Observatorium und zu Beteiligungen an mehreren internationalen Projekten zur Gewinnung neuer astrophysikalischer Daten. 223 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 224 6 Verbindungen zu Universität und Öffentlichkeit 6.1 Studenten und Lehre Die Max-Planck-Institute befinden sich fast ausnahmslos in Universitätsstädten oder in deren Nähe. Nur dort können sie ausreichend viele Studenten für Diplom- und Doktorarbeiten gewinnen. Das ist für die Institute lebenswichtig, da ein großer Teil der Forschung vor allem durch Doktoranden geleistet wird. Das Zusammenwirken von Universitätsinstituten und Max-Planck-Instituten an einem Standort hat für beide Seiten Vorteile. Es entsteht die „kritische Masse“ von Forschern, die wissenschaftliches Zusammenarbeiten zwischen den Instituten ermöglicht, die zu anregendem Ideenaustausch bei gemeinsamen Seminaren und Kolloquien führt, und die auswärtige Wissenschaftler zu Gastaufenthalten in diese lebendige Atmosphäre führt. Für das Max-Planck-Institut für Astronomie ist ein idealer Standort gewählt worden: in einer schönen und weltweit bekannten Stadt, mit der ältesten Universität auf deutschem Boden. Die physikalischen Institute hier gehörten stets zu den leistungsfähigsten in Deutschland. Die Astronomie war zur Gründungszeit des MPIA bereits durch die Landessternwarte, das Astronomische Recheninstitut, das Institut für Theoretische Astrophysik und eine Abteilung des MPI für Kernphysik vertreten. Der Gründungsdirektor Hans Elsässer hat von Anfang an großen Wert auf die Pflege guter Beziehungen zur Fakultät für Physik und Astronomie der Universität gelegt. Dazu gehörte auch die Beteiligung an den Lehrveranstaltungen. Anfangs, als ordentlicher Professor für Astronomie und im Hauptamt noch Direktor der Landessternwarte, hielt er regelmäßig Kursvorlesungen. Beim Arbeitsbeginn des MPIA, im Wintersemester 1968/69, trug er über „Extragalaktische Systeme und Kosmologie“ vor. Mit zunehmender Belastung durch den Aufbau des Instituts und der Calar-Alto-Sternwarte beschränkte er sich auf die Beteiligung an Oberseminaren zu aktuellen Problemen der Astrophysik. Die letzten Vorlesungen hielt er im Sommer 1972 zu „Teleskopen und Beobachtungsverfahren“ allein, und im Winter 1975/1976 zur „Interstellaren Materie“ gemeinsam mit Helmut Scheffler. Mit ihm verfasste er die damals weitverbreiteten Lehrbücher „Physik der Sterne und der Sonne“ und „Bau und Physik der Galaxis“. Im Jahre 1975 schied Elsässer als ordentlicher Professor an der Universität aus und wurde von der Fakultät für Physik und Astronomie zum persönlichen Ordinarius ernannt. 224 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 225 Inzwischen war im MPIA bei mehreren Nachwuchswissenschaftlern der Wunsch entstanden, die Lehrbefugnis der Universität zu erwerben und Privatdozent zu werden. Elsässer förderte dieses Bemühen, allerdings dosiert („ keine Inflation“). 1976 habilitierte sich Dietrich Lemke, es folgte 1978 Christoph Leinert. Beide boten anfangs Vorlesungen zu ihren Arbeitsgebieten „Infrarot-Astronomie“ bzw. „Physik des Planetensystems“ an. 1979 wurde Guido Münch zum Honorar-Professor ernannt, er hielt aber keine Vorlesungen. Es folgten die Habilitationen und Anfangsvorlesungen von Josef Solf im Jahre 1983 („Teleskope und Spektrographen“), Josef Fried 1986 („Galaxien“), Reinhard Mundt 1987 („Sternentstehung und junge stellare Objekte“) und Helmut Kühr 1987, der bald darauf das Institut verließ und seine Laufbahn im Internationalen Büro des Bundesministeriums für Bildung und Forschung fortsetzte. Steven Beckwith bot als Honorarprofessor im Wintersemester 1992/93 eine Vorlesung zu „Abbildung und Bildanalyse“ an. Bis zum 25-jährigen Jubiläum des Instituts im Jahre 1994 erfolgten noch zwei weitere Habilitationen mit neuen Vorlesungsangeboten: Klaus Meisenheimer 1990 („Himmelsdurchmusterung – eine Methode zur kosmologischen Standortbestimmung“) und Herrmann-Josef Röser 1992 („Galaxienhaufen“). Die neuen Privatdozenten des MPIA beteiligten sich nach Kräften mit Spezial- und Kursvorlesungen am Vorlesungsbetrieb der Fakultät. Selbst die am besten besuchte „Einführung in die Astronomie und Astrophysik I und II“, mit 50 bis 70 Studenten wurde ihnen für viele Semester anvertraut. Neben den Vorlesungen waren die Dozenten des MPIA stets in Seminaren Mitveranstalter und betreuten die Vorträge zahlreicher Studenten. Bei Seminaren kamen Wissenschaftler des MPIA mit denen der Universität und des MPI für Kernphysik in regen Austausch. Themen wie interplanetare und interstellare Materie, Sternentstehung oder Kosmologie werden in mehreren Instituten mit unterschiedlichen Ansätzen und Methoden behandelt und wurden oft zum Leitthema eines Seminares. Diese nachdrückliche Beteiligung an der Lehre wurde jeweils nach mehrjähriger Tätigkeit durch die Universität mit der Ernennung der Privatdozenten zu außerplanmäßigen Professoren anerkannt. Weitere Habilitationen erfolgten nach dem Generationswechsel in der Institutsleitung. Andreas Glindemann begann seine Vorlesungen 1998 („Hochauflösende Abbildungsmethoden in der Astronomie“), wechselte aber bald als Wissenschaftler für Adaptive Optik und Interferometrie zur ESO. Andreas Burkert, der Leiter der ersten Theorie-Gruppe am MPIA, erhielt 1995 die Lehrbefugnis von der Universität Heidelberg („Strukturbildung und Galaxienentwicklung im jungen Universum“), wurde aber schon 2003 als Professor an die Universität München berufen. Martin Haas 2001 („Fern-Infrarot-Astronomie“) wechselte zur Universität Bochum, Manfred Stickel 2004 225 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 226 („Astrophysikalische Datenanalyse“) ging in die Luftfahrtindustrie, Sebastian Wolf 2006 („Protoplanetare Scheiben“) wurde Professor an der Universität Kiel. Seit der Gründung der „Selbstständigen Arbeitsgruppen“ am Institut (Kapitel 3.8), konnten auch deren Leiter zum Lehrbetrieb der Universität beitragen, zunächst ohne Habilitation. So wurden beispielsweise Vorlesungen gehalten von Coryn Bailer-Jones („Maschinelles Lernen, Mustererkennung und statistische Datenmodellierung“), Henrik Beuther („Ausflüsse und Jets“), Cornelis Dullemond („Hydrodynamics“) und Eric Bell („Galaxies“). Die beiden gegenwärtigen Direktoren des MPIA, Thomas Henning und Hans-Walter Rix, die bereits Professuren an anderen Universitäten innehatten, wurden in Heidelberg zu Honorar-Professoren ( „honor“ = Ehre) ernannt. Sie sind damit eng mit der Universität verbunden und beteiligen sich am Lehrbetrieb mit Vorlesungen („Protostellare Scheiben“ bzw. „Observing the Big Bang and its Aftermath“), Seminaren („Astromineralogie“ bzw. „Gravitationslinsen”) und der Betreuung von Doktorarbeiten. Ihrer Forschungsarbeit gehen beide aber außerhalb der Universität nach. Studenten der Universität, die ihre Diplom- oder Doktorarbeiten am MPIA durchführten, werden von den hier tätigen Professoren und Privatdozenten intensiv betreut und auf ihre Abschlussprüfungen vorbereitet. Die Themen der Arbeiten sind stets aktuelle Anteile an größeren Forschungsvorhaben des Instituts. Die Zeitdauer für eine Diplomarbeit betrug in den Anfangsjahren des Instituts bis zu zwei Jahren, sie wurde in den letzten Jahrzehnten auf ein Jahr verkürzt. Doktorarbeiten dauern in der Regel drei Jahre. In den 40 Jahren des Bestehens (1969 – 2008) wurden am MPIA 133 Doktorarbeiten vollendet und 95 Diplomarbeiten verfasst. Dabei ist die Hälfte aller Arbeiten nach dem Generationswechsel in der Institutsleitung, also in den letzten zehn Jahren, entstanden. Von anfangs je zwei bis drei Arbeiten pro Jahr, wurden in den Jahren 2007 und 2008 jeweils elf Doktorabschlüsse und sieben Physik-Diplom-Abschlüsse erreicht. In den Examensprüfungen sind außer den betreuenden Professoren und Dozenten des MPIA stets auch hauptamtliche Universitätsprofessoren vertreten. Denn die Diplome und Doktorgrade vergibt die Universität. Die Max-Planck-Institute streben im Interesse einer harmonischen Zusammenarbeit mit den Universitäten kein eigenes Promotionsrecht an. Heidelberg wird oft als Musterbeispiel für ausgezeichnete Beziehungen zwischen MaxPlanck-Instituten und Universitäts-Instituten genannt. Beide gewinnen dabei. 226 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 227 6.2 Internationale Max-Planck-Forschungsschule für Astronomie und Kosmische Physik an der Universität Heidelberg Ein weiterer Schritt in Richtung Internationalisierung der Forschung wurde im Jahre 2004 mit der Gründung der „International Max Planck Research School for Astronomy and Cosmic Physics at the University of Heidelberg“ (IMPRS-HD) vollzogen. Diese Einrichtung strebt an, besonders begabten Studenten eine hervorragende Ausbildung mit dem Ziel der Promotion zu ermöglichen. Das MPIA ist gemeinsam mit den anderen vier in Heidelberg in der Astrophysik tätigen Instituten (MPI für Kernphysik, Landessternwarte, Astronomisches Recheninstitut und Theoretische Astrophysik) Träger dieser IMPRS. Die Studenten werden jährlich einmal aus einer steigenden Zahl von Bewerbern ausgewählt. Im Jahre 2009 beispielsweise gab es 133 Bewerbungen, von denen die Hälfte nach den eingereichten Zeugnissen als gut bis sehr gut eingeschätzt wurde. Angenommen werden in Heidelberg aber jährlich nur etwa 22 Studenten, an das MPIA kommen in jedem Jahrgang etwa die Hälfte davon. Der Anteil der ausländischen Studenten soll mindestens 50 % betragen. Tatsächlich liegt er inzwischen bei 70 %, der Anteil der weiblichen Studenten ist mit ~ 30 % erfreulich hoch. Für ihre Doktorarbeit werden die Studenten in laufende Forschungsaufgaben des MPIA eingebunden und intensiv betreut. Zusätzlich haben sie eine Reihe von Pflicht- und Ergänzungsvorlesungen zu besuchen und an mehreren Seminaren teilzunehmen. Diese dreijährige Ausbildung ist etwas „verschulter“ als das normale selbstorganisierte Studium an einer deutschen Universität. Alle Lehrveranstaltungen werden in englischer Sprache durchgeführt, und auch die Doktorarbeit wird in Englisch geschrieben. Die Promotionsurkunde stellt die Universität Heidelberg aus, zusätzlich bestätigt die IMPRS mit einem persönlichen Zertifikat den „internationalen“ Ausbildungsweg (Abb. 6.2-1). Ein langfristiges Ziel der Max-Planck-Gesellschaft ist es, die ausländischen Nachwuchswissenschaftler für eine spätere Zusammenarbeit mit deutschen Forschungseinrichtungen zu gewinnen. Im Laufe der Jahre werden so länderübergreifende wissenschaftliche Netzwerke entstehen, die immer wieder neue Studenten, Wissenschaftler und Ideen nach Heidelberg bringen. Umgekehrt werden die „Ehemaligen“ künftig Forschern und Studenten aus Heidelberg Aufenthalte an interessanten Instituten im Ausland anbieten können. Die Teilhabe an der IMPRS ist nicht nur für die ausgewählten Studenten ein Glücksfall. Auch die Forschungsgruppenleiter des MPIA müssen jetzt öfter Labor und Schreibtisch verlassen und im Wettbewerb mit den Kollegen der beteiligten Universitätsinstitute gute 227 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 228 Abb. 6.2-1: Zusätzlich zur Promotionsurkunde der Universität Heidelberg erhalten die IMPRS-Studenten ein Zertifikat, dass ihre erfolgreiche Teilnahme am Ausbildungs-Programm der International Max Planck Research School bestätigt. Auf der Rückseite der Urkunde sind sämtliche besuchten Seminare, Vorlesungen, Konferenzen und die Teilnahme am Lehrbetrieb aufgeführt (Christian Fendt). Vorlesungen und Seminare anbieten. Verantwortlich für die IMPRS ist für die Seite der Max-Planck-Institute Hans-Walter Rix, der zusammen mit Reinhard Mundt ab 2003 die Einrichtung vorbereitet hat. Koordinator am MPIA ist Christian Fendt. 228 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 229 Alle IMPRS-Doktoranden erhalten ein Stipendium (üblicherweise die Hälfte eines Postdoc-Gehalts). Die Mittel stellen die Institute aus dem Haushalt oder Drittmitteln für Forschungsprojekte zu Verfügung, dazu kommen weitere IMPRS-Stipendien und Reisegelder der Generalverwaltung. Trotz der Erfolgsgeschichte der IMPRS gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten. Die Bewerberzahlen aus den angelsächsischen Ländern und aus China sind unterdurchschnittlich, da dort das Ausbildungssystem von unserem abweicht. Dort folgt dem „Bachelor“ der „Doktor“. Hierzulande geht es über den „Master“ (bisher Diplom). Und manche europäischen Länder zahlen deutlich höhere Doktoranden-Stipendien – das reizt einige Studenten aus osteuropäischen Ländern, die eigentlich die USA bevorzugen würden. Die anfänglichen Befürchtungen, dass die „normalen“ einheimischen Studenten gegenüber ihren IMPRS-Kollegen nur zweitklassig werden, haben sich nicht bestätigt. Die ausländischen Studenten kommen oft aus Ausbildungssystemen, in denen weniger selbstständig gearbeitet wird, als das bei unseren Diplomarbeiten eingeübt wird. Und sie haben gelegentlich Mühe, sich in einem der hiesigen mündlichen Prüfungsgespräche zu behaupten. Diese Nachteile sucht die IMPRS in Heidelberg durch das Einüben von „Softskills“ zu mildern. Deshalb werden Kurse zu Vortragstechniken, Bewerbungen, wissenschaftlichem Schreiben usw. angeboten. Damit finden auch die deutschen Studenten die Angebote der IMPRS zunehmend interessanter für eine mögliche internationale Karriere; sie bewerben sich immer öfter für eine Teilnahme an diesem Programm. Im Sommer 2009 hat ein internationales Evaluierungskomitee die ersten fünf Jahre Arbeit der Heidelberger IMPRS sehr positiv beurteilt. Damit gibt es gute Aussichten auf eine sechsjährige Fortsetzung des erfolgreich begonnenen Programms. 6.3 Berufliche Aufstiege von Wissenschaftlern des Instituts Das Institut bietet seinen Wissenschaftlern vielfältige Möglichkeiten, durch erstklassige Forschungsarbeit auf sich aufmerksam zu machen und den eigenen beruflichen Aufstieg zu fördern. Die jüngsten wissenschaftlichen Mitarbeiter sind Studenten der Universität Heidelberg, die ihre Physik-Diplomarbeit oder Doktorarbeit am MPIA durchführen. Sie können in der Atmosphäre eines international ausgerichteten Forschungsinstituts moderne Themen bei guter Betreuung bearbeiten. Postdocs, das sind junge Wissenschaftler in ihrer ersten oder zweiten Anstellung nach der Promotion, und Gastwissenschaftler aus dem Ausland, nutzen das Institut als „Durchlauferhitzer“ für ihre Karriere. 229 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 230 Hier haben sie die Möglichkeit, im Kreise fachkundiger Kollegen aus vielen Ländern an aktuellen Fragestellungen der Astrophysik zu arbeiten. Dazu gehört auch die Entwicklung modernster Instrumentierung und der gute Zugang zu astronomischen Beobachtungsmöglichkeiten. Diese Gastaufenthalte sind meist auf wenige Jahre beschränkt und oft aus Drittmitteln für Forschungs- oder Instrumentierungsvorhaben finanziert. Und schließlich gibt es Aufstiege im MPIA selbst, zum Leiter von Arbeitsgruppen, zum führenden Wissenschafter (Principal Investigator, PI) für große internationale Forschungsvorhaben oder zum Leiter von Außenstellen des Instituts oder Beteiligungen an Observatorien. Offiziell werden die Karrieren der „Ehemaligen“ nicht verfolgt. Viele von ihnen halten aber Kontakt zu den früheren Kollegen auf dem Königstuhl, so dass eine größere Zahl von Laufbahnen bekannt ist. Zahlreiche Absolventen sind in die Industrie gegangen und leiten heute Abteilungen oder große Projekte. Weitere haben verantwortungsvolle Aufgaben bei nationalen oder internationalen Forschungsorganisationen (DLR, ESA, ESO) übernommen. Andere leiten Planetarien und einer unserer Studenten, Gerhard Thiele, wurde Astronaut und flog für die ESA in den Weltraum. Am einfachsten zu beobachten sind die Aufstiege auf der klassischen wissenschaftlichen Laufbahn zu Professoren an Universitäten im In- und Ausland. Auch wenn die entsprechende Tabelle 6.3-1 möglicherweise nicht vollständig ist, gibt sie doch einen Eindruck von der Wertschätzung der Forschung und der Forscher am MPIA, insbesondere aus dem letzten Jahrzehnt. Die Zahl der Karrieren innerhalb des Instituts ist wesentlich kleiner, da nur wenige unbefristete beamtenähnliche Stellen (C3, neuerdings W2) zur Verfügung stehen. Die sind nach Vergabe an jüngere Wissenschaftler meist lange besetzt. Für diese herausgehobenen Stellen, die mit der Leitung einer größeren Arbeitsgruppe und/oder aufwendigen lang dauernden Instrumentierungsvorhaben verknüpft sind, muss ein Begutachtungsverfahren mit auswärtigen Experten durchlaufen werden. Die ersten dieser „C3“-Stellen wurden in den 1970er bis 1990er Jahren besetzt mit Josef Solf, Dietrich Lemke, Reinhard Mundt und Klaus Meisenheimer. Hans-Walter Rix, seit 1999 Direktor am MPIA, wurde 2005 auf die Plumian Professur der Universität Cambridge berufen, die bereits weltberühmte Astrophysiker (Arthur Eddington, Fred Hoyle, Martin Rees) innehatten. Glücklicherweise hat sich Hans-Walter Rix für die hervorragenden Forschungsmöglichkeiten am MPIA entschieden und die Berufung nach England nicht angenommen. In der Folge wurde ihm zu seiner weitgehenden Freistellung vom organisatorischen „Tagesgeschäft“ eines Geschäftsführenden Direktors die Stelle für einen „Wissenschaftlichen Koordinator“ am Institut eingerichtet, die seither Klaus Jäger voll auslastet. 230 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 231 Tabelle 6.3-1: Berufliche Aufstiege ehemaliger Wissenschaftler des MPIA an anderen Forschungsinstituten Name und Tätigkeit am MPIA, Jahr des Abganges Gehren, Thomas; Astronom 1982 Hodapp, Klaus; Diplomand, Doktorand 1986 Krabbe, Alfred; Diplomand, Doktorand 1987 Blum, Jürgen; Diplomand 1987 Eiroa, Carlos; Doktorand 1993 Solf, Josef; Astronom 1994 Sanchez Lavega, Agustin, Nachtassistent Calar Alto 1995 McCaughrean, Mark; Astronom 1996 Abraham, Peter; Astronom (ISOPHOT Datenzentrum) 1996 Beckwith, Steven; Direktor 1998 Klessen, Ralph; Doktorand 1998 Chini, Ralf; Doktorand 1999 Grebel, Eva; Astronom 2002 Kley, Willy; Astronom 2002 Dehnen, Walter; Astronom 2002 Burkert, Andreas; Astronom 2003 Wolf, Sebastian; Astronom (Nachwuchsgruppe) 2007 Bell, Eric; Astronom (Nachwuchsgruppe) 2009 van den Bosch, Frank; Astronom (Nachwuchsgruppe) 2009 Neue Aufgabe Professor, Universität München Professor, Co-Direktor, Institut für Astronomie, Universität Hawaii, USA Professor, Universität Stuttgart, Leiter SOFIA-Institut Professor, Universität Braunschweig Professor, Autonome Universität Madrid, Spanien Professor, Universität Jena, Direktor Tautenburg Observatorium Professor, Universität Bilbao, Spanien Professor, Universität Cardiff, Großbritannien; Head, Research & Scientific Support Dept., ESA-ESTEC Direktor Konkoly Observatorium Budapest, Ungarn Professor, John Hopkins Universität, Direktor Space Telescope Science Institute, USA Professor, Universität Heidelberg Professor, Direktor Astronomisches Institut Universität Bochum Professor, Universität Heidelberg, Direktor am Zentrum für Astronomie Professor, Universität Tübingen Professor, Universität Leicester, Großbritannien Professor, Universität München Professor, Universität Kiel Professor, Universität Michigan, USA Professor, Yale Universität, USA 231 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 232 6.4 Öffentlichkeitsarbeit Die Astronomie hat es, verglichen mit anderen Wissenschaften, leichter, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Für ihre Fragen interessieren sich die Menschen: Wo kommen wir her? Sind wir allein im Universum? Was ist der Urknall, was war davor? Was ist die Natur der Dunklen Materie? An den Antworten auf diese fundamentalen Fragen arbeiten die Wissenschaftler des MPIA. Mit jeder neuen Erkenntnis werden wieder neue Fragen aufgeworfen. Auf den ersten Blick scheinen wenige unmittelbare praktische Anwendungen oder wirtschaftlicher Nutzen aus dieser Grundlagenforschung zu entspringen. Der Steuerzahler ermöglicht dennoch die Arbeit der Forschungsinstitute und trägt teure Teleskop-, Satelliten- und Instrument-Entwicklungen. Er hat deshalb einen Anspruch auf Unterrichtung über die Arbeit der Astronomen und ihre Entdeckungen im Universum. Er sollte auch etwas erfahren über die zahlreichen technischen Erfindungen und Anwendungen, vor allem den wirtschaftlichen Nutzen, der langfristig aus dieser Grundlagenforschung erwächst. Diese „Bringschuld der Wissenschaft“ (so Altkanzler Helmut Schmidt) wurde am MPIA stets erfüllt: durch Führungen, Vortragsreihen, Pressemitteilungen, Kurse für Lehrerfortbildung, Tage der Offenen Tür, die Förderung der Zeitschrift „Sterne und Weltraum“ und im 40-jährigen Jubiläumsjahr die Gründung des „Hauses der Astronomie“. 6.4.1 Institutsführungen, Pressearbeit, Vortragsreihen Institutsführungen werden nach Anmeldung ganzjährig durchgeführt. Besucher waren und sind Schulklassen, Firmen, Privatpersonen. Die Führungen werden von Studenten im MPIA begleitet und meist mit einem Übersichtsvortrag und Film vor dem Rundgang eingeleitet. Pro Jahr hat das Institut mehrere hundert Besucher. Ein Dutzend Pressemitteilungen des MPIA und der MPG mit neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnissen oder spektakulären Instrument-Entwicklungen werden jedes Jahr in überregionalen Zeitungen und Zeitschriften aufgegriffen. Die hiesige RheinNeckar-Zeitung berichtete noch viel häufiger über das MPIA und seine Arbeit. Axel Quetz und Jakob Staude haben diese journalistische Arbeit in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen erfolgreichen Wissenschaftler über Jahrzehnte geleistet, in den letzten Jahren unterstützt durch Klaus Jäger und Markus Pössel. Vor fünf Jahren wurde die Vortragsreihe „Astronomie am Sonntagvormittag“ ins Leben gerufen. In jedem Sommersemester werden dabei über etwa zehn Wochen Vorträge zu 232 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 233 Abb. 6.4-1: Astronomie am SonntagVormittag. Vorträge im Hörsaal des MPIA im Jahr des 40. Instituts-Geburtstages, zugleich dem Internationalen Jahr der Astronomie 2009 (MPIA). aktuellen Themen der Forschung am MPIA angeboten (Abb. 6.4-1). Vortragende sind Wissenschafter des Instituts, öfter auch Wissenschaftler vom Zentrum für Astronomie der Universität. Jeder dieser Vorträge füllt den Hörsaal des MPIA mit Interessierten, dar- 233 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 234 unter auch jungen Leuten, möglichen Anwärtern für ein naturwissenschaftliches Studium. Neben Vorträgen in Heidelberg werden Wissenschaftler des Instituts sehr häufig zu allgemeinverständlichen Vorträgen in Planetarien, Volkshochschulen, Amateursternwarten in ganz Deutschland eingeladen. Dort treffen sie ebenfalls viele astronomiebegeisterte Schüler und Lehrer und so kann auch an universitätsfernen Orten für die Naturwissenschaften geworben werden. Die Calar-Alto-Sternwarte öffnete sich von Anfang an dem Besucherverkehr. Am Eingang wurde ein Informationszentrum mit maßstabsgetreuen Teleskop-Modellen und einem Vortragssaal für etwa 100 Besucher eingerichtet. Schulklassen aus den südlichen Provinzen Spaniens kamen regelmäßig, ebenso wie Gruppen aus Volkshochschulen und Volkssternwarten, darunter auch aus Deutschland und zusätzlich Touristen aller Länder aus den Urlaubsregionen an der Küste. Auf Anregung von Hans Elsässer erhielt das Gebäude des 3.5 m-Teleskops einen Besucherturm, der die Besuchergruppen in einen gläsernen Aussichtsraum direkt neben dem großen Teleskop leitet. Dort gibt es eine hervorragende Übersicht und es werden Störungen der Techniker bei der Tagesarbeit sowie des thermischen Kuppelklimas vermieden. Ab 1981 kamen jährlich rund 3000 Besucher zum Calar Alto. Die Sternwarte veranstaltete außerdem jährlich in Almeria eine „Astronomische Woche“ mit Vortragsreihen, die stets gut besucht waren. 6.4.2 Tage der Offenen Tür Höhepunkte der Öffentlichkeitsarbeit waren die Tage der Offenen Tür, die das MPIA in den 40 Jahren seines Bestehens fünfmal veranstaltet hat. Dabei hatten jedesmal alle Mitarbeiter des Instituts an tagelangen Vorbereitungen mitgewirkt, um Tausenden von Besuchern aus Heidelberg und Umgebung die Forschungsarbeit anschaulich nahezubringen. Die Wissenschaftler und Studenten hatten ihre Instrumente aufgebaut und erklärten Ergebnisse ihrer astronomischen Beobachtungen. Dazu gab es anschauliche Experimente, beispielsweise zur Kühlung der Instrumente mit flüssigem Stickstoff und Helium, zur Vakuumphysik, zur spektralen Zerlegung des Sonnenlichts. Die Werkstätten zeigten ihre Leistungsfähigkeit beim Bau von Präzisionsgeräten, frästen an diesem Tag aber auch „MPIA-Schlüsselanhänger“ für die jungen Gäste. Ein aufwendiges Rahmenprogramm war stets vorbereitet: Speisen und Getränke, Kinderbetreuung, Bücherverkauf, Blick durchs Fernrohr, Erste Hilfe. Die Tage der Offenen Tür waren stets auf einen Sonntag gelegt, der Königstuhl wurde zu einem begehrten Ausflugsziel, und die meisten Besucher blieben stundenlang. 234 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 235 Der erste Tag der Offenen Tür fand am 15. Juli 1979 statt. Hier wurde das neugeschaffene Institut erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt und entsprechend groß war der Andrang. Mitarbeiter am Eingang zählten die Besucher: es kamen 11 500 (Abb. 6.4-2). Schwerpunkte der Ausstellungen waren erste Ergebnisse von der Calar-Alto-Sternwarte, deren Teleskope als Modelle gezeigt wurden, und die im Bau befindlichen Beobachtungsinstrumente (Spektrometer, Kameras) für die großen Teleskope (Abb. 6.4-3). Besonderer Andrang herrschte in den Experimentierhallen, dort wurden das Original-Ballonteleskop THISBE und die Sonnensonde HELIOS als 1:1 Modell fachkundig erklärt. Für die Mitarbeiter des MPIA war das ein langer und anstrengender Tag, aber auch ein sehr glücklicher. Eine breite Öffentlichkeit interessierte sich für die Astronomie, unsere Forschung und unser Institut. Und wir erlebten eindringlich den Vorzug, hier arbeiten zu dürfen. Der zweite Tag der Offenen Tür wurde am 06. Juli 1986 veranstaltet, diesmal gemeinsam mit der benachbarten Landessternwarte. Die 600-Jahr-Feier der Heidelberger Universität Abb. 6.4-2: Am ersten Tag der Offenen Tür im Jahre 1979 warteten an einem kühlen Morgen bereits hunderte Interessierte vor dem Tor auf den Einlass. Am Ende des Tages waren 11 500 Besucher gekommen (Lemke). 235 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 236 Abb. 6.4-3: Josef Solf (links) erläutert am Tag der Offenen Tür 1979 auf dem Königstuhl den Besuchern die ersten Beobachtungsdaten von der gerade eingeweihten Calar-Alto-Sternwarte. Vorn ein Photoplatten-Betrachtungsgerät, im Hintergrund die Aufzeichnung eines Sternspektrums (MPIA). war der Anlaß. Erstmals war das Astrolabor des MPIA einbezogen, in der Westkuppel wurden Sonnenbeobachtungen angeboten, in der Ostkuppel das neue 70 cm-Teleskop vorgeführt. Es konnte das gut ausgerüstete zentrale Photolabor besichtigt werden. Vorgestellt wurden aber auch schon die ersten digitalen Bildsysteme (CCDs), die bald die Phototechnik verdrängen sollten. Filme über den Calar Alto wurden gezeigt und Bilder schöner Himmelsobjekte (Komet Halley) zum Mitnehmen verteilt. Damals kamen 5800 Besucher, weniger als beim ersten Mal, denn es gab eine große Zahl von konkurrierenden Tagen der Offenen Tür in allen Einrichtungen der Universität anlässlich ihres Jubiläumsjahres. Zum dritten Mal wurde der Tag der Offenen Tür am 12. Oktober 1997 veranstaltet. Diesmal wurden zusätzlich zur Calar-Alto-Sternwarte die Beteiligungen des MPIA an neuen Großteleskopen der 8-Meter-Klasse vorgestellt: am Large Binocular Telescope 236 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 237 (LBT) and am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte. Für letzteres war die Infrarotkamera CONICA im Bau und die fast vollendeten Original-Geräte wurden ausgestellt. Inzwischen war das europäische Infrarot-Weltraum-Observatorium ISO gestartet und das in Heidelberg entwickelte Instrument ISOPHOT war als originalgleiches Reserve-Fluginstrument zu sehen. Im Optiklabor wurde ein Laser-Interferometer vorgeführt, zur Veranschaulichung der hochauflösenden Instrumente, die für die beiden Großteleskope in den USA und in Chile vorbereitet wurden. Die Theorie-Gruppe zeigte die Simulation astrophysikalischer Prozesse: die Entstehung großräumiger Strukturen im jungen Universum und den Kannibalismus der Galaxien. Diesmal wurde der Besucherrekord erzielt: Es kamen 12500 Menschen! Viele weitere Interessenten haben es nicht geschafft, da alle Zufahrtsstraßen zum Königstuhl zugeparkt und verstopft waren. Diese unerwartet hohe Zahl von Gästen war mehr, als wir problemlos führen konnten. Überall bildeten sich Schlangen, die Menschen warteten geduldig und waren beeindruckt vom Gesehenen. Dieser dritte Tag der Offenen Tür 1997 ist einigen Mitarbeitern durch ein unerwartetes Ereignis wenige Wochen später in Erinnerung geblieben. Auf dem asphaltierten Vorplatz des Hauptgebäudes waren mit großen hellblauen Kreisen die beiden 8.4 m- Spiegel des Large Binocular Telescope (LBT) aufgezeichnet worden. Sie sollten den Besuchern den gewaltigen Zuwachs an lichtsammelnder Fläche gegenüber den ebenfalls dargestellten 2- und 3 m-Teleskopen vom Calar Alto veranschaulichen. Diese großen Kreise wurden von einem Hubschrauberpiloten am 22. November offenbar als Landemarkierungen gedeutet, er zog es wegen der Gebäudenähe aber vor, auf der benachbarten Fußballwiese zu landen. An diesem ruhigen Samstag waren nur Frank Witzel vom Technischen Dienst und Martin Haas vom ISOPHOT-Datenzentrum im Institut anwesend. Die Hubschrauberbesatzung erkundigte sich bei den beiden Herbeigeeilten, wo sie denn gelandet seien. Denn sehen konnten sie nur die kleine Sonneninsel auf der Bergspitze des Königstuhls, die aus dem Nebelmeer herausragte. Heidelberg und die Rheinebene waren, wie so oft bei herbstlichen Inversions-Wetterlagen, in dichtem Nebel eingehüllt. Deshalb war der vorgesehene Landeplatz in Heidelberg nicht erreichbar, wo Bundeskanzler Helmut Kohl und Kanzlerberater Horst Teltschik warteten. Beide waren auf dem Weg zum CSU-Parteitag in München, bei dem Theo Waigel zum Parteivorsitzenden gewählt werden sollte. Nur eine halbe Stunde nach der Landung des Kanzler-Hubschraubers auf dem Königstuhl erreichte die von der Polizei und Sicherheitsbeamten begleitete Wagenkolonne das Instituts-Gelände. Der Bundeskanzler begrüßte die MPIA-Mitarbeiter freundlichst mit Handschlag und lud die beiden kleinen Söhne von Frank Witzel ein, sich den Hubschrauber mal von innen anzuschauen (Abb. 6.4-4). Der Parteitag („Bayern stark, 237 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 238 Abb. 6.4-4: Im November 1997 landete der Hubschrauber für Bundeskanzler Kohl auf der kleinen Sonneninsel des MPIA über dem Nebelmeer der Rheinebene. Im Vordergrund Christopher Witzel (9), der vom Bundeskanzler eingeladen wurde, den Hubschrauber von innen zu besichtigen (Frank Witzel). Deutschland vorn“) wurde noch rechtzeitig erreicht und Theo Waigel wiedergewählt. Frank Witzel musste für den Rückflug am Abend nicht mehr als Fluglotse einspringen: Horst Teltschik unterrichtete ihn telefonisch, dass man nach Wetterbesserung statt über den Königstuhl über den Flugplatz Ramstein heimfliegen werde. Bereits einige Monate später wurden die blauen LBT-Kreise vor dem Hauptgebäude wieder zum Landeplatz für einen Politiker, als der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel zum 100-jährigen Jubiläum der benachbarten Landessternwarte mit dem Polizeihubschrauber ins MPIA einschwebte. Nun bestand Hans Elsässer auf der Beseitigung der Spiegelkreise und der Neuasphaltierung des Platzes. 