Gallengangatresie Stichworte für betroffene Eltern in Frage und Antwort Gallengangatresie - was heißt das? Die Gallenwege sind ein System von Gefäßen, ähnlich den Blutgefäßen, das fein verzweigt in der Leber beginnt und die vom Lebergewebe gebildete Galleflüssigkeit sammelt. Größere Äste leiten die Galle weiter und vereinigen sich untereinander immer mehr, bis schließlich ein "Gemeinsamer Gallengang" die Leber verläßt und nach einigen Zentimetern in den Dünndarm mündet. Normalerweise fließt also die Galle aus dem Lebergewebe über die Gallenwege in den Darm ab. Unter "Atresie" versteht man in der Medizin ganz allgemein, daß ein Organ oder sonstiger Teil des Körpers, der normalerweise eine Öffnung oder eine Höhlung hat, verschlossen ist. Mit "Gallengangatresie" ist also gemeint, daß die Gallenwege auf einem mehr oder weniger langen Stück undurchlässig, verschlossen sind. Damit besteht eine komplette Unterbrechung des normalen und notwendigen Abflusses der Galle aus der Leber in den Darm. Mit "extrahepatischer Gallengangatresie" (von "extra" = außen und "hepar" = Leber) ist gemeint, daß der Verschluß insbesondere die außerhalb der Leber gelegenen Teile der Gallenwege betrifft, also die großen und weniger die mikroskopisch feinen, innerhalb der Leber gelegenen Gänge. Wann und warum entsteht eine Gallengangatresie? Diese Frage ist noch nicht völlig geklärt. Man weiß, daß die Gallengangatresie in den meisten Fällen um den Geburtstermin herum entsteht. Das Kind im Mutterleib ist also während der Schwangerschaft zunächst gesund, und die normal angelegten Gallenwege werden erst später "atretisch", undurchgängig. Erst dann, in den ersten Wochen nach der Geburt, wird das Neugeborene erkennbar krank. Die Ursache dieser Vorgänge ist wahrscheinlich eine Virusinfektion des Kindes noch im Mutterleib oder kurz nach der Geburt. Diese Infektion ist für die Schwangere und ihre Ärzte weder zu erkennen noch zu verhindern. Es gibt also keinen Grund, sich im nachhinein selbst Vorwürfe zu machen, weil man ein Kind mit einer Gallengangatresie bekommen hat. Nur bei einem kleinen Teil der Patienten finden sich zusätzlich Veränderungen der Milz, einiger Blutgefäße, manchmal auch Herzfehler oder Darmanomalien - bei den meisten Kindern mit Gallengangatresie sind alle diese Organe dagegen gesund. Wie häufig kommt die Gallengangatresie vor? Relativ selten - man rechnet in Deutschland etwa mit einem betroffenen Kind unter 14.000 Neugeborenen, die zur Welt kommen. Das bedeutet, daß nur medizinische Zentren, die sich speziell mit kindlichen Lebererkrankungen beschäftigen, diese Patienten in größerer Zahl sehen und einen entsprechenden Erfahrungsschatz erwerben können. Deshalb schon an dieser Stelle der Hinweis, daß eine Mitbetreuung Ihres Kindes durch ein solches Zentrum sinnvoll und notwendig ist - neben der natürlich weiter erforderlichen Betreuung durch Ihren Kinderarzt zuhause. Wie macht die "Atresie" der Gallengänge ein Kind krank? Der Fluß der Galleflüssigkeit aus der Leber in den Darm hat eine doppelte Funktion: Zum einen wird mit der Galle eine Vielzahl von Stoffen, die der Körper nicht weiter verbrauchen kann, in den Darm ausgeschieden, verläßt also schließlich mit dem Stuhl den Körper. Dazu gehören gelbgefärbte Abbauprodukte des Blutfarbstoffes (das "Bilirubin"), aber auch viele Medikamente und andere "Chemikalien". Zum anderen aber enthält die Galle Stoffe, die im