7. Jahrgang, 6. Ausgabe 2013, 194-207 - - - Rubrik Apothekenpraxis - - - Neues zu Nutzen und Risiken einer Calciumsubstitution Fallbeispiel Nahrungscalcium und Substitution Stoffwechsel von Calcium Nutzen einer Calciumsubstitution Empfehlungen zur Calciumaufnahme Risiken einer Calciumsubstitution Calciumsubstitution 195 Neues zu Nutzen und Risiken einer Calciumsubstitution Prof. Dr. Georg Kojda Fachpharmakologe DGPT, Fachapotheker für Arzneimittelinformation Korrespondenzadresse: Institut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf [email protected] Lektorat: N.N. Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum Fortbildungstelegramm Pharmazie finden Sie hier: http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Kurzportraet.html Titelbild : Universitätsbibliothek New York , Urheber: Photoprof, Lizenz: Fotolia Fortbildungstelegramm Pharmazie 2013;7(6):194-207 Calciumsubstitution 196 Abstract The benefits and risks of calcium supplements are still discussed controversially in view of the daily dose of elemental calcium (Ca2+) and the necessity of additional intake of vitamin D3, whereas it is beyond dispute that calcium deficiency increases the risk of osteoporosis. Current guidelines recommend the adequate intake of food rich in calcium such as milk and other dairy products. The recommended daily intake for women >50 years and men >70 years is 1,200 mg but should not exceed 2,500 mg/day and 2.000 mg/day beyond the age of 50 years. The overall benefits of calcium substitution both alone or in combination with vitamin D3 are rather modest and are associated with the risk of nephrolithiasis. The reported incidences of this risk show a wide variety. In the largest randomized placebo-controlled trial in women the absolute risk increased from 2.1 % in the placebo group (1,000 mg calcium intake/day) to 2.5 % in the treatment group (2,000 mg calcium intake/day). Therefore, calcium substitution should be avoided in case of a family history and/or anamnestic or current nephrolithiasis. In contrast, current evidence for an increase in cardiovascular risk is inconsistent and should be viewed as a warning signal. Patients should be encouraged to consume calcium-rich food in sufficient amounts. The daily dose of calcium supplements should be adapted to this intake and thus differs individually. The regular use of antacids, e.g. calcium carbonate, and drug interactions, e.g. with levothyroxine, should be considered. Lebensmittel, vor allem Milch und Milchprodukte, bevorzugt werden. Frauen sollten ab dem 50. Lebensjahr und Männer ab dem 70. Lebensjahr 1.200 mg/Tag zu sich nehmen. Gleichzeitig wird davor gewarnt eine täglich Calciumaufnahme von 2.500 mg/Tag sowie bei einem Lebensalter > 50 Jahre 2.000 mg/Tag zu überschreiten. Der Nutzen einer Substitution mit Calcium, allein oder in Kombination mit Vitamin D3, ist insgesamt jedoch allenfalls bescheiden. Diesem Nutzen steht vor allem das Risiko einer Nephrolithiasis gegenüber. Die berichteten Inzidenzen zeigen allerdings starke Schwankungen. Nach der größten randomisierten placebokontrollierten Studie an Frauen stieg das absolute Risiko von 2,1 % in der Placebogruppe (Calciumaufnahme ca. 1.000 mg/Tag) auf 2,5 % der Verumgruppe (Calciumaufnahme 2.000 mg/Tag) an. Bei familiärer Anamnese sowie bestehender oder anamnestischer Nephrolithiasis sollte daher auf die Anwendung einer Calciumsubstitution verzichtet werden. Im Gegensatz dazu ist die Evidenz für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko uneinheitlich und muss eher als ein Risikosignal betrachtet werden. Patienten sollten immer dazu ermutigt werden möglichst viel Nahrungscalcium aufzunehmen. Die tägliche Dosis einer Substitution sollte entsprechend dieser Aufnahme angepasst sein und ist daher individuell verschieden. Zu beachten ist u.a. auch die regelmäßige Einnahme von Antazida, beispielsweise Calciumcarbonat, sowie Arzneimittel-Interaktionen, beispielsweise mit Levothyroxin. Einleitung Abstrakt Nutzen und Risiko einer Calciumsubstitution werden immer wieder kontrovers diskutiert. Dies gilt sowohl für die Dosierung von Calcium (elementares Calcium bzw. Ca2+) als auch für die Notwendigkeit einer Kombination mit Vitamin D3. Andererseits ist unbestritten, dass ein Mangel an Vitamin D3 und/oder Calcium das Risiko für Osteoporose erhöhen kann. Empfehlungen von Fachgesellschaften zufolge sollten vor allem im fortgeschrittenen Alter Calcium-haltige Im Rahmen einer kürzlich stattgefundenen Fortbildungsveranstaltung zum Thema Osteoporose ergab sich trotz abendlich fortgeschrittener Stunde eine lebhafte Diskussion zur Substitution mit Calcium. Hintergrund hierfür waren zum einen Leitlinien, in welchen der Nutzen einer täglichen Substitution von Calcium zur Prophylaxe der Osteoporose kritisch betrachtet wird (Weblink 1). Diese Einschätzung, so eine Kollegin im Auditorium, hätte mitunter zu ärztlichen Empfehlungen geführt gänzlich auf eine Substitution mit Calcium zu verzichten und Fortbildungstelegramm Pharmazie 2013;7(6):194-207 Calciumsubstitution 197 auf eine alleinige Substitution mit Vitamin D3 zu setzen. Zum anderen waren auch Bedenken zu den Risiken, die mit der täglichen Calciumsubstitution verbunden sein können, Gegenstand der Diskussion. Da Calcium und Kombinationen von Calcium mit Vitamin D3 häufig in Apotheken nachgefragt, von den Krankenkassen jedoch nur in Ausnahmefällen wie manifeste Osteoporose oder einer mindestens sechsmonatigen Steroidtherapie erstattet werden (Weblink 2), spielt die fachliche pharmazeutische Einschätzung zur Notwendigkeit und Dosierung von Calcium eine große Rolle für die tägliche Beratungspraxis in Apotheken. Fallbeispiel Eine 64 Jahre alte und in Ihrer Apotheke gut bekannte Frau möchte erneut ein Fertigarzneimittel mit 1.500 mg Calciumcarbonat erwerben. Sie berichtet Ihnen von Ihren Befürchtungen an einer Osteoporose zu erkranken, weil ihre Mutter mit 74 Jahren einen Oberschenkelhalsbruch erlitten habe. Sie sei zwar gerne und viel körperlich aktiv, z.B. in Ihrem Garten, und würde sich auch gesund ernähren, d.h. viel Gemüse, Obst sowie täglich 1 Glas Milch und einen normalen Joghurt essen, nehme aber zusätzlich seit etwa 10 Jahren 2 Tabletten des Präparates ein. Damit nimmt sie 1.200 mg elementares Calcium pro Tag zu sich. Nun habe sie gehört, dass diese Calciumpräparate auch schädlich für Herz und Niere sein könnten und möchte wissen, ob sie denn die Tabletten weiter einnehmen soll. Was wäre Ihr Ratschlag? Dieses Fallbeispiel beschreibt die Schwierigkeiten von Patienten, Apothekern und Ärzten im Umgang mit den teilweise widersprüchlichen Ratschlägen hinsichtlich der notwendigen Dosierung einer Substitution mit