238 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 239 Abb. 6.4-5: Am Tag der Offenen Tür 2005 wurde auch ein 6 m hohes Modell der ARIANE 5 gezeigt. Diese Rakete beförderte 2009 das Herschel-Weltraum-Observatorium mit Beiträgen des MPIA ins Weltall (MPIA). Zum vierten Tag der Offenen Tür lud das Institut am 25. September 2005 ein (Abb. 6.4-5). Wieder wurden im Freigelände die beiden 8.4 m-Spiegel des LBT veranschaulicht, dieses Mal aber asphaltschonend mit blauem Filzteppich. LINC-NIRVANA, ein Infrarot-Interferometer für das LBT, war – soweit bereits fertiggestellt – in der Montagehalle aufgebaut. Es ist das größte je am MPIA gebaute astronomische Instrument. Dieses Mal wurden auch ferngesteuerte Beobachtungen am Calar Alto durchgeführt. Per Mausklick auf dem Königstuhl wurde das 225 Tonnen schwere 3.5 m-Teleskop bewegt, überprüfbar mittels der über Satelliten übertragenen Bilder. Auch für die jüngsten Besucher gab es Experimente zum Selbermachen. Mit einer Wasserrakete konnte ausprobiert werden, mit welcher Füllmenge „Treibstoff“ die größte Flughöhe (~ 35 m) erreicht werden konnte. Dieses Mal empfing das MPIA 5000 Besucher (Abb. 6.4-6). 239 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 240 Abb. 6.4-6: Der Abend eines langen Tages: Tausende Besucher mussten informiert, geführt, erfrischt und gezählt werden. Mitgewirkt haben (von links nach rechts) Doris Anders, Hannelore Heissler, Ingrid Apfel, Karin Meissner, Susanne Koltes-Al-Zoubi (Lemke). Zum fünften Mal wurde der Tag der Offenen Tür am 17. Mai 2009 veranstaltet. Anlass war das „Jahr der Astronomie 2009“. Nur drei Tage vorher hatte die ESA ihr bisher größtes Weltraumobservatorium Herschel gestartet, an dessen Instrumentierung das MPIA seit Jahren mitgearbeitet hatte. Die großen Modelle des Satelliten und der Startrakete Ariane 5 fanden reges Interesse, ebenso wie die Filme vom Start in Kourou. Weiterhin wurden die gegenwärtig vom Institut entwickelten Instrumente für das James Webb Space Telescope (JWST) gezeigt, den Nachfolger von Hubble. Im Außengelände wurden die beim letzten Mal noch groß scheinenden 8.4 m-Spiegelteppiche vom 42 m-Hauptspiegel-Kreis des Europäischen Extremely Large Telescope (E-ELT) weit übertroffen. Im 240 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 241 Elektroniklabor konnten die neuesten Techniken für den Bau von komplexen Steuerund Datenerfassungs-Geräten besichtigt werden: von programmierbaren Logikbausteinen über die Fertigung von Platinen mit Ball-Grid-Technik bis zum Aufbau modernster Schaltschränke. Den Besuchern wurde ein Vortragsprogramm angeboten, das im halbstündlichen Wechsel zu stets vollbesetztem Hörsaal führte. Dieses Mal kamen 4700 Besucher. Diese Zahl wurde als ideal empfunden. Alle Ausstellungen und Vorführungen waren sehr gut besucht, aber es herrschte nicht die drangvolle Enge wie an den Tagen mit Besucherrekorden. Von den Gästen gab es Lob und Dank für einen entspannten und lehrreichen Tag, der insbesondere für viele Familien mit Kindern zu einem aufregenden und unterhaltsamen Wissenschafts-Abenteuer wurde. 6.5 Die Zeitschrift „Sterne und Weltraum“ und das Haus der Astronomie Der Name dieser größten allgemeinverständlichen Zeitschrift für die Astronomie im deutschsprachigen Raum ist untrennbar mit dem Max-Planck-Institut für Astronomie verbunden. Im Institut arbeitet die Redaktion, hier hat sie Zugang zur neuesten Forschung, zahlreiche Wissenschaftler des MPIA schreiben für „SuW“ über ihre Arbeit. Entstanden ist die Zeitschrift im Jahre 1962 unter wesentlicher Beteiligung des späteren Gründungsdirektors des MPIA, Hans Elsässer. Er war mit 33 Jahren gerade Direktor der Landessternwarte geworden und fand dort mit dem Observator Karl Schaifers einen geeigneten Redakteur und Mitherausgeber für die Zeitschriften-Gründung. Rudolf Kühn, der mit einer Fernsehserie zur Astronomie im Bayerischen Rundfunk hervorgetreten war, gehörte ebenfalls zu den Gründungsvätern. Günter D. Roth wirkte als Vertreter der Amateurastronomen mit. Den Titel „Sterne und Weltraum“ steuerte Theodor SchmidtKaler von der Universität Bonn bei. Die Redaktion war anfangs in der Landessternwarte angesiedelt. Verlegt wurde SuW damals im Bibliographischen Institut Mannheim, das durch die dort beheimatete DudenRedaktion einen bekannten Namen hatte. Das erste Heft erschien im April 1962 und ab diesem Zeitpunkt monatlich, mit einem Zweimonatsheft im Sommer. Das war harte Arbeit für eine Ein-Mann-Redaktion und wenige Nebenbeschäftigte. Die Hefte waren anfangs 32 Seiten stark und schwarz-weiß bebildert. Die Startauflage betrug 1500 Exemplare. Elsässer und die Herausgeber verfolgten zwei Ziele: erstens, die Begeisterung junger Leute für eine Berufswahl in der Astronomie zur Behebung des Nachwuchsmangels und, 241 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 242 STERNE UND WELTRAUM WELT TRAUM \ $!,%52À#(#(& ASTRONOMIEHEUTEDE &ERNE0LANETEN UNDDER5RSPRUNGUNSERES3ONNENSYSTEMS $ $ %&3'"--("-*-&* % & 3 '" " - - (" - * - & * 16-4"3*.,3&#4/&#&1 6 - 4" 3 * . , 3 & # 4 / & # & - 3&%4)*'5 3 & % 4 )* ' 5 13&.*6. 1 3&.*6. #"6."3 # "6 ."3 ,55&-&4 , 5 5 & -& 4 ,01 ,0 1 "MUUFS,POGMJLU "MUFS,POGMJLU BBVTIFVUJHFS4JDIU VTIFVUJHFS4JDIU (BNNBCMJU[F BVT (BNNBCMJU[FBVT EEFS&OFSHJFTDIMFVEFS FS&OFSHJFTDIMFVEFS 7JSUVFMMFT6OJWFSTVN 7JSUVFMMFT6OJWFSTVN EEFS0CFSLMBTTF FS0CFSLMBTTF 1SFJTXFSUFS#BTUFMTTQB 1SFJTXFSUFS#BTUFMTQB GGSKVOHF4UFSOHVDLFS S KVOHF 4UFSOHVDLFS Abb. 6.5-1: Titelbilder der Zeitschrift „Sterne und Weltraum“, im Gründungsjahr der Zeitschrift und im Jahre 2009 (SuW). zweitens, das Berichten für eine breite Öffentlichkeit, die als Steuerzahler die astronomische Forschung ermöglicht. Die Machart von SuW war von Anfang an und blieb bis heute anders als bei vielen populärwissenschaftlichen Zeitschriften. Während in letzteren oft Wissenschaftsjournalisten mit Neigung zur Vereinfachung und zum Spektakulären schreiben, kommen bei SuW Wissenschaftler auf ihrem Fachgebiet zu Wort. Gute Verständlichkeit der Beiträge ist dabei ein Leitfaden der Zeitschrift. Darüber hinaus berichten Amateure, die ihre Liebhaberei ernsthaft und wissenschaftsnah betreiben, über ihre eigene Arbeit. Das macht die Zeitschrift anspruchsvoller und glaubwürdiger, sie ist zum schnellen Überfliegen wenig geeignet. Nach Elsässers Wechsel von der Landessternwarte an die Spitze des neuen MPIA folgte im Jahre 1982 auch der Wechsel der Redaktion an das neue Institut. Inzwischen hatte 242 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 243 das Bibliographische Institut SuW abgegeben („zu unwirtschaftlich“) und die Zeitschrift erschien in einem eigenen Verlag bei einem der Herausgeber, Dr. Hans Vehrenberg, der in Düsseldorf bereits den Treugesell-Verlag betrieb. Ab 1982 führten die vier Herausgeber als Gesellschafter gemeinsam den Verlag, die Geschäftsführung hatte Günter D. Roth in München. Unter dem neuen Redakteur Jakob Staude am MPIA stieg die Auflage von SuW von ~ 5000 im Jahre 1982 auf ~ 11000 im Jahre 1993. Damit konnte die Zeitschrift an einen größeren Verlag technisch-wissenschaftlicher Literatur, den Hüthig-Verlag in Heidelberg, verkauft werden. In Folge der Wiedervereinigung Deutschlands ging im Jahre 1997 die in Leipzig erschienene (und inzwischen zur Hüthig-Verlagsgruppe gehörende) Zeitschrift „Die Sterne“ in SuW auf. Werner Pfau aus Jena und Anneliese Schnell aus Wien wurden damals zu weiteren Herausgebern. Im Jahre 2001 erfolgte ein erneuter Wechsel, vom Hüthig-Verlag zum Verlag „Spektrum der Wissenschaft“ in Heidelberg. Dort war SuW noch besser beheimatet, denn „Spektrum“ beherrschte die Produktion und den Vertrieb anspruchsvoller populärwissenschaftlicher Zeitschriften. „Sterne und Weltraum“ wurde nun auch deutschlandweit in Bahnhofsbuchhandlungen erhältlich. Seither erscheinen zwölf Hefte pro Jahr und die monatlich verkaufte Auflage liegt bei 20000. Der Umfang der Hefte wurde im Laufe der Jahre auf über 100 Farbseiten gesteigert, so dass ein weites Feld abgedeckt werden kann: von der internationalen astronomischen Forschung bis zur Geschichte der Astronomie, von Weltraummissionen bis zu Hinweisen für Beobachter und der Besprechung neuer astronomischer Bücher. Die Chefredaktion wechselte im Jahre 2008 von Jakob Staude zu Uwe Reichert, der von drei Redakteuren unterstützt wird, und Staude wechselte zu den Herausgebern. Wirtschaftlich ist SuW seit der Beheimatung am MPIA unabhängig, der Verlag finanziert die Redaktion und zahlt für die Redaktionsräume am Institut eine Miete. Von SuW gingen mehrere Initiativen zur weiteren Verbreitung astronomischer Kenntnisse aus. In einer Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk wurde die Fernsehserie „alpha Centauri“ mit Harald Lesch geschaffen. Nach dem PISA-Schock vom Jahre 2001 (geringes Interesse der Schüler an den Naturwissenschaften) begann das Schulprojekt „Wissenschaft in die Schulen!“ Lehrern wird seither didaktisch aufbereitetes astrophysikalisches Material angeboten. Damit können sie tagesaktuelle Themen aus der Forschung in den laufenden Physikunterricht einbauen. Das hat in vielen Schulklassen im ganzen deutschsprachigen Raum zu verstärktem Interesse an den Naturwissenschaften geführt. Damit wird eine der Lebensgrundlagen unseres rohstoffarmen hochtechnologischen Landes gestärkt. Vorläufige Krönung der Bemühungen zur Förderung des Nachwuchses und der Öffentlichkeitsarbeit ist die Schaffung des „Hauses der Astronomie“ (HdA). Hier sollen Lehrer, Schüler, die Medien und jeder Interessierte aus dem deutschen Süd- 243 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 244 Abb. 6.5-2: Vorbereitungen zum Bau des „Hauses der Astronomie“ auf dem Gelände des MPIA im Herbst 2009 (Lemke). westen Fortbildungskurse, Praktika und Vorträge zu aktuellen Themen aus der Astronomie erleben können. Damit wird an die seit Jahrzehnten vom MPIA und der Universität gemeinsam veranstalteten Lehrerfortbildungskurse angeknüpft, die in der neuen Einrichtung fortgeführt werden. Auch an der Ausbildung der Lehramtsstudenten der Universität ist das Haus der Astronomie beteiligt. Es wird auf dem Institutsgelände des MPIA auf dem Königstuhl errichtet, die Arbeiten dazu haben im Herbst 2009 begonnen (Abb. 6.5-2 bis 6.5-4). Im neuen Gebäude mit seiner Spiralgalaxien-Architektur spiegeln sich auch die Ideen der Gründungsväter von SuW wider: Förderung der Nachwuchses in den Naturwissenschaften und Einblick in die Forschung für den interessierten Steuerzahler. 244 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 245 Abb. 6.5-3: Symbolischer Erster Spatenstich für das „Haus der Astronomie“. Es schaufeln die Ehrengäste der Stadt Heidelberg, der Universität, der Max-Planck-Gesellschaft und der Klaus Tschira Stiftung. In der Mitte Thomas Henning, Geschäftsführender Direktor des MPIA. Auf dem Baustellenschild erkennt man das Gebäude in der Form einer Spiralgalaxie (Lemke). Ermöglicht wird der Bau durch die großzügige Förderung der Klaus Tschira Stiftung. Die Zeitschrift bleibt eingebettet in ein aktives Forschungsumfeld, dafür sorgen auch die neuen Herausgeber Thomas Henning und Matthias Bartelmann, Direktoren am MPIA beziehungsweise am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg. „Sterne und Weltraum“ hätte sich nirgendwo anders ähnlich erfolgreich entwickeln können wie am MPIA in Heidelberg. 245 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 246 Abb. 6.5-4: Schnittbild des Hauses der Astronomie. Der Hörsaal mit der kuppelförmigen Projektionsfläche hat einhundert Sitzplätze (Architekten Bernhardt & Partner). 6.6 Astronomische Forschung an weiteren Heidelberger Instituten Heidelberg hat deutschlandweit den höchsten Anteil von in der Astronomie tätigen Personen an der Gesamtbevölkerung: hier ist es jeder 300ste, in Deutschland nur jeder 100000ste. Neben dem MPIA (Kapitel 2 bis 7) und der Landessternwarte (Kapitel 8) gibt es vier weitere bedeutende Forschungsstätten, die hier kurz vorgestellt werden sollen. Näheres zu diesen Instituten erfährt man über ihre Internetseiten, bei Besucherführungen oder aus ihren regelmäßigen Jahresberichten. Astronomisches Rechen-Institut (ARI) Es wurde 1945 in Heidelberg als Landesinstitut angesiedelt, zunächst in der Altstadt in der Nähe der Universität. 1957 wurde der Neubau im Stadtteil Neuenheim bezogen (Abb. 6.6-1). Gegründet worden war das Institut bereits im Jahre 1700 in Berlin, wo es 246 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 247 Abb. 6.6-1: Der Neubau des Astronomischen Rechen-Institutes (ARI) in der Mönchhofstraße. Das ARI ist jetzt Teilinstitut des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (Lemke). vom Kurfürsten Friedrich III. mit dem Privileg zur Herausgabe von Kalendern in Preußen ausgestattet wurde. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges für die Marine tätig, wurde das ARI 1944 aus dem bombenbedrohten Berlin in die Nähe von Grimma (Sachsen) verlegt. Von dort verlagerten es amerikanische Truppen nach der vorübergehenden Besetzung von West-Sachsen 1945 an den Standort ihres Hauptquartiers in Heidelberg. In Heidelberg hat das Institut vor allem auf dem Gebiet der Astrometrie (Verteilung, Entfernung und Bewegung der Sterne in der Milchstraße) gearbeitet und bedeutende Fundamentalkataloge herausgegeben. Es war entscheidend am europäischen Astrometrie-Satelliten HIPPARCOS beteiligt und bereitet jetzt dessen Nachfolgemission GAIA vor. In jüngster Zeit arbeitet das Institut auch an der Erforschung extrasolarer Planeten 247 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 248 und Nachbargalaxien der Milchstraße (Eva Grebel, Joachim Wambsganss). Der Direktor der Jahre 1955 – 1985, Walter Fricke, war wesentlich an der Gründung des MPIA beteiligt (siehe auch 2.3). Institut für Theoretische Astrophysik (ITA) Auf Bemühungen von Walter Fricke und Hans Elsässer zurückgehend, wurde 1964 in Heidelberg der Lehrstuhl für Theoretische Astrophysik geschaffen. Der erste Ordinarius, Karl-Heinz Böhm, setzte hier gemeinsam mit seiner Frau Erika Böhm-Vitense die Arbei- Abb. 6.6-2: Die Villa „Bergius“ in der Albert-Überle-Straße beherbergt das Institut für Theoretische Astrophysik (ITA), Teilinstitut des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (Lemke). 248 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 249 ten der berühmten „Kieler Schule“ auf dem Gebiet der Sternatmosphären (Albrecht Unsöld) fort. Nach dem Abgang des Forscher-Ehepaares Böhm durch Berufung an die Universität in Seattle in den USA im Jahre 1968, leitete Gerhard Traving das Institut. In den Folgejahren wuchs das Institut durch Fördermittel aus Sonderforschungsbereichen und konnte seine wissenschaftlichen Aktivitäten passend zu anderen Heidelberger Arbeitsgebieten ausweiten, so beispielsweise zum kosmischen Staub und der Astrochemie. Nach mehreren Behelfsunterkünften in den Anfangsjahren verfügt das ITA seit 2003 über ein eigenes Institutsgebäude in einer Villa im Stadtteil Neuenheim (Abb. 6.6-2). In den letzten Jahren haben sich die Forschungsarbeiten stark erweitert und umfassen Kosmologie (Matthias Bartelmann), als gemeinsames Interessengebiet mit dem benachbarten Institut für Theoretische Physik und dem MPIA, außerdem Galaxienhaufen und Sternentstehung (Ralf Klessen). Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) Das Max-Planck-Institut für Kernphysik ist aus dem von Walther Bothe geleiteten Institut für Physik im Heidelberger Max-Planck-Institut für medizinische Forschung hervorgegangen. Nach Bothes Tod im Jahre 1957 wurde sein Teilinstitut ausgegliedert und als eigenständiges MPI für Kernphysik ab 1960 am Bierhelderhof neu aufgebaut (Abb. 6.6-3). Der Gründungsdirektor Wolfgang Gentner (ab 1958) hatte stets auch Nachbargebiete der Kernphysik im Auge, so die Elementverteilung und Isotopenhäufigkeiten in Meteoriten, Altersbestimmungen mit Methoden des radioaktiven Zerfalls und die Massenspektroskopie von Edelgasen. Leiter einer entsprechenden Abteilung für Kosmochemie wurde anfangs Josef Zähringer, der dem Institut durch die Untersuchung und Ausstellung des 1969 von der NASA zur Verfügung gestellten Mondgesteins in Heidelberg große Bekanntheit einbrachte. Auch die „Staubgruppe“ (Hugo Fechtig) gehörte zu den international führenden Abteilungen und war auf vielen Sonden im Planetensystem mit Staubdetektoren vertreten. Hier ergänzten sich die Interessen mit denen der Zodiakallicht-Forscher am MPIA. Die „Infrarotgruppe“ (Heinz Völk) bearbeitete zusammen mit dem MPIA Daten des europäischen Infrarot-Weltraum-Observatoriums ISO. In den letzten Jahren erreichten die Astroteilchenphysiker des MPIK weltweit beachtete Erfolge. Sie führten das Gallex-Experiment durch, mit dem das Rätsel der „fehlenden“ Neutrinos von der Sonne gelöst wurde (die Neutrinos verändern periodisch ihre Erscheinungsform). Mit dem HESS-Teleskop, einem aus vier 12 m-Teleskopen bestehenden „Tscherenkow“Stereo-Teleskop am Fuße des Gamsberges in Namibia, gelang ein Durchbruch in der 249 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 250 Abb. 6.6-3: Das Max-Planck-Institut für Kernphysik am Saupfercheckweg in Heidelberg erforscht in einer Abteilung Staub und Gas im Kosmos (MPIK). Gammastrahlen-Astronomie. Erstmals können ferne Galaxien und Objekte in der Milchstraße im Lichte der hochenergetischen Gammastrahlung (Tera-Elektronen-Volt) mit guter räumlicher Auflösung abgebildet werden. Eine Arbeitsgruppe für Astrochemie nutzt einen Schwerionen-Speicherring, um die Molekülbildung in interstellaren Wolken zu simulieren, siehe dazu Abb. 9.4.10. Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) Die beiden in diesem Kapitel erstgenannten Institute (ARI und ITA) und die Landessternwarte (LSW) wurden im Jahre 2005 formal zu einem Institut zusammengelegt: dem Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH). Die Landesregierung 250 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 251 Baden-Württemberg konnte sich mit diesem Plan zur Konzentration durchsetzen, da sie alle drei Institute finanziert. Das ZAH besteht aus drei Teilinstituten an den „alten“ Standorten mit einem turnusmäßig wechselnden Geschäftsführenden Direktor. Neben den Max-Planck-Instituten in München, Garching, Bonn und Heidelberg ist das ZAH das größte astronomische Forschungsinstitut in Deutschland mit acht Professorenstellen und 100 Wissenschaftlern und Studenten. Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) Ab 2010 soll in dieser zur Klaus Tschira Stiftung gehörenden Einrichtung auch eine Arbeitsgruppe für Theoretische Astrophysik moderne Super-Rechner zur Erforschung von Fragen wie der Strukturbildung im Universum nutzen können. Das multidisziplinäre Institut wird über Professuren (Volker Springel) mit der Universität verbunden sein. Es wurde neben der Villa Bosch errichtet (Kapitel 2.4.2). 251 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 252 7 Ein Ausblick: Das kommende Jahrzehnt Gespräch mit den Direktoren Thomas Henning und Hans-Walter Rix In den 40 Jahren seines Bestehens war das Max-Planck-Institut für Astronomie ständigem Wandel unterworfen. Generationswechsel in der Leitung, Technologiewandel, Globalisierung in der Wissenschaft und ihrer Infrastrukturen, politische Änderungen und wissenschaftlicher Fortschritt haben zu dauernder Erneuerung veranlasst. Wie werden wir das nächste Jahrzehnt bis zum 50. Institutsgeburtstag im Jahre 2019 erleben? Dazu befragte der Verfasser dieses Buches im November 2009 die beiden Direktoren Thomas Henning (zu der Zeit geschäftsführend) und Hans-Walter Rix, siehe Abb. 7.3. Sie gaben Auskunft zu den Forschungszielen für die nächsten Jahre und den Wegen zu ihrem Erreichen. Auch Fragen nach den voraussichtlichen langfristigen Entwicklungen in der Astronomie wurden angesprochen. Lemke: In den ersten 25 Jahren unserer Institutsgeschichte spielte der Calar Alto die zentrale Rolle: Aufbau, Nutzung und die Bereitstellung der Sternwarte für andere deutsche und spanische Institute. Inzwischen haben wir uns von dort teilweise zurückgezogen. Welche Bedeutung wird der Calar Alto in der Zukunft für dieses Institut haben? Henning: Das Calar-Alto-Observatorium wurde gegründet, um die damals relativ schlechte Situation der Astronomie in Deutschland zu verändern und insbesondere den Mangel an Teleskopzeit für die gesamte deutsche Community zu beseitigen. Seit der Gründung des Calar Alto hat es verschiedene Entwicklungen gegeben, die diese Randbedingung vollständig geändert haben. Hierzu zählen sowohl die Europäische Südsternwarte ESO, als auch der Zugang zu Weltraumteleskopen. Seit etwa dem Jahr 2000 hat die Etablierung zweier wissenschaftlicher Abteilungen im Institut zu einer generellen Umstrukturierung geführt. Man muss sich jetzt fragen, woher die Beobachtungsdaten für die wissenschaftlichen Arbeiten am Institut kommen. Und es zeigt sich, dass diese Beobachtungsdaten auf der einen Seite von solchen Weltraumteleskopen wie Spitzer oder Hubble kommen, auf der anderen Seite sehr stark von Teleskopen der ESO, aber 252 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 253 Abb. 7.3: In einem Gespräch im November 2009 erläutern die beiden Direktoren des MPIA, Thomas Henning und Hans-Walter Rix (v.l.n.r) dem Verfasser ihre Zukunftsvorstellungen für das Institut (Klaus Jäger). auch von anderen 8 m-Teleskopen. Die faktische Rolle des Calar Alto für das Institut hat damit abgenommen und wird mit Sicherheit auch weiterhin abnehmen. Rix: Für die Zukunft würde ich vermuten, dass der Calar Alto noch zwei ziemlich große wissenschaftliche Projekte machen wird, die aber nur einzelne Gruppen betreffen. Vielleicht eines mit der Infrarotkamera PANIC, und vielleicht eines mit einem neuen Instrument. In den nächsten Jahren wird der Calar Alto darüber hinaus noch eine Datenquelle für das Institut sein, wo man beispielsweise mal ein Spektrum holt. Bis zum Ende des kommenden Jahrzehnts wird der Calar Alto seine Bedeutung für das MPIA ganz verloren haben. Bei einer gesamten Lebensdauer der Einrichtung von über 40 Jahren, erscheint das ganz sinnvoll. 253 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 254 Lemke: Also könnte es sein, dass wir uns beim 50-jährigen Institutsgeburtstag aus dem Calar Alto ganz zurückgezogen haben? Henning: Das ist sehr wahrscheinlich. Rix: Ja. Lemke: Wir kommen auf den Calar Alto sicher noch einmal zurück, im Zusammenhang mit der Bedeutung von mittelgroßen Teleskopen. Vorher wollte ich Sie fragen: Wie sehen Sie die Zukunft der Astronomie im kommenden Jahrzehnt? Was sind die großen Fragen und an welchen wird unser Institut mitarbeiten? Rix: Der Mainstream der nächsten Dekade ist verschiedentlich dokumentiert worden, sowohl in einer deutschen, danach auch in einer europäischen Denkschrift. Es dreht sich um die verschiedenen Varianten des Themas „Ursprünge“: Ursprünge des Universums, Ursprünge der Struktur im Universum, und natürlich die Frage der Entstehung der ersten Sterne und Exoplaneten. Mir macht es manchmal Sorge, dass ein Mainstream so offiziell dokumentiert wird. Auf der Seite der Galaxien und Kosmologie denke ich, dass für uns in den nächsten 5 bis 10 Jahren die großen Themen sein werden: die Milchstraße als Modell-Organismus, um Galaxien zu verstehen, und das mit Hilfe der bodengebundenen Surveys, aber auch mit GAIA. Auf der anderen Seite Beobachtungen, die zu den Frühzeiten des Universums zurückschauen, das heißt die Galaxienentwicklung direkt verfolgen. Für die Fragen: „Warum gibt es Schwarze Löcher?“, „Warum schaut die Galaxienpopulation so geordnet aus?“ wird die Kombination aus den neuen Surveys von Pan-STARRS, LBT, ESO, aber auch ALMA, JWST und Herschel Antworten liefern. Sie versprechen eine Daten- und Informationsflut, so dass wir in 5 bis 10 Jahren nicht nur sehen, sondern vielleicht auch verstehen, warum Galaxien so aussehen, wie sie das tun. Lemke: Die großen Fragen, wie sie in den Denkschriften niedergeschrieben sind, haben einen sehr umfassenden Anspruch: Wie entstand das Universum? Was sind Dunkle Materie und Dunkle Energie? Aber die tägliche Arbeit orientiert sich ja an konkreten Beobachtungen, beispielsweise von Quasaren in bestimmten Entwicklungsstadien. Wo wird unser Institut im nächsten Jahrzehnt tatsächlich aktiv sein? Rix: Ich sollte vielleicht vorher sagen, wo wir wahrscheinlich nicht aktiv sein werden. Ich sehe im Moment, dass die Dunkle Energie grundsätzlich extrem interessant ist. Aber die einzige Möglichkeit, Neues über sie zu lernen, ist mit Mega-Projekten, deren Ergebnis unsicher ist. Unter Umständen muss man den Aufwand eines Jahrzehnt und von 100 254 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 255 Leuten erbringen, ohne viel gelernt zu haben. Deswegen ist mein persönliches Denken, dass man das anderen überlassen soll, auch wenn sie vielleicht was Tolles herausfinden werden. Ich glaube konkret, dass wir herausfinden können, aus wie vielen Einzelteilen und in wie vielen Episoden unsere Milchstraße zusammengesetzt wurde. Das ist ein Punkt, der sehr konkret ist. Und ich glaube auch, dass wir spätestens durch die Kombination von ALMA- und JWST-Beobachtungen verstehen können, was die sehr intensive Sternenstehung und das Schwarze-Loch-Wachstum bei hohen Rotverschiebungen miteinander zu tun haben. Lemke: Das war jetzt der extragalaktische Teil. Und wie sieht es im Bereich Sterne und Planeten aus? Henning: Mir scheint es immer problematisch zu sein, wenn man eine ganze Wissenschaft nur auf Schlagwörter reduziert. Zu diesen Schlagwörtern in der Astrophysik gehören gegenwärtig „Bewohnbare Planeten“. Die Frage ist, gibt es Raum für weitere überraschende Entdeckungen, die wir jetzt gar nicht prophezeien können? In unserem Feld ist eine spannende Frage: „Wie können wir die Entstehungsorte der Planeten in protoplanetaren Scheiben mit den Populationen von Planeten, wie wir sie beobachten, verbinden?“ Und da wird der wesentliche Zugang in zwei Richtungen stattfinden. Auf der einen Seite haben wir bisher nicht viel über das Gas in den protoplanetaren Scheiben gelernt. Mit der Empfindlichkeit und dem Auflösungsvermögen von ALMA und JWST wird man da wesentliche Fortschritte erreichen können. Auch das E-ELT wird eine ganz besondere Rolle spielen. Da ist unser Institut sehr gut aufgestellt, weil es genau an diesen Instrumentierungs-Projekten teilnimmt. Mit numerischen Untersuchungen wird man dann die Anfangsbedingungen über die Entstehungsszenarien mit den beobachteten Planeteneigenschaften verknüpfen. Ein weiteres Thema, das für unsere Abteilung eine große Rolle spielt und bei dem es einen Überlapp mit der anderen Abteilung gibt, ist das der Entstehung massereicher Sterne in unserer Galaxie und in extragalaktischen Systemen. Dies sollte dann mit der Frage verknüpft werden, wie solche Sterne im frühen Universum entstanden sind. Das ist ein Feld, das ich persönlich als sehr spannend empfinde, wo wir aber gegenwärtig noch nicht aktiv genug sind. Ein weiteres interessantes Thema für unser Forschungsgebiet ist herauszufinden, wie die Atmosphären von Planeten zusammengesetzt sind. Gegenwärtig können wir das nur für ausgewählte Riesenplaneten untersuchen. Aber das Ziel ist natürlich, das für erdähnliche Planeten zu machen. Das kann man in den nächsten 10 Jahren schaffen. 