Universitätsklinik für Kardiologie Zentrum für angeborene Herzfehler Patienteninformation Endokarditis _d_Patienteninfo.indd 1 22.05.2014 13:01:23 Literatur: Flückiger, U., & Jaussi, A. (2008). Revidierte schweizerische Richtlinien für die Endokarditis-Prophylaxe. Kardiovaskuläre Medizin, 11(12), 392-400. Gohlke-Baerwolf, C., Naber, C. K., & Kramer, H. H. (2008). Endokarditis-Prophylaxe (Sonderdruck, März). Frankfurt am Main: Deutsche Herzstiftung e.V. Habib, G., Hoen, B., Tornos, P., Thuny, F., Prendergast, B., Vilacosta, I., et al. (2009). Guidelines on the prevention, diagnosis, and treatment of infective endocarditis (new version 2009): the Task Force on the Prevention, Diagnosis, and Treatment of Infective Endocarditis of the European Society of Cardiology (ESC). Endorsed by the European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID) and the International Society of Chemotherapy (ISC) for Infection and Cancer. Eur Heart J, 30(19), 2369-2413. _d_Patienteninfo.indd 2 22.05.2014 13:01:23 Liebe Patientin, Lieber Patient Mit einem angeborenem Herzfehler sind Sie besonders anfällig für eine Entzündung der Herzinnenhaut (Endokarditis). Die vorliegende Broschüre gibt Antworten auf die Fragen, wie eine Endokarditis entsteht, welche vorbeugenden (prophylaktischen) Massnahmen ergriffen werden können und wann eine Endokarditis-Prophylaxe mit Antibiotika nötig ist. Alle Informationen in dieser Broschüre basieren auf den Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie sowie den aktuellen schweizerischen Richtlinien zur EndokarditisProphylaxe. _d_Patienteninfo.indd 3 22.05.2014 13:01:24 Was ist eine Endokarditis? Die Endokarditis ist eine lebensbedrohliche Infektion: eine Entzündung der Herzinnenhaut und der Herzklappen, verursacht durch eine Ansammlung von Bakterien oder Pilzen. Wie entsteht eine Endokarditis? Die Herzwand besteht aus drei Schichten. Von innen nach aussen sind das die Herzinnenhaut (Endokard), der Herzmuskel (Myokard) und die Herzaussenhaut (Epikard). Umschlossen wird das ganze Herz vom Herzbeutel (Perikard). Das Endokard kleidet einerseits die Herzinnenräume aus und bildet andererseits die Herzklappen. Die Oberfläche des Endokards ist ganz glatt. So kann das Blut ungehindert durch das Herz fliessen. Kommt es nun zu Verletzungen an der Oberfläche des Endokards oder zu Veränderungen an den stark beanspruchten Herzklappen, was bei Personen mit angeborenem Herzfehler vermehrt vorkommt, fördert dies die Anlagerung von Blutplättchen (Thrombozyten) und Eiweissfasern (Fibrin). Dieses Thrombozyten-Fibrin-Gemisch begünstig wiederum die Ablagerungen von Bakterien auf der Herzinnenhaut und auf den Herzklappen. Das können Streptokokken sein, die aus dem Mund- und Rachenraum in die Blutbahn gelangen, oder Bakterien die über die Haut, z B. Staphylokokken, ins Blut gelangen. Solche Bakterienablagerungen auf Herzinnenhaut und -klappen rufen im Körper eine schwere Entzündung hervor: eine Endokarditis. _d_Patienteninfo.indd 4 22.05.2014 13:01:25 Risiken und Behandlung Infolge dieser Bakterienbesiedelung des Endokards besteht einerseits ein Risiko für eine Schädigung der Herzklappen, woraus sich eine Herzschwäche entwickeln kann. Andererseits kann es auch zu embolischen Komplikationen kommen. Das heisst: einzelne Teile der Ablagerungen im entzündeten Bereich können sich lösen, mit dem Blutstrom mitgeschwemmt werden und schliesslich ein Gefäss verstopfen. Die Behandlung einer Endokarditis erfordert die Gabe von Antibiotika über mehrere Wochen direkt in die Vene (intravenös). Zusätzlich kann aufgrund der Zerstörung der Herzklappen oder des Nicht-Ansprechens auf Antibiotika eine Herzklappenoperation nötig sein, um die Entzündung «auszuräumen». Wie erkenne ich eine Endokarditis? In den meisten Fällen berichten Patientinnen und Patienten mit einer Endokarditis über hohes Fieber zwischen 38°C und 40°C, meist verbunden mit Schüttelfrost und nächtlichem Schwitzen. Oft sind die Symptome jedoch unspezifisch: leichtes oder nur kurz auftretendes Fieber, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust. Typisch ist auch, dass die Beschwerden über Tage und Wochen anhalten können. _d_Patienteninfo.indd 5 22.05.2014 13:01:25 Wie lässt sich eine Endokarditis verhindern? – Vorbeugende Massnahmen Man geht davon aus, dass sich durch eine gute Mundhygiene sowie durch die vorbeugende Einnahme von Antibiotika bei besonderen Eingriffen, z. B. bei Zahneingriffen oder anderen Operationen im Mund- oder Rachenbereich, das Risiko einer Endokarditis senken lässt. Mundhygiene Bakterien, die eine Endokarditis verursachen, kommen häufig in der Mundhöhle vor. Bei ungenügender Zahnpflege oder bei Zahnfleischerkrankungen können Bakterien deshalb einfacher ins Blut gelangen. Alle Personen mit angeborenem Herzfehler können mithilfe einer guten Mundhygiene dazu beitragen, das Risiko für eine Endokarditis zu minimieren. Das heisst: die Zähne mindestens zweimal täglich putzen und einmal täglich die Zahnzwischenräume mit Zahnseide reinigen. Auch regelmässige Kontrollen bei der Dentalhygiene sind unabdingbar. Tattoo und Piercing Die Gefahr für eine Endokarditis durch Tattoos oder Piercings ist schwer abzuschätzen. Generell wird von Piercings und Tattoos abgeraten, insbesondere von Piercings im Bereich von Schleimhäuten (wie z. B. Zungen- oder Nasenpiercings). _d_Patienteninfo.indd 6 22.05.2014 13:01:26 Für wen wird eine vorbeugende Einnahme von Antibiotika empfohlen? Grundsätzlich kann jeder Mensch an einer Endokarditis erkranken. Bei Patientinnen und Patienten mit angeborenem Herzfehler wird unterschieden zwischen Personen mit einem hohen und solchen mit einem kleinem Risiko für Komplikationen. Patientinnen und Patienten mit einem hohen Risiko wird ein Ausweis ausgestellt. In besonderen Situationen, etwa beim Zahnarzt, wird diesen Personen die vorbeugende Einnahme von Antibiotika empfohlen. Eine antibiotische Endokarditisprophylaxe ist für Kinder und Jugendliche mit einem gelben Endokarditispass sowie für Erwachsene mit einem orangen Endokarditispass empfohlen. Ein solcher Ausweis wird ausgestellt für Patientinnen und Patienten: – die bereits eine Endokarditis durchgemacht haben – mit künstlichen Herzklappen – mit eigenen, aber reparierten Herzklappen falls Fremdmaterial verwendet wurde, ist eine Prophylaxe in den ersten 6 Monaten nach dem Eingriff nötig – mit angeborenem Herzfehler, der mit Fremdmaterial korrigiert wurde – hier ist ebenfalls eine Prophylaxe in den ersten 6 Monaten nach dem Eingriff nötig (z. B. Schirmchen-Verschluss eines Vorhofscheidewanddefektes [ASD]) – mit unkorrigiertem zyanotischem Herzfehler oder rein palliativer Korrektur Ermessenssache ist die antibiotische Endokarditisprophylaxe bei Patientinnen und Patienten mit Kammerscheidewanddefekt (VSD) oder persistierendem Ductus arteriosus (empfohlen in den Schweizer Richtlinien, nicht empfohlen in den Europäischen Richtlinien). Bei allen anderen Patientinnen und Patienten, z.B. mit bikuspider Aortenklappe, Mitralklappenprolaps, seit langem verschlossenem VSD oder mit kleinem ASD wird heute keine antibiotische Endokarditis-Prophylaxe mehr empfohlen. _d_Patienteninfo.indd 7 22.05.2014 13:01:26 Inselspital, K F&G/bs, Mai, 2014 Inselspital Universitätsklinik für Kardiologie Zentrum für angeborene Herzfehler CH-3010 Bern Tel. +41 (0)31 632 78 59 www.insel.ch www.ang-herzfehler.ch _d_Patienteninfo.indd 8 22.05.2014 13:01:27