Darm zur Verdauung von Fett gebraucht werden, die sogenannten "Gallensäuren". Ist der Galleabfluß unterbrochen, häufen sich im Körper diejenigen Stoffe an, die eigentlich über die Galle ausgeschieden werden müßten: Das Kind wird durch den "Stau" des Bilirubins gelb, gleichzeitig wird der Stuhl, dem dieser Farbstoff nun fehlt, heller, manchmal ganz weiß. Durch den "Stau" der Gallensäuren kann es zu heftigem Juckreiz kommen. Vor allem aber wird durch die sich ansammelnden schädlichen Stoffe die Leber selbst geschädigt, was man an einem Anstieg zahlreicher "Leberwerte" im Blut feststellen kann. Letztlich kann die Schädigung der Leber so weit gehen, daß andere Funktionen dieses Organs sich verschlechtern (z.B. die Herstellung von Gerinnungsfaktoren, s.u.) Andererseits fehlen, wie erwähnt, durch die Gallengangatresie Wirkstoffe für die Fettverdauung im Darm. Deswegen wachsen die Kinder oft nicht ausreichend, bleiben mager und klein. Einige Vitamine, die selbst fettartige Substanzen sind (die Vitamine A, D, E und K) können schlecht aufgenommen werden, was zu Mangelerscheinungen führen kann. Damit entstehen diejenigen Anzeichen und typischen Probleme eines Kindes mit Gallengangatresie, die Sie vielleicht selbst kennenlernen mußten, und um die es bei der Behandlung geht: Die "Gelbsucht"; entfärbte, manchmal fettig glänzende Stühle; Juckreiz (nicht immer!); Ernährungsprobleme mit mangelhaftem Gedeihen; spezielle Vitaminmangelzustände; und eventuell auch Zeichen der schon eingeschränkten Leberfunktion, z.B. Störungen der Blutgerinnung, Schläfrigkeit, Bauchwassersucht. Diese Krankheitszeichen stellen sich ohne wirksame Behandlung (s.u.) innerhalb einiger Monate unweigerlich bei allen betroffenen Kindern ein. Ohne Behandlung werden die Kinder deshalb nicht älter als höchstens zwei oder drei Jahre. Welche Untersuchungen sind zur Erkennung und zur Verlaufskontrolle von Gallengangatresie-Patienten erforderlich? Viele entscheidende Informationen kann man aus den Eindrücken und Beobachtungen der Eltern gewinnen: Wichtig ist unter anderem · wie das Kind trinkt und ißt, und wie gut es dabei gedeiht; · wie oft es Stuhlgang hat, und wie die Farbe des Stuhlgangs ist; · ob es sich häufig kratzt, womöglich wundkratzt; · ob es gelegentlich oder ständig einen aufgetriebenen Bauch oder geschwollene Beine hat; · ob das Kind fieberhafte Erkrankungen durchmacht. Bei der körperlichen Untersuchung kann festgestellt werden, ob die Leber und vielleicht auch die Milz vergrößert und/oder verhärtet sind, ob sich Wasser in der Bauchhöhle oder sonst im Körper angesammelt hat, und natürlich, ob Ihr Kind ausreichend gedeiht und sich insgesamt normal entwickelt. Blutuntersuchungen sind erforderlich, um festzustellen, · wie stark der Schaden der Leberzellen durch die Erkrankung der Gallenwege ist, · wie ausgeprägt der "Gallestau" ist (hierzu werden z.B. die oben erwähnten Stoffe Bilirubin und Gallensäuren direkt im Blut gemessen), · ob ein Mangelzustand wichtiger Vitamine besteht, · wie die Fähigkeit der Leber erhalten ist, Eiweiße herzustellen (dazu gehören z.B. die Blutgerinnungsfaktoren) und den Körper zu entgiften, und · ob zusätzlich möglicherweise eine Infektion besteht. Etwas aufwendigere Untersuchungen, die zusätzlich eingesetzt werden können, sind · Ultraschall (= Sonographie); hier können die Bauchorgane genau betrachtet und vermessen und die Durchblutungsverhältnisse von