255 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 256 Lemke: Sie haben bei den wissenschaftlichen Fragen immer wieder erwähnt, dass bestimmte Instrumente dafür wichtig sind. Die würde ich gerne jetzt ansprechen. Rix: Können wir noch eine Bemerkung machen, bevor wir zu Instrumenten gehen? Ich glaube, die Planbarkeit des Fortschritts ist sehr gering. Das Bild, das ich so habe, hat den Problemberg vor sich: Jeder hämmert dran herum, und man kann geschickt sein, die Schwachstellen zu finden, aber wer löst den Erdrutsch aus? Das hat eine große stochastische Komponente. Und deswegen glaube ich, ist es wichtig, wirklich gute Leute hier am Institut zu versammeln, die kreativ und auch mutig sind. Zu hoffen, dass einer von denen einen Erdrutsch auslöst, ist für uns beide ein sehr wichtiger Teil der wissenschaftlichen Zukunftsplanung. Aber jetzt zu ihren Instrumenten. Lemke: Zunächst einmal zu den mittelgroßen Teleskopen, wie es sie noch am Calar Alto gibt, 2 – 4 m-Klasse. Dort spielten in der Vergangenheit Durchmusterungen eine sehr erfolgreiche Rolle. In der neuesten Denkschrift der Forschungsgemeinschaft wird der Calar Alto noch dringend empfohlen für schnellen Zugriff, für langdauernde Programme, für technologische Entwicklungen. Wie sehen sie die Bedeutung dieser mittelgroßen Teleskope bei all den Programmen, die Sie angesprochen haben? Rix: In den letzten 10 Jahren sind hier am Institut viele der allerwichtigsten Veröffentlichungen von einem 2.5 m-Teleskop gekommen, dem Sloan-Teleskop (Abb. 7.1). Das Sloan-Teleskop hat letzte Woche hunderttausend Zitate erreicht. Was man daraus lernen kann ist, dass ein mittelgroßes Teleskop, das von vornherein als ein Physikexperiment mit einer dezidierten Beobachtungsmission entworfen worden ist, und wo man dann auch die Manpower und die Ausdauer zur Verfügung hat, dass das zu Durchbrüchen führen kann. Wenn man clever genug ist und das als einzigen Fokus hat, dann kann man ganz tolle Sachen damit machen. Woran es nicht nur beim Calar Alto, aber bei vielen anderen mittelgroßen Teleskopen krankt, ist die Kombination, dass sie mittelgroß und zweite Priorität sind. Das beeinflusst tatsächlich die wissenschaftliche Produktivität mehr als die Größe des Teleskops an sich. Henning: Zunächst muss man auch klären, was man unter mittelgroß versteht. Ich war vor kurzem bei der Eröffnung des Grantecan-Teleskops. Da wurde die Stellung der 8 mTeleskope in der Ära der 30 m-Teleskope diskutiert. Unterdessen gibt es sehr viele 8 mNächte in der Welt der Astronomie. Das mittelgroße Teleskop in der Zukunft ist vielleicht gar nicht mehr das 4 m-Teleskop, sondern möglicherweise das 8 m-Teleskop. In der gegenwärtigen Phase denke ich, dass 4 m-Teleskope zwei Vorteile haben können. Einmal, wenn man Projekte hat, die sehr viel Zeit benötigen, d.h. 5 Jahre nur ein Teleskop. Das 256 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 257 Abb. 7.1: Das 2.5 m-Teleskop des Sloan Digital Sky Surveys am Apache Peak in New Mexico (Sloan). ist an einem 8 m-Teleskop schwer zu schaffen, beispielsweise eine lang andauernde Radialgeschwindigkeits-Messung vieler Planeten. Der andere Vorteil kann immer noch sein, dass man ein größeres Gesichtsfeld als bei einem 8 m-Teleskop bekommt, wenn man es nicht dezidiert dafür baut. Als nächstes müssen spektroskopische Surveys gemacht werden. Aber muss man dafür nicht eigentlich ein spezialisiertes Teleskop bauen? Die vorhandenen Teleskope sind für solche Surveys nicht immer optimal konstruiert. Lemke: Ist unser 2,2 m-Teleskop auf La Silla im Zusammenspiel mit dem Wide FieldImager nicht auch ein gutes Beispiel für die Erfolgsgeschichte eines mittelgroßen Teleskops mit einer ganz konkreten Aufgabe? Rix: Der Wide Field-Imager wurde für Combo 17 gebaut. Tatsächlich ist es in den letzten 10 Jahren im extragalaktischen Bereich eines von zwei oder drei Flaggschiff-Projekten geworden. Man kann jeden extragalaktischen Astronomen in der Welt fragen, die 257 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 258 kennen Combo 17. Wo es auch wichtig und das 2.2 m-Teleskop wertvoll ist: Es ist für Studenten emotional wichtig, ihren eigenen Datensatz zu gewinnen und den nicht nur irgendwo runterzuladen. Für Studenten ist es schön, mal den End-to-End-Prozess, vom Datenaufnehmen bis zur Veröffentlichung, selber durchzuführen. Henning: In letzter Zeit ist es seltener geworden, dass wirklich sehr große kohärente Projekte an dem 2.2 m-Teleskop durchgeführt werden, in dem Sinne, dass das Teleskop nur für ein Projekt zur Verfügung steht. Und das hat dazu geführt, dass wir realisiert haben, dass wir eigentlich an dem Teleskop zu wenig Zeit haben. Jetzt haben wir das Teleskop faktisch vollständig wieder in MPG-Hände übernommen, weil nur dann auch wirklich große Projekte möglich sind. Aber Combo 17 hat auch gezeigt, dass es nicht ausreicht, nur ein großes Projekt ausführen zu wollen, sondern man muss auch bereit sein, die notwendige Manpower hineinzustecken, um es zum Erfolg zu führen. Das war am Anfang durchaus ein holpriger Weg. Erst als man gemerkt hat, dass man viel Manpower aufbringen muss, und dies auch geschehen ist, wurde es ein Erfolg. Und das ist ein Problem bei manchen Ideen für die 4 m-Teleskope, dass man sagt: „Ok, wir machen das.“ Wenn man solche Projekte angeht, dann muss man es halt richtig machen. Und das bedeutet, enorme Ressourcen im Institut auf ein oder zwei Projekte zu setzen. Das muss man sich genau überlegen, ob man die wirklich zur Verfügung hat, und ob man im Vergleich mit der Konkurrenz schnell genug ist. Rix: Und bei Sloan muss man auch daran denken, 50 Millionen Dollar wurden aufgewandt über die Hardware hinaus, um tatsächlich den Strom vom Photon bis zum Katalogeintrag glatt hinzukriegen. Und ich glaube, das zählt sehr viel mehr als das 2 m-Teleskop. Lemke: Sie sagten, das 2.2 m-Teleskop in La Silla, das wollen wir doch bei der MPG behalten. Es ist ein Zwilling vom Calar Alto 2.2 m-Teleskop. Hängt die erkennbare Vorliebe für La Silla damit zusammen, dass dort das Wetter besser ist, oder dass wir dort durch die ESO eine bessere Infrastruktur haben? Rix: Das Wetter ist besser, der Betrieb ist um den Faktor 10 billiger und es ist eingebettet in eine Organisation, die ESO. Wegen der Infrastruktur tritt Kopfschmerz bei uns nicht auf. Die drei Argumente machen es zu einer sehr befriedigenden Erfahrung. Henning: Die Frage ist natürlich, ob in 5 Jahren noch derselbe Gesichtspunkt gilt. Beim 2.2 m-Teleskop ist es auch so, dass 3 gut funktionierende Instrumente am Teleskop sind, die uns sehr interessieren. Aber nehmen wir einmal an, eines der Instrumente würde nicht 258 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 259 mehr funktionieren und man würde vor der Aufgabe stehen, es durch ein neues Instrument zu ersetzen, dann stellt sich die Frage wieder anders. Lemke: Als Ergänzung und teilweisen Ersatz für den Calar Alto kam das LBT. Dort ist das Institut 1997 eingestiegen nach der Einladung: „schnell und billig Zugang zu einem Großteleskop“. Nun ist es in der Praxis nicht ganz so schnell vorangegangen. Unser Institut baut für das LBT das LINC-NIRVANA-Instrument. Wann schätzen Sie, wird LINC-NIRVANA arbeiten und welche wissenschaftlichen Fragestellungen wird dieses Interferometer angehen? Henning: Also erst einmal stammt der Satz „schnell und billig“ nicht von mir … Lemke: Nein, aus Tucson ... Henning: Und ich persönlich glaube an diesen Satz auch nicht. Wenn man Projekte dieser Größenordnung macht, dann sind sie nicht billig, und sie benötigen auch die richtigen Methoden für das Management. Sie erfordern eine sehr gute Vorbereitung in der Instrumentierung. Eines der Probleme, die bei multinationalen Projekten immer auftauchen und an die man wirklich immer denken muss: Partner, die von unterschiedlichen Institutionen kommen, haben einfach unterschiedliche Ziele. Und wir sind halt ein Viertelpartner am LBT, und das bedeutet, man lebt mit diesen anderen Partnern und ihren Ansprüchen und Ideen. LINC-NIRVANA ist ein Instrument, das sehr viele der Funktionen des LBT anfordert, d.h. es wird nur dann funktionieren, wenn das LBT in sehr vielen der Funktionen effektiv arbeitet. Wenn man alle Wahrscheinlichkeiten multipliziert, dann darf man am Ende nicht bei 1% der gesamten Zeit herauskommen. Ich habe keinen Zweifel, dass LINC-NIRVANA am Teleskop Interferenz-Streifen produzieren wird, aber das zählt nicht als Erfolg. Der Erfolg ist, wenn bei einem Interferometer in 50 % der zur Verfügung stehenden Zeit Wissenschaft gemacht werden kann. Das ist, glaube ich, ein anzustrebender realistischer Wert, den wir auch vom VLTI bei ESO kennen. Und das erfordert von allen Partnern in diesem Instrument stärkere Anstrengung, als wir sie gegenwärtig unternehmen. Rix: Vielleicht kann ich zu LINC-NIRVANA noch … Lemke: Insbesondere zu den wissenschaftlichen Erwartungen, … Rix: … genau. Wie bei allen Instrumenten, die weit über eine Dekade hinausgehen, ändern sich die wissenschaftlichen Vorstellungen. Im Moment sehe ich drei unmittelbare Ziele, aber vielleicht ist das auch meine persönliche Vorliebe. Erstens können wir lernen, 259 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 260 wie Schwarze Löcher gefüttert werden, durch echtes Abbilden mit höchster Auflösung in nahen aktiven Galaxienkernen. Das zweite: Durch die Messung der Eigenbewegungen können wir herausfinden, ob es Schwarze Löcher in Kugelsternhaufen gibt. Und das dritte: Ich denke immer noch, bei sehr schwachen Objekten, wie sie gefunden werden, lässt sich durch LINC-NIRVANA schneller als mit anderen Instrumenten herausfinden, ob das Eigenbewegungen (und damit Geschwindigkeiten) oder Beschleunigungen (und damit Umlaufbahnen) sind. Für mich ist es übrigens eine Kamera und kein Interferometer ... Lemke: Ein Fizeau-Interferometer ... Rix: Genauso. Beim Keck muss man 36 Spiegel, hier muss man 2 justieren. Aber die Schwierigkeiten, auf die Thomas Henning hingewiesen hat, die sehe ich auch, und auch mit großer Sorge: dass es im Prinzip funktioniert, gelegentlich auch in der Praxis, aber vielleicht nicht oft genug, um sein volles Wissenschaftspotential zu verwirklichen. Henning: Die Vorteile von LINC-NIRVANA liegen wirklich in den Imaging-Möglichkeiten, die beim VLTI sehr schwer zu erreichen sein werden. GRAVITY wird mit Sicherheit auf der astrometrischen Seite hohe Präzision liefern, aber über kleine Felder... Rix: ... und weniger schwache Quellen … Henning: … das ist nicht ganz klar. Man arbeitet am VLTI schließlich mit vier 8 m-Teleskopen. Das, was mich sehr interessiert, ist herauszufinden, ob in sehr reichen Sternhaufen unserer Galaxie auch stellare Schwarze Löcher vorhanden sind. Das wird man sowohl mit GRAVITY angehen, als auch mit LINC-NIRVANA. Und beide Techniken werden sich ergänzen. Mit LINC-NIRVANA kann man sicherlich auch Astrometrie betreiben, man kann nach Planeten suchen. Ob das die Stärke von LINC-NIRVANA ist gegenüber GRAVITY, da bin ich mir nicht so sicher. Da entscheiden auch die Zeitskalen. GRAVITY würde natürlich nach LINC-NIRVANA kommen, aber nicht viel später. Rix: 2014 ist das Jahr für Beobachtungen mit LINC-NIRVANA, das Sie noch wissen wollten. Henning: 2012 Transport in Richtung Tucson, aber 2014 Betrieb. Rix: Ich denke, wir wissen von all den bodengebundenen Instrumenten, dass die Phase zwischen Einpacken und einer ersten Veröffentlichung lang ist. Bei Weltraum-Experimenten ist die Phase vorher unendlich lang und dann geht es schnell, wenn alles gut geht. Lemke: Die nächste Zusammenarbeit mit Amerikanern ist jetzt Pan-STARRS. Was sind da die Erwartungen? 260 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 261 Rix: Dass es funktioniert. Lemke: Die wissenschaftlichen Erwartungen ... Rix: Kurz gesagt: Als wir eingestiegen sind, waren die Erwartungen, dass wir etwas über Planeten-Transits, über nahe Objekte geringer Masse, Braune Zwerge und masseärmere Objekte, über die gesamte Struktur der Milchstraße und über sehr weit entfernte Quasare lernen. Das waren die vier Keyprojekte. Durch die Verzögerungen, die sich ergeben haben, und durch die weniger gute Bildqualität muss man bei allen Projekten einige Abstriche machen. Meine persönliche Einschätzung ist, dass man bei der Milchstraße am wenigsten Abstriche machen muss. Am zweitwenigsten bei einigen Aspekten der Objekte niedrigerer Masse, bei den Quasaren am meisten. Der Wettbewerbsvorteil bei den Transit-Planeten schmilzt am schnellsten dahin. Lemke: Und die Idee, dass man freifliegende Planeten, also mit Massen noch unter der von Braunen Zwergen, in Sonnenumgebung finden kann ... Henning: Das ist eines der Schlüsselprojekte, wo man wirklich zu sehr geringen Massen vorstoßen will. Im Feld gibt es diese Objekte ganz selten. Man braucht also große Flächen, um danach zu suchen. Auf diesem Gebiet ist auch die Zeit ein wichtiger Faktor. Es gibt Satelliten-Missionen, beispielsweise WISE, die demnächst gestartet werden und in etwa 3 Jahren einen Infrarot-Katalog liefern sollen. Das ist natürlich eine ernsthafte Konkurrenz. Rix: Aber die Parallaxen und Eigenbewegungen für solche Objekte können nur im Roten gemessen werden. Denn alle bisherigen großen Sky-Kataloge mit Eigenbewegung und Parallaxen sind im Optischen oder Photograpischen erstellt. Deswegen glaube ich, viele der Grundüberlegungen für einen direkten Parallaxen-Survey mit PanSTARRS 1 in sehr roten Bändern bleiben immer noch bestehen. Henning: Der wichtige Punkt dabei ist, dass wir die Astrometrie in der Qualität bekommen, die wir brauchen. Gegenwärtig hat Pan-Planets einen Bereich, wo wir noch einen Wettbewerbsvorteil haben. Das wären Transitkurven über lange Zeit. In anderen Bereichen werden wir diesen Wettbewerbsvorteil verlieren, wenn wir zu lange brauchen, um den Survey in Gang zu bringen. Lemke: Ab wann wird es Daten geben und wie lange wird unser Engagement dauern? Rix: Zunächst mal ist es Archivbeobachtung in dem Sinne, dass es ein von vornherein geplantes Beobachtungsprogramm gibt, das dann abgespult wird. Es gab im Juni und Juli dieses Jahres (2009) einen Probelauf, wo tatsächlich innerhalb von 4 Wochen 5000 261 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 262 Quadratgrad in 5 Farben abgelichtet worden sind. Eben leider nicht mit einer Bildqualität, die besser als Sloan ist, das heißt, mit einem Median von knapp eineinhalb Bogensekunden. Deswegen wird das Teleskop überarbeitet (Abb. 7.2). Im Moment ist das Teleskop auseinandergenommen, bald geht es wieder an den Himmel. Eine Zeit-Schätzung meinerseits könnte schnell Makulatur sein. Die Hauptprobleme liegen am Teleskop selber. Die Gigapixel-Kamera funktioniert überwiegend gut. Grundfunktionen der Software funktionieren auch vernünftig. Die wirklichen großen Hürden, die den Projektplan gefährden könnten, liegen beim Teleskop. In den nächsten 3 bis 4 Monaten sollte man herausfinden, ob diese Hürden wirklich schwierig zu überwinden sind. Lemke: Das Fermi-Lab muss nicht mehr helfen bei den Auswerte-Programmen? Henning: Ich glaube, es ist wirklich das Teleskop, das das Problem gegenwärtig bereitet… Rix: ... es ist ein kommerziell gekauftes, das sich als Montagsprodukt herausstellt. Wenn man es nicht selber gebaut hat, muss man eben Fehler im Detektivmodus finden. Das muss man den Kollegen zugute halten. Und unser Engagement ist immer noch genau das gleiche wie vorher. Im Jahr 2010 muss man zu dem Punkt kommen, wo man endgültig entscheidet, wird das Projekt ein Erfolg oder wird es keiner. Henning: Die Idee war ja immer, dass man sich nur an der Operationsphase beteiligt. Das heißt, an der Erstellung des Surveys. Das ist eine begrenzte Phase, die einen definierten Anfang und ein definiertes Ende hat. Und die Dauer des Surveys war auf etwa vier Jahre angelegt. Und dies ist der Punkt, den man angehen muss, wenn es Verzögerungen durch das Teleskop gibt. Das geht natürlich auf Kosten dieser Operationsphase. Das kann man aber zum Beispiel auffangen, indem man neue Partner für das Projekt gewinnt. Ich glaube, das Projekt ist gegenwärtig in einer kritischen Phase. Das Problem ist nicht so sehr, ob wir die Teleskopprobleme überhaupt lösen können, sondern ob man sie in einer vernünftigen Zeit lösen können wird. Lemke: Das ist doch gar kein großes Teleskop? Rix: Zur Größe habe ich eine dezidierte Meinung. Die 2 m sind egal, jedes optische f/1 Weitfeldsystem ist unendlich empfindlich und intolerant gegen alle möglichen … Henning: ... aber dass dies das Problem ist, glaube ich nicht. In der Industrie ist die Kunst, Teleskope mit hoher Qualität zu bauen, fast verloren gegangen. Was dann dazu führt, dass man bei etwas unerfahreneren Teleskopherstellern landet, mit allen Konsequenzen. Und ich meine, Pan-STARRS ist da nicht das einzige Beispiel ... 262 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 263 Abb. 7.2: Das PanSTARRSTeleskop auf dem Haleakala auf der Hawaii-Insel Maui (Univ. Hawaii). 263 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 264 Lemke: Ist es die Optik oder die Mechanik oder die Elektronik? Rix: Es ist die Optomechanik, die ein sieben Quadratgrad großes Bildfeld mit Subbogensekunden-Bildqualität zu konstruieren erfordert. Es ist ja kein Teleskop, es ist eine Telephotolinse. Es gibt keinen Teleskopfokus, deswegen ist die Justierung komplex. Das System funktioniert gut in der Simulation. Aber in der Realität machen sich alle Fehler schlimm bemerkbar. Lemke: Jetzt zu den europäischen Instrumenten. Das VLT hat im letzten Jahr bereits sein 10-jähriges Jubiläum gefeiert. Nach meiner Ansicht lag der Erfolg daran, dass es eine solide Finanzierung und ein professionelles Projektmanagement hatte. Das MPIA hat beim VLT für zwei Instrumente mit jeweils einem PI die Führung eines Konsortiums gehabt. Werden wir uns an der nächsten Generation der Instrumentierung ähnlich stark beteiligen? Henning: Das VLT und die ESO spielen für das Institut eine ganz wichtige Rolle, weil die ESO eine große Organisation ist, mit einem meist sehr effizienten Management. Das VLT und das VLTI, und natürlich auch das E-ELT, sind mit Sicherheit für mich ganz wichtige Teleskope. Wir haben uns entschlossen, uns an drei Instrumenten der zweiten Generation zu beteiligen. Das ist SPHERE, das Planetensuch-Instrument, wo der Co-PI aus unserem Haus kommt. Dann MATISSE als direkter Nachfolger von MIDI, aber jetzt mit Imaging-Möglichkeiten. Und GRAVITY wird in Zusammenarbeit mit dem MPI für extraterrestrische Physik und anderen Instituten in Europa entwickelt. Die letzten beiden sind Instrumente für das VLTI. Rix: Es gibt eine übernächste Generation. Was Herr Henning vorhin schon angesprochen hat: Irgendwann werden 8 m-Teleskope zu mittelgroßen Teleskopen. SPHERE ist in gewisser Weise ein Anfang, ein Instrument, das gleichzeitig einhundert oder mehrere hundert Nächte Experiment ist. Das ist ein Weg, den die ESO angefangen hat, sich schon jetzt vorsichtig anzuschauen. Henning: Bei SPHERE ist es tatsächlich so, dass daraus ein großer Survey resultieren wird. Gleichzeitig haben wir ein großes Programm bei der ESO im Vorfeld von SPHERE laufen. Und parallel dazu führen wir auch ein großes Programm am japanischen SUBARUTeleskop auf Hawaii durch, was in dieselbe Richtung geht, mit Princeton und Japan zusammen. Was man auch erwähnen sollte, ist die Tatsache, dass es durchaus auch die Möglichkeit gibt, mittelgroße Projekte bei der ESO durchzuführen. Als Beispiel möchte ich nur den Bau der „differential delay lines“ für PRIMA erwähnen. Auf dieser Basis 264 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 265 kann man erstmals mit Hilfe von Astrometrie effektiv nach Exoplaneten suchen. Und ein anderes schönes Projekt ist die Lucky-Imaging-Kamera am New Technology Telescope (NTT), wo man fast auf Studentenbasis sehr schnell kleine Projekte machen kann, um dann für gewisse Gebiete eine interessante Beobachtungsplattform zur Verfügung zu stellen. Rix: Auf der Basis der Erfahrungen von Calar Alto und LBT: Ich glaube, das Modell, anderen Leuten den Betrieb von Observatorien zu überlassen und sich durch experimentelle Instrumentierungs-Beiträge und wissenschaftlichen Nutzen zu beteiligen, ist immer der bessere Weg. Insbesondere jetzt, wo alle Observatorien im Hundert-MillionenBereich kosten. Auch der Max-Planck-Geldbeutel reicht nur für eine beschränkte Beteiligung. Lemke: Das heißt, die Frage nach nationalen Observatorien, wie es der Calar Alto einmal war oder wie es Ende der 1980er Jahre mit dem deutschen 10 m-Teleskop geplant war, stellt sich gar nicht mehr. Setzen wir zunehmend auf europäische Projekte und herausragende internationale Vorhaben? Rix: Auch ALMA wird da eine Rolle spielen. Die Skalen der Projekte sind stark gewachsen. Zumindest im Optischen und nahen Infarot, aber genauso bei den Radio-Teleskopen. Es ist ziemlich klar, was der nächste große Schritt ist, der ist nicht billig, der liegt im Milliardenbereich. Deswegen ist es besser, sich durch einen formalen Anteil an aussichtsreichen Projekten zu beteiligen. Wenn man sich die Beispiele anschaut, wo Leute versucht haben, große Teleskope noch billiger als das LBT zu bauen, wie das „Hobby-EberlyTeleskop“, sieht man: Man kriegt das, wofür man zahlt. Henning: Ich glaube, es gibt eine andere wichtige Erkenntnis neben der Tatsache, dass diese Projekte die finanziellen Rahmenbedingungen des Instituts, aber auch der MaxPlanck-Gesellschaft, sprengen. Mit dem Bau der Instrumente selber wird eine Größenordnung erreicht, die das Institut vollkommen auslastet. Es gibt keine Notwendigkeit, darüber hinaus noch Infrastruktur zu schaffen. Damit kann man seine Flexibilität erhalten, in dem Sinne, dass natürlich die ESO und das LBT ganz wichtige Elemente des Portfolios des Instituts sind. Wie die Zusammenarbeit mit SUBARU zeigt, kann man durchaus in einem Konsortium Zugang zu 150 Nächten auf dem Mauna Kea bekommen. Und das erste wissenschaftliche Ergebnis aus dieser SEEDS-Kollaboration ist gerade in Druck, mit einem Erst-Autor aus diesem Hause. Zum SUBARU-Teleskop selbst haben wir wenig beigetragen. Aber wir haben unsere Instrumentierungs- und Projekterfahrung geliefert. Das ist die Strategie, die man auch in der Zukunft verfolgen sollte. 265 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 266 Lemke: Klar ist also, dass man große Teleskope nicht mehr national baut und betreibt, sondern das europäischen Institutionen überlässt, die das besser können. Werden wir bei zukünftigen Instrumenten die Führung mit einem PI übernehmen? Oder ist es der bessere Weg, sich stattdessen als CoI an mehreren Instrumenten mit kleineren Anteilen zu beteiligen? Henning: Ich glaube, man muss beides machen. Ich bin immer ein großer Freund davon, dass das Institut PI-Rollen für Instrumente übernimmt. Aber das ist nicht der ausschließliche Weg. Es kann eine sehr gute Investition sein, wenn man sich an einem Instrument beteiligt. Das, was man an Erfahrung aus allen vorherigen Projekten mitnehmen muss, ist die Tatsache, dass man im Vorfeld möglichst ganz klar ein Interface für sich definiert. So, dass man eine hohe Verantwortung für einen Bereich des Instruments hat. Wenn die finanziellen Rahmenbedingungen dies nicht erlauben, geht man natürlich Kompromisse ein, um überhaupt noch dabei zu sein. Es ist auf der anderen Seite aber auch klar, dass Instrumente für das E-ELT eine Größenordnung erreichen, wo nur noch Konsortien zusammen Instrumente bauen können. Was ich als viel wichtiger empfinde, als PI zu sein, ist die Forderung, dass diese Teams in ihrer Zusammensetzung sehr gut zusammenarbeiten müssen. Das hat sowohl soziale Komponenten als auch Komponenten der Wissenschaftslandschaft in den verschiedenen europäischen Ländern. Das ist ja keine homogene Struktur. Und ich glaube, da muss man im Vorfeld solcher Projekte genau hinschauen, mit wem man zusammen arbeitet, mit wem man das sehr effektiv tun kann und mit wem es nicht funktionieren wird. Rix: Und ich denke, es gibt auch Beispiele aus unserer Vergangenheit, wo wir PI-Institut waren und auch wissenschaftlich dann eine der Führungsrollen hatten. Der Wide Field Imager oder MIDI am Boden sind Beispiele. Es gab Instrumente wie CONICA, wo wir zwar PI-Institut waren, aber selbst vielleicht nicht soviel Wissenschaft herausgeholt haben, wie wir hätten sollen. Und ich bin eigentlich sehr optimistisch, auch wenn wir bloß CoI-Institut bei Herschel-PACS sind, dass wir da in der gesamten Bandbreite Wissenschaft rausholen können, von nahen Galaxien bis zu Quasaren und bis zur Sternentstehung. Das wird mindestens vergleichbar zum PI-Institut sein. Henning: Gerade bei diesem Beispiel ist es ganz wichtig, dass wir, sobald die Instrumente ihrer Fertigstellung entgegengehen, ganz organisch die Zahl der Wissenschaftler erhöhen. Dies geschieht meist in Form von Studenten und Postdocs, die dann an den Wissenschaftsprojekten mitarbeiten. PACS ist ein gutes Beispiel, wo wir jetzt eine Gruppe aufgestellt haben, die sehr schlagkräftig ist. MIDI war meines Erachtens ein anderes Beispiel, 266 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 267 wo wir versucht haben, in beiden Abteilungen eine Mannschaft zusammenzubringen, die notwendig war, um auch die wissenschaftliche Ernte der Investition hereinzuholen. Zwischen der ersten Idee und der Inbetriebnahme eines Instruments besteht oft eine lange Bauphase, in der Wissenschaftler nur bedingt mit neuen Ideen beitragen können. Am Ende der Projekte muss man die Zahl der Mitarbeiter wieder erhöhen, die an der Wissenschaft arbeiten. Lemke: Nach dem VLT kommt das E-ELT, das Extremely Large Teleskop. Wird es gebaut? Rix: Das ist unvermeidlich! Henning: Als gegenwärtiger Vizepräsident des ESO-Council bin ich sehr stark in E-ELT involviert. Ich glaube, dass es kommen wird. Alle Zeichen der verschiedenen Länder stehen im Wesentlichen auf Unterstützung des Projekts. Was ich etwas anzweifle, ist die sehr optimistische Zeitskala für seine Fertigstellung. Rix: 2025 ist da übrigens meine Jahreszahl. Lemke: Wir haben in diesem Jahr auf der Tagung der Astronomischen Gesellschaft in Potsdam und jetzt hier im Astronomischen Kolloquium von ESO-Verantwortlichen Vorträge gehört: Baubeginn im Jahr 2010. Und 2018 erstes Licht ... Henning: Die Studien-Phase B geht im Jahr 2010 zu Ende. Und das Ziel ist, dass die ESO für das Council Meeting im Dezember 2010 tatsächlich einen Vorschlag auf den Tisch legt. Die ESO erwartet aber nicht unbedingt, dass dann in diesem Meeting die Länder „Ja“ sagen. Sie will einen ausgearbeiteten Vorschlag vorlegen, was kostet das genau, was ist der Standort, den wir im Auge haben. Und es wird dann mit Sicherheit bis zum Jahr 2011 dauern, bis die einzelnen Länder eine Unterschrift unter einen solchen Vertrag setzen. Der Beginn des Projekts wird auch damit zusammenhängen, ob weitere Partner für die ESO gewonnen werden können, die ja durchaus am Horizont stehen. Das heißt, gegenwärtig fehlen etwa 2/3 des Geldes. Die Idee ist, ein Drittel durch die bisherigen Mitgliedsländer zusätzlich aufzubringen. Lemke: Zusätzlich zu den laufenden Mitgliedsbeiträgen? Henning: Ja. Und ein weiteres Drittel soll durch neue Mitglieder oder andere Finanzmodelle aufgebracht werden. Rix: Ich glaube, die Unsicherheiten und auch Finanzierungslücken, so dramatisch sie klingen, sind immer noch nicht so schlimm wie die auf der amerikanischen Seite. Das 267 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 268 heißt, bei den 30 m- oder 42 m-Teleskopen ist die Wettbewerbssituation für Europa jetzt besser als sie bei KECK gegen VLT war. Der Zeitvorsprung der Amerikaner besteht kaum. Formal sind sie in vergleichbaren Entwicklungs-Phasen. Aber wie viel privates Geld im Moment in den USA aufgebracht werden kann, ist eben nicht klar. Henning: Und beim amerikanischen 30 m-Teleskop (TMT) ist es auch ganz interessant, sich die Zeitskala bis zur Inbetriebnahme in den Dokumenten anzusehen. Wenn man das erste Photon auf einem Detektor findet, bedeutet es nicht, dass dies schon ein effektiver Betrieb ist. Und das muss man auch beim E-ELT sehen. Man muss zwischen Instrumenten für das erste Licht und Instrumenten der ersten Generation unterscheiden. Es wird mit Sicherheit eine Phase geben, und ich schätze, dass die 5 Jahre dauert, während der man dieses Teleskop in Betrieb nimmt. Beim LBT spricht man immer von Verzögerung. Aber diese Maschinen sind sehr komplex. Das heißt, man muss von vornherein ganz klar sagen, dass man einige Jahre braucht, um sie in Betrieb zu nehmen. Dann wird man auch nicht mehr von Verspätung reden müssen. Unsere Elementarteilchenphysiker machen uns das ja gerade beim Large Hadron Collider (LHC) vor. Diese Phasen der Inbetriebnahme für sehr komplexe Maschinen müssen schlichtweg länger angenommen werden, als man bisher dachte. Lemke: Was ist erstes Licht beim E-ELT? Mit allen ~ 1000 Spiegeln? Henning: Das ist genau mein Punkt. Erstes Licht und effektiver Beobachtungsbetrieb, das sind zwei verschiedene Dinge. Rix: Ich würde mal sagen, 2025 kann man damit Wissenschaft machen. Henning: Und ich würde sagen, 2020 könnte es stehen. Rix: Wir schreiben noch eine Veröffentlichung damit vor unserer Emeritierung. Lemke: Ist es ein Gerücht, dass durch ESOs große Erfolge auch außereuropäische Länder, wie Australien oder Kanada, Interesse haben, der Europäischen Südsternwarte beizutreten? Rix: Das Gerücht ist wahr. Henning: Es gibt sogar eine ganze Reihe weiterer Länder, die Interesse zeigen beizutreten. Da wird es interessante Entwicklungen in den nächsten Jahren geben, die dann auch neue Möglichkeiten für die ESO eröffnen. Lemke: Ich möchte jetzt gern zur Laborastrophysik kommen. Seit 2003 betreibt das MPIA eine Außenstelle an der Universität Jena. Der dortige Leiter, Friedrich Huisken, 268 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 269 wird in einigen Jahren in den Ruhestand treten. Herr Henning, werden Sie das Labor fortführen, und wenn ja, was werden die Aufgaben für die Zukunft sein? Henning: Zunächst muss man sagen, dass das ein Projekt für 10 Jahre war. Es war ein Experiment, eine Einrichtung an einer Universität zu belassen und sie sogar auszubauen. Ich glaube, das Experiment ist sehr gut ausgegangen, wenn man die Investitionen für diese Gruppe ansieht. Die waren sehr begrenzt. Die Frage ist, ob man die Kooperation mit der Universität verlängern kann. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es auch Anknüpfungspunkte zum MPI für Kernphysik gibt. Es gibt dort eine Gruppe, die sehr interessiert ist an Laborastrophysik, und die jetzt mit dem Speicherring chemische Reaktionen bei niedrigen Temperaturen messen wird. Ich persönlich habe natürlich ein großes Interesse, dass dieser Zweig auch in Jena weitergeführt wird, wenn die Ressourcen, die dafür einzusetzen sind, beim bisherigen Umfang bleiben. Dann glaube ich auch, dass die Max-Planck-Gesellschaft davon durchaus zu überzeugen ist. Lemke: Und werden die wissenschaftlichen Themen genauso bleiben? Oder sehen Sie schon neue Aufgaben? Henning: Die wissenschaftlichen Themen haben sich ja jetzt schon verändert. Seit der Untersuchung der Festkörperkomponente setzen wir uns inzwischen viel stärker mit dem Gas auseinander. Wenn wir einfach mal alle Spitzer-Paper über Spektroskopie anschauen, dann wird man sehen, dass mindestens 50 Prozent dieser Veröffentlichungen auf unsere Labordaten zurückgreifen. Ich glaube, der Erfolg von Spitzer wäre so nicht möglich gewesen, ohne diese Veröffentlichungen von Labordaten. Der Weg der Astrophysik, jedenfalls auf meinem Feld, geht jetzt mehr in Richtung Gas, weil das die Komponente ist, die man noch nicht verstanden hat. Gasphasenspektroskopie und auch die Entstehung von Staub, das sind meines Erachtens die Gebiete, die extrem interessant sind, auch für die Extragalaktiker. Bei hochrotverschobenen Quasaren sehen wir Staub, von dem alle geglaubt haben, dass Supernovae den Staub produzieren. In den lokalen Supernovae sehen wir, dass das nicht funktioniert. Rechnungen zeigen in die gleiche Richtung: Die Staubproduktionsraten sind viel zu niedrig. Für die Milchstraße haben wir ein Defizit in der Staubproduktion. Stellare Quellen reichen nicht aus. Und der Vorschlag für die Milchstraße ist: Im normalen diffusen interstellaren Medium müssen diese Festkörperteilchen entstehen. Das ist ein Bereich, wo Experimente beitragen können. Lemke: Nach dem Planbaren möchte ich noch ein paar spekulative Fragen stellen. Es wird interessant sein, in ein paar Jahren die Antworten nachzulesen. 400 Planeten sind schon gefunden, aber keine wirklich erdähnlichen. Wann werden wir diese finden? Wann wer- 269 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 270 den wir wissen, ob dort Bedingungen herrschen, die Leben ermöglichen? Wird es vielleicht gar möglich sein, Kontakte herzustellen in dem Zeitraum von 10 Jahren, über den wir hier reden? Rix: Wie ähnlich soll es denn sein? Lemke: Steinig und flüssiges Wasser. Henning: Zunächst mal zu den steinigen: Es gibt ja jetzt Planeten, die so genannten Super-Erden, die nur wenig mehr Masse als die Erde haben, die mit Sicherheit steinig sind, und die durch Transitbeobachtung nachgewiesen sind. Kepler scheint ein Riesenerfolg zu sein, soweit wir das jetzt wissen. Wie es bei der Suche nach erdähnlichen Planeten aussieht, die auch Hinweise auf biologische Aktivität zeigen, das interessiert als nächstes. Mit JWST wird der Nachweis sehr schwer zu führen sein. Es ist nicht unmöglich, aber man wird sehr viel Beobachtungszeit benötigen. Es wird aber mit Sicherheit auch dedizierte Missionen geben, das heißt, eine Art Transitspektroskopie für erdähnliche Planeten. Wenn man den nächsten Schritt gehen will, zur Frage ob es intelligentes Leben auf diesen Planeten gibt, sollte man erst mal fragen, ob das bei uns der Fall ist. Ich glaube, diese Frage wird in der fernen Zukunft… Lemke: Nicht in den nächsten 10 Jahren? Henning: Mit Sicherheit nicht in den nächsten 10 Jahren. Die biologische Aktivität nachzuweisen ist bereits extrem schwierig. Ich bin aber nicht so pessimistisch, dass das nicht in den nächsten 20 Jahren zu erreichen ist. Die „grünen Männchen“, die werden noch etwas auf sich warten lassen. Es sei denn, die Kollegen an den Radioteleskopen des Allen-Projektes hören irgendetwas. Aber ich bin da sehr pessimistisch, dass das der richtige Weg ist. Rix: Ein Gespräch, bei dem ich 20 Jahre auf die Antwort warten muss, interessiert mich nicht. Aber das ist nur meine persönliche Meinung. Extragalaktisch glaube ich, in den nächsten 10 Jahren es ist realistisch, eine Labordetektion von Dunkler Materie zu bekommen. Und ich glaube, die Kombination E-ELT und JWST kann in 10 Jahren, nicht viel vorher, direkte Hinweise auf die berühmte Population III von Sternen mit ganz anderer Massenverteilung geben. In den nächsten 5 Jahren wird es eine zunehmende Zahl von indirekten Argumenten geben. Aber auf ein Bild davon werden wir noch 10 Jahre warten müssen. Lemke: Meinen Sie den Nachweis von Teilchen kosmischer Dunkler Materie durch Teilchenzähler am Boden, oder erzeugt im Large Hadron Collider? 270 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 271 Rix: Beides, aber nicht auf astronomischem Wege. Ich glaube, die Astrophysik hat alles geliefert, um zu zeigen, wie konsistent das Modell ist. Lemke: Jetzt sind die Physiker dran? Rix: Jetzt sind die Physiker dran, und die sollen mal. Henning: Ein sehr wichtiger Punkt ist, herauszufinden, wie die erste Generation von Sternen tatsächlich entstanden ist, um die Brücke zu schlagen von der Entstehung sehr massereicher Sterne in der lokalen Umgebung zur Entstehung massereicher Sterne unter anderen Bedingungen. Da werden wir in 10 Jahren mit Sicherheit viel bessere Antworten wissen, weil wir sowohl auf der numerischen Seite als auch auf der Beobachtungsseite die Elemente in der Hand haben, diese Frage zu beantworten. Lemke: Werden die Beobachtungen der ersten Sterne oder Galaxien oder Quasare im frühen Universum vom James Webb Space Telescope kommen, so wie es geplant ist, oder werden sie durch Gamma Ray Bursts oder auf anderem Wege gemacht werden? Henning: Die Gamma Ray Bursts sind jetzt wirklich interessant, weil sie ja zeigen, dass man die Rotverschiebungsrekorde noch weiter hinausschieben kann. Der wirkliche Fortschritt im Verständnis wird durch die enge Zusammenarbeit von Theoretikern und Beobachtern kommen. Hier kommen Strahlung, Hydrodynamik und Chemie zusammen, um den Prozess selbst zu verstehen. Das ist ja auch ein gewisses Credo für unser Institut, dass wir hier Theorie-Gruppen haben, die in enger Zusammenarbeit mit den Beobachtern Fortschritte erreichen. Allein eine Beobachtung, die sofort einen Durchbruch erzielt, das ist selten, weil man verschiedene physikalische Prozesse zusammenbringen muss, die am Ende doch relativ komplex sind. Rix: Dass James Webb mal unter der Flagge „First Light“ (Entdeckung der ersten Sterne) verkauft wurde, wird zehn Jahre nach seinem Start als interessante historische Anekdote erinnerlich sein. So, wie für das Hubble-Weltraumteleskop der 5-fach ionisierte Sauerstoff im Halo unserer Milchstraße einst ein Argument war. Lemke: „Dunkle Energie“ ist im Moment eines der großen Schlagworte. Eine wichtige Beobachtung dazu ist die beschleunigte Expansion des Universums. Werden wir in 10 Jahren immer noch von Dunkler Energie reden, oder wird es einen anderen Namen oder eine andere Erklärung geben? Macht es Sinn, sich an Missionen zu diesem Thema zu beteiligen? Rix: Da bin ich Pessimist. Es gibt zunächst mal drei verschiedene einigermaßen klare Hinweise auf die Dunkle Energie oder eine Variante davon. Erstens, der Mikrowellen- 271 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 272 hintergrund an sich, der aussagt, dass der Raum flach ist, auch wenn die Massendichte nicht ausreicht. Zweitens gibt es die direkte Messung der beschleunigten Expansion. Und es gibt die Baryonen-Akustischen Oszillationen. Insofern scheinen mir die Hinweise sehr solide, dass die Expansionsgeschichte und das Strukturwachstum anders sind, als ursprünglich erwartet. Die Tatsache, dass alle Varianten, ob Quintessenz oder anderes, sich von der Dunklen Energie um minimale Beträge unterscheiden, führt mich dazu, dass ich glaube, dass wir da in 10 Jahren nicht grundsätzlich weiter sind. Ich hege die große Hoffnung, dass Satelliten-Missionen, die unter dieser Flagge fahren, ganz tolle andere Sachen machen werden. Lemke: Also zum Beispiel das nähere Universum durchmustern? Rix: Nicht nur das nähere. Ein All-Sky-Survey im nahen Infraroten bis zur 25. Magnitude sollte herauskommen. Auf der persönlichen Seite hoffe ich, dass unser PRIME-Vorschlag irgendwann mal Wirklichkeit wird, auch wenn es 15 Jahre später wird. Lemke: Zum Schluss möchte ich noch fragen, wie wird das Institut in 10 Jahren aussehen, werden wir dann eine dritte Abteilung haben? Henning: Das hängt ganz entscheidend davon ab, ob wir überzeugt sind, dass wir eine Person identifizieren können auf einem Gebiet, das in der Max-Planck-Gesellschaft nicht vertreten ist, aber ein Potential für die nächsten 20 Jahre hat. Wir hatten diese Diskussion für das Gebiet „Astrophysikalische Bedingungen für die Existenz von Leben“. Lemke: Astrobiologie? Henning: Wir haben es nicht Astrobiologie genannt, weil unter Astrobiologie oft auch die berühmten grünen Männchen auf dem Mars verstanden werden. Deshalb haben wir eine astrophysikalische Definition gewählt. Wenn es dafür eine Person gibt, von der wir überzeugt sind, dass sie sowohl in das Institut hineinpasst und auch die Richtung nach vorne bringen kann, dann werden wir das vorantreiben. Wenn wir davon nicht überzeugt sind, dann denke ich, dass das Institut gegenwärtig in sehr gutem Zustand ist. Wir beide glauben, dass es nicht ein Wert an sich ist, zu wachsen. Wir haben uns beide vorgenommen, dass die Phase des Wachstums, wo es im Wesentlichen um die Erhöhung der Zahl von Doktoranden und Postdocs ging, dass diese Phase für das Institut inzwischen vorbei ist. Wenn es eine dritte Abteilung gibt, stellt sich die Frage ja wieder anders. Wir wollen, auch wenn es eine dritte Abteilung gibt, ein Institut haben, in dem man kommunizieren kann über die Grenzen der Abteilungen hinweg. Wo man noch weiß, was der Kollege in dem anderen Zimmer tut. 272 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 273 Lemke: In den letzten 10 Jahren ist die Zahl der Mitarbeiter um 70 gestiegen. 50 Prozent aller 133 Doktorarbeiten, die in 40 Jahren hier am MPIA durchgeführt wurden, sind in den letzten 10 Jahren entstanden. 50 Prozent aller Diplomarbeiten sind in den letzten 10 Jahren entstanden. Wie groß wird der Anteil der Studenten in der Zukunft sein? Rix: Wir haben jetzt ein Verhältnis von 1:2:2 zwischen langfristigen Wissenschaftlern, Postdocs und Studenten. Ich glaube, das ist ein sehr gutes. Als ich nach Heidelberg kam, gab es 5 Doktoranden hier im Institut. Das waren zu wenige. Ich hoffe, dass auch in 10 Jahren die Zahl der Wissenschaftler und Studenten am Institut ungefähr so groß ist wie jetzt. Henning: Die Zahl der Doktoranden und Postdocs im Vergleich zu den fest angestellten wissenschaftlichen Mitarbeitern war früher einfach nicht in der richtigen Relation. Wir haben jetzt ein Verhältnis, das vernünftig ist, wenn es auch fluktuieren wird. Die Selbstständigen Nachwuchsgruppen sind für das Institut sehr wichtig. Solange die Nachwuchsgruppenleiter auch die besten Stellen im deutschen oder weltweiten System erhalten, ist die Kontinuitätsgleichung erhalten. Solange das funktioniert, kann man auf dieses Modell stolz sein. Rix: Wir haben in den letzten 5 Jahren im Durchschnitt zwei Professoren pro Jahr aus diesem Institut produziert. Lemke: Überaus erfolgreich! 5 Nachwuchsgruppen haben inzwischen aufgehört. Im Moment haben wir noch 2. Wird es weitere geben? Rix: Zwei sind bewilligt, und jetzt muss man schauen, ob die Leute kommen. Henning: Es gibt eine Reihe von Anträgen, die in der Pipeline sind… Rix: Ich befürchte, die nächste Schwemme kommt. Henning: Aus meiner Sicht ist dies nur solange gut, wie wir tatsächlich in der Lage sind, die Leute so arbeiten zu lassen, dass sie am Ende ihre Stellung in dem Universitätssystem oder auch in dem Max-Planck-System finden. Für mich wäre es kein gutes Rezept, jetzt zu sagen, wir brauchen 15 solcher Gruppen. Die Zahl muss zum Gesamtkonzept des Instituts passen. Lemke: Eine dieser Nachwuchsgruppen wurde Ihnen, Herr Rix, auf Dauer zugesagt, nachdem Sie den Ruf nach Cambridge abgelehnt haben. In diesem Zusammenhang doch noch eine allerletzte Frage: Was waren die Gründe, dass Sie Cambridge abgesagt 273 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 274 haben und am Max-Planck-Institut geblieben sind? Sind unsere Mitarbeiter besser? Ist unsere Finanzierung sicherer? Ist unsere Verwaltung besser? … Rix: Letztendlich sind solche Entscheidungen immer sehr persönlich. Meine Frau wollte nicht nach England, als sie es sich angeschaut hat. Aber auf der Arbeitsseite denke ich an die Gruppe von Kollegen, die wir hier haben, und die Arbeitsmöglichkeiten am MPIA. Ich verwende bei meiner Stellung doch einen sehr guten Teil meiner Zeit auf Wissenschaft. Auch weil der Lehrstuhl in Cambridge berühmt ist, wird erwartet, dass man eine nationale Rolle spielt. Man findet sich in 100 Komitees wieder, und ob das Leben dadurch leichter wird, ist nicht klar. Und unsere Verwaltung hier ist wirklich gut. Im Vergleich kann ich sagen, als ich kürzlich in Arizona war, das war schockierend. Ich wollte für die drei Monate Sabbatical einfach nur 1000 Dollar als Unterstützung von meinem Gastinstitut empfangen. Die Verwaltung dort brauchte 3 Monate, bis sie was konstruiert hatte. Ich glaube wirklich, das Max-Planck-System ist dagegen vergleichsweise sehr effizient. Lemke: Herr Henning, Herr Rix, ich danke Ihnen für das Gespräch. Die Zeit wird die Zukunft in Vergangenheit wandeln. Wir dürfen uns darauf freuen, dieses Gespräch in zehn Jahren zum 50. Institutsgeburtstag nachzulesen. 274 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 275 8 Ein Rückblick: 400 Jahre Astronomie in Heidelberg und der Kurpfalz Die beiden großen Zeitwenden in der Astronomie haben Spuren in Heidelberg und im alten Kulturland der Kurpfalz hinterlassen. Mit der Einführung des Fernrohres im Jahre 1609 ging das Zeitalter der Beobachtungen mit bloßen Auge zu Ende und es wurde der Vorstoß in den ferneren Kosmos eingeleitet. Eine weitere noch fruchtbarere Epoche begann in den 1960er Jahren, als mit Radioteleskopen am Boden und Fernrohren im Weltraum weitere Fenster zum Universum geöffnet wurden. In der Folge dieser Umwälzungen zogen elektronische Kameras, Rechenmaschinen und Physiker in die Sternwarten ein. Das Wissen über den Kosmos begann sich explosionsartig zu erweitern. In diesem Kapitel soll von der ersten Zeitenwende um 1609 und den folgenden dreieinhalb Jahrhunderten der Astronomie in Heidelberg und der umgebenden Kurpfalz berichtet werden. Gegen Ende jener Periode wurde hier der Boden bereitet für die Blütezeit nach dem zweiten Wendepunkt um 1960, in welcher das Max-Planck-Institut für Astronomie entstand. 8.1 Johannes Keplers „Astronomia Nova“ wird 1609 in Heidelberg gedruckt Im Weltbild des Jahres 1600 stand immer noch die Erde unbeweglich im Zentrum des Universums. Um die Erde bewegten sich die Sonne, der Mond und die Planeten auf Kreisbahnen. Weiter außen waren die Sterne unveränderlich an eine Himmelskugel geheftet, die täglich einmal umlief. Alle Himmelskörper außerhalb der Erde waren reine Lichtkugeln. Veränderungen spielten sich nur im Raum diesseits der Mondbahn ab. Die Deutungshoheit über die Himmelserscheinungen besaß die Kirche. Aus ihren Reihen kamen im 16. Jahrhundert erste Zweifler, denn die Planetenbahnen, wichtig für die Astrologie, konnten nicht genau genug vorhergesagt werden. Und auch der Kalender geriet gegenüber den Jahreszeiten außer Tritt. Nicolaus Kopernikus, Domherr in Frau- 275 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 276 enburg, stellte 1543 die Sonne in den Mittelpunkt des Planetensystems, um den sich auch die Erde auf einer Kreisbahn bewegte. Aber seine Schrift fand damals nicht genügend Aufmerksamkeit und auch sein Modell erlaubte keine exakte Beschreibung der Bewegungen am Himmel. Der Dominikaner-Mönch Giordano Bruno sah die Sterne nicht an die Himmelskugel angeheftet, sondern als ferne Sonnen, um die sich ebenfalls Planeten bewegen könnten. Er wurde am 17. Februar 1600 durch die Römische Inquisition auf dem Scheiterhaufen in Rom verbrannt, weil er seine Lehren nicht widerrufen wollte. Um diese Zeit bereitete sich in Prag Umwälzendes vor. Johannes Kepler aus Weil der Stadt (bei Stuttgart) und später Klosterschüler in Maulbronn, wurde 1601 zum kaiserlichen Mathematiker am Hofe Rudolfs II. berufen. Er war damals gerade 30 Jahre alt und folgte dem berühmten Astronomen Tycho Brahe nach dessen Tod in diesem Amt. Brahe starb 1601 möglicherweise an den Folgen einer Vergiftung und zeitweise wurde auch Kepler völlig unberechtigt als daran Beteiligter verdächtigt. Brahe hat sehr viel genaues, mit dem bloßen Auge gewonnenes Beobachtungsmaterial hinterlassen, konnte seine Daten aber nicht tiefschürfend auswerten. Kepler begann mit der mathematik-gestützten Auswertung und machte dabei eine große Entdeckung: Die Planeten bewegen sich nicht auf Kreisbahnen, sondern auf Ellipsen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht. Glücklicherweise hat Kepler zunächst den Mars bearbeitet, bei dem die Abweichung von der Kreisbahn (Exzentrizität) sehr ausgeprägt ist. Er konnte auch noch ein zweites Ergebnis vorlegen: Die Planeten bewegen sich nicht mit gleichförmiger Geschwindigkeit auf den elliptischen Bahnen, sondern so, dass die Verbindungslinie Planet – Sonne in gleichen Zeiten gleiche Flächen überstreicht. Diese beiden heute als Erstes und Zweites Keplersches Gesetz bekannten Befunde sind Kernaussagen eines Buches, das Kepler zwischen 1602 und 1607 fertigstellte, immer wieder behindert durch Tycho Brahes Erben, die eine Mitautorenschaft anstrebten. Als Verleger seines bedeutenden Werks erwählte er Gotthard Vögelin mit der Rechtfertigung: „da ich keinen besser geeigneten Drucker kenne“. Vögelin war seit 1598 kurpfälzischer Hofbuchdrucker in Heidelberg. Sein Haus lag dicht bei der Universität, zwischen Augustiner- und Heugasse (Abb. 8.1-1). Im ersten Stock des Hauses betrieb Vögelin die Druckerei. Zu seinem umfangreichen Verlagsprogramm gehörten Hofliteratur für den Kurfürsten, Schulbücher, theologische Schriften, und eben auch einige astronomische Bücher. Die Druckkosten für Keplers „Astronomia Nova“ wurden auf 800 Gulden geschätzt. Kaiser Rudolf II. bewilligte Ende 1606 eine erste Rate von 400 Gulden. Kepler hatte aber bereits Holzschnitte für sein Buch in Prag bestellt und konnte Vögelin nur einen Teil des 276 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 277 Abb. 8.1-1: Die Heidelberger Altstadt im Ausschnitt aus der großen Stadtansicht von Matthäus Merian aus dem Jahre 1620, Blick in Richtung Süden. Vögelins Druck- und Wohnhaus in der Kirchgasse (auch Sapienz- oder Vögelingasse) zwischen Augustiner- und Heugasse ist nicht direkt zu erkennen, da durch die großen Gebäude von Hofwagnerei, Herrenschmiede und Hengststall verdeckt (linker Kreis). Durch den Bau der Jesuitenkirche ab dem Jahre 1711 veränderte sich das Stadtbild in diesem Bereich. Auf einem gegenwärtigen Stadtplan liegt das ehemalige Vögelinsche Haus an der Schulgasse, zwischen Jesuitenkirche und Marsiliusplatz. Der rechte Kreis bezeichnet den Ort von früheren Universitäts-Sternwarten auf der Bursch, siehe Kapitel 8.2 (Universitäts-Archiv Heidelberg). Geldes schicken. Ende 1607 hielt sich Kepler in Heidelberg auf, um mit ihm über die Beschleunigung des Druckes zu verhandeln. Kepler musste sich erneut an den Kaiser wenden, um die zweite Rate des Druckkostenzuschusses zu erbitten. Vögelin selbst wollte die Veröffentlichung fördern, indem er einen Teil des Erbes seiner Ehefrau Magdalena dazu zu verwenden gedachte. Magdalenas Vater hatte in Frankfurt am Main einen Besitz von 10 000 Gulden hinterlassen und Vögelin stritt, zäh und mit Erfolg vor dem Frankfurter Stadtgericht gegen die Vormünder 277 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 278 Abb. 8.1-2: Titelblatt von Johannes Keplers „Astronomia Nova“, erschienen 1609 im Vögelin-Verlag Heidelberg. In diesem Werk sind die ersten beiden Keplerschen Gesetze enthalten. Einem Teil der Auflage ist ein Bild von Kaiser Rudolf II. vorangestellt, in einem anderen Teil am Ende das Vögelinsche Foliosignet enthalten (Archiv der Kepler Kommission, München). seiner Frau wegen Veruntreuung des Erbes. Kepler reiste im Frühjahr 1609 erneut nach Heidelberg, fand sein Werk weitgehend fertiggestellt, aber doch nicht mehr rechtzeitig für die von ihm anschließend besuchte Fastenmesse in Frankfurt. Bei der Herbstmesse 1609 war sein Buch dann verfügbar. Kaiser Rudolf II. verbot jedoch den Verkauf, das Buch sollte kostenlos an die Mathematiker im Reich verteilt werden. Kepler beachtete diese Anordnung nicht, da ihm der Kaiser noch mehrere Jahresgehälter schuldete. Er ver- 278 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 279 kaufte deshalb seinem Verleger alle Exemplare der „Astronomia Nova“, behielt für sich selbst aber keines, „… denn um drei Gulden kann ich hier in Prag ein Exemplar kaufen“. Mit diesem wohl bedeutendsten Werk aus dem Vögelinschen Verlag wurde die „Himmelstheologie“ durch die „Himmelsphysik“ abgelöst (Abb. 8.1-2). Ellipsen- statt Kreisbahnen für die Planeten, schnellerer Umlauf nahe der Sonne statt gleichförmiger Geschwindigkeit, das war ein endgültiger Bruch mit der traditionellen Lehre. Zusammen mit Galileis Beobachtungen durch sein Fernrohr begannen die beiden Männer im Jahre 1609 das alte Weltbild zum Einstürzen zu bringen. 8.2 Jacob Christmann und seine Fernrohre Im Jahre 1608 hatte Hans Lipperhey aus Wesel am Niederrhein das Fernrohr erfunden. Er lebte zu dieser Zeit als Brillenmacher in Middelburg in den Niederlanden. Während in Deutschland Kleinstaaterei und Religionsfehden herrschten, erlebten die Niederlande nach Siegen gegen die spanischen Besatzer einen starken wirtschaftlichen Aufschwung. Die Generalstaaten in Den Haag gewährten Lipperhey das beantragte Patent für das Fernrohr nicht, da ein Prioritätsstreit um die Erfindung begonnen hatte. Aber sie belohnten Lipperhey mit Geld (das zum Kauf dreier Häuser reichte) und weiteren Aufträgen. Obwohl die Generalstaaten Lipperhey aufforderten, seine auch militärisch wichtige Erfindung nicht zu verbreiten, gelangte die Kunde davon schnell durch Europa. In Italien hörte im Sommer 1609 Galileo Galilei davon. Durch Probieren mit verschiedenen Linsen aus gutem venezianischem Glas hat er das „holländische“ Fernrohr (Sammellinse als Objektiv und Zerstreuungslinse als Okular) „nacherfunden“. Er war bei den Ersten, die das Fernrohr ausgiebig für Beobachtungen am Nachthimmel eingesetzt haben. Und er war der Schnellste beim Veröffentlichen der Entdeckungen. Bereits im März 1610 berichtete er in seiner in Venedig erschienenen Schrift „Sidereus Nuncius“ (Sternenbotschaft) von Ringgebirgen auf dem Mond und der Auflösung der Milchstraße in zahllose Sterne. Die wichtigste Entdeckung war aber die der vier (inzwischen galileischen genannten) Monde, die den Jupiter umkreisen. Und noch im gleichen Jahr beobachtete er, dass die Venus Phasen wie der Mond zeigt. Das alles passte nicht zum traditionellen Weltbild und sollte ihm bald Ärger mit der katholischen Kirche einbringen. Fast gleichzeitig wurden auch in Heidelberg die ersten Fernrohre gebaut. Jacob Christmann aus Johannisberg im Erzstift Mainz (Rheingau) war zu jener Zeit Professor für Logik in Heidelberg. Er erhielt hier 1609 auf Vorschlag von Kurfürst Friedrich IV. die 279 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 280 Abb. 8.2-1: Die beiden Schriften von Jacob Christmann, Professor an der Heidelberger Universität, zur Theorie des Mondes und zum Gordischen Knoten aus den Jahren 1611 und 1612. Im Anhang zur zweiten Schrift beschreibt er seine Fernrohre, die er als erster mit einem astronomischen Messinstrument verband, einem Jacobsstab und einem Sextanen. Gedruckt wurden die Werke ebenfalls bei Vögelin in Heidelberg (Universität Tübingen). erste europäische Professur für arabische Sprachen an der Universität. Zuvor hatte er an der landgräflichen Sternwarte in Kassel gearbeitet. Angeregt durch die Übersetzung eines Astronomie-Textes des Arabers Al-Fargani (ca. 840 n. Chr.) und seinen eigenen Arbeiten zur Trigonometrie, begann er um 1611 mit dem Bau von kleinen Fernrohren zur Himmelsbeobachtung: bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1613 sollten es sechs Fernrohre werden. Christmann benutzte seine schwach vergrößernden Fernrohre als Peil-Einrichtung auf Winkelmessgeräten, einem Sextanten und einem Jakobsstab. Offenbar konnte er die Sterne oder Planeten, deren gegenseitigen Winkelabstand es zu messen galt, und die Visiermarke auf seinem Messgerät gleichzeitig sehen. Auch Galilei hatte schon ein Jahr vorher Winkelabstände am Himmel gemessen, nachdem er den Gesichtsfeld-Durchmesser seines „Telescop“ im Winkelmaß geeicht hatte. Damit konnte er gegenseitige 280 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 281 Abstände himmlischer Objekte in Bruchteilen des Gesichtsfeld-Durchmessers angeben. Diese Methode war natürlich auf sehr kleine Abstände beschränkt. Jacob Christmann in Heidelberg gehörte somit zu den Ersten, die das Fernrohr mit einem astronomischen Messinstrument verbanden: Das Fernrohr diente zur Peilung auf Sterne, die Messung auch großer Winkelabstände erfolgte am Teilkreis oder der Stablänge seiner Instrumente. Über seine Arbeiten berichtete Christmann in zwei in den Jahren 1611 und 1612 wiederum bei Gotthard Vögelin in Heidelberg erschienenen Schriften: – „Theoria lunae ex novis hypothesibus et observationibus demonstrata.“ Heidelbergae 1611. – „Nodus Gordius ex doctrina sinuum explicatus. Accedit appendix observationum, quae per radium artificiosum habitae sunt circa Saturnum, Jovem, et lucidiores stellas affixas.“1 Heidelbergae 1612. Die Titelblätter dieser Veröffentlichungen zeigt die Abb. 8.2-1. Die optische Qualität von Christmanns Fernrohren muss bescheiden gewesen sein. Er versuchte anfänglich mit geringem Erfolg, einige von Galileis Beobachtungen zu wiederholen. Ebenfalls im Jahre 1612 beschrieb Kepler, der auch ein hervorragender Optiker war, in seiner „Dioptrice“ eine leistungsfähigere Bauart für ein Fernrohr, das aus zwei Sammellinsen besteht und stärkere Vergrößerungen bei größeren Gesichtsfeldern ermöglicht. Es wurde als „keplersches“ oder „astronomisches“ bekannt. Christmann war nicht der erste Astronom an der Heidelberger Universität. Die meisten Mathematiker betrieben durch die Beschäftigung mit der Trigonometrie auch Himmelskunde. Bekanntheit haben zwei seiner Vorläufer erlangt: Maestlin und Otho. Michael Maestlin aus Göppingen war an der Universität Tübingen Lehrer von Johannes Kepler gewesen und hatte diesen in das heliozentrische Weltbild eingeführt. Maestlin wurde auf Bitte des Kurfürsten Ludwig VI. vom Württembergischen Herzog auf zwei Jahre von Tübingen an die Universität Heidelberg „ausgeliehen“, um hier 1580 die Professur für Mathematik anzutreten. In dieser Zeit gab er einen „Abriß der Astronomie“ (Epitome Astronomiae) heraus. Er bemerkte, dass der Komet von 1580 sich jenseits der Mondbahn bewegte, entgegen der gültigen Lehrmeinung. Schließlich wandte er sich gegen die katholische gregorianische Kalenderreform, die sich später aber auch in den lutherischen Gebieten durchsetzte. Maestlin musste auf Anforderung seines Landesherren 1583 an die Universität Tübingen zurückkehren, trotz seiner Bemühungen in Heidelberg zu bleiben. 1 Der Gordische Knoten, erklärt durch die Lehre der Sinusse. Hinzu kommt ein Anhang von Beobachtungen, die mittels eines Kunstfertigen Jakobstabes (=Teleskop) bei dem Saturn, dem Jupiter und hellen Fixsternen erhalten worden sind. 281 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 282 Abb. 8.2-2: Valentin Otho betrieb ab 1593 eine „Sternwarte“ in einem Universitätsgarten an der Plöck neben der Peterskirche (Kreis). Seine Instrumente waren vor allem Quadranten zur Winkelmessung (das Fernrohr wurde erst 20 Jahre später erfunden). Diese Sternwarte hatte keinen guten Standort, ist doch der wichtige Südhimmel bis zu einer Höhe von ~ 25° über dem Horizont vom nahen Gaisberg verstellt. Diese Stadtansicht vom Fuße des Gaisberges mit Blickrichtung nach Norden ist ein Stich von Matthäus Merian wahrscheinlich aus dem Jahre 1654 (Universitäts-Bibliothek Heidelberg). Valentin Otho aus Magdeburg kam 1587 von der Universität Wittenberg als Mathematiker und Magister Astronomiae nach Heidelberg. 1601 wurde er hier Professor für Mathematik. In dem von ihm vollendeten trigonometrischen Handbuch „Opus Palatinum de Triangulis“ befasste er sich theoretisch mit Kugeldreiecken und betrieb anwendungsnah die erste „Sternwarte“ in Heidelberg. Sie befand sich in einem Gartenhaus in der Plöck, dicht bei der Peterskirche (Abb. 8.2-2). Als wertvollste Ausstattung besaß sie einen Quadranten aus Messing zur Winkelmessung an der Himmelskugel, den der Kurfürst finanziert hatte. Nach dem Tode von Otho im April 1603 bat die Universität den Kurfürsten „etlichew instrumenta mathematica ... wie auch den missenen quadranten, welche in dem garten ... zu grunde gehen müssen, ihr zur sternbeobachtung und zu unterrichtszwecken zu überlassen“. Die Instrumente wurden daraufhin auf der Bursch aufgebaut, einem Gebäude des damaligen Universitätszentrums zwischen Augustinerund Heugasse (Abb. 8.1-1), dicht neben diesem Ort wurde später die Jesuitenkirche 282 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 283 gebaut. Nach dem Niedergang im Dreißigjährigen Krieg (die Universität war über zwanzig Jahre geschlossen), unternahm Kurfürst Karl Ludwig, ein auch in Mathematik an der Leidener Hochschule ausgebildeter Mann, Anstrengungen, den wissenschaftlichen Betrieb in Heidelberg wieder in Gang zu bringen. Anfangs sogar Rektor der Universität, bestimmten seine Statuten im Jahre 1672: „Ferner soll auch die vor dem dreyßigjährigen teutschen krieg alhier über der pursch gewesene specula mathematica wider zugerichtet und mit nöthigen büchern und instrumentis astronomicis versehen, auch die observationes astronomicae denen studiosis angewiesen werden“. Diese dritte Heidelberger „Sternwarte“ hatte nur eine Lebensdauer von zehn Jahren: Am 31. Mai 1682 beschloss der Akademische Senat „die speculam mathematicam oben auff der bursch abzunehmen und durch den maurer und zimmermann dass dach wider wohl zumachen zu laßen, damit der Regen daselbst keinen ferneren schaden thun könne“. Die Instrumente sollten in das Lazaretthaus der Universität gebracht werden; ob sie dort weiter für astronomische Beobachtungen benutzt worden sind, war nicht in Erfahrung zu bringen. Eine Übersicht über die Heidelberger Universitäts-Sternwarten in den drei Jahrhunderten vor der Errichtung der Landessternwarte auf dem Königstuhl gibt die Tabelle 8.2.1. Tabelle 8.2.1: Frühere Sternwarten der Universität im Stadtgebiet von Heidelberg (siehe dazu auch Abb. 8.2-2, 8.1-1 und 8.5-6) Jahr Ort Beobachter / Zweck 1593 – 1603 Garten-Haus in der Plöck, neben Peterskirche Valentin Otho, Mathematik-Professor 1603 – 30-jähriger Krieg Auf der Bursch, altes UniversitätsZentrum, Augustiner-/Heugasse Specula Mathematica, Unterrichtszwecke 1672 – 1682 Auf der Bursch, Wiedererrichtung nach dem 30-jährigen Krieg Specula Mathematica, Unterrichtszwecke 1818 – ca.1840 Auf dem Dominikaner-Kloster, Hauptstraße/ Brunnengasse Astronomisches und Meteorologisches Observatorium, Georg Wilhelm Muncke, Physik-Professor 283 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 284 8.3 Die Sternwarten in Schwetzingen und Mannheim (ab 1764) Während in der Mitte des 17. Jahrhunderts in Frankreich und England durch die Gründung königlicher Sternwarten eine Blütezeit der Astronomie begann, lag Deutschland durch den Dreißigjährigen Krieg wirtschaftlich am Boden. 