Mittwoch, der 04.11.2015 Islam und Christentum liegen sehr nahe zusammen Im spannenden Dialog: Meinhard Schmidt-Degenhard und Prof. Dr. Mouhanad Khorchide. Foto: Hammerschmied DIALOG 220 Besucher verfolgen Diskussion „Islam – Wo bleiben Aufklärung und Toleranz“ USINGEN - (dh). „Ein ganz großes Kompliment an Usingen. Usingen hat was drauf. Usingen schaut über den Tellerrand“. Während Meinhard Schmidt-Degenhard, Leiter der Abteilung Politik und Gesellschaft beim Hessischen Rundfunk (hr) sich über die Besucherzahl freut, werden immer noch Stühle herbeigeschafft. 220 Besucher sind in den Christian-Wirth-Saal gekommen, um eine Antwort auf die Frage zu bekommen „Islam – Wo bleiben Aufklärung und Toleranz“. Schmidt-Degenhard, ein Kenner der Religionen, bekannt auch durch die hrReihe „Horizonte“, hat sich als kompetenten Gesprächspartner den Soziologen und Islamwissenschaftler Professor Dr. Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für islamische Theologie Universität Münster, eingeladen. Die Besucher nehmen als Antwort mit, dass der Islam und das Christentum sehr nahe zusammen liegen. Schmidt-Degenhard meint sogar: „Wenn ich das so höre, könnte ich glatt Muslim werden.“ Das gemeinsame Fazit von beiden lautet: „Dem Islam ist eines zu verdanken, wir sprechen wieder über religiöse Fragen. Durch die Ankunft des Islams werden die Christen motiviert, das Christentum neu zu entdecken!“ Im vertrautem „Du“ begrüßt Schmidt-Degenhard seinen Gast, den er schon lange kennt. Der Gastgeber eröffnet den Dialog: „Die Welt wird immer komplizierter. Täglich hören wir aus den Medien, dass es immer wieder gerade die Religionen sind, die den Planeten durcheinanderwirbeln. Dazu hört man jeden Tag neue Flüchtlingszahlen.“ Da stelle sich die Frage: „Schaffen wir das, begreifen wir das?“ Zunächst folgt ein historischer Exkurs. Es wird das Leben des Religionsgründers Mohammed (570 geboren und 632 verstorben) beleuchtet. In dieser Zeit habe es zahlreiche militärische Expansionen und Eroberungen gegeben, dabei sei es nicht darum gegangen, den Glauben zu verbreiten, sondern um Macht auszuüben, so der Islamwissenschaftler. „Somit ist die Religionsgeschichte eine Machtgeschichte“, stellt Schmidt-Degenhard fest. Und weiter: „Nun muss man sagen, du kannst die Welt nicht verstehen, ohne die Bedeutung der politischen Machtdemonstration und politischen Rahmenbedingungen zu kennen.“ „Was bedeuten die fünf islamischen Säulen?“, fragt der Journalist. „Das Glaubensbekenntnis, die fünf Gebete am Tag, Zakat geben (Unterstützung der Bedürftigen), Fasten im Monat Ramadan und die Pilgerfahrt nach Mekka, die Khorchide, wie er sagt, zwei Mal unternommen hat. Eine Inkarnation Gottes, wie im Christentum und anderen Religionen gebe es im Islam nicht. Im Islam komme Gott nicht als Mensch, und es gebe auch keinen Platz, wo man Gott finden könnte. Gott sei nur in den Herzen demütiger Menschen zu finden. Das Fasten fängt nach Khorchides Auffassung nicht mit Nichtessen und Nichttrinken an, es seien andere Werte, die zu entdecken sind, dabei trete man auch eine Reise in sich an. Ein großes Problem sieht Khorchide darin, dass es noch bis zu 60 Prozent Analphabeten in den islamischen Ländern gibt. „Wie will man diese Leute dazu bewegen, den Koran kritisch zu lesen und zu verstehen?“ Aus bestimmten sozialen Schichten seien Muslime nach Deutschland gekommen. Schmidt-Degenhard nennt sie „Arbeitsmigranten“. Khorchide: „Je einfacher der Mensch, desto einfacher denkt er.“ Daher sei es wichtig, dass immer mehr Generationen in Deutschland heranwachsen und junge Menschen besseren Zugang zu einem deutschgeprägten Islam finden. Schmidt-Degenhard verschweigt nicht, dass manche islamischen Verbände in Khorchide ein Feindbild sehen. Khorchides Version vom Islam ist die Barmherzigkeit. Eine humanistische Religion, die vor allem von Gottesbarmherzigkeit, Gottesliebe und Freiheit geprägt ist. Dennoch sieht er bei seiner Auslegung die Koranbotschaften des Propheten Mohammed erhalten. Seine These von der Barmherzigkeit wird von einigen muslimischen Verbänden abgelehnt. Aus politischen Machtkonflikten möchte er sich fernhalten. Er konzentriere sich ganz darauf, welches Islambild er einbringe. Khorchide gibt zu verstehen, dass er nicht ohne Polizeischutz unterwegs sei. Wie wird sich der Islam in zehn Jahren entwickelt haben? Nach seiner Einschätzung werden immer mehr Muslime aus der Mittelschicht nach Deutschland kommen, auch Ärzte und Fußballer. Er glaubt an die Mittelschicht und deren aufgeklärten Islamismus und an keine bleibende salafistische Störung. Die IS-Truppen könnten durch halbherziges Eingreifen nicht besiegt werden. Man müsste gezielt gegen die salafistischen Kämpfer vorgehen, will man sie beseitigen.