Leber und Milz festgestellt werden; · · Szintigraphie; mit dieser Methode kann man die Ausscheidung von Galle in den Darm direkt auf Bildern -ähnlich wie Röntgenbildern- sichtbar machen. Diese Untersuchung ist daher für die Stellung der Diagnose und die Erfolgskontrolle der Operation (s.u.) besonders wichtig; Leberbiopsie; hierbei wird mit einem Nadelstich durch die Bauchdecke (in einer kurzen Narkose) eine winzige Gewebemenge aus der Leber für eine mikroskopische Untersuchung entnommen; diese Methode kann zur sicheren Unterscheidung der Gallengangatresie von ähnlichen Erkrankungen anfangs sehr wichtig sein - zur späteren Verlaufskontrolle ist sie nur in Ausnahmefällen noch einmal erforderlich. Wie wird die Gallengangatresie behandelt? Sobald die Diagnose feststeht, wird heutzutage eine Operation durchgeführt - je eher, desto besser. Deshalb sind an der Behandlung zunächst, neben Kinderärzten, auch Kinderchirurgen maßgeblich beteiligt. Diese Operation in der frühen Säuglingszeit hat den Sinn, den unterbrochenen Gallefluß wiederherzustellen. Dazu werden die undurchgängigen Gallenwege und das meist an der Leberunterseite vorhandene Narbengewebe entfernt, und stattdessen wird ein Stück Darm an die Leber angenäht. Dieses Darmstück soll, sozusagen als "Ersatzgallengang", die aus der Leber hervorquellende Galle in den Verdauungskanal leiten. Diese Art der Operation wurde um 1960 von einem japanischen Chirurgen erdacht und heißt nach diesem auch "Kasai-Operation". Wie sind die Erfolgschancen der Kasai-Operation? Seit der Einführung der Kasai-Operation sind die Überlebenschancen für Kinder mit einer Gallengangatresie sehr viel besser geworden. Trotzdem ist die Krankheit durch die Operation leider nicht komplett heilbar, denn die innerhalb der Leber gelegenen, chirurgisch nicht "austauschbaren" kleinen Gallenwege sind vom Krankheitsprozess meistens mitbetroffen. Trotzdem profitieren die meisten Kinder (etwa 80%) von dem Eingriff: Die Gelbsucht läßt nach, die Stuhlfarbe normalisiert sich, die Kinder gedeihen und erscheinen oft wieder weitgehend gesund. Ein gewisser Krankheitsprozess in der Leber geht aber doch bei den meisten Kindern weiter; sie werden im Laufe der folgenden Jahre ganz langsam wieder krank, können z.B. wieder eine Gelbsucht entwickeln oder andere Anzeichen der Leberfunktionsstörung. Man hat dann zwar durch die Operation wichtige Jahre gewonnen, aber es kann schließlich doch ein Leberzirrhose. kompletter narbiger Umbau der Leber entstehen, eine sogenannte Ob sich im einzelnen Fall eine Leberzirrhose entwickeln wird, und zu welchem Zeitpunkt, ist kaum vorhersagbar. Die Erfahrung sagt, daß diese Entwicklung bei der Mehrzahl der Patienten jedenfalls noch im Kindesalter eintritt - manchmal schon mit drei oder vier, manchmal auch erst mit zehn, zwölf oder fünfzehn Jahren. Nur relativ wenige Kinder (etwa 10-20%) haben das Glück, nach einer Kasai-Operation so weitgehend gesund zu werden, daß sie ohne wesentliche Leberschädigung erwachsen werden. Gibt es gar keine erkennbaren Faktoren, die die dargestellten "unsicheren Chancen" beeinflussen? Doch; es gibt drei Kriterien, die wesentlich sind für die Erfolgsaussichten im Einzelfall: · Der Operationszeitpunkt. Je früher die Kasai-Operation durchgeführt wird, desto besser, denn desto weniger ist die Leber bereits geschädigt. Orientierend sagt man, daß bei einer Operation bis zum 60. Lebenstag, entsprechend