1622 wurde Heidelberg von der katholischen Liga unter dem niederländischen Feldherrn Tilly besetzt. Dabei wurde die wertvolle Bibliotheca Palatina aus der Heiliggeistkirche geraubt und dem Papst Gregor XV. geschenkt. Weitere Erbfolgekriege, bei denen 1689 französische Truppen das Heidelberger Schloss zerstörten, und Auseinandersetzungen der deutschen Staaten untereinander hatten unser Land zusätzlich geschwächt. Erst mit dem Ende des Siebenjährigen Krieges im Jahre 1763 und der folgenden Friedenszeit begannen sich auch in Deutschland die Wissenschaften stürmisch weiterzuentwickeln. Es ist die Zeit, in die die fernsten Wurzeln des Max-Planck-Instituts für Astronomie reichen: die Gründung der Mannheimer Sternwarte, die schließlich als Badische Landessternwarte auf den Heidelberger Königstuhl verlegt wurde und aus der heraus sich das MPI für Astronomie entwickelte. Begonnen hat es im Jahre 1752, als der den Künsten und Wissenschaften zugeneigte Kurfürst Carl Theodor auf Empfehlung seines jesuitischen Beichtvaters Franz Seedorf einen Lehrstuhl für experimentelle Physik an der Universität Heidelberg schuf. Berufen wurde der aus Mederitz in Mähren stammende Christian Mayer (geboren 1719), den der Jesuitenorden im Jahr zuvor als Professor für Philosophie nach Heidelberg entsandt hatte. Mayer gestaltete im alten Universitätsgebäude ein Physikalisches Kabinett, in dem vom Kurfürsten geschenkte Apparate wie Mikroskop, Sonnenuhr und Elektrisiermaschine vorgeführt wurden. Er gab Vorlesungen über Physik, Mathematik und Astronomie. 1757 wurde Mayer vom Kurfürsten auf eine Reise in das fortschrittliche Paris geschickt, um mehr über Wasserbau und Astronomie zu lernen. Praktische Ziele waren einerseits die Planung einer Wasserversorgung für Mannheim und andererseits die Vermessung der Kurpfalz, hatten doch französischen Astronomen und Geodäten bei Expeditionen zum Äquator und in den polaren Regionen bereits die Gestalt der Erde vermessen. Diese Dienstreise hat Mayer noch mehr für die Astronomie begeistert, und mit kurfürstlicher Unterstützung konnte er in Paris Instrumente für die Beobachtung des Venus-Transits vor der Sonnenscheibe im Jahre 1761 kaufen. Dieses Himmelsereignis wurde im Schwetzinger Schlossgarten in Anwesenheit des Kurfürsten beobachtet, weltweit an über 100 Stationen, zwischen denen reger wissenschaftlicher Austausch einsetzte. 1762 wurde Mayer zum Hofastronomen und Professor für Astronomie an der Heidelberger Universität ernannt. Sein wissenschaftlicher Ruf war inzwischen so groß, dass er 1769 von der Zarin Katharina der Großen zur Beobachtung des 284 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 285 Abb. 8.3-1: Auf dem Dach des Schwetzinger Schlosses ist noch heute die Plattform von Christian Mayers erster Sternwarte von 1764 zu erkennen (hinter der Uhr). Die ursprünglich dort vorhandene 3-Meter-Kuppel wurde später zur Mannheimer Sternwarte gebracht. Vom Schloss aus erstreckt sich die Kurpfälzer Grundlinie in Richtung Königstuhl, der im Hintergrund erkennbar ist (Uwe Reichert). Venus-Transits nach St. Petersburg eingeladen wurde. Dabei bestimmte Mayer mit anderen Astronomen aus Europa den Abstand zur Sonne. Zur Vermessung der Kurpfalz nutzte Mayer die unter Kurfürst Carl Phillip gebaute schnurgerade Straße, die von Heidelberg durch die Mitte des Schwetzinger Schlossparks bis Ketsch am Rhein führte. Diese Straße (Kurpfälzer Grundlinie, siehe Kap. 10.8) ist von der Bergbahnstation Königstuhl aus heute noch gut zu erkennen. An die genau vermessene über 12 km lange Basislinie wurde dann durch Winkelmessungen ein Netz von Dreiecken über die Kurpfalz gelegt, deren Seitenlängen einfach berechnet werden konnten. Diese Triangulation bildete die Grundlage für die Erstellung von Landkarten. Im Zusammenhang damit entstand 1764 auf dem Dach des Schwetzinger Schlosses eine erste kleine kurfürstliche Sternwarte (Abb. 8.3-1), mit der auch die genaue Nord-SüdRichtung für die Landesvermessung bestimmt wurde (siehe auch Abb. 10.15-1). 285 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 286 8.4 Christian Mayers erfolgreiche Denkschrift von 1771 Bei weiteren Auslandsreisen nach England, den Niederlanden und Russland hat Mayer zahlreiche Sternwarten besucht und ihre instrumentelle Ausstattung studiert. Seinen dadurch verstärkten Wunsch, auch in der Kurpfalz eine große Sternwarte zu errichten, legte er am 31. Dezember 1771 „dem durchlauchtigen Kurfürsten und Herrn, Herrn Karl Theodor Pfalzgrafen bey Rhein, des Heiligen Römischen Reiches Erz-Schatz Minister und Kurfürsten in Bayern, zu Jülich, Kleve und Berg Hertzog, Fürst zu Mörß …“ dar. In dieser 39 Seiten starken Denkschrift beklagte Mayer die räumliche Enge der provisorischen Schwetzinger Sternwarte, setzte sich kritisch mit den besichtigten Sternwarten in Europa auseinander und entwarf, belegt durch beigefügte Zeichnungen, eine moderne Turm-Sternwarte für die Kurpfalz. Obwohl ihm an „der ältesten unter allen hohen Schulen Deutschlands, jener weltberühmten Universität Heidelberg ... der neuerrichtete mathematische Lehrstuhl ... anvertraut“ worden war, wollte er die neue Sternwarte nicht dort, sondern lieber dicht bei Hofe in Mannheim errichten lassen. Und er schmeichelte und überzeugte seinen Kurfürsten: „Ohne zweifel haben deswegen andere ausländische Regenten die Hofstädte erwählet, weil sie die Ausübung der Astronomie ansahen als eine zur Polizey und Ordnung ihrer Völker nöthiges Stück: die tägliche und jährliche genaue Zeitrechnung, die Berichtigung der Uhren, die Grundlage einer genauen Landkarte, die Bestimmung eines unveränderlichen Meridian, der Briefwechsel mit auswendigen Gelehrten und Herbeiziehung derselben, die Aufklärung inheimischer Jugend, die Hoffnung neuer Entdeckung zur besseren Bestimmung des Himmelslauf, der daraus groß erwachsende Einfluß in die ganze Naturlehre, zum besten des bürgerlichen Lebens und Aufnahme der Schifffahrt, der hieraus folgende unsterbliche Name eines Regenten waren wohl die Absichten solcher großen Fürsten, und Mannheim allein, dessen Schönheiten alljährlich so viel Fremde bewundern, sollte den kurpfälzischen Landen diese Vorteile nicht bringen?“ Im Gegensatz zu der 190 Jahre später geschriebenen Denkschrift zur Lage der Astronomie in Deutschland, von der im Kapitel 2.2 berichtet wurde, war Mayers Denkschrift ein klarer Handlungsvorschlag an den richtigen Adressaten: alle Einzelheiten durchdacht, die Kosten und der Zeitplan geschätzt und der Leiter des Unternehmens empfohlen – nämlich sich selbst. Mayer war damals 52 Jahre alt und fühlte sich der Aufgabe von seinen „Leibeskräften“ her gewachsen, da er bei Nichtverfügbarkeit von Pferden ausprobiert habe, dass er „auch im Winter von Heidelberg abends nach Schwetzingen zu Fuße gehen kann [~ 12 km] und ohne Müdigkeit die nächtlichen Beobachtungen machen kann“. Wenige Monate nach Erhalt der Denkschrift bewilligte der Kurfürst den Bau und sagte 286 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 287 Abb. 8.4-1: Ansicht der Mannheimer Sternwarte nach Wilhelm von Traitteur 1791. Links die Westfassade mit dem Anbau für den Mauerquadranten. Rechts der Blick von Norden, im ersten Stockwerk der große Beobachtungssaal (Landesmuseum für Technik und Arbeit, Kai Budde). die Beteiligung an den Baukosten zu. Ein weiterer Kostenanteil musste von den Jesuiten getragen werden, die dafür den Leiter der Sternwarte ernennen durften. Der Bau der Sternwarte, zwischen kurfürstlichem Schloss und Jesuitenkirche, wurde damals begleitet von Umständen, die uns auch heute noch vertraut sind: Streit um Bauausführung mit den Architekten, Verzögerungen, starke Kostensteigerungen, Ausfall eines Geldgebers (durch die päpstliche Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773). Ab 1775 konnte dann Mayer dennoch in seine kirchturmähnlich gestaltete Sternwarte einziehen (Abb. 8.4-1). Schnell wurde sie zu einem Besuchermagneten in der Residenzstadt Mannheim. Interesse an wissenschaftlichen Fragen im Zeitalter der Aufklärung, die zahlreichen modernen Instrumente und die hervorragende Aussicht von der Plattform 287 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 288 lockten auch durchreisende Gäste an. Das weisen die Eintragungen im heute noch auf dem Königstuhl aufbewahrten Gästebuch nach: Kapellmeister Mozart, der künftige amerikanische Präsident Jefferson, der Physiker Volta, der Verleger Cotta, die Astronomen Heinrich Olbers und Franz Xaver von Zach. Mayers Beobachtungen waren einerseits unserem Planetensystem mit seinen Monden und Finsternissen gewidmet, andererseits dem Fixsternhimmel und hier insbesondere den Doppelsternen. Mit den aus England bezogenen und vom Kurfürsten bezahlten Präzisions-Instrumenten, einem Mauerquadranten und einer Kompensations-Pendeluhr, konnte er kleine Veränderungen in den gegenseitigen Stellungen von Doppelsternen wahrnehmen. Der von ihm eingeführte Begriff der „Fixstern-Trabanten“ ging allerdings schon damals einigen Astronomen zu weit, deutete er doch an, dass einer der Partner ein Planet sein könnte. Mayer katalogisierte über 100 Doppelstern-Paare und ihre in mehreren Fällen messbaren Eigenbewegungen. Diese Pionierarbeit wurde von berühmten späteren Astronomen, wie Wilhelm Herschel und Wilhelm v. Struve, sehr gewürdigt. Daneben trieb er die Landesvermessung voran und schuf die „Kleine Kurpfalz-Karte“, die mehrteilige „Große“ wurde bis zu seinem Tode nur teilweise fertig gestellt. Mayers Verbindungen zu Astronomen in ganz Europa erlaubten es der neuen Meteorologischen Gesellschaft der Kurpfalz, der Mayer auch angehörte, ein europaweites Wetterbeobachtungsnetz mit gleichartigen Messinstrumenten und Ablesungen zur gleichen („Mannheimer“) Zeit aufzubauen. Das wurde Vorbild für das fast 100 Jahre später in Wien gegründete Internationale Wetternetz. Der Astronom Mayer war auch mehrfach Rektor der Universität Heidelberg und Dekan der Philosophischen Fakultät. Als dieser vielseitige Wissenschaftler und unermüdliche Wissenschafts-Organisator 1783 im Alter von 63 Jahren starb, war die erste Blütezeit der Astronomie in der Kurpfalz zu Ende (Abb. 8.4-2). Ein nach ihm benannter Mondkrater im „Meer der Kälte“ hat ihn am Himmel verewigt. Einige Berufungen zu Hofastronomen in der Nachfolge Mayers verliefen weniger glücklich. Einer fiel durch Frauengeschichten auf, was zur Strafversetzung führte. Ein weiterer eignete sich eine Präzisionsuhr an, andere vernachlässigten das Instrumentarium. Wissenschaftlich wurde nichts Wichtiges geleistet, neue Breiten- und Längenbestimmungen der Sternwarte und der Versuch, neue Sternbilder zu benennen, sind überliefert. Die Zeiten waren schwieriger geworden: Kurfürst Carl Theodor, der der Kurpfalz eine kulturelle Blütezeit beschert hatte, erbte nach dem Aussterben der Wittelsbacher das Kurfürstentum Bayern und siedelte 1777 nach München über. Dort starb er 1799, und im gleichen Jahr beschoss und besetzte die französische Armee Mannheim. Mit dem Übergang der Kurpfalz in das Großherzogtum Baden wurde die Sternwarte im Jahre 1803 zur „Großherzoglichen Sternwarte“. Aber ihre Arbeit an Fixsternkatalogen 288 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 289 Abb. 8.4-2: Gedenkmedaille auf Christian Mayer, den ersten Direktor der Mannheimer Sternwarte. Sie zeigt das einzige erhaltene Bild des berühmten Astronomen. Der Text auf der Rückseite lautet in deutscher Übersetzung: „Unter der Schirmherrschaft Gottes und Carl Theodors, Kurfürst von Pfalz-Bayern, entdeckt er am Sternhimmel 1777 in Mannheim neue Phänomene, die höchst geeignet sind, die eigene Bewegung der Fixsterne, ihre Parallaxen sowie neue Planeten und Satelliten zu finden.“ Mayer starb am 16. April 1783 im Alter von 63 Jahren (Landesmuseum für Technik und Arbeit, Kai Budde). mäßiger Genauigkeit war nicht auf der Höhe der Zeit. Andernorts hatte Giuseppe Piazzi 1801 den ersten Kleinplaneten entdeckt, den er Ceres nannte. Die Suche nach weiteren Planetoiden wurde zu einem spannenden Forschungsthema, auch für die deutschen Astronomen. Heinrich Olbers entdeckte „Pallas“ und „Vesta“, Carl Friedrich Gauß lieferte die mathematischen Methoden zur Bahnberechnung. Eine letzte fruchtbare Zeit gab es in Mannheim mit dem aus Hildburghausen stammenden Eduard Schönfeld in den Jahren 1859 bis 1875. Aus seinen Beobachtungen ging ein Katalog von 1500 Nebelflecken und Sternhaufen hervor. Er arbeitete darüber hinaus mit seinem akademischen Lehrer und späteren Schwiegervater Friedrich Wilhelm Argelander in Bonn eng zusammen. Nach dessen Tod setzte er als sein Nachfolger dessen Werke als „Südliche Bonner Durchmusterung“ mit über 133 000 Sternen fort. Schönfeld trug mit seinen vielfältigen wissenschaftlichen Auswärtskontakten dazu bei, dass im Jahre 1863 die heute noch tätige „Astronomische Gesellschaft“ in Heidelberg gegründet wurde. Ihr Ziel war die Koordination der Forschungsarbeit unter den deutschsprachigen Astronomen. Zu den 26 damals in Heidelberg versammelten Gründungs-Mitgliedern gehörten bekannte Astronomen: Friedrich Wilhelm Argelander, Wilhelm Foerster, Eduard Schönfeld, Otto und Wilhelm Struve, Julius Zech, Karl Friedrich Zöllner. 289 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 290 8.5 Spektralanalyse der Gestirne – Gustav Kirchhoff und Robert Bunsen Während an der Mannheimer Sternwarte klassische Positions-Astronomie betrieben wurde, gelangen Mitte des 19. Jahrhunderts an der Heidelberger Universität Entdeckungen, die zu einem neuen und wissenschaftlich sehr fruchtbaren Zweig führen sollten: der Astrophysik. Der aus Göttingen stammende Chemiker Robert Bunsen hatte während seiner Professur in Breslau den 13 Jahre jüngeren Gustav Kirchhoff aus Königsberg schätzen gelernt, der im Alter von 26 Jahren dort seine erste Physik-Professur begonnen Abb. 8.5-1: Gustav Kirchhoff und Robert Bunsen verbanden in Heidelberg gemeinsame wissenschaftliche Interessen an der Spektroskopie und eine lange Männerfreundschaft (Universitätsarchiv Heidelberg). 290 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 291 hatte. Bunsen folgte 1851 einem Ruf nach Heidelberg und erreichte 1854 die Berufung Kirchhoffs auf den durch Philipp von Jollys Berufung nach München freigewordenen Heidelberger Physik-Lehrstuhl. Diese Männerfreundschaft war auch wissenschaftlich sehr ergiebig (Abb. 8.5-1). Beide arbeiteten mit Spektroskopen, zerlegten also das Licht von Flammen und Funken mit Prismen-Apparaten. Sie versuchten aus den dunklen oder hellen Linien im bunten Spektrum Aussagen über die Stoffe in Flamme oder Funken zu gewinnen. Die Methode war nicht neu, sie war schon in England und Holland angewandt worden, aber gesicherte Aussagen zu den leuchtenden oder absorbierenden Stoffen waren bis dahin nicht möglich. Ein Grund dafür war, dass fast alle verwendeten Proben nicht rein waren und ihre Spektren deshalb auch viele Linien der darin enthaltenen Verunreinigungen zeigten. Joseph Fraunhofers Spektrum der Sonne vom Anfang des 19. Jahrhunderts zeigte fast 600 dunkle Linien, ihre Entstehung konnte damals nicht erklärt werden. Im Herbst 1859 versuchten Bunsen und Kirchhoff mit einem selbstgebauten Spektrometer eine seit einigen Jahren bestehende Vermutung zu klären. Danach sollte die dunkle D-Linie in Fraunhofers Sonnenspektrum bei genau der gleichen Wellenlänge erscheinen, wie die helle gelbe Linie in der natriumgefärbten Flamme des Bunsenbrenners. Dazu wurde das Sonnenlicht durch die Flamme geleitet und die Überlagerung beider Spektren Abb. 8.5-2: Kirchhoffs Spektralapparat zur Analyse des Sonnenspektrums, konstruiert von Carl August von Steinheil, München (Universitätsarchiv Heidelberg). 291 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 292 beobachtet. Die Übereinstimmung war perfekt. Und es gab eine große Überraschung: mit steigender Helligkeit des Sonnenlichtes wandelte sich die helle Linie der Flamme in eine dunkle Absorptionslinie um, eine künstliche Fraunhofer-Linie. Weitere Untersuchungen auch an anderen Linien ließen für Kirchhoff nur einen Schluss zu: die Sonne muss heißer sein als die Flamme, um eine Absorptionslinie erzeugen zu können. Daraus folgte für das Sonnenspektrum, dass die dunklen Fraunhofer-Linien in der kühleren Außenschicht der Sonne entstehen und dass dort auch Natrium vorhanden sein muss. Diese „Umkehr der Flammenspectren“ führte Kirchhoff zu seinem berühmten Strahlungsgesetz, nach dem das Verhältnis von Absorptions- zu Emissions-Vermögen für alle Körper gleich ist und nur von der Temperatur und der Wellenlänge abhängt. Er begann mit einem 4-Prismen-Spektrometer (Abb. 8.5-2), das das Sonnenspektrum besonders weit auseinander zieht (hoch auflöst), systematisch alle Linien aufzuzeichnen und mit den Funkenspektren bekannter Stoffe aus dem Labor zu vergleichen (Abb. 8.5-3). Hier setzt der bedeutende Beitrag Bunsens ein: Er hat als hervorragender analytischer Chemiker sehr reine Proben verschiedener Elemente herstellen und sie spektroskopisch charakteri- Abb. 8.5-3: Ausschnitt aus dem von Kirchhoff in Heidelberg gezeichneten Sonnenspektrum. Es sind Linien der Elemente Nickel, Eisen Calcium, Barium u.a. zu erkennen (Gustav Kirchhoff ). 292 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 293 Abb. 8.5-4: Rückseite des „Hauses zum Riesen“ in der Heidelberger Hauptstraße. Aus einem Fenster im obersten Stockwerk wurden die berühmten spektroskopischen Beobachtungen der Sonne gemacht (Lemke). sieren können. Er erfand dafür den „Bunsenbrenner“, der dank des damals in Heidelberg bereits verfügbaren Leuchtgases aus Steinkohle eine farblose Flamme lieferte. Das besondere Interesse Kirchhoffs galt dem Eisen, waren doch Eisenmeteoriten bisher die einzige gesicherte Kunde über die Chemie des Weltalls. Der Vergleich von 60 Eisenlinien aus den Funkenspektren im Labor mit denen im Sonnenspektrum zeigte völlige Übereinstimmung, und Kirchhoff berechnete die Wahrscheinlichkeit, „dass dies ein 293 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 294 Werk des Zufalls sei“, als kleiner als 10-18. Im Sonnenspektrum wurden neben Natrium und Eisen auch Calcium, Magnesium, Nickel, Barium, Kupfer und Zink gefunden, alles Elemente, die auch auf der Erde vorkommen. Nicht nachgewiesen wurden damals Fraunhofersche Linien für Gold, Silber, Blei und mehrere andere Elemente, deren Funkenspektren gut bekannt waren. Kirchhoff klärte neben der chemischen Beschaffenheit der Sonne auch ihre physikalische auf: ein glühender Zentralkörper mit einer etwas kühleren Atmosphäre, in der die Fraunhoferschen Linien entstehen, und noch kühleren Wolken, den Sonnenflecken. Zu jener Zeit glaubten einige bekannte Astronomen andernorts noch, dass die Sonnenflecken Löcher in der leuchtenden Atmosphäre der Sonne seien, durch die hindurch man den dunklen Sonnenkörper sehen könnte. Die Sonnen-Beobachtungen wurden aus einem Fenster auf der Rückseite des „Hauses zum Riesen“ in der Heidelberger Hauptstraße (Abb. 8.5-4) durchgeführt, „ein sehr Abb. 8.5-5: Der Friedrichsbau in der Heidelberger Hauptstraße entstand 1863 anstelle des abgerissenen Dominikanerklosters mit seiner kleinen Dachsternwarte (Abb. 8.5-6). Auch auf dem neuen Gebäude sollte nach Kirchhoffs Wunsch ein Observatorium entstehen, der Plan wurde aber nicht umgesetzt. Vor dem Friedrichsbau steht das Bunsen-Denkmal, hinter der großen Eingangstüre ist im Treppenhaus die Gedenktafel an Lorand Eötvös (siehe Kapitel 10.1) angebracht (Lemke). 294 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 295 unzweckmäßiges Lokal, weil die Sonne aus ihm verschwand, wenn sie dem Horizont nahe kam.“ Deshalb konnte von dort aus der Einfluss der Erdatmosphäre auf die Spektren nur unvollständig untersucht werden. Auf der zur Hauptstraße gerichteten Vorderseite dieses zu den alten naturwissenschaftlichen Instituten gehörenden Hauses erinnert eine Gedenktafel an die Geburtsstunde der Astrophysik: die Anwendung der Spektralanalyse auf „Sonne und Gestirne“ (Abb.10.1-2). Der Text auf dieser Tafel stammt von dem Physiker Philipp Lenard, er ist nicht ganz korrekt. Kirchhoff hatte nur die Sonne als nahen Stern spektroskopisch analysiert. Zwar hat er mehrfach die Anwendung der Methode auf hellere Fixsterne empfohlen, aber dafür fehlten ihm damals in Heidelberg geeignete Fernrohre. An seine bahnbrechende Idee wurde aber andernorts schnell angeknüpft. Als zeitgleich mit seinen Untersuchungen an der Heidelberger Universität ein Neubau für die Naturwissenschaften auf dem Gelände des Dominikanerklosters geplant wurde, wünschte Kirchhoff auf dem Dach einen Beobachtungs-Pavillon zu errichten. Dem Architekten des neuen „Friedrichsbau“ (gegenüber dem Haus zum Riesen, Abb. 8.5-5) gefiel die Idee des Aufbaus nicht. 1862 erfuhr Kirchhoff von ersten Versuchen zur Spektralanalyse des Sternlichtes in England und er gab daraufhin den Plan für den Beobachtungsturm über dem neuen Institut auf. Interessanterweise hatte es an diesem Ort bereits vorher eine „Sternwarte“ gegeben. Als der Physik-Professor Georg Wilhelm Muncke 1818 Abb. 8.5-6: Eine vierte Sternwarte der Universität wurde 1818 beim Umzug des Physikalischen Instituts der Universität in das Dominikanerkloster eingerichtet. Nach dem Abriss des Klosters entstanden an diesem Ort die Anatomie und der Friedrichsbau für die Physik (1863), vor dem heute das Bunsen-Denkmal in der Hauptsraße steht (Stadtplan Heidelberg 1830, Verlag der neuen Akademischen Buchhandlung Karl Groos in Heidelberg). 295 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 296 mit den physikalischen Sammlungen in das Dominikanerkloster umzog, wurde dort ein Observatorium für astronomische und meteorologische Beobachtungen errichtet (Abb. 8.5-6). Das Dominikanerkloster wurde zwei Jahrzehnte später abgerissen und an seiner Stelle entstanden 1844 die Anatomie und 1863 mit dem Friedrichsbau der sechste Standort der Heidelberger Physik in Folge. Das berühmte Heidelberger „Dreigestirn“ (Bunsen, Helmholtz, Kirchhoff ) zog viele begabte Studenten an die hiesige Universität. Unter ihnen war Otto von Littrow, Sohn des Direktors der Wiener Sternwarte und Enkel des bekannten vorangegangenen Direktors („Wunder des Himmels“). Er studierte bei Kirchhoff und Helmholtz. Da ihm die vielen Prismen in den Spektralapparaten nicht gefielen, ersann er eine später nach ihm benannte Anordnung, bei der ein Umlenkspiegel das Licht zweimal durch die Prismen schickt. Kurz vor der Rückreise nach Heidelberg von einem Ferienaufenthalt in Wien im Herbst 1864 starb er dort, vermutlich an Typhus, im Alter von nur 21 Jahren. Die hohe Empfindlichkeit der neuen Spektralanalyse ermöglichte es Kirchhoff und Bunsen, in ihrem Heidelberger Labor zwei neue Elemente zu entdecken. Durch Eindampfen und Aufbereiten von 44000 kg Mineralwasser der Maxquelle aus dem benachbarten Dürkheim entdeckten sie das Element Cäsium. Aus der Aufarbeitung von 150 kg Sächsischem Lepidolit (eines Glimmer-Minerals) konnten sie ein weiteres Element entdecken: das Rubidium. Beide Elemente erhielten ihren Namen nach den farbigen Linien in den Entdeckungsspektren (Himmelsblau bzw. Dunkelrot). Zu jener Zeit waren erst 60 der 92 natürlich vorkommenden Elemente bekannt und es sollten noch weitere Entdeckungen mit der spektroskopischen Methode folgen. Kirchhoffs Entdeckungen an der Sonne wurden weltweit aufgegriffen, und die Spektroskopie brachte in den folgenden Jahrzehnten tiefe Einsichten in die Physik der Sterne. Nach der Neugründung des Deutschen Reiches veranlasste der Kronprinz und spätere Kaiser Friedrich den Direktor der Berliner Sternwarte, Wilhelm Foerster, mit der Planung eines Observatoriums für spektroskopische Untersuchungen an Himmelskörpern zu beginnen. Dieser Schritt führte 1874 zur Gründung des Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, der weltweit ersten derartigen Einrichtung. Kirchhoff, „der Schöpfer der modernen Sonnenphysik und Astrophysik“2 , sollte schon 1873 dorthin als Direktor berufen werden. Diese Berufung nahm er nicht an, da er seit seinen Entdeckungen um 1861 der Spektroskopie ferngeblieben sei und er sich in Zukunft in Heidelberg der Herausgabe der Vorlesungen über mathematische Physik widmen wolle. Sein Bleiben an der 2 Der Begriff „Astrophysik“ wurde von Karl Friedrich Zöllner geprägt, der 1872 Professor für physikalische Astronomie an der Universität Leipzig wurde. 296 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 297 Abb. 8.5-7 Das Original des Kirchhoffschen Spektrometers befindet sich heute in einer Ausstellungsvitrine im Kuppelsaal des „Großen Refraktors“ im Astrophysikalischen Institut auf dem Telegraphenberg in Potsdam. Das Instrument wurde im Jahre 1893 auf der Weltausstellung in Chicago gezeigt und überstand mit einigen Schäden einen Bombenangriff auf Potsdam im Jahre 1944 (AIP Potsdam). 297 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 298 Universität Heidelberg wurde ihm von der Badischen Regierung durch eine bedeutende Gehaltssteigerung gedankt. Bereits ein Jahr später erhielt Kirchhoff den Ruf, als Ordentliches Mitglied an die Preußische Akademie der Wissenschaften nach Berlin zu kommen, verbunden mit einer weiteren Berufung als Ordentlicher Professor an die Berliner Universität. Dieser ehrenvollen Berufung folgte er. Auch das im Aufbau befindliche Astrophysikalische Observatorium brauchte seinen Rat. Kirchhoff wurde Mitglied einer Dreier-Kommission, der die „Direktion des Astrophysikalischen Observatoriums zu Potsdam“ in der Aufbauphase übertragen wurde. Diese Kommission schlug 1882 Hermann Carl Vogel als ersten Direktor vor, der mit seinen spektroskopischen Radialgeschwindigkeits-Messungen zum frühen Ruhme des neuen Institutes beitrug. Kirchhoffs großes Spektrometer war damals bereits von Heidelberg nach Potsdam gebracht worden. Es wurde im Rahmen der Deutschen Unterrichts-Ausstellung auf der Weltausstellung 1893 in Chicago gezeigt. Heute kann das Original („der große Kirchhoff“) in einem Glasschrank im Kuppelsaal des wiederhergestellten Großen Refraktors auf dem Potsdamer Telegraphenberg bewundert werden (Abb. 8.5-7). Kirchhoffs Heidelberger Forschungen hatten zum Verständnis des Aufbaus der Sonne geführt, zu seinem berühmten Strahlungsgesetz und zum Konzept des „Schwarzen Körpers“, der alle Strahlung absorbiert und damit das größte Emissionsvermögen für thermische Strahlung hat. Viele bekannte Physiker haben gegen Ende des 19. Jahrhunderts versucht, die Ausstrahlung eines solchen Schwarzen Körpers in Abhängigkeit von der Wellenlänge und der Temperatur theoretisch zu berechnen. Erst Max Planck, einem Studenten Kirchhoffs in Berlin des Jahres 1877, ist das im Jahre 1900 mit seiner ganz neuartigen Idee zur Quantelung der Energie gelungen. Heute wird mindestens ein Drittel unseres Sozialproduktes durch Anwendungen der Quantentheorie erzeugt, beispielsweise in opto-elektronischen Geräten. Eine der fernen Quellen, aus denen sich der Strom der Erkenntnis speiste, wurde von Kirchhoff und Bunsen in Heidelberg mit astrophysikalischen Messungen aufgetan. 8.6 Die Landessternwarte Heidelberg Im Jahre 1880 entschloss sich die Badische Regierung, die Mannheimer Sternwarte aufzugeben, anstatt umfangreiche Instandsetzungen an der inzwischen über 100 Jahre alten Einrichtung vorzunehmen. Ein Ausbau mit großen Teleskopen, wie damals weltweit im Gange, kam wegen der räumlichen Enge im Turm nicht in Frage. Zusätzlich wurde die 298 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 299 Luft durch die Industrialisierung Mannheims immer „schauderhafter“. Der letzte Leiter der Sternwarte, Karl Valentiner, zog auf Wunsch der Großherzoglichen Regierung mit seinen Instrumenten nach Karlsruhe, wo er bereits Professor an der Polytechnischen Hochschule war. Die verlegte Sternwarte wurde in einer gänzlich unbeheizbaren Baracke (im heutigen Nymphengarten) untergebracht. Obwohl die Mitarbeiter in den folgenden Jahren reihenweise erkrankten, wurde am Provisorium kaum nachgebessert. Ziel war damals der Neubau einer Badischen Landssternwarte in Karlsruhe oder in Heidelberg. Großherzog Friedrich I. hatte starkes Interesse an der Errichtung einer solchen Sternwarte in seinem Lande, beobachtete er doch selbst mit einem Fernrohr auf der Insel Mainau. In Heidelberg hatte inzwischen ein junger Astronom mit einer fortschrittlichen Privatsternwarte auf sich aufmerksam gemacht: Max Wolf, der später öfters Gast des Großherzogs auf Mainau war. 8.6.1 Max Wolf – Stammvater der Heidelberger Astronomie Die Entscheidung für Heidelberg war eine Entscheidung für Max Wolf, der an der hiesigen Universität seit dem Jahre 1890 Vorlesungen zur Astronomie hielt. Sein Vater, ein praktischer Arzt, hatte das Interesse des Knaben am Beobachten des Himmels früh gefördert. Der Berufswunsch seines Sohnes stand bald fest: „Etwas anderes als Astronom kann man eigentlich nicht werden, höchstens noch Physiker“. Dem Studenten der Physik und Mathematik wurde eine Privatsternwarte auf dem Elternhaus in der Märzgasse 16 eingerichtet (Abb. 8.6-1). Hier entdeckte er im Alter von 21 Jahren den nach ihm benannten periodischen Kometen. Zusätzlich wurde er durch viele Himmelsaufnahmen mit der damals neuen Photographie und durch die Verwendung kurzbrennweitiger PortraitObjektive bekannt. Seine Reise von 1893 zum Weltkongress der Astronomen in Chicago wurde vom Badischen Großherzog gefördert. Dort gelang es ihm, eine an der Astronomie interessierte Stifterin, Catherine W. Bruce, zu finden. Obwohl sie sich nicht trafen und der Austausch nur brieflich erfolgte, schickte sie Wolf 10 000 Dollar für den Bau des dann nach ihr benannten Doppelfernrohres mit 40 cm- Objektiven. Wolf bedankte sich bei der Stifterin auch durch die Benennung eines von ihm bereits 1891 gefundenen Kleinplaneten auf den Namen „Brucia“. Der Bau des damals leistungsfähigsten photographischen Fernrohres hatte die Stiftungssumme nicht aufgebraucht. Sie floss als willkommene Starthilfe in die 1894 vom Badischen Landtag bewilligte Summe zum Bau der Großherzoglichen Sternwarte in Heidelberg ein. Die neue Sternwarte sollte auf dem 375 m hohen Gaisberg errichtet werden. 299 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 300 Abb. 8.6-1: Die Privatsternwarte von Max Wolf in der Heidelberger Märzgasse 16. Wolfs Instrumente zogen 1889 mit ihm zum Königstuhl (Lemke, Sommer 2008). Das Gelände stellte die Stadt kostenfrei zur Verfügung. Es wurde abgeholzt und die Verlegung einer Wasserleitung dorthin vorbereitet. Dann brannte 1895 das PortlandZementwerk in Heidelberg-Bergheim am Neckarvorland ab (Abb. 8.6-2). Der Neubau sollte in Leimen, 10 km südwestlich von Heidelberg erfolgen. Das beunruhigte die Astronomen, denn „die Verlegung der Cementfabrik nach Südwesten [wird] die Nothwendigkeit im Gefolge haben, die beabsichtigte Sternwarte von dem Gaisberge zu verlegen, da die hier vorherrschenden West- und Südwestwinde eine fortgesetzte Trübung der Athmosphäre durch den Rauch des neu anzulegenden Werkes im Gefolge haben dürfte, deren Fernhaltung für die Beobachtungen der Astrophysik geboten erscheint.“ Unverzüglich begann eine Umplanung des Sternwarten-Neubaus für den weiter entfernt und fast 200 m höher gelegenen Königstuhl. Nach zweijähriger Bauarbeit konnte am 20. Juni 1898 die feierliche Einweihung erfolgen: „An dem festlichen Akt beteiligten sich auch I. K. H. die Großherzogin, S. K. H. Prinz Max, das Ministerium, Mitglieder des Landtages, die Universität und die städtischen Behörden. An einen Redeakt in der Aula der Universität schloss sich die Besichtigung der Sternwarte an, der dann ein Festmahl im Kohlhof folgte. Durch eine huldvolle Ansprache des Großherzogs wurde die Sternwarte 300 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 301 Abb. 8.6-2: Blick vom Hang des Gaisbergs auf Heidelberg im Jahre 1884. Im Stadtteil Bergheim am Neckarvorland befand sich das Portland-Zementwerk (in der Nähe des heutigen Thermalbades). Nach dem Großbrand im Jahre 1895 wurde das Zementwerk in Leimen neu aufgebaut. Aus Sorge vor Rauchbelästigungen mit dem häufigen Südwestwind wurden die für den Gaisberg vorbereiteten Bauarbeiten für die Sternwarte abgebrochen und am Königstuhl fortgesetzt. Im Vordergrund links von der Mitte der alte Heidelberger Bahnhof (Zementwerk Leimen). ihrer Bestimmung übergeben“. Den Redeakt hatte Max Wolf zum Thema „Die Erforschung der Gestalt unseres Universums“ übernommen. Das neue Institut begründete eine moderne Sternwarten-Architektur in Europa. Bisher waren alle Einrichtungen – Kuppeln, Arbeitszimmer, Wohnungen, Werkstätten – in einem meist prachtvollen Gebäude auf einem Hügel am Stadtrand vereinigt gewesen. Auf dem Königstuhl wurde nach der Gruppenform gebaut: mehrere Zweckgebäude verteilt über einen stadtfernen Berggipfel (Abb.8.6-3). Die bis auf die Bossenquaderung fast schmucklosen Gebäude sollten sich bei Anpassung an neue größere Instrumente leicht abreißen und durch geeignete Neubauten ersetzen lassen. Anregungen zu dieser moder- 301 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 302 Abb. 8.6-3: Die neu errichtete Sternwarte auf dem Königstuhl-Gipfel im Jahre 1898. Links das Astrophysikalische Institut mit dem Bruce-Teleskop, rechts das Astrometrische Institut mit dem Meridiansaal (Stadtarchiv Heidelberg). nen Bauweise hatte Max Wolf von seinen USA-Reisen, insbesondere vom Lick-Observatorium auf dem Mt. Hamilton, mitgebracht. Die neue Bergsternwarte hatte zwei wissenschaftliche Abteilungen: das Astrometrische Institut (Ostinstitut), geleitet von Karl Valentiner und das Astrophysikalische Institut unter Max Wolf. Seit 1893 war Wolf außerordentlicher Professor an der Heidelberger Universität. Nach Ablehnung von zwei ehrenvollen Berufungen nach Göttingen und Wien und dem altersbedingten Ausscheiden Valentiners im Jahre 1909 wurde Wolf ordentlicher Professor für Astronomie und übernahm bis zu seinem Tode im Jahre 1932 die Leitung beider Institute auf dem Königstuhl (Abb. 8.6-4). Wolf konnte ab 1906, wieder mit privatem Stiftungsgeld, den Bau des damals großen und modernen Waltz-Reflektors beginnen (Abb. 8.6-5). Es gelangen ihm und seinen Mitarbeitern die Entdeckung hunderter Kleinplaneten, veränderlicher Sterne, des Nordamerika-Nebels und die Wiederentdeckung des Halleyschen Kometen im Jahre 1909. Vor 100 Jahren gehörte die Landessternwarte zu den leistungsfähigsten astronomischen Instituten weltweit. 302 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 303 Abb. 8.6-4: Max Wolf (1863 – 1932) ist der Stammvater der Heidelberger Astronomie auf dem Königstuhl. Begonnen hat es mit seiner Privatsternwarte in der Märzgasse. Seit 1893 lehrte er Astronomie an der hiesigen Universität und seit 1898 leitete er das Astrophysikalische Institut der Sternwarte. 1909 wurde er Direktor der gesamten Landessternwarte und Ordinarius an der Universität (LSW). Diese Blütezeit wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Die Mitarbeiterzahl sank auf die Hälfte, die Gebäude konnten nicht mehr unterhalten werden („es war schließlich kein Zimmer … mehr vorhanden, in welches nicht bei stärkerem Regen oder Tauwetter Wasser eingedrungen wäre“). Und gleichzeitig wurden in Amerika mit privatem Stiftungsgeld viel größere Fernrohre in besserem Klima gebaut. Wolf begann zu verzagen: „Ich kann nicht mehr mithalten“. 303 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 304 Abb. 8.6-5: Der Waltz-Reflektor von 1907 war mit seinem 0.72 m-Spiegel bis in die 1950er Jahre das zweitgrößte Fernrohr in Deutschland. Der Spiegel war der erste von Carl Zeiss Jena gefertigte; er wurde für dieses Fernrohr der Landessternwarte gestiftet. Damit begann die Herstellung bedeutender astronomischer Optiken bei Zeiss in den folgenden Jahrzehnten (Stadtarchiv Heidelberg). 304 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 305 8.6.2 Raumfahrt-Pionier Hermann Oberth – ein abgelehnter Doktorand In die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg fällt auch eine Begebenheit, die bei anderem Ausgang zum Ruhme der Heidelberger Universität und der Sternwarte beigetragen hätte. Hermann Oberth, der als Wegbereiter der Raketen- und Raumfahrttechnik berühmt wurde (Abb. 8.6-6), hatte sich 1921 an der hiesigen Universität immatrikuliert und stu- Abb. 8.6-6: Hermann Oberth wurde für seine Wegbereitung der Raumfahrt und Raketentechnik vielfach international geehrt. Er bemühte sich als Student in Heidelberg vergeblich Doktorand zu werden (Wege zur Raumschiffahrt, VDI Verlag). 305 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 306 Abb. 8.6-7: Die Grundgedanken des Raketenfluges entwickelte Hermann Oberth in seiner Studentenbude in der Heidelberger Kaiserstraße 46 (siehe Kapitel 10.5). Diese Thesen sind seinem Buch (Abb. 8.6-9) vorangestellt (Herrmann Oberth). 306 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 307 Abb. 8.6-8: Die beiden Professoren Philipp Lenard und Max Wolf waren berühmte Forscher auf ihren Arbeitsgebieten Physik und Astronomie. Oberths Raumfahrt-Ideen passten damals in keines der beiden Felder (Universität Heidelberg). dierte Physik und Mathematik. Mit einem Manuskript (Abb. 8.6-7) über die von ihm entwickelte Raketen- und Raumfahrt-Technologie, das später als „Bibel“ dieses neuen Gebietes in immer neuen Auflagen veröffentlicht werden sollte („Die Rakete zu den Planetenräumen“), fragte er bei Heidelberger Professoren nach einer Promotionsmöglichkeit an. Max Wolf sah das Thema als keine Sache der Astronomie an. Dem Nobelpreisträger für Physik Philipp Lenard schien die Arbeit mit einer zeitabhängigen Masse (der Rakete) zweifelhaft. War er doch auch anderen neuartigen Ideen gegenüber, so der Einsteinschen Relativitätstheorie, nicht sehr aufgeschlossen. Aus heutiger Sicht ist es eine tragische Fehlentscheidung der Professoren (Abb. 8.6-8) gewesen, einen begabten Studenten mit noch nicht dagewesenen Ideen nicht gefördert zu haben. Und so wurden die Heidelberger Universität und die Landessternwarte eben nicht zu einer der Geburtsstätten der Raumfahrt, und an Oberths Studentenbude in der Kaiserstraße 48 gibt es keine Gedenktafel (siehe Kapitel 10.5). Zu Wolfs Entlastung kann gesagt werden, das er die Veröffentlichung des Manuskriptes beim Münchner Oldenbourg-Verlag empfahl (Abb. 8.6-9). Die Druckkosten musste Oberths Familie aus ihrem Ersparten aufbringen. Nach dieser schmerzlichen Erfahrung in Heidelberg verzichtete Oberth auf eine Promotion anderswo. Er kehrte zunächst in seine Heimat Siebenbürgen zurück; dort wurde die in Heidelberg geschriebene Arbeit für das Physik-Diplom an der Universität Klausenburg anerkannt und Oberth zum Professor secundar ernannt. Sein bekanntester späterer Schüler Wernher von Braun, der Vater des amerikanischen Mondlande-Programms Apollo, urteilte: „Pro- 307 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 308 Abb. 8.6-9: Mit dem Text dieses später veröffentlichten und berühmt gewordenen Buches fragte Herrmann Oberth im Jahre 1922 bei den Heidelberger Professoren Max Wolf und Philipp Lenard vergeblich nach einer Promotionsmöglichkeit an. fessor Oberth ist für die Weltraumfahrt Prophet und Lehrer zugleich gewesen ... Mit der genialen Schöpferkraft seines erstaunlichen Geistes allein schuf er das Fundament für eine neue, gewaltige Industrie.“ 8.6.3 Wolfs Nachfolger an der Landessternwarte: Heinrich Vogt, Hans Kienle, Hans Elsässer, Immo Appenzeller, Andreas Quirrenbach Nach Wolfs Tod wurde im Jahre 1933 Heinrich Vogt von der Universitätssternwarte Jena als Nachfolger auf dem Königstuhl berufen. Er hatte sich bei der Theorie des Sternaufbaus einen Namen gemacht. Seine beabsichtigte Bestellung eines 1.8 m-Teleskops bei der Firma Carl Zeiss in Jena gelangte durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nicht mehr zur Ausführung. Vogt, der während der nationalsozialistischen Diktatur auch Meinungen über die Gesinnung von Fachkollegen abgegeben haben soll, war nach dem 308 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 309 Zusammenbruch 1945 nicht mehr tragbar. Die Leitung der Landessternwarte wurde in den folgenden fünf Jahren provisorisch dem vom Astronomischen Recheninstitut in Berlin nach Heidelberg gekommenen Professor August Kopff, einem erfolgreichen Kometenund Asteroiden-Entdecker, übertragen. Ab Oktober 1950 übernahm Hans Kienle (Abb. 8.6-10) vom Astrophysikalischen Observatorium Potsdam die Leitung der Landessternwarte mit ihren nachkriegsbedingt „zunehmender Verrottung ausgesetzten Einrichtungen“. Er begann auf dem Königstuhl Methoden zur absoluten Spektralphotometrie zu entwickeln, mit denen der genaue Energiefluss von der Sonne und den Sternen ermittelt werden sollte. Durch die Stiftung des Heidelberger Kunstmalers Karl Happel, der der Familie Max Wolfs und der „Sternkunde“ sehr verbunden war, konnte in den Jahren 1955 bis 1957 das „Happel-Laboratorium für Strahlungsmessungen“ errichtet werden. Kienle hatte ein ähnliches Labor gerade in Potsdam fertigstellen lassen, das nach seinem Abgang allerdings als Bürogebäude für den Einsteinturm andersartig genutzt wurde. In seinem neuen Heidelberger Strahlungslabor wurden exakte Vergleichslichtquellen für die Gestirne geschaffen: Schwarze Körper, „Goldpunkt“, Xenon- und Quecksilber-Hochdrucklampen und Bandlampen. Erster Höhepunkt dieser Arbeiten war die genaue Messung des Energieflusses von der Sonne durch Kienles Mitarbeiter Dietrich Labs und Heinz Neckel auf der JungfraujochStation in der Schweiz. Die präzisen Laborarbeiten zogen viele wissenschaftliche Besucher aus dem In- und Ausland an und machten die Landessternwarte wieder bekannt. Als im Jahre 1962 Hans Kienle im Alter von 67 Jahren emeritiert wurde, übernahm der aus Göttingen berufene 33-jährige Hans Elsässer seine Nachfolge (Abb. 8.6-11). Er führte Kienles Arbeiten fort und veranlasste einige Jahre später die Ausdehnung der Strahlungsmessungen in neue Spektralbereiche, das Ultraviolette und Infrarote. Sein Ziel war dabei der Einstieg der Landessternwarte in die Weltraumastronomie, die beide Spektralbereiche zugänglich machen sollte. So arbeiteten bald seine Doktoranden Eckhart Pitz und Dietrich Lemke mit der Synchrotronstrahlung des großen Beschleunigers DESY in Hamburg als Eichquelle für das Ultraviolette. Die zunehmende Zahl von Diplomanden und Doktoranden begann mit dem Bau und der Erprobung von Infrarot-Photometern (Gerhard Ackermann, Kurt Voelcker) und eines Polarimeters (Christoph Leinert). Die Doktoranden führten ihre Beobachtungen vom Königstuhl aus durch. Angezogen wurden diese Physikstudenten durch Elsässers Vorlesungen an der Universität. In ihnen wurde die Astronomie als spannendes Teilgebiet der modernen Physik vorgetragen. Das vorher in Mechanik, Elektrodynamik, Optik, Atom- und Kernphysik Gelernte wurde jetzt ins kosmische Labor übertragen. Diese erste Berufung eines Professors aus der Nachkriegsgeneration leitete eine Neugestaltung der Heidelberger 309 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 310 Abb. 8.6-10: Hans Kienle, Ritter des Ordens Pour le mérite seit 1960 (Friedensklasse für Kunst und Wissenschaft) leitete die Landessternwarte von 1950 bis 1962. Er entwickelte mit seinen Mitarbeitern die Spektralphotometrie von Sternen und der Sonne zu höchster Präzision. Während seines Direktorates wurde das Happel-Laboratorium für Strahlungsmessungen errichtet. Darauf aufbauend wurden dort in den Anfangsjahren des MPIA die extraterrestrischen Arbeiten durchgeführt. Hans Elsässer wurde Kienles Nachfolger (LSW) Astronomie ein. Ein besonderer Erfolg gelang Elsässer mit einem Antrag auf Förderung eines größeren Fernrohres bei der Deutschen Forschungs-Gemeinschaft. Es wurden die Mittel zum Bau eines 1.23 m-Teleskops bewilligt, das ab 1966 bei Carl Zeiss gebaut wurde. 310 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 311 Abb. 8.6-11: Hans Elsässer (rechts) im Alter von 41 Jahren nach der mündlichen Prüfung seines Doktoranden Kalevi Mattila, der bald darauf Direktor der Sternwarte Helsinki wurde. Zur Abholung des frisch Promovierten halten sich Elsässers junge Mitarbeiter und Studenten von Landessternwarte und MPIA bereit. Von links Hartmut Link (Raketenexperimente), Max Beetz (Bildwandler), Gerhard Schnur (Sichtexpeditionen), Dietrich Lemke (Ballonteleskop) (Kalevi Mattila). Nach Gründung des Max-Planck-Instituts für Astronomie und Hans Elsässers Berufung zum Direktor zog im Jahre 1974 eine größere Gruppe junger Mitarbeiter, Studenten und Techniker aus der Sternwarte in die neu errichteten Gebäude des MPIA um. Über die Entwicklung des neuen Instituts wurde bereits in den Kapiteln 2 bis 6 ausführlich berichtet. Nachfolger Elsässers an der Landessternwarte wurde ab 1975 Immo Appenzeller. Die Sternwarte wuchs unter dessen Leitung personell schnell an und forschte erfolgreich auf den Gebieten Sternentstehung, Sternwinde, galaktische Kerne. Große Instrumentierungsprojekte begannen, so der Bau einer Kamera und eines Spektrometers für die 8 mVLT-Fernrohre der ESO in Chile (FORS) und das Large Binocular Telescope in Arizona (LUCIFER). Mit Appenzellers Emeritierung im Jahre 2005 wurde Andreas Quirrenbach zum Leiter der Landessternwarte berufen. Letzterer ist Fachmann für die Interferometrie zur Erzielung höchstaufgelöster Bilder. Die Arbeitsgebiete der Landessternwarte reichen 311 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 312 heute von der Astrophysik bei hohen Energien über Aktive Galaktische Kerne bis zur stellaren Astrophysik. Die beiden Nachbarinstitute auf dem Königstuhl ergänzen sich seit ihrem Bestehen bei ihren Forschungsarbeiten in einer freundschaftlichen und wissenschaftlich anregenden Atmosphäre. 312 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 313 9 Übersichten zur Geschichte des Max-Planck-Instituts für Astronomie 9.1 Wissenschaftliche Mitglieder Hans Elsässer Guido Münch Steven Beckwith Hans-Walter Rix Thomas Henning (* 1929, † 2003) (* 1921) (* 1951) (* 1964) (* 1956) 1968 – 1997 1978 – 1989 1991 – 2001 ab 1999 ab 2001 Auswärtige Wissenschaftliche Mitglieder George Herbig Walter Fricke Immo Appenzeller (* 1920) (* 1915, † 1988) (* 1940) Karl-Heinz Böhm Rafael Rebolo Steven Beckwith Willy Benz (* 1923) (* 1961) (* 1951) (* 1955) 9.2 ab 1972 1979 – 1988 ab 1979, kommiss. Leitung 1998-2000 ab 1981 ab 2001 ab 2002 ab 2007 Meilensteine der Institutsgeschichte Einen schnellen Überblick bietet die zum 25-jährigen Institutsjubiläum aufgestellte und hier überarbeitete und fortgeschriebene Zeittafel: 1967 Gründungsbeschluss für das MPIA im Senat der MPG. 1968 Berufung von Hans Elsässer zum Direktor des neuen Instituts, das später von einem Direktorenkollegium geleitet werden soll. 313 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 314 1969 Arbeitsaufnahme des MPIA in Gebäuden der Landessternwarte mit 5 Mitarbeitern ab Februar. Institut erhält eine erste Satzung. Stadt Heidelberg verkauft Gelände für Institutsneubau. 1970 Abholzung und Straßenbau auf dem Königstuhl. Calar Alto als Standort für Sternwarte auf der Nordhalbkugel ausgewählt. 1971 Gamsberg in Südwestafrika als Standort für Sternwarte der Südhalbkugel gewählt. Werksabnahme 1.2 m-Teleskop bei Carl Zeiss. Raketenexperiment R-214 (Zodiakallicht). Erster Fachbeirat (Vorsitz: Bengt Strömgren). George Herbig (Santa Cruz, Kalifornien) wird erstes Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied. 1972 Regierungsabkommen Deutschland–Spanien über Calar Alto Sternwarte. Flüge mit Ballonteleskop THISBE (Zodiakallicht-Spektrum). 1973 Erschließung Calar Alto durch 30 km Zufahrtsstraße und Baubeginn der Sternwarte. Werksabnahme 2.2 m-Teleskop I bei Carl Zeiss. 1974 Richtfest Institutsgebäude auf dem Königstuhl. Vertrag über 3.5 m-Teleskop mit Carl Zeiss. Start der Sonnensonde HELIOS 1 mit Zodiakallicht-Experiment. Berufung Peter Strittmatters zum Wissenschaftlichen Mitglied scheitert. 1975 Einzug in Neubau des MPIA. Inbetriebnahme des 1.2 m-Teleskops am Calar Alto. Raketenexperiment ASTRO-7 (Zodiakallicht im UV). 1976 Einweihung des neuen Institutsgebäudes durch Präsident Reimar Lüst und MPGEhrenpräsident Adolf Butenandt. Werksabnahme 2.2 m-Teleskop II bei Carl Zeiss. Start Sonnensonde HELIOS 2 mit Zodiakallicht-Experiment. 1977 Auszeichnung des Institutsgebäudes mit Deutschem Architekten-Preis. Entstehung der Arbeitsgruppe „Extragalaktische Objekte“. Ballonteleskop THISBE gewinnt Infrarotkarten des Zentrums der Milchstraße. 1978 Guido Münch wird Wissenschaftliches Mitglied des MPIA. Instrument des MPIA für Infrarot-Teleskop GIRL auf Spacelab ausgewählt. 1979 Einweihung des Deutsch-Spanischen Astronomischen Zentrums am Calar Alto durch König Juan Carlos I. anlässlich Inbetriebnahme 2.2 m-Teleskop I. Erster Tag der Offenen Tür des MPIA mit 11 500 Besuchern. Walter Fricke und Immo Appenzeller (beide Heidelberg) werden Auswärtige Wissenschaftliche Mitglieder. 1980 Aufbau des Schmidt-Teleskops aus Hamburg am Calar Alto. Digitale lichtelektrische Sensoren (CCDs) lösen Fotoplatten bei Spektrographen und Kameras ab. 314 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 315 1981 Vertrag mit Europäischer Südsternwarte zum Aufbau des 2.2 m-Teleskops II auf La Silla, Chile. Karl-Heinz Böhm (Seattle) wird Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied. 3-Etalon Spektrometer PEPSIOS für planetarische Nebel am Calar Alto eingesetzt. 1982 Werksmontage des 3.5 m-Teleskops bei Carl Zeiss. 1983 Abschluss Bautätigkeit am Calar Alto nach einem Jahrzehnt. Entdeckung der Jets von TTau-Sternen und HH-Objekten. 1984 Betriebsbeginn 3.5 m-Teleskop am Calar Alto. Beobachtungsbeginn mit 2.2 mTeleskop II auf La Silla. Entdeckung zahlreicher bipolarer Nebel. 1985 Ulli Thiele entdeckt mit Schmidt-Teleskop am Calar Alto nach ihm benannten Kometen. Optische Identifikation vieler vom IRAS-Satelliten entdeckter Infrarotgalaxien. Abbruch der Entwicklung des Infrarottteleskops GIRL durch Bundesministerium für Forschung und Technologie. 1986 Zwillingsspektrograph für 3.5 m-Teleskop geht in Betrieb. Entdeckung zahlreicher optischer Hot Spots in Radioquellen. ISOPHOT-Experiment des MPIA für Europäisches Satelliten-Observatorium ISO ausgewählt. 1987 2.2 m-Teleskop II auf La Silla mit f/35-Sekundärspiegel-Chopper ausgerüstet. Entdeckung der Eigenbewegungen von Jets und Kopfwellen bei jungen Sternen. 1988 HELIOS 1 liefert Zodiakallichtdaten über gesamten Sonnenfleckenzyklus (1974 –1986). 1989 Mondbedeckungs-Messungen zur Auflösung von TTau-Sternen. Guido Münch wird emeritiert. 1990 Nah-Infrarot Kamera am 3.5 m-Teleskop. 1200 x 1100 Pixel CCD-Kameras am Calar Alto eingesetzt. Rechenzentrum des MPIA stark vergrößert (5 VAX, 4 DEC). 1991 Steven Beckwith wird Wissenschaftliches Mitglied und Direktor am Institut. Baubeginn IR-Kamera CONICA für 8 m–Fernrohre (VLT) der ESO. Calar Alto wird über e-mail erreichbar. 1992 Multiobjekt-Spektroskopie mit „Spaltspinne“ am 3.5 m-Teleskop. Suche nach leuchtschwachen Galaxien in kosmischen Leerräumen (Voids) beginnt. 1993 Infrarot-Kamera MAGIC am 3.5 m-Teleskop in Betrieb. Speckle-Interferometrie zeigt TTau Sterne als Mehrfachsysteme. 315 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 316 1994 Hans Elsässer übergibt nach 25 Jahren Geschäftsführung sein Amt an Steven Beckwith. Jubiläumsfeier zum 25-jährigen Bestehen des MPIA mit MPG-Präsident Hans F. Zacher. Weltweite Beachtung der mit MAGIC-Kamera am Calar Alto gewonnen Bilder vom Absturz des Kometen Shoemaker-Levy 9 auf Jupiter. Satellitenverbindung Königstuhl – Calar Alto (Telephon/Rechner). 1995 Start des ISO-Satelliten mit ISOPHOT-Instrument des MPIA. Gründung einer Theorie-Gruppe am MPIA. 1996 ISOPHOT Datenzentrum entsteht am MPIA. Adaptive Optik geht mit ALFA am 3.5 m-Teleskop in Betrieb. Calar Alto Deep Survey (CADIS) zur Suche nach Urgalaxien wird Forschungsschwerpunkt am Calar Alto. 1997 Beginn der Entwicklung des Infrarot-Interferometers MIDI für das Very Large Telescope der ESO. Multiobjekt-Spektrograph MOSCA geht am Calar Alto in Betrieb. Hans Elsässer wird emeritiert. Steven Beckwith erhält Max-Planck-Forschungspreis (Protoplanetare Scheiben). 1998 Steven Beckwith wird vom MPIA beurlaubt, wechselt als Direktor zum Space Telescope Science Institute, Baltimore. Immo Appenzeller übernimmt kommissarische Leitung. Beginn der Beteiligung des MPIA am Large Binocular Telescope (LBT). Beginn der Beteiligung am PACS-Instrument für FIRST-Satelliten (jetzt HERSCHEL). Berufung von Hans-Walter Rix zum Wissenschaftlichen Mitglied. 1999 Weitfeldkamera für 2.2 m-Teleskop II auf La Silla in Betrieb. Beginn der Arbeiten am LINC-Interferometer für das LBT. MPIA wird Associated Partner am Sloan Digital Sky Survey (SDSS). Arbeitsbeginn Hans-Walter Rix. 2000 Kommissarische Leitung durch Immo Appenzeller beendet, Hans-Walter Rix wird Geschäftsführender Direktor. Stärkere Beteiligung des MPIA am Nah-Infrarot-Sepktrographen LUCIFER für das LBT. 2001 Rafael Rebolo (Teneriffa) wird Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied. Roberto Ragazzoni erhält Wolfgang-Paul-Preis der Humboldt-Stiftung und verwendet Preisgeld für Arbeiten zur Adaptiven Optik am MPIA. Beginn der Arbeit am MIRIInstrument für das NGST (jetzt James Webb Space Telescope). Berufung von Thomas Henning zum Wissenschaftlichen Mitglied, Arbeitsbeginn im November. 2002 Steven Beckwith kehrt nicht ans Institut zurück, wird Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied. Thomas Henning beginnt hauptamtlich als Direktor am Institut. MPIA und Universität Jena schaffen Abteilung für Laborastrophysik in Jena. 316 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 317 2003 Gliederung des Instituts in zwei wissenschaftliche Abteilungen: „Stern- und Planetenentstehung“ (Direktor: Thomas Henning) und „Galaxien und Kosmologie“ (Direktor: Hans-Walter Rix). Regelmäßiger Wechsel in der Geschäftsführung des Instituts. Koordination des Deutschen Interferometrie-Zentrums FrInGe am MPIA. Durchmusterung Combo-17 wird durch größte Galaxien-Farbaufnahme (GEMS) mit dem HUBBLE-Teleskop ergänzt. 2004 Einweihung des Large Binocular Telescope (LBT) mit erstem Spiegel. Erste Emmy-Noether-Nachwuchsgruppen forschen selbständig am Institut. Auffinden der Beziehung zwischen Massen der Galaxienzentren und zentralem Schwarzen Loch. Calar Alto Sternwarte („Centro Astronomico Hispano-Alemán“) nicht mehr Außenstelle des Instituts, sondern zu gleichen Teilen von Consejo Superior de Investigaciones Cientificas und MPG nach spanischem Recht betrieben. 2005 Arbeitsaufnahme der „International Max Planck Research School for Astronomy and Cosmic Physics“ von MPIA und weiteren Heidelberger Astronomie-Instituten. Erster Heidelberger extrasolarer Planet entdeckt. 2006 Beteiligung des MPIA an Pan-STARRS-Durchmusterung des Himmels von Hawaii aus. Acht selbständige Nachwuchsgruppen forschen am MPIA. Aufbau eines weiteren Stockwerks auf dem Hauptgebäude mit 40 Arbeitsplätzen. Beginn der Beteiligung am Astronomie-Satelliten GAIA. 2007 Willy Benz (Bern) wird Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied. Zahl der jährlichen wissenschaftlichen Gäste am Institut überschreitet 200. Inbetriebnahme des LBT mit zweitem Spiegel. Schnelle Entstehung von Planetesimalen in Hochdruckwirbeln der protoplanetaren Scheiben nachgewiesen. 2008 Gründungsbeschluss zum „Haus der Astronomie“ auf dem Gelände des MPIA, errichtet von der Klaus Tschira Stiftung. Zwei Supernovae werden Jahrhunderte nach ihrem Aufleuchten durch Lichtechos analysiert. Masse der Milchstraße zu 1 Billion (1012) Sonnenmassen bestimmt. 2009 Start des Infrarot-Weltraum-Observatoriums Herschel mit wichtigen Beiträgen des MPIA zum PACS-Instrument. Baubeginn „Haus der Astronomie“. Sternentstehungsrate in Kernen junger Galaxien gemessen: tausendfach höher als heute in der Milchstraße. 317 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:17 Seite 318 9.3 Kleine Planeten mit Namen von MPIA-Wissenschaftlern Mehrere Wissenschaftler und Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Astronomie wurden durch die Benennung eines Kleinplaneten auf ihren Namen geehrt. Diese Kleinen Planeten (oder Asteroiden, ein Beispiel in Abb. 9.1) umkreisen die Sonne meist auf Bahnen zwischen Mars und Jupiter. Einige Asteroiden wurden an der Calar Alto Sternwarte gefunden. Die Entdecker haben das Recht für Namensvorschläge, die von der Internationalen Astronomischen Union bestätigt werden müssen. Die Anzahl der Kleinplaneten geht inzwischen in die Hunderttausende, da sich mit den modernen Himmelsüberwachungen der letzten Jahre immer kleinere Körper finden lassen. Aufgeführt sind Kleinplaneten, deren Namensgeber am MPIA tätig sind oder waren. Diese Himmelskörper haben typische Durchmesser von mehreren Kilometern, die jüngst entdeckten (mit den höchsten Ordnungszahlen) sind kleiner oder/und weiter entfernt und deshalb lichtschwächer. Abb. 9.1: Bild eines Kleinplaneten: Nahaufnahme von Lutetia (22), gewonnen beim Vorbeiflug der europäischen Raumsonde Rosetta. Kleinplaneten sind unregelmäßig geformt und übersät mit Einschlagkratern. Lutetia wurde bereits 1852 entdeckt, weil dieser Asteroid zu den vergleichsweise großen (~ 100 km) und hellen gehört. Die „MPIAKleinplaneten“ haben Durchmesser von ⱕ 10 km (ESA). 