ungefähr der 8. Lebenswoche, die Erfolgschancen am besten sind. · Der Zustand des Lebergewebes zum Operationszeitpunkt. Bei der Kasai-Operation wird ein kleines Stück Lebergewebe entnommen und mikroskopisch untersucht. Je weniger narbige Veränderungen hierbei in der Leber festgestellt werden, desto besser die Aussichten, daß sie sich nach der Operation vollständig erholt. Manchmal besteht leider schon zum Operationszeitpunkt eine Leberzirrhose; dann sind die Zukunftssaussichten schlechter. · Die Häufigkeit von Gallenwegsinfektionen. Durch die an die Leber genähte Darmschlinge können Bakterien aus dem Darm in die noch vorhandenen kleinen Gallenwege eindringen und dort eitrige Entzündungen (eine sogenannte "Cholangitis") auslösen. Dadurch werden die Gallenwege und auch das Lebergewebe geschädigt. Wiederholte Gallenwegsinfektionen verschlechtern die Aussichten auf eine langfristig gute Organfunktion; man versucht deshalb, mit vorbeugend gegebenen Medikamenten (s.u.) das Entstehen dieser Infekte von vornherein zu verhindern. Es ist wichtig, immer bei unklaren Fieberzuständen eines Kindes mit Gallengangatresie auch an die Möglichkeit einer "Cholangitis" zu denken und gegebenenfalls schnell eine Behandlung einzuleiten. Welche Medikamente sind üblicherweise erforderlich? Das läßt sich ableiten aus dem, was bisher über den Krankheitsprozess erläutert wurde: · Ein Antibiotikum, das langfristig (meist mehrere Jahre) zur Verhinderung von Gallenwegsinfektionen gegeben wird; am häufigsten eingesetzt wird der Wirkstoff Cotrimoxazol, der unter zahlreichen Handelsnamen verschiedener Firmen im Handel ist (z.B. Bactrim, Cotrim, Eusaprim, Kepinol, Sigaprim, Supracombin und TMS). Manchmal kann jedoch auch die Verwendung eines anderen Antibiotikums sinnvoll sein. · Vitaminpräparate, insbesondere Zubereitungen der "fettlöslichen" Vitamine A, D, E und K, die von Patienten mit Leber- und Gallenwegserkrankungen schlechter aus dem Darm aufgenommen werden können (s.o.). Meist werden diese Stoffe in Form von Tropfen gegeben, die üblichen Präparate heißen z.B. A-Mulsin, Retinol oder Vitadral (Vitamin A), D-Mulsin, Rocaltrol, Vigantol (Vitamin D), E-Mulsin, E-Vicotrat (Vitamin E) und Konakion (Vitamin K). Es gibt auch Kombinationspräparate mit mehreren dieser Wirkstoffe. Wenn die Aufnahme dieser Vitaminkonzentrate aus dem Darm zu schlecht ist, muß der Patient regelmäßig entsprechende Spritzen bekommen, um gefährliche Mangelerscheinungen zu verhindern. · Ursodeoxycholsäure ist eine Substanz, die möglicherweise den Fluß der Galle verbessern und den Leberschaden vermindern kann. Sie wird zunehmend häufiger, aber nicht bei allen Patienten angewandt. Im Handel ist sie unter den Namen Ursofalk, Ursochol und Peptarom. · Juckreizhemmende und beruhigende Medikamente können bei Kindern erforderlich sein, die stark unter Hautjucken leiden, insbesondere bei erheblich gestörtem Nachtschlaf. Üblich sind z.B. die Handelspräparate Luminaletten und Phaenemaletten. Im Einzelfall können noch weitere Medikamente erforderlich sein, deren Beschreibung den Rahmen dieses Informationsblattes aber sprengen würde. Gibt es besondere Ernährungsvorschriften für Gallengangatresie-Patienten? Nicht grundsätzlich. Viele Kinder vertragen die dem jeweiligen Alter entsprechende Ernährung problemlos und gedeihen damit gut. Diesen Kindern braucht man keine speziellen Ernährungsregeln zu geben. Andere Kinder haben Probleme wegen der Störung der Fettverdauung (s.o.). Sie gedeihen nicht ausreichend, oder zeigen Unverträglichkeitsanzeichen (Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall) schon bei normalem Fettgehalt der Nahrung. Diese Kinder sollten besonders fette Nahrungsmittel (Sahneprodukte, fetten Käse, fettes Fleisch und fette Wurst) so weit meiden, daß sie keine Beschwerden haben. Um trotzdem ausreichend Kalorien zu bekommen, sollen diese Kinder andererseits eine Anreicherung der Nahrung mit besser verdaulichen Spezialfetten erhalten (sogenannten "mittelkettigen Fettsäuren", abgekürzt "MCT-Fette"). Diese sind als Speiseöl und Margarine (Handelsname ceres, hergestellt von den Union Lebensmittelwerken, Hamburg) in Apotheken und Reformhäusern zu erhalten; auf Antrag werden die Kosten dafür von der Krankenkasse übernommen. Da bei Säuglingen noch nicht sofort abzuschätzen ist, wie die Fettverträglichkeit sich entwickeln wird, empfiehlt sich als Flaschennahrung zunächst für alle diese Kinder ein Präparat, welches ebenfalls MCT-Fette enthält (z.B. "Humana Heilnahrung mit MCT"). Natürlich ist jedoch auch für Gallengangatresie-Kinder die Muttermilch die beste aller Neugeborenen- und Säuglingsnahrungen; die Diagnose Gallengangatresie sollte keinesfalls ein Grund zum Abstillen sein! Dürfen Gallengangatresie-Patienten geimpft werden? Ja! Ein möglichst vollständiger Impfschutz ist sogar ganz besonders wichtig. Zusätzlich zu allen empfohlenen Impfungen sollte (in der Regel im 2. Lebensjahr) gegen Hepatitis B, die "infektiöse Gelbsucht", geimpft werden, um die schon vorgeschädigte Leber des Kindes auf jeden Fall vor dieser zusätzlichen Schädigung zu schützen. Die Gallengangatresie stellt für sich keinesfalls ein Hindernis gegen irgendeine Impfung dar. Können Gallengangatresie-Patienten in Kindergarten und Schule gehen? Ja. Leberkranke Kinder sollen sich so normal und kindgerecht bewegen und entwickeln können wie alle anderen auch. Sie brauchen nicht isoliert oder speziell geschützt zu werden, es sei denn, spezielle Aspekte der gesundheitlichen Situation machen dies im Einzelfall ausnahmsweise erforderlich. Es ist aber sinnvoll, das verantwortliche Personal in Kindergarten und Schule über die Erkrankung des Kindes zu informieren. Dies gilt insbesondere bei Kindern, die eine Gelbsucht haben; hier müssen alle Kontaktpersonen wissen, daß diese Form der Gelbsucht nicht ansteckend ist, um dem Kind soziale Schwierigkeiten zu ersparen. Was passiert, wenn ein Kind trotz Operation und medikamentöser Weiterbehandlung eine Leberzirrhose entwickelt? Wenn die Leber immer mehr narbig umgebaut wird, geht immer mehr funktionsfähiges Lebergewebe zugrunde. Der Mensch kann zwar mit einem relativ kleinen Anteil funktionierender Leberzellen auskommen, aber ein Überleben ganz ohne Leber ist nicht möglich. Wenn sich abzeichnet, daß die Leberleistung unter eine kritische Grenze abzufallen droht, bleibt als einzige lebensrettende Möglichkeit, die Leber durch eine andere, von einem anderen Menschen gespendete zu ersetzen, also eine sogenannte Lebertransplantation durchzuführen. Es würde den Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengen, auf Einzelheiten dieses komplizierten Themas einzugehen. Zur Orientierung sei hier nur gesagt, daß es sich um eine sehr aufwendige und schwierige Operation handelt, die gerade bei Kindern nur an wenigen Spezialkliniken