318 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 319 Kleinplanet am MPIA seit Tätigkeitsgebiet (2234) Schmadel 1971 Beobachter von Kleinplaneten, Optiker Calar Alto Teleskope (2373) Immo 1979 I. Appenzeller, Auswärtiges Wiss. Mitglied, Komissarischer Direktor (2856) Röser 1973 S. Röser, Interplanetarer Staub (4385) Elsässer 1968 Gründungsdirektor (4803) Birkle 1969 Leiter Calar Alto Sternwarte (8793) Thomasmüller 1994 Kalibrierung ISO mit Asteroiden (8860) Rohloff 1988 Leiter Mechanische Konstruktion (10660) Felixhormuth 2005 Beobachter von Kleinplaneten (13028) Tschira 2004 Kuratoriumsmitglied; Vorsitz Klaus Tschira Stiftung (14327) Lemke 1969 Principal Investigator ISOPHOT (18359) Jakobstaude 1970 Chefredakteur Sterne & Weltraum (19182) Pitz 1971 Kalibrierung Weltrauminstrumente (30829) Wolfwacker 1969 Instrumente für Calar Alto; Leiter Planetarium Mannheim (30882) Tomhenning 2001 Planeten-Entstehung; Direktor (202736) Julietclair 2007 J. C. Datson, Braune Zwergsterne (210444) Frithjof 2008 F. Brauer, Staubkoagulation/ Planetenbildung 319 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 320 10 Wegweiser zu Stätten der Astronomie in Heidelberg und Umgebung Neben dem Max-Planck-Institut für Astronomie (siehe die Wegweiser in Abb. 10.17), das der Gegenstand dieses Buches ist, seien dem Astronomie-Interessierten Besichtigungen einer Reihe weiterer Orte in Heidelberg und Umgebung empfohlen. Außer den Museen und dem Planetarium sind sie kostenlos zugänglich. Weitere Informationen zu Öffnungszeiten und Anmeldungen zu Führungen erhält man im Internet. Die Ziele im Stadtgebiet von Heidelberg zeigt die folgende Karte Dabei beziehen sich die Nummern im Stadtplan auf die Abschnitte in Kapitel 10 (10.1 beschreibt die Station 1 im Stadtplan usw). Die gestrichelte Linie 8 deutet die Kurpfälzer Grundlinie an. Neuenheim Neu Ne uen enhe he m h B3 Zie raße ndst L 534 l r La e ckteufe m a i H n e e h m A u Ne e ße nstraß a r e t s g r r e f u U B traße Neckar umanns 3 h c S 1 c Schloss aße 2 Burgenstr 10 Van gerow straß e B 37 ahn Bergstation rg K 9710 lbe k ide In s ti He Sp ey er er St ra ße 7 lberg Bierhelderho e d ho o of Bierhelderhof K 9708 nc 11 t für Astrono m ie Pla M PI für ü MPI Kernphysik Ke nphy n tu sti Max Römerstraße L 598 Bertha-Benz-Straße Süds S ds d sstadt tadtt Südstadt S peyrer pe errhof r Speyrerhof 6 -In ide He 4 Ch ais B3 L 600a weg en Max-P lan L 598 f r weg Kohlhö e Ro e hrba Königstuhl ng K 9710 ck e nlag 5 aß str ng i R Berg b cher Straß e Kurfürsten-A Hbf b bf 320 9 Heidelbe H d lbe eg erg Heidelberg Czerny rin g 8 ße Neckar s n d B 37 er La äus gelh tra Berliner Straße Ruprecht-KarlsR Ruprecht rec ec K l e Universität iv e t Heidelberg delberg g tute f o r A st r o n om y MPI für Astronomie Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 321 10.1 Geburtstätte der Astrophysik in der Heidelberger Hauptstraße Im „Haus zum Riesen“ in der Hauptstraße 52 (Abb.10.1-1) haben Gustav Kirchhoff und Robert Bunsen im Jahre 1859 erstmals die Sonne mit einem Spektrometer untersucht und dabei zahlreiche auf der Erde bekannte Elemente in ihrer Atmosphäre entdeckt. An diesen Beginn der Astrophysik erinnert die Gedenktafel am Haus (Abb. 10.1-2), siehe auch Kapitel 8.5. Über einen Seiteneingang in der Akademiestraße kann man zur Rückseite des Hauses gelangen, in dem jetzt ein Sprachen-Institut der Universität untergebracht ist. Aus den Süd-Fenstern im Dachgeschoss wurden die Messungen gemacht: kein idealer Ort, da die Sonne nahe Auf- und Untergang nicht erreichbar war (Abb. 8.5-4). Abb. 10.1-1: Das „Haus zum Riesen“ in der Hauptstraße 52 mit der in Abb. 10.1-2 gezeigten Erinnerungstafel. Im Vordergrund das Bunsen-Denkmal mit einer weiteren Erinnerungstafel an die spektroskopische Entdeckung der Elemente Cäsium und Rubidium (Lemke). 321 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 322 Der Hauptstraßen-Seite des Hauses zum Riesen gegenüber liegt der Friedrichsbau, davor Bunsens Denkmal (Abb. 8.5-5). Zu seinen Füßen erinnert eine Gedenktafel an die gemeinsam mit Kirchhoff gemachte Entdeckung der Elemente Cäsium und Rubidium mittels der Spektralanalyse. Im östlichen Flügel des Friedrichsbaus befindet sich Kirchhoffs alter Hörsaal. Im Aufgang erinnert eine Gedenktafel an einen seiner berühmtesten Schüler, den ungarischen Physiker Lorand Eötvös, den Begründer der Gravitations-Physik und Namenspatron der Budapester Universität. Abb. 10.1-2: Erinnerungstafel an den Beginn der Astrophysik in Heidelberg vor 150 Jahren. Die Tafel befindet sich am „Haus zum Riesen“, dem alten naturwissenschaftlichen Institut. Den Text formulierte der Physiker Philipp Lenard (Lemke). 322 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 323 10.2 Privatsternwarte Max Wolf in der Heidelberger Märzgasse Am Geburtshaus des „Urgesteins“ der Heidelberger Astronomie ist eine Gedenktafel angebracht (Abb.10.2). Über eine seitliche Einfahrt rechts gelangt man in den Hof und steht vor Wolfs ehemaliger Privatsternwarte (siehe auch Kapitel 8.6). Sein Vater hatte sie für den brennend an der Astronomie interessierten Sohn errichten lassen. Von hier aus entdeckte Wolf 1884 einen Kometen und begann die sich gerade entwickelnde Fotografie für die Astronomie zu nutzen. Diese Sternwarte war die Keimzelle für die späteren großen Sternwarten auf dem Königstuhl. Das Gebäude wird seit langem anders genutzt und kann nicht besichtigt werden. Wolfs Fernrohre befinden sich im Museum der Landessternwarte (Kapitel 10.6). Abb. 10.2: Erinnerungstafel an Max Wolf an seinem Elternhaus in der Heidelberger Märzgasse 16 (Lemke). 323 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 324 10.3 Universitätsmuseum Im Gebäude der Alten Universität in der Grabengasse 1 können Instrumente aus den Labors des 19. Jahrhunderts besichtigt werden. Dazu gehört ein originalgetreuer Nachbau des ersten Spektralapparates von Kirchhoff und Bunsen, den sie genau beschrieben und skizziert hatten (Abb. 10.3). Das Original vom Jahre 1859 wurde aus im Institut vorhandenen Teilen zusammengestellt und ist nicht erhalten geblieben. Es war wahrscheinlich das erste brauchbare Spektrometer weltweit. Abb. 10.3: Das erste selbstgebaute Spektrometer von Kirchhoff und Bunsen im Universitäts-Museum. Links das Beobachtungs-Fernrohr, im Holzkasten das Prisma und rechts das Kollimatorrohr. Davor der erste Bunsenbrenner (Lemke). 324 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 325 10.4 Bergfriedhof Heidelberg Auf diesem großen und idyllisch am Berghang des kleinen Odenwalds gelegenen Friedhof haben viele bedeutende Personen aus Wissenschaft, Kunst und Politik ihre letzte Ruhestätte gefunden. Darunter sind auch bekannte Astronomen und für die Astronomie wichtige Persönlichkeiten. Der Stammvater der Heidelberger Astronomie Max Wolf (1863–1932) hat sein Grab hoch am Hang in der Waldabteilung. Seinen Grabstein, einen gewaltigen Odenwälder Quarzit, zieren die Worte „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ (Abb.10.4). Die schönste Grabstelle, am unteren Eingang Steigerweg, hat Franz Brünnow, Gründer amerikanischer Sternwarten und königlicher Astronom von Irland. Carl Bosch, Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und erster Förderer der Astronomie in der Gesellschaft, ruht in einer großen Familiengrabanlage an der höchsten Stelle des Bergfriedhofs. Robert Bunsen (1811–1899), der mit Gustav Kirchhoff im Jahre 1859 durch die Spektralanalyse der Sonne die Astrophysik in Heidelberg hervorbrachte, ruht dicht beim Haupteingang (nahe dem ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert). Karl Reinmuth (1892–1979), Entdecker von 395 Kleinplaneten vom Königstuhl aus in den Jahren 1914 bis 1952, liegt längs des Aufstiegs vom Steigerweg zum ausgeschilderten Grab der Dichterin Hilde Domin begraben. Dieser Weg führt auch an Max Wolfs Grab vorbei. Im jüngsten der Astronomengräber (Gräberfeld R, Abb.10.4) ruhen Hans Elsässer (1929–2003), der Gründungsdirektor des Max-Planck-Institutes für Astronomie, und seine Frau Ruth. Abb. 10.4: Grabsteine der beiden großen Astronomen vom Königstuhl auf dem Heidelberger Bergfriedhof (Lemke). 325 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 326 10.5 Studentenwohnung von Hermann Oberth in Heidelberg In den Jahren 1921/22 wohnte der Physikstudent Herrmann Oberth in einer Studentenwohnung in der Kaiserstraße 46 (Abb.10.5). Hier hat er „die erste Doktorarbeit der Welt über die Weltraumfahrt“ geschrieben. Sie wurde vom Astronomen Max Wolf und dem Physiker Philipp Lenard nicht angenommen, da sie in keines ihrer beiden Fächer passte (Kapitel 8.6.2). Im Jahre 1922 verließ Oberth enttäuscht Heidelberg und wurde nach dem Examen an der Universität Klausenburg (Siebenbürgen, Rumänien) im Jahre 1923 Professor secundar (Gymnasium). Ein Empfehlungsschreiben Wolfs half, dass der Text als Buch „Die Rakete zu den Planetenräumen“ erscheinen konnte. Damit begründete Oberth seinen Weltruhm als Vater der Raketen- und Weltraumtechnik. In Heidelberg gibt es keine Erinnerungstafel an den berühmt gewordenen ehemaligen Studenten. Abb. 10.5: In diesem Haus in der Heidelberger Kaiserstraße wohnte Herrmann Oberth als Student. Hier entwickelte er die Grundlagen der Raketentechnik und Raumfahrt, erhielt aber keine Möglichkeit zur Promotion an der Universität (Lemke). 326 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 327 10.6 Landessternwarte Heidelberg-Königstuhl 560 m über dem Meeresspiegel und 450 m über der Stadt und dem Neckartal wurde im Jahre 1898 eine der ersten Bergsternwarten in Europa errichtet. Sie entstand in der Nachfolge der Mannheimer Sternwarte, die um 1880 provisorisch nach Karlsruhe verlegt worden war. Ausschlaggebend für den neuen Standort waren die Aktivitäten von Max Wolf mit seiner Privatsternwarte und seiner späteren Dozentur an der Heidelberger Universität. Die Anregung zu einer „Bergsternwarte“ hatte Wolf durch Besuche in den USA erhalten. Die neue Sternwarte war zunächst in eine astrometrische und eine astrophysikalische Abteilung aufgeteilt (Kapitel 8.6). Das alte Meridiankreis-Gebäude im Osten des ausgedehnten Geländes wurde in den 1960er Jahren zu einem Hörsaalgebäude umgeformt, das heute auch ein kleines astronomisches Museum beherbergt. Sieben Fernrohrkuppeln gibt es im Gelände der Landessternwarte (Abb.10.6). Die bekanntesten beherbergen das Bruce-Teleskop (zwei 40 cm-Linsenfernrohre vom Jahre 1900) in der Kuppel am Hauptgebäude. Südlich davon (links im Bild) befindet sich der Waltz-Reflektor mit einem 72 cm-Spiegel vom Jahre 1906, lange Zeit eines der größten Fernrohre in Deutschland. Im nördlich vom Hauptgebäude gelegenen Happel-Laboratorium werden mit Schwarzen Körpern genaueste Kalibrierungen astrophysikalischer Instrumente durchgeführt. Die Landessternwarte ist heute Teilinstitut des Zentrums für Astronomie an der Universität Heidelberg. Abb. 10.6: Luftbild der Landessternwarte Heidelberg-Königstuhl, unten rechts. Oben links das Max-Planck-Institut für Astronomie mit dem Elsässer-Labor (Walter Rauh). 327 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 328 10.7 Haus der Astronomie Heidelberg-Königstuhl Das Gebäude auf dem Gelände des Max-Planck-Instituts für Astronomie hat die Form einer Spiralgalaxie (Abb.10.7). Das Haus der Astronomie (HdA) ist ein Zentrum für den Wissenschaftsaustausch der Heidelberger Forscher, die Öffentlichkeitsarbeit und die Förderung der Astronomie in den Schulen. In Fortbildungsveranstaltungen wendet sich das Haus an Lehrer, mit Führungen und Vortragsreihen an Schüler, Kinder und Eltern, sowie an eine breite Öffentlichkeit. Das Haus besitzt einen Hörsaal mit multimedialer Technik, zu der auch ein Planetarium gehört. Es zeigt eine Ausstellung von astronomischen Satelliten und zum Teil funktionstüchtigen Modellen großer Teleskope, mit denen Heidelberger Astronomen weltweit arbeiten. Das Haus kann im Rahmen von Führungen durch die astronomischen Institute auf dem Königstuhl besichtigt werden. Es beherbergt auch die Redaktion der Zeitschrift „Sterne und Weltraum“. – Bei der Drucklegung dieses Buches war der Rohbau erstellt, der Bezug des neuen Gebäudes soll Ende 2011 beginnen. Errichtet wurde der Bau durch die Klaus Tschira Stiftung, getragen wird das HdA durch die MPG, die Universität und die Stadt Heidelberg. Abb. 10.7: Das Haus der Astronomie auf dem Heidelberger Königstuhl wurde in Form einer Spiralgalaxie errichtet. Es ist ein Zentrum der Öffentlichkeitsarbeit (Architekten Bernhardt und Partner, Darmstadt). 328 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 329 10.8 Die Kurpfälzer Grundlinie Die um 1750 angelegte gerade Straße von Heidelberg nach Schwetzingen wurde als „Basis Palatina“ zur Grundachse der Vermessung der Kurpfalz. Mit der genau vermessenen Länge der Strecke (12 km) konnte durch Winkelmessungen zu anderen herausragenden Punkten (gegebenenfalls nachts durch Feuer markiert) ein Dreiecksnetz über die Kurpfalz gelegt werden. Damit ließen sich die Längen aller anderen Seiten der Dreiecke durch trigonometrische Berechnungen ableiten (Triangulation). Begonnen von Geodäten aus dem benachbarten Frankreich, setzte der Mannheimer Hofastronom Christian Mayer ab dem Jahre 1762 diese Messungen fort. 1773 erschien Mayers Kleine Kurpfalzkarte des Gebiets Mannheim-Heidelberg-Schwetzingen. Die inzwischen über 250 Jahre alte Grundlinie ist heute vom Königstuhl aus noch gut zu erkennen (Abb. 10.8). Sie beginnt in Heidelberg (heutige Franz-Knauff-Straße) und läuft über den Baumschulenweg (nahe Eppelheim) in die Hauptachse des Schwetzinger Schlossparks (Abb. 8.3.1). Ferner Zielpunkt im Westen ist der Berg Kalmit im Pfälzer Wald. Die beste Erkennbarkeit der Kurpfälzer Grundlinie ist von einem Standpunkt ~ 50 m östlich der Bergbahnstation auf dem Königstuhl gegeben, und zwar bei Aufklaren nach einem spätnachmittäglichen Schauer, wenn das Sonnenlicht von der nassen Straße direkt zum Beobachter reflektiert wird. Abb. 10.8: Die Kurpfälzer Grundlinie, aufgenommen von der Bergbahnstation auf dem Königstuhl. Der helle Fleck in der Bildmitte ist der See im Schwetzinger Schlosspark, in der Ferne im Westen der Berg Kalmit im Pfälzer Wald (Lemke). 329 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 330 10.9 Carl-Bosch-Museum Es ist dem Wirtschaftsführer der chemischen Industrie und Nobelpreisträger für Chemie des Jahres 1931 (Ammoniaksynthese) gewidmet. Das Museum wurde von Gerda Tschira, der Ehefrau des Stifters Klaus Tschira gegründet und befindet sich am Schloss-Wolfsbrunnenweg 46, im ehemaligen Wohngebäude von Boschs Chauffeur (Abb. 10.9). Einer der Räume stellt Carl Bosch (1874–1940) als Naturbeobachter vor. Zu seinen Interessen gehörte auch die Astronomie, wofür er auf seinem Grundstück eine Sternwarte errichtete, die bei der späteren Nutzung der Gebäude leider abgebaut wurde. Die Fernrohre kamen nach Tübingen. Carl Bosch hat als Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der Vorgängerin der Max-Planck-Gesellschaft, in den späten 1930er Jahren begonnen die Astronomie finanziell zu fördern. Ziel war die Errichtung einer größeren Südsternwarte, was durch die Kriegsereignisse vereitelt wurde. In der Nähe des Museums, am Schloss-Wolfsbrunnenweg 33 liegt Boschs ehemaliges Wohnhaus, die Villa Bosch. Dieses Gebäude war bei der Gründung des MPIA 1967 als mögliches Heimatinstitut im Gespräch. Der Gründungsdirektor Hans Elsässer wollte aber mehr Entfaltungsmöglichkeiten und bestand auf einem Neubau auf dem Königstuhl. Inzwischen wird die Villa Bosch von der Klaus Tschira Stiftung genutzt, die ab dem Jahre 2009 das „Haus der Astronomie“ auf dem Gelände des MPIA errichtet. Abb. 10.9: Das CarlBosch-Museum. Nach dem Besuch lohnt die Einkehr ins Hochdruck-Cafe, links (Lemke). 330 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 331 10.10 Kirchhoff-Institut für Physik Das größte der physikalischen Institute der Universität trägt den Namen des berühmten Physikers, der 21 Jahre in Heidelberg wirkte. Es befindet sich auf dem neuen Campus Im Neuenheimer Feld 227. Die großzügig verglasten Gänge im Gebäude bieten während normaler Arbeitszeiten Zugang zu interessanten Ausstellungen. Dazu gehört eine Dauerausstellung: „Kirchhoff (1824–1887) – Das gewöhnliche Leben eines außergewöhnlichen Mannes“. Kirchhoffs Name bleibt verbunden mit der Geburtsstunde der Astrophysik durch seine Spektralanalyse der Sonne (Kapitel 8.5). Ferner durch das nach ihm benannte Strahlungsgesetz und die Idee des Schwarzen Körpers. Im ersten Stock des Gebäudes schwingt ein Foucaultsches Pendel (Abb. 10.10) an einem 11 m langen Seil mit einer Schwingungsdauer von 6.7 Sekunden. Verursacht durch die Erddrehung dreht sich die Pendelebene gegenüber dem Gebäude. Die goldene Kugel am Seilende schwingt dicht über dem Fußboden und wirft dabei im Laufe von 31.6 Stunden einen nach dem anderen von 48 im Kreis aufgestellten Stiften um. Am Nordpol aufgehängt würden die Stifte in 24 Stunden fallen. Alle Geheimnisse des Foucaultschen Pendels (und der Wiederaufstellung der darniederliegenden Stifte) werden vor Ort ausführlich und verständlich erklärt. Abb. 10.10: Im Kirchhoff-Institut für Physik wird mit einem öffentlich zugänglichen Foucault-Pendel die Erddrehung nachgewiesen. Das war ein Thema in Kirchhoffs Vorlesungen. Daneben erinnert eine Dauerausstellung an die wissenschaftlichen Leistungen von Gustav Kirchhoff, zu denen auch die Begründung der Astrophysik gehörte (Lemke). 331 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 332 10.11 Max-Planck-Institut für Kernphysik Das am Hang des Königstuhls gelegene Institut (Saupfercheckweg 1) arbeitet unter anderem auf dem Forschungsgebiet der Astroteilchenphysik. Die sehr erfolgreichen Tscherenkow-Teleskope (HESS) für kosmische Gammastrahlen befinden sich in Namibia, unweit vom Gamsberg. Die Neutrino-Teleskope des Instituts waren tief unter einem Bergstock im Apennin aufgebaut. Modelle und Informationstafeln im Institut unterrichten über diese Forschungen. Zusätzlich werden Führungen angeboten. Dabei sind auch interessante Instrumente und Ergebnisdarstellungen einer intensiven Erforschung des interplanetaren Raums in den letzten Jahrzehnten zu besichtigen, u. a. eine MeteoritenSammlung. Das Institut verfügte zeitweise über Mondgestein von den Apollo-Landungen, das von der NASA hierher zur Untersuchung gegeben wurde. In einem SchwerionenSpeicherring mit 55 m Umfang wird die Entstehung von Molekülen im interstellaren Raum untersucht (Abb. 10.11). Eine kleine Sternwarte auf dem Hauptgebäude erinnert an die astronomischen Interessen des Gründungsdirektors Wolfgang Gentner. Abb. 10.11: Der Schwerionen-Speicherring im MPI Kernphysik kann im Rahmen einer InstitutsFührung besichtigt werden. Hier wird die Entstehung von Molekülen unter den extremen Bedingungen im Weltraum (Höchstvakuum, energiereiches Strahlungsfeld, sehr niedrige Temperaturen) untersucht (MPI Kernphysik). 332 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 333 10.12 Mannheimer Sternwarte Auf Anregung des Mannheimer Hofastronomen Christian Mayer und gefördert vom Kurfürsten Carl Theodor wurde zwischen 1772 und 1775 dicht beim Schloss und der Jesuitenkirche ein viergeschössiger Sternwartenturm errichtet. Diese Sternwarte gehörte bald zu den bedeutendsten in Europa. Sie zog viele Besucher an, darunter Mozart, Jefferson, Volta. Der Sternwartenturm zeigt sich nach Ausbesserung geringer Schäden aus dem letzten Weltkrieg heute so wie vor ~ 235 Jahren (Abb. 10.12). Die Außenbesichtigung des Turms und der dort angebrachten Erinnerungstafeln an die damals hier tätigen Astronomen und an die Vermessung der Kurpfalz ist lohnend. Eine Innenbesichtigung ist gegenwärtig wegen inzwischen anderer Nutzung des Turms nicht möglich, aber für die Zukunft geplant. Ein Teil der alten astronomischen Instrumente befindet sich im Mannheimer Landesmuseum für Technik und Arbeit. Abb. 10.12: Die alte Mannheimer Sternwarte neben der Jesuitenkirche kann von außen besichtigt werden. Das lohnt auch wegen der vielen Erinnerungstafeln an ihre führenden Köpfe und deren Leistungen (Lemke). 333 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 334 10.13 Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim In der Astronomischen Abteilung des Museums werden die erhalten gebliebenen Instrumente der Mannheimer Sternwarte gezeigt (Abb. 10.13). Von besonderem Interesse sind der große Mauerquadrant mit 2.5 m Radius und ein 2.6 m langes Fernrohr, gefertigt von John Bird in London im Jahre 1775. Ein 2.25 m langes Linsenfernrohr mit einem Objektiv von 10 cm Durchmesser wurde von Peter Dollond 1769 aus London beschafft. Es besitzt achromatische Linsen, für die Dollond ein Patent besaß. Ebenfalls aus London stammt die etwa 1769 gefertigte große Kompensations-Pendeluhr. Neben der Sammlung historischer Instrumente laden moderne optische Instrumente und selbstauszuführende naturwissenschaftliche Experimente zum Museumsbesuch ein. Das Ballonteleskop THISBE und das HELIOS Zodiakallicht-Instrument des MPIA bewahrt das Museum im Magazin für künftige Ausstellungen auf. Abb. 10.13: Das Landesmuseum für Technik und Arbeit (jetzt „Technoseum“) in Mannheim zeigt in seiner Astronomie-Abteilung unter anderem wertvolle historische Instrumente der alten Mannheimer Sternwarte. Links drei Linsenfernrohre, die oberen beiden stammen von Fraunhofer und Utzschneider aus den Jahren 1816/1817. Mit dem großen Linsenfernrohr hat Mayer 1769 in St. Petersburg den Venus-Durchgang beobachtet (Lemke). 334 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 335 10.14 Planetarium Mannheim Bereits im Jahre 1927 wurde im Mannheimer Luisenpark ein Planetarium gebaut. Es war weltweit eines der ersten, musste aber nach Bombenschäden während des Krieges abgerissen werden. Der Neubau am Ende der Autobahn von Heidelberg wurde im Dezember 1984 eröffnet (Abb. 10.14). Heute ist das Planetarium mit dem modernsten Projektor „Universarium“ der ZEISS-Modellreihe IX ausgerüstet. Unter einer 20 m-Kuppel gibt es 277 Beobachtungssitze. Täglich (außer montags) finden mehrere Vorführungen für unterschiedliche Interessengruppen statt. Abb. 10.14: Das Mannheimer Planetarium ist mit einem der modernsten Himmels-Projektoren ausgerüstet und bietet laufend ein astronomisches Vortragsprogramm an. Dieser Neubau entstand im Jahre 1984. Dahinter erkennt man das Landesmuseum für Technik und Arbeit mit seiner interessanten Sammlung historischer astronomischer Instrumente, siehe Abb. 10.13. Oben rechts der Heidelberger Königstuhl (Lemke). 335 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 336 10.15 Sternwarte auf dem Schwetzinger Schloss Die erste kurpfälzische Sternwarte wurde 1764 auf dem Dach des Schwetzinger Schlosses errichtet. Eine Frankenthaler Porzellan-Plakette von ~1770 zeigt die 3 m-Kuppel (Abb. 10.15-1). Nachdem Christian Mayer mit der Beobachtung des Venus-Transits im Juni 1761 im Schlossgarten unter Anwesenheit des Kurfürsten Eindruck gemacht hatte, bewilligte dieser den Bau der Dachsternwarte. Es war nur eine Übergangslösung, war Abb. 10.15-1: Die Sternwarte auf dem Schwetzinger Schloss um das Jahr 1770, gemalt auf eine Frankenthaler Porzellan-Plakette. Sie wird im Bayerischen Nationalmuseum in München aufbewahrt (Bayer. Nationalmuseum, Karl-Michael Vetters). 336 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 337 doch die Sternwarte auf dem hölzernen Dachstuhl aufgesetzt. Mayer führte von hier aus astronomische Beobachtungen durch und begann die Landesvermessung der Kurpfalz vorzubereiten. Zwei unbeheizbare Räume unter dem Dach dienten ihm zum Arbeiten und Aufbewahren seiner Instrumente, sie sind (ohne Einrichtung) erhalten geblieben. Die Kuppel wurde 1774 abgebaut, nachdem die große Mannheimer Sternwarte errichtet worden war. Heute noch ist die Plattform auf dem Schloss erkennbar (Abb. 10.15-2). Sie kann (nach Anfrage bei der Schlossverwaltung) gegebenenfalls betreten werden. Abb. 10.15-2: Heutiger Anblick des Schwetzinger Schlosses (Ostseite) mit der Plattform, auf der Christian Mayers Sternwarte errichtet war, siehe Abb.10.15-1 (Lemke). 337 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 338 10.16 Walter-Hohmann-Höhe in Hardheim Hardheim, im nordöstlichen Odenwald gelegen, ist der Geburtsort von Walter Hohmann (1880-1945), einem Wegbereiter der Raumfahrt. Als promovierter Bauingenieur leitete er die Statik und Materialprüfung der Baubehörde der Stadt Essen. In seiner Freizeit berechnete er ab 1911 Bahnen für Raumflugkörper zu anderen Planeten, die 1925 im Abb. 10.16-1: Ein Original der Erstausgabe von Walter Hohmanns Werk vom Jahre 1925 ist neben zahlreichen Gegenständen und raumfahrtbezogenen Notizen von seiner Hand im ErfatalMuseum ausgestellt. 338 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 339 Buch „Die Erreichbarkeit der Himmelskörper“ (Oldenbourg Verlag) veröffentlicht wurden (Abb. 10.16-1). Damals noch Utopie, wurden seine Ideen bei den interplanetaren Raumflug-Missionen der USA und der Sowjetunion angewendet. In diesen Ländern erhielt er hohe Anerkennung: Hohmann-Bahnen sind ein Fachbegriff für Bahnen zu anderen Himmelskörpern mit geringem Energieeinsatz. Sein Vorschlag, für die Landung auf dem Mond ein leichtes „Beiboot“ zu benutzen, wurde über 40 Jahre später mit der Landefähre „Eagle“ verwirklicht. In Hardheim kann man eine ihm gewidmete DauerAusstellung im Erfatal-Museum besichtigen (im Sommer am Sonntagnachmittag, Abb.10.16-2). Sie bringt dem Besucher den ideenreichen Freizeit-Himmelsmechaniker und einen Menschen von hohen moralischen Grundsätzen nahe. Ein Berg dicht bei der Stadt und ein Mondkrater sind nach ihm benannt. Abb. 10.16-2: Das Erfatal-Museum ist im Zehntspeicher des Würzburger Fürstbischofs eingerichtet. In den beiden oberen Stockwerken des 1683 errichteten Gebäudes befindet sich das preisgekrönte Heimatmuseum mit der Walter Hohmann Ausstellung (Lemke). 339 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 340 10.17 Wegweiser zum Max-Planck-Institut für Astronomie Abb. 10.17: „Wer zum Max-Planck-Institut für Astronomie will, folgt in Heidelberg der Richtung zum Märchenparadies auf dem Königstuhl“, so Hans Elsässer bei der Einweihungsfeier des Instituts-Neubaus 1976 (Lemke). 340 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 341 Quellen- und Literaturverzeichnis Ein großer Teil des Buches gründet sich auf Erinnerungen und Notizen des Verfassers, bereichert durch viele Gespräche mit damals Dabeigewesenen. Die Vor- und Frühgeschichte des Instituts konnte aus zahlreichen Briefen und Protokollen im Archiv der Max-Planck-Gesellschaft herausgelesen werden, von denen wichtige hier aufgeführt werden. Zur Geschichte der Astronomie im Heidelberger Raum gibt es einige hervorragende Einzeldarstellungen, unter deren Nutzung hier versucht wurde, ein Gesamtbild über die letzten vierhundert Jahre zu zeichnen. Die wissenschaftliche Produktion des Max-PlanckInstituts für Astronomie ist groß (beispielsweise wurden allein im Jahre 2009 fast 300 wissenschaftliche Publikationen mit MPIA-Autoren und eine ebenso große Zahl von Konferenz- und populärwissenschaftlichen Beiträgen veröffentlicht), so dass hier nur ganz wenige Beispiele aus meist deutschsprachigen allgemeinverständlichen Veröffentlichungen ausgewählt wurden. Die gesamte wissenschaftliche Literatur des Instituts und seine Jahresberichte sind zugänglich unter http://www.mpia.de, weiter in der Menüleiste zu „Veröffentlichungen“. Quellen Kapitel 2 (Vorgeschichte und frühe Jahre des Max-Planck-Instituts für Astronomie) Archiv der Max-Planck-Gesellschaft: Vorarbeiten für eine Sternwarte im Rahmen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft: I. Abt., Rep. 1A Generalverwaltung der KWG: 67. Senatsprotokoll der KWG v. 30.05.38, S.5; 68. Senatsprotokoll der KWG v. 04.04.39, S.11; Nr. 2791: Auswärtige astronomische Beobachtungsstation: Erwin F. Freundlich: Denkschrift zur Gründung eines auswärtigen astronomischen Forschungsinstitutes, Potsdam, 1923 (1928). – III. Abt., Rep 83 Nachlaß Ernst Telschow, Nr. 31: Brief Telschow an Bosch v. 28.11.38. Vorbereitung zur Gründung des Max-Planck-Instituts für Astronomie: II. Abt., Rep. 1A Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft: Chemisch-Physikalisch-Technische Sektion des Wissenschaftlichen Rates: Akten Astronomie; Verwaltungsratsprotokolle 1963; Senatsprotokolle 1967-1971; Institutsbetreuerakten Astronomie (1959-1975). 341 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 342 Unternehmens-Archiv der BASF, Ludwigshafen: W 1, Hochheim: Versuche zur Herstellung von Quarzspiegeln und Aluminisierung von Spiegeln, Tätigkeitsbericht von Dr. Ernst Hochheim für das Jahr 1933. Kapitel 8 (Ein Rückblick: 400 Jahre Astronomie in Heidelberg und der Kurpfalz) Universitätsarchiv Heidelberg: UAH RA 691, 1681-1684: Protokolle des Akademischen Senats der Universität Heidelberg. Generallandesarchiv Karlsruhe: GLA 213/3540: Christian Mayer: Denkschrift für eine Sternwarte, 1771. Literatur: Zum Nach- und Weiterlesen Kapitel 1 (Aufbruch ins All) Hans Kienle: Astronomie. In: Max Planck (Hg.): 25 Jahre Kaiser Wilhelm Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Band 2, Berlin 1936, S. 36-45. Karl Schwarzschild: Die großen Sternwarten der Vereinigten Staaten. In: Internationale Wochenschrift für Wissenschaft Kunst und Technik 4 (1910), S. 1531-1544. Kapitel 2 (Vorgeschichte und frühe Jahre des Max-Planck-Instituts für Astronomie) Hans Heinrich Voigt u. a.: Denkschrift Astronomie, im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Wiesbaden 1962. Bekanntmachung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Spanischen Staates über die Errichtung und den Betrieb des „DeutschSpanischen astronomischen Zentrums“, Bundesgesetzblatt, Teil II, 23. Nov. 1973, S. 1557. Thorsten Neckel: Astronomische Beobachtungen auf dem Gamsberg. In: Journal. SWA Wissenschaftliche Gesellschaft, 38.1982/83–1983/84 (1984), S. 49-77. Bernd Müller, Peter Blum: Architekturführer Heidelberg. Berlin 1998. Thorsten Döhring, Ralf Jedamzik, Armin Thomas, Peter Hartmann: Forty years of ZERODUR mirror substrates for astronomy – Review and Outlook, Proc. SPIE 7018 (2008), S. 7018-3B. 342 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 343 Kapitel 3 (Das Max-Planck-Institut für Astronomie wird zu einem weltweit führenden Institut) Immo Appenzeller, Harald Nicklas: Ein optisches 10 m-Teleskop für die deutsche Astronomie. In: Sterne und Weltraum 24 (1985) 11, S. 574-576. Hans Elsässer: Weltall im Wandel. Stuttgart 1985. Hans Elsässer: Zur neuen Denkschrift Astronomie. In: Sterne und Weltraum 25 (1986) 3, S. 143-145. Heinrich J. Völk: Die „Denkschrift Astronomie“. In: Sterne und Weltraum 25 (1986) 5, S. 258-259. Wissenschaftsrat: Stellungnahmen zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen in der ehemaligen DDR auf dem Gebiet der Geo- und Kosmoswissenschaften. Köln 1992. Werner Pfau: Als Neuling auf dem Calar Alto. In: Die Sterne 67 (1991) 4, S. 185-192. Hans Elsässer: Warum Astronomie? (Festansprache zum 25. Instituts-Jubiläum). In: Sterne und Weltraum 34 (1995), S. 612-619. Steven V. W. Beckwith and Anneila I. Sargent: Circumstellar disks and the search for neighbouring planetary systems. In: Nature 383 (1996), S. 139-144. Josef Solf: Nachruf auf Hans Elsässer. In: Mitteilungen der Astronomischen Gesellschaft 86 (2003), S. 5-8. Thomas Bührke: Hans Elsässer. In: Sterne und Weltraum 43 (2004) 8, S. 38-45. Hans-Walter Rix: Geboren in Dunkler Materie – Zur Entstehung und Entwicklung unserer Galaxie. In: Sterne und Weltraum 45 (2006) Spezial 1, S. 102-111. Klaus Meisenheimer: Die Suche nach Staubtori in aktiven galaktischen Kernen, Sterne und Weltraum 45 (2006) 7, S. 24-30. Sebastian Wolf, Thomas Henning, Ralf Launhardt: Die Geburt von Sternen und Planeten. In: Sterne und Weltraum 45 (2006) Spezial 1, S. 62-75. Hans-Walter Rix: Perspektiven astronomischer Entdeckungen. In: Sterne und Weltraum 47 (2008) 8, S. 32-40. Hubert Klahr und Thomas Henning: Aufregende neue Planetenwelten. In: Sterne und Weltraum 48 (2009) 6, S. 32-47. Kapitel 5 (Observatorien im Weltraum und am Boden) Heinrich J. Völk u. a.: Denkschrift Astronomie. Im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Zusammenwirken mit dem Rat der Westdeutschen Sternwarten u. zahlr. Fachgelehrten. Weinheim 1987. 