durchgeführt wird. Wegen der mit dem Eingriff verbundenen Risiken überleben leider nicht alle Patienten die Operation und die unmittelbar folgenden Wochen; man kann aber davon ausgehen, daß doch etwa zwei Drittel der Patienten, die wegen einer Gallengangatresie lebertransplantiert werden, langfristig überleben und auch komplett gesund werden - abgesehen von der Notwendigkeit regelmäßiger Medikamenteneinnahme. Diese Kinder haben dann nach allem, was man bisher weiß, eine normale Lebenserwartung. Aus dem weiter oben über die Entstehung der Leberzirrhose Gesagten ist zu erkennen, daß sich die Notwendigkeit zur Transplantation leider doch bei den meisten Gallengangatresie-Patienten irgendwann ergibt, meist noch im Kindesalter. Wie sollte die ärztliche Betreuung organisiert sein? Auch für die Betreuung eines chronisch leberkranken Kindes sollte ein niedergelassener Kinderarzt als erster, heimatnaher Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Zusätzlich sollte aber regelmäßig Kontakt zu einem medizinischen Zentrum gehalten werden, das sich speziell mit Leberkrankheiten bei Kindern befaßt und in dem alle erforderlichen Möglichkeiten, gegebenenfalls bis hin zur Lebertransplantation, zur Verfügung stehen. Es ist erfahrungsgemäß günstig, daß die Ärzte in diesem Zentrum das Kind schon früh und auch in Phasen kennenlernen, in denen gar kein aktuelles Problem besteht. So können sich Familie und Spezialisten rechtzeitig kennenlernen, und auf eine eventuelle Verschlechterung kann man nach und nach, auf jeden Fall aber rechtzeitig reagieren. Am sinnvollsten ist es, daß die Kinder regelmäßig, z.B. in Vierteljahresabstand, im medizinischen Zentrum vorgestellt werden, bei Problemen gegebenenfalls öfter. Unabhängig davon sollte für die allgemeine Betreuung und akute Erkrankungen ganz normal der Haus-Kinderarzt konsultiert werden. In welchen speziellen Situationen sollte man sich an einen Arzt oder eine Klinik wenden? Spezielle Zeichen, die aufmerksam machen sollten und zu einer unverzüglichen Kontaktaufnahme mit einem Arzt führen sollten, sind · neu oder wieder aufgetretene oder deutlich verschlechterte Gelbsucht, · Fieber, welches nicht offensichtlich durch eine "Erkältung" oder "Magen-Darm-Grippe" erklärt ist, · Bluterbrechen, · sichtbares Blut im Stuhl oder unerklärte Schwarzverfärbung des Stuhles, · allgemeine "Blutungsneigung", z.B. sehr häufiges Nasenbluten oder abnormal viele blaue Flecke, · unerklärliche Schläfrigkeit, · Sehstörungen. Die letztgenannten Zeichen werden bei einem regelmäßig betreuten Patienten allerdings kaum einmal ganz unerwartet auftreten! Unabhängig von allen diesen Punkten sollten Sie sich niemals scheuen, Ärzte anzusprechen oder Ihr Kind vorzustellen, wenn Sie unsicher oder ängstlich sind! Es ist besser, "umsonst" in eine Klinik zu fahren, als ein Problem womöglich zu verschleppen! Abschließend die ausdrückliche Bitte an Sie als Eltern, halten Sie sich mit Fragen an Ihre Ärzte nicht zurück. Ein Tip und ein Angebot zum Abschluß: Oft hat man Fragen, die einem zuhause durch den Kopf gingen, beim Arztbesuch plötzlich nicht mehr parat. Legen Sie sich deswegen daheim einen Notizzettel bereit, auf dem Sie sich nach und nach diejenigen Punkte sofort notieren, die Sie bei Gelegenheit klären wollten, und nehmen Sie diesen Zettel dann in die Sprechstunde mit. R. Kardorff, M.Melter und B. Rodeck , Medizinische Hochschule Hannover