343 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 344 Christoph Leinert und Uwe Graser: Interferometrie an Großteleskopen. In: Sterne und Weltraum 43 (2004) 11, S. 32-39. Dietrich Lemke: ISO – Von der Idee zum Instrument. In: Sterne und Weltraum 43 (2004) Spezial 1, S. 52-73. Stefan Hippler und Markus Kasper: Dem Seeing ein Schnippchen schlagen. Adaptive Optik in der Astronomie. In: Sterne und Weltraum 43 (2004) 10, S. 32-42. Dietrich Lemke: Hubbles Nachfolger. Das James Webb Space Telescope. In: Sterne und Weltraum 45 (2006) 8, S. 26-34. Dietrich Lemke: Das Weltraumteleskop Herschel vor dem Start. In: Sterne und Weltraum 47 (2008) 1, S. 36-46. Thomas Henning: Das Large Binocular Telescope – Eine große Himmelsmaschine. In: Jakob Staude (Hg.): Galileis erster Blick durchs Fernrohr und die Folgen heute. Heidelberg 2010, S. 113-128. Kapitel 6 (Verbindung zu Universität und Öffentlichkeit) Jakob Staude: Das „Haus der Astronomie“. In: Sterne und Weltraum 48 (2009) 2, S. 30-31. Kapitel 8 (Ein Rückblick: 400 Jahre Astronomie in Heidelberg und der Kurpfalz) Hans-Dieter Dyroff: Gotthard Vögelin – Verleger, Drucker, Buchhändler 1597 – 1631 (Dissertation Universität Mainz 1961). In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Frankfurt, 18 (1962) 24a, S. 393-540. Albert Mays und Karl Christ (Hg.): Einwohnerverzeichniß der Stadt Heidelberg vom Jahr 1588. Heidelberg 1890. Dagmar Drüll: Heidelberger Gelehrtenlexikon, Bd. 3: 1386 – 1651, Berlin [u. a.] 2001. August Thorbecke: Statuten und Reformationen der Universität Heidelberg vom 16. bis 18. Jahrhundert. Leipzig 1891. Eduard Winkelmann (Hg.): Urkundenbuch der Universität Heidelberg.Heidelberg 1886. Gerhard Merkel: Der universitäre Grundbesitz in der Stadt bis Ende des 17. Jahrhunderts. In: Bernhard Eitel und Peter Meusburger (Hg): Wissenschaftsatlas der Universität Heidelberg, herausgegeben zum 625. Jahrestag. Heidelberg 2011. Hans Ludendorff: Über die erste Verbindung des Fernrohres mit astronomischen Messinstrumenten. In: Astronomische Nachrichten 213 (1921), S. 385-390. 344 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 345 Rolf Riekher: Fernrohre und ihre Meister. Berlin 1990. Maria Effinger, Joachim Wambsganß (Hg.): Himmlisches in Büchern. Heidelberg 2009. Erwin Christmann: Studien zur Geschichte der Mathematik und des mathematischen Unterrichtes in Heidelberg. Von der Gründung der Universität bis zur combinatorischen Schule. Dissertation Universität Heidelberg 1924. Karl Kollnig: Der Hofastronom Christian Mayer 1719-1783. In: Wilhelm Doerr (Hg.): Semper Apertus. Festschrift 600 Jahre Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Berlin [u. a.] 1985, Bd. 1, S. 463-478. Kai Budde: Sternwarte Mannheim. Geschichte der Mannheimer Sternwarte 1772–1880. Heidelberg [u. a.] 2006. Gustav Kirchhoff: Untersuchungen über das Sonnenspectrum und die Spectren der chemischen Elemente. In: Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1862, S. 63-95. Jochen Hennig: Der Spektralapparat Kirchhoffs und Bunsens. Diepholz 2003. (Deutsches Museum. Wissenschafts- und Technikgeschichte – Originale, Modelle und Rekonstruktionen. 1). Klaus Hübner: Gustav Robert Kirchhoff – Das gewöhnliche Leben eines außergewöhnlichen Mannes. Heidelberg [u. a.] 2010. Franz Kerschbaum, I. Müller: Otto von Littrow and his Spectrograph. In: Astronomische Nachrichten 330 (2009) 6, S. 574-577. Klaus Hentschel: Der Einstein-Turm. Heidelberg [u. a.] 1992. Dieter B. Herrmann: Zur Vorgeschichte des Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam (1865 bis 1874). In: Astronomische Nachrichten 269 (1975) 6, S. 245-259. Pfälzer Bote. Zeitungs-Ausgaben vom 13. und 22. März 1895. Theda Schmidt-Neirynck: Die Landessternwarte Heidelberg. In: Wilhelm Doerr (Hg.): Semper Apertus. Festschrift 600 Jahre Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Berlin [u. a.] 1985, Bd. 1, S. 559-575. Max Wolf, 1863-1932. Ein Gedenkblatt. Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse, Jg. 1933, Abh. 4. August Kopff: Max Wolf. In: Vierteljahresschrift der Astronomischen Gesellschaft, 68 (1933) 1, S. 9-30. Hans Barth: Hermann Oberth. Esslingen [u. a.] 1991. Hermann Oberth: Wege zur Raumschiffahrt. Düsseldorf 1986. 345 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 346 Kapitel 9 (Übersichten zur Geschichte des Max-Planck-Instituts für Astronomie) Lutz Schmadel: Dictionary of Minor Planet Names, 5. Auflage, 2003, mit Addendum 2006, Berlin, Heidelberg New York. Eckart Henning und Marion Kazemi: Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften [in Vorbereitung], 2011. Kapitel 10 (Wegweiser zu Stätten der Astronomie in Heidelberg und Umgebung) Jürgen von Esenwein, Michael Utz: Folg’ ich meinem Genius – Gedenktafeln berühmter Männer und Frauen in Heidelberg. Heidelberg 1998. 100 Jahre Landessternwarte Heidelberg-Königstuhl. Landessternwarte Heidelberg (Hg.). Heidelberg 1997. Leena Ruuskanen: Der Heidelberger Bergfriedhof. Kulturgeschichte und Grabkultur, ausgewählte Grabstätten. Heidelberg 1992. (Buchreihe der Stadt Heidelberg. 3). Walter Hohmann: Die Erreichbarkeit der Himmelskörper, 3. Aufl. München [u. a.] 1994. 346 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 347 Abkürzungen AG ALFA ALMA AO ARI BASF BMwF CADIS CAFOS CARMENES CasA CCD CERN CHARM CoI Co-PI COMBO17 CONICA CPTS DESY DFG DGT DLR ECHO E-ELT ESA ESO ESRO Astronomische Gesellschaft Adaptive Optics with Laser for Astronomy Atacama Large Millimeter Array Adaptive Optik Astronomisches Recheninstitut Badische Anilin und Soda Fabrik, Ludwigshafen Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung Calar Alto Deep Imaging Survey Calar Alto Faint Object Spectrograph Calar Alto High-Resolution Search for M-Dwarfs with Exo-Earths with a Near-Infrared Echelle Spectrograph Cassiopeia A (Supernova Überrest) Charge Coupled Device European Organization for Nuclear Research Camera High Angular Resolution Module Co-Investigator Co-Principal Investigator Classifying Objects by Medium-Band Observations (17-filter survey) High Resolution Near Infrared Camera für das Very Large Telescope Chemisch-Physikalisch Technische Sektion Deutsches Elektronensynchrotron Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutsches Großteleskop Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Exoplanet Characterization Observatory European Extremely Large Telescope European Space Agency European Southern Observatory European Space Research Organisation 347 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 348 FIRST FORS FPI FrInGe GEMS GIRL GRAVITY GSI HdA HELIOS HESS IAC IC IMPRS IPS IR IRAS ISO ISO-LWS ISOPHOT ISOSS ITA JWST KWG LBT LHC LINC-NIRVANA LIRTS LSW LUCIFER 348 Far Infrared Space Telescope Focal Reducer and Low Dispersion Spectrograph für das Verly Large Telescope Fabry-Perot-Interferometer Frontiers of Interferometry in Germany Galaxy Evolution from Morphology and Spectral Energy Distribution German Infrared Laboratory NIR-Instrument für Mikrobogensekunden-Astrometrie am VLTI Gesellschaft für Schwerionenforschung Haus der Astronomie Sonnensonde High Energy Stereoscopic System Instituto de Astrofisica de Canarias Integrated Circuit International Max Planck Research School Instrument Pointing System Infrarot Infrared Astronomical Satellite Infrared Space Observatory Long Wave Length Spectrometer des ISO-Satelliten Photometer-Instrument des ISO-Satelliten ISO Serendipity Survey Institut für theoretische Astrophysik James Webb Space Telescope Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (Vorgänger der MPG) Large Binocular Telescope Large Hadron Collider LBT Interferometric Camera – Near Infrared Visible Adaptive Interferometer Large Infrared Telescope in Space Landessternwarte LBT Near Infrared Spectroscopic Utility with Camera and Integral Field Unit for Exgtra-Galactic Research Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 349 MAGIC MATISSE MAX-Camera METIS MICADO MIDI MIRI MOSCA MPE MPG MPIA MPIK NACO NAOS NASA NGST NICMOS NIR NIRSPEC OMEGA-Cass OMEGA-Prime OWL PACS PAH Pan-STARRS PANIC PARSEC PI PRIMA PRIME RM SALT Max-Planck-Institut für Astronomie General Purpose Infrared Camera Multi-Aperture Mid-Infrared Spectroscopic Experiment Mid-Infrared Array Expandable für UKIRT Mid-Infrared E-ELT Imager and Spectrograph Multi-Conjugated Adaptive Optics Imaging Camera for Deep Observations Mid-Infrared Interferometric Instrument Mid-Infrared Instrument für das James Webb Space Telescope Multi-Object Spectrograph for Calar Alto Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik Max-Planck-Gesellschaft Max-Planck-Institut für Astronomie Max-Planck-Institut für Kernphysik NAOS-CONICA (Coude Near-Infrared Camera) Nasmyth Adaptive Optics Systems National Aeronautics and Space Administration Next Generation Space Telescope (jetzt JWST) Near-Infrared Camera and Multi-Object Spectrometer für HUBBLE Nahes Infrarot Near-Infrared Spectrometer für das James Webb Space Telescope NIR-Kamera im Cassegrain-Fokus NIR-Kamera im Primär-Fokus Overwhemlingly Large Telescope Photodetector Array Camera and Spectrometer für den HERSCHEL-Satelliten Polycyclic Aromatic Hydrocarbons Panoramic Survey Telescope and Rapid Response System Panoramic near-infrared camera Paranal Artificial Star Extended Coverage Principal Investigator Phase Referenced Imaging and Microarcsecond Astronomy Primodial Explorer Reichsmark South African Large Telescope 349 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 350 SDI SDSS SPHERE STScI SuW THISBE TMT UKIRT VLA VLT VLTI WBK ZAH ZIAP 350 Strategic Defence Initiative Solan Digital Sky Survey Spectro-Polarimetric High-Contrast Exoplanet Research Space Telescope Science Institute “Sterne und Weltraum”, Zeitschrift Telescope of Heidelberg for Infrared Studies by Balloon-Borne Experiments Thirty Meter Telescope United Kingdom Infrared Telescope Very Large Array Very Large Telescope Very Large Telescope Interferometer Wissenschaftliches Beratergremium Zentrum für Astronomie Heidelberg Zentralinstitut für Astrophysik Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 351 Danksagung Ein solches Buch kann ohne die Erinnerungen und die vielfältige Unterstützung von heutigen und ehemaligen Kollegen aus dem Institut kaum geschrieben werden. Allen, die zu seinem Entstehen beigetragen haben, möchte ich herzlich danken. Zwei meiner Kollegen mit großen Verantwortungsbereichen in den Aufbaujahren, Dr. Kurt Birkle und Walter Rauh, mit denen ich viele Gespräche über die ersten Jahrzehnte des Instituts führen konnte, sind im Jahre 2010 unter tragischen Umständen verstorben. Dieses Buch soll dankbare Erinnerung an sie wach halten. Prof. Dr. Thomas Henning und Prof. Dr. Hans-Walter Rix haben als Direktoren des Instituts das Aufschreiben seiner Geschichte vielfältig unterstützt, einen Entwurf kommentiert und Auskunft über die Zukunft gegeben. Erste Fassungen des Buches und einzelner Kapitel wurden von den damals Handelnden kommentiert: Prof. Dr. Immo Appenzeller, Dr. Kurt Birkle, Dr. Christian Fendt, Dr. Tom Herbst, Dr. Friedrich Huisken, Dr. Rainer Lenzen, Dr. Karl-Heinz Marien, Prof. Dr. Kalevi Mattila, Prof. Dr. Klaus Meisenheimer, Prof. Dr. Reinhard Mundt, Dr. Thorsten Neckel, Walter Rauh, Dr. Uwe Reichert, Dr. Robert Schmidt und Dr. Jacob Staude. Insbesondere mein Schreibtischnachbar im „Emeritiertenzimmer“, Prof. Dr. Christoph Leinert, hat durch ergänzende Erinnerungen und Ratschläge einen wesentlichen Beitrag geleistet. Mehrere der Erwähnten haben durch Bereitstellung alter privater Fotos eine Bild-Dokumentation der frühen Institutsgeschichte ermöglicht. Ingrid Apfel, Mathias Voss und Doris Anders haben mir statistische Zahlen und Bilder zur jüngsten Vergangenheit zur Verfügung gestellt. Auskünfte, Dokumente und Bilder erhielt ich von mehreren Institutionen: dem Archiv, der Bibliothek und dem Geographischen Institut der Universität Heidelberg, dem Stadtarchiv Heidelberg, dem Firmenarchiv der BASF Ludwigshafen, dem Firmenarchiv der Heidelberger Zementwerke, dem Carl Bosch Museum Heidelberg, den Schlossverwaltungen in Heidelberg und Schwetzingen, dem Badischen Generalarchiv Karlsruhe, dem Bildarchiv der Rhein-Neckar-Zeitung Heidelberg, dem Kurpfälzischen Museum Heidelberg, dem Universitäts-Museum Heidelberg, dem Landesmuseum für Technik und Arbeit Mannheim, der Bibliothek des Deutschen Wissenschaftsrates Köln, dem Bayerischen Nationalmuseum München, der Hanns-Seidel-Stiftung der CSU in München, dem Erfatal-Museum Hardheim und aus dem Nachlass von Prof. Dr. Hans Elsässer im MPIA. 351 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 352 Monika Dueck hat mir schwer beschaffbare Literatur besorgt. Carmen Müllerthann hat die Abbildungen in der Entstehungsphase elektronisch überarbeitet und katalogisiert. Dr. Axel Quetz hat eine zum Druck ablieferfähige Bild-Datei hoher Qualität erstellt und mehrere Abbildungen aus dem Archiv von „Sterne und Weltraum“ beigestellt. Prof. Dr. Klaus Hübner vom Kirchhoff-Institut der hiesigen Universität und Dr. Kurt Arlt vom Astrophysikalischen Institut Potsdam haben mit Gesprächen und Material zum Beginn der Astrophysik beigetragen. Dr. Gerhard Merkel hat mich auf mehrere die Astronomie betreffende Urkunden in den bis zu 400 Jahre alten Akten der Universität hingewiesen und mir beim Entziffern alter Handschriften Hilfe geleistet. Dr. Gerhard Klare gewährte mir Einblicke in die Geschichte der Landessternwarte Heidelberg. Dr.Ing. Georg Greschner, Mainz, hat mir viel über Hermann Oberths Werdegang in Deutschland berichtet. Architekt Bernd Müller klärte mich über die Betonbaustile der letzten 50 Jahre in Heidelberg auf. Mit Prof. Dr. Werner Pfau und Prof. Dr. Josef Solf konnte ich über die Zeiten der Trennung und der Wiedervereinigung Deutschlands sprechen, insbesondere auch über die astronomischen Beziehungen zwischen Heidelberg und Jena. Besonders wertvoll waren Gespräche über die Gründungsgeschichte mit Prof. Dr. Reimar Lüst, der in vielen Ämtern der erste, stetige und wirkungsvollste Förderer unseres Institutes war. Prof. Dr. Hans-Heinrich Voigt hat mir lebendig die Geschichte der ersten „Denkschrift Astronomie“ berichtet. Das Archiv der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin-Dahlem hat mir Einblick in viele Dokumente der Kaiser-Wilhelm- und der Max-Planck-Gesellschaft gewährt. Dr. Lorenz Beck hat die Aufnahme dieser Schrift in die Veröffentlichungsreihe des Archivs zugesagt. Dr. Marion Kazemi hat mich als Mitherausgeberin und Redakteurin dieses Buches in der Phase des Drucks und der endgültigen Gestaltung wirkungsvoll beraten und entlastet. Der Vizepräsidenten der MPG, Prof. Dr. Martin Stratmann, hat mir die Genehmigung zur Akteneinsicht im Archiv der Gesellschaft gewährt. Meine Tochter Maren hat ungezählte handschriftliche Manuskript-Fragmente aus wöchentlichen Briefsendungen der letzten Jahre in einen ersten elektronisch verarbeitbaren Text übertragen. Meine Tochter Urte hat durch journalistische Ratschläge zu einem flüssiger lesbaren Manuskript beigetragen. Meine Frau Waltraud ist seit über fünfzig Jahren und auch bei diesem „Spätwerk“ meine wichtigste Gesprächspartnerin gewesen. 352 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 353 Personenregister Abraham, Peter 231 Ackermann, Gerhard 309 Al-Fargani, Akhmad 280 Alfonso, Christina Alter, Matthias 141 Anders, Doris 157, 166, 179, 181, 240, 351 Apfel, Ingrid 240, 351 Appenzeller, Immo 34, 69, 133, 139f., 142, 146, 212, 311, 313f., 316, 319, 351 Argelander, Friedrich Wilhelm 24, 289 Bahner, Klaus 45, 68, 70 Bailer-Jones, Coryn 149, 151, 169, 207, 226 Bartelmann, Matthias 245, 249 Baumeister, Harald 141 Becker, Friedrich 23 Beckwith, Steven 117, 121–126, 131– 133, 137, 139f., 142, 145f., 153, 182, 213, 225, 231, 313, 315f. Beetz, Max 110, 311 Bell, Eric 163f., 166f., 170, 226 Bellemann, Heinrich 180, 182 Benz, Willy 313, 317 Bessel, Friedrich Wilhelm 24 Beuther, Henrik 170, 226 Biermann, Ludwig 28, 32f., 44, 89 Birkle, Kurt 48–52, 54, 64, 69, 77, 110, 127, 319, 351 Birkmann, Stephan 195 Bitzenberger, Peter 131 Blum, Jürgen 143, 231 Bockel, Roy van 214 Böhm, Armin 181f. Böhm, Karl-Heinz 248, 313, 315 Böhm-Vitense, Erika 248 Bosch, Carl 21f., 325, 330 Bosch, Frank van den 170, 231 Bothe, Walter 249 Brahe, Tycho 276 Brandl, Bernhard 220 Brandner, Wolfgang 157, 220 Brauer, Frithjof 319 Briegel, Florian 185 Bruce, Catherine W. 299 Brünnow, Franz 325 Bruggencate, Paul ten 22 Bruno, Giordano 276 Budde, Kai 287, 289 Bührke, Thomas 100, 102 Bunsen, Robert 14, 18, 24, 117, 290– 292, 294–296, 298, 321f., 324f. Burkert, Andreas 225, 231 Butenandt, Adolf 27, 31, 44f., 50, 314 Carl Philipp, Kurfürst von Pfalz-Neuburg 285 Carl Theodor, Kurfürst von der Pfalz 284, 288f., 333 Chini, Rolf 61, 231 Christmann, Jacob 279–281 Cotta, Johann Friedrich 288 Cranz, Jürgen 55, 59 353 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 354 Datson, Juliet Clair 319 Dehnen, Walter 231 Dieminger, Walter 28 Dollond, Peter 334 Domin, Hilde 325 Dorschner, Johannes 134 Dueck, Monika 173, 352 Dullemond, Cornelis 153, 170, 226 Dyck, Mel 115, 212 Ebert, Friedrich 325 Einstein, Albert 19, 307 Eiroa, Carlos 99f., 231 Elsässer, Albrecht 146 Elsässer, Gisela 146 Elsässer, Hans 12, 14, 17, 23, 27, 29, 31–34, 36, 38, 40, 44–49, 54–56, 58, 61–63, 66, 69, 79, 84f., 89f., 100f., 107, 113f., 120–124, 134f., 137, 139, 144–148, 169, 171, 176, 180f., 208–210, 222, 224f., 234, 238, 241f., 248, 308–311, 313, 316, 319, 325, 330, 340 Elsässer, Ruth 325 Eötvös, Lorand 294, 322 Fahrbach, Hans-Ulrich 114 Fassbender, René 141 Fath, Dieter 183f. Fechtig, Hugo 91, 249 Fendt, Christian 228, 351 Filsinger, Traudel 34 Fink, Edgar 171 Foerster, Wilhelm 289, 296 Fraunhofer, Joseph 291, 334 Freundlich, Erwin Finlay 19–22 354 Frey, Albrecht 93 Frey, Emil 33 Fricke, Walter 23, 26f., 44, 248, 313f. Fried, Josef 106, 108, 132, 225 Friedemann, Christian 134 Friedrich I., Großherzog von Baden 299 Friedrich IV., Pfalzgraf u. Kurfürst von der Pfalz 279 Friedrich III., Deutscher Kaiser 296 Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg 247 Gabsdil, Werner 93 Galilei, Galileo 14, 279–281 Gauß, Carl Friedrich 24, 289 Gehren, Thomas 104, 231 Gentner, Wolfgang 26, 28, 32, 44, 249, 332 Genzel, Reinhard 129, 146, 211 Glindemann, Andreas 128, 131, 225 Glum, Friedrich 20 Graser, Uwe 112, 187, 214 Grebel, Eva 163, 170, 231, 248 Gredel, Roland 221, 223 Gregor XV., Papst 284 Grimm, Bernhard 184, 187 Grözinger, Ulrich 184 Grün, Eberhard 91 Gürtler, Jochen 134 Guijarro, Arra 141 Haas, Martin 103, 148, 194, 225, 237 Hachenberg, Otto 33 Happel, Karl 309 Hartung, Markus 211 Heckl, Klaus 36, 40 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 355 Heckmann, Otto 29, 31 Hefele, Herbert 115 Heisenberg, Werner 32f., 137 Heissler, Hannelore 240 Helmholtz, Hermann von 296 Henning, Thomas 13, 15, 104, 134, 136, 142–144, 148, 152f., 156, 158, 169, 173, 198, 203, 205, 207, 219– 221, 226, 245, 252–274, 313, 316f., 351 Herbig, George 48, 313f. Herbst, Tom 117, 126f., 131, 216, 218f., 221, 351 Herrmann, Walter 34 Herschel, Wilhelm 198, 288 Hille, Günther 87, 118 Hippelein, Hans 45, 118 Hippler, Stefan 131, 220 Hochheim, Ernst 22 Hodapp, Klaus Werner 117, 231 Höcherl, Herrmann 26f. Hofferbert, Ralph 205 Hofmann, Wilfried 93f. Hohmann, Walter 338f. Hopp, Ulrich 70 Hormuth, Felix 319 Hormuth, Wolfgang 34 Hubrig, Swetlana 134 Huisken, Friedrich 158f., 268, 351 Jäger, Klaus 230, 232, 253 Jaffe, Walter 214 Jahnke, Knud 170 Jarchow, Fritz 42 Jefferson, Thomas 288, 333 Johansen, Anders 154 Johnson, Lyndon B. 89 Jolly, Philipp von 291 Joseph, Bob 193 Juan Carlos I., König von Spanien 69, 314 Karl Ludwig, Kurfürst von der Pfalz 283 Katharina II. (die Große), Zarin von Russland 284 Kepler, Johannes 14, 270, 275–281 Kienle, Hans 21f., 84, 308–310 Kippenhahn, Rudolf 69 Kirchhoff, Gustav 14, 18, 24, 117, 290– 298, 321f., 324f., 331 Kirste, Erich 23 Kissel, Jochen 91 Klaas, Ulrich 107f., 192, 198 Klahr, Hubert 153, 155 Klare, Gerhard 59, 352 Klessen, Ralf 231, 249 Kley, Willy 231 Köster, Werner 27f. Kohl, Helmut 237 Koltes-Al-Zoubi, Susanne 240 Kopernikus, Nicolaus 275 Kopff, August 309 Koposov, Sergej 164 Kovacs, Zoltan 141 Krabbe, Alfred 115, 231 Krause, Oliver 195–197, 202, 204 Kühn, Rudolf 241 Kühr, Helmut 225 Kürster, Martin 145, 183 Labs, Dietrich 84, 309 Lahulla, Felix 54 355 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 356 Launhardt, Ralf 134 Leinert, Christoph 45, 83, 85, 89f., 103, 115, 148, 212–214, 225, 309, 351 Lemke, Dietrich 34, 45, 62, 84, 91, 92f., 96, 98, 138, 145, 177, 179, 182f., 189f., 198, 203, 205, 225, 230, 235, 240, 244f., 247f., 252– 274, 293f., 300, 309, 311, 319, 321– 326, 329–331, 333–335, 337, 339f. Lenard, Philipp 295, 307f., 322, 326 Lenz, Hans 27 Lenzen, Rainer 115f., 157, 207, 210, 212, 220, 351 Lesch, Harald 243 Link, Hartmut 85f., 311 Lipperhey, Hans 279 Littrow, Otto von 296 Löhle, Fritz 20 Ludwig VI., Kurfürst von der Pfalz 281 Lüst, Reimar 12, 27–29, 31, 33, 44f., 69, 79, 82–84, 146, 314, 352 Luichtel, Georg 205 Maestlin, Michael 281 Mall, Ulrich 141 Mandel, Holger 219 Marien, Karl-Heinz 112f., 187, 351 Markl, Hubert 142 Mayer, Christian 284–289, 329, 333f., 336f. McCaughrean, Mark 131, 231 Meisenheimer, Klaus 106f., 132, 165– 167, 214, 225, 230, 351 Meissner, Karin 240 Meitinger, Otto 44 Mendelsohn, Erich 20 356 Merian, Matthäus 277, 282 Meyer, Michel 153 Mozart, Wolfgang 288, 333 Müller, Thomas 319 Münch, Guido 61, 111, 118, 120–123, 225, 313–315 Muncke, Georg Wilhelm 283, 295 Mundt, Reinhard 100, 102, 149, 151, 225, 228, 230, 351 Mutschler, Carlfried 42 Neckel, Heinz 309 Neckel, Thorsten 34, 45, 54, 55–61, 99, 207, 351 Nunez de las Cuevas, Rodolfo 44 Oberth, Hermann 305–308, 326, 352 Olbers, Heinrich 288f. Oort, Jan Hendrik 29 Otho, Valentin 281–283 Pentericci, Laura 161f. Petzold, Jürgen 66 Pfau, Werner 134, 146, 243, 352 Piazzi, Giuseppe 289 Pihale, Franz 34 Pitz, Eckhart 84f., 88, 118, 132, 309 Pössel, Markus 232 Poglitsch, Alfred 198 Popescu, Christina 114 Preiß, Günter 38 Quetz, Axel 232, 352 Ragazzoni, Roberto 216f., 316 Raiser, Ludwig 27 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 357 Rauh, Walter 112, 183f., 327, 351 Ray, Tom 100, 102 Rebolo, Rafael 149, 313, 316 Reichert, Uwe 243, 285, 351 Reimann, Hans-Georg 134 Reinmuth, Karl 325 Richichi, Andrea 103 Richter, Frank 185 Richter, Lois 59 Rix, Hans-Walter 15, 137–142, 144, 146, 160–164, 166f., 170f., 182, 205, 207, 219, 221, 226, 228, 230, 252–274, 313, 316f., 351 Rodmann, Jens 153, 156 Röser, Hermann-Josef 106, 117, 141, 166, 225 Röser, Siegfried 319 Rohloff, Ralf-Rainer 182, 212, 319 Romana, Padre 44 Roth, Günter D. 241, 243 Rudolf II., Kaiser des Heil. Röm. Reiches 276 Salm, Norbert 90 Sanchez Lavega, Augustin 231 Schaifers, Karl 241 Scheffler, Helmut 224 Schinnerer, Eva 170 Schlötelburg, Martin 106 Schlüter, Arnulf 28 Schmadel, Lutz 70, 319 Schmidt, Helmut 232 Schmidt, Karl-Heinz 134, 146, 241 Schmidt, Thomas 54, 84 Schmidt-Kaler, Theodor 48 Schmidt-Ott, Friedrich 19 Schneider, Horst 44 Schnell, Anneliese 243 Schnopper, Herb 190 Schnur, Gerhard 55, 70, 311 Schönfeld, Eduard 289 Schütz, Hubert 92, 183 Schulz, Hartmut 106 Schwarze, Bodo 34 Schwarzschild, Karl 19, 24 Schwinger, Julian 84 Seedorf, Franz 284 Seip, Stefan 130 Setiawan, Johny 156f. Solf, Josef 34, 45, 68, 99, 118, 134, 136f., 146, 225, 230f., 236 Sorg, Karl-Heinz 45 Springel, Volker 251 Staab, Heinz A. 33, 122, 145 Staude, Jakob 99-101, 232, 243, 319, 351 Stickel, Manfred 194f., 225 Stookey, S. D. 66 Storz, Clemens 141 Strittmatter, Peter 120, 215, 314 Strömgren, Bengt 29, 44f., 314 Struve, Otto von 289 Struve, Wilhelm von 288f. Telschow, Ernst 22 Teltschik, Horst 237f. Teufel, Erwin 238 Tilly, Johann t’Serclaes von 284 Trotha, Klaus von 144f. Tschira, Gerda 330 Tschira, Klaus 38, 245, 319, 330 357 Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 358 Valentiner, Karl 299, 302 Vehrenberg, Hans 243 Vetters, Karl-Michael 336 Vögelin, Gotthard 276–281 Voelcker, Kurt 48f., 309 Völk, Heinrich 209 Vogel, Hermann Carl 298 Vogt, Heinrich 308 Voigt, Hans-Heinrich 23, 352 Volta, Alessandro 288, 330 Voss, Mathias 171, 177, 179, 219, 351 Wacker, Wolfgang 319 Wächter, Robert 42 Wagner, Carl 28 Wagner, Karl 184, 186f. Waigel, Theo(dor) 237 Wambsganss, Joachim 248 Webb, James 202 Weber-Bosse, Brigitte 146 Wehinger, Peter 104 Weinberger, Ronald 45 Wiemer, Hans-Jürgen 205 Windstosser 65, 75 Winkler, Fritz 22 Witzel, Christopher 238 Witzel, Frank 237f. Wolf, Max 299–303, 307–309, 323, 325–327 Wolf, Rainer 70, 187 Wolf, Sebastian 153, 169, 226 Woltjer, Lodewijk 79 Zach, Franz Xaver von 288 Zacher, Hans 316 Zähringer, Josef 249 358 Zech, Julius 289 Zimmermann, Karl 183f. Zinnecker, Hans 103 Zöllner, Karl Friedrich 289, 296 Zundel, Reinhold 38, 44f. Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 359 Veröffentlichungen aus dem Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Berlin 11: Henning, Eckart, u. Marion Kazemi: Chronik der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. 1988, 152 S., 41 Abb. 12: Ellwanger, Jutta: Forscher im Bild. Teil l: Wissenschaftliche Mitglieder der KaiserWilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. 1989, 176 S., 154 Abb. 13: Bergemann, Claudia: Mitgliederverzeichnis der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Teil I: A-K, 1990, 144 S., 10 Abb. -Teil II: L-Z, 1991, 144 S., 12 Abb. 14: Henning, Eckart, u. Marion Kazemi: Chronik der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften unter der Präsidentschaft Otto Hahns (1946–1960). 1992, 160 S., 78 Abb. (vergriffen, wird nicht neu aufgelegt!) 15: Gill, Glenys, u. Dagmar Klenke: Institute im Bild. Teil I: Bauten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. 1993, 143 S., 204 Abb. 16: Hauke, Petra: Bibliographie zur Geschichte der Kaiser-Wilhelm- / Max-PlanckGesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (1911–1994). Teilbände I-III, 1994, XIV, 507 S. 17: Parthey, Heinrich: Bibliometrische Profile von Instituten der Kaiser-WilhelmGesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (1923–1943). 1995, 218 S. 18: Ullmann, Dirk: Quelleninventar Max Planck. 1996, 176 S., 8 Abb. 19: Wegeleben, Christel: Beständeübersicht des Archivs zur Geschichte der MaxPlanck-Gesellschaft in Berlin-Dahlem. 1997, 332 S. 10: Kohl, Ulrike: Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften im Nationalsozialismus. Quelleninventar. 1997, 253 S., 3 Abb. (vergriffen) 11: Uebele, Susanne: Institute im Bild. Teil II: Bauten der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. 1998, 292 S., 440 Abb. 12: Vogt, Annette: Wissenschaftlerinnen in Kaiser-Wilhelm-Instituten. A–Z. 1999, 192 S., 31 Abb.– 2., erw. Aufl. 2008, 256 S., 46 Abb. 13: Henning, Eckart: Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte Dahlems. 2000, 192 S., 44 Abb. – 2., erw. Aufl. 2004, 256 S., 54 Abb. 14: Hauke, Petra: Literatur über Max Planck. Bestandsverzeichnis. 2001, 99 S., 14 Abb. 15: Kazemi, Marion: Nobelpreisträger in der Kaiser-Wilhelm- / Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. 2002, 324 S., 82 Abb.– 2., erw. Aufl. 2006, 336 S., 86 Abb. Bd_21_Bd_21 30.03.11 17:18 Seite 360 16: Henning, Eckart, u. Marion Kazemi: Dahlem – Domäne der Wissenschaft. Dahlem – Domain of Science. Ein Spaziergang zu den Berliner Instituten der Kaiser-Wilhelm- / Max-Planck-Gesellschaft im ‚deutschen Oxford’. (3. Aufl.) Deutsch u. englisch. 2002, 256 S., 157 Abb. – 4. Aufl. deutsch, 2009, 208 S., 205 Abb.; englisch 2009. 17: Henning, Eckart: 25 Jahre Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft. Anlässlich des 25jährigen Jubiläums 1978–2003 unter Beteiligung aller Mitarbeiter neu bearbeitet. 2003, 184 S., 54 Abb. – 2., durchgesehene Aufl. 2005. 18: Kinas, Sven: Adolf Butenandt (1903–1995) und seine Schule. 2004, 260 S., 245 Abb. 19: Henning, Eckart, u. Marion Kazemi: Die Harnack-Medaille der Kaiser-Wilhelm- / Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, 1924–2004. 2005, 174 S., 46 Abb. 20: Max Planck und die Max-Planck-Gesellschaft. Zum 150. Geburtstag am 23. April 2008 aus den Quellen zsgest. vom Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, hrsg. von Lorenz Friedrich Beck. 2008, 360 S., 109 Abb. 21: Lemke, Dietrich: Im Himmel über Heidelberg. 40 Jahre Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg (1969-2009). 2011, 360 S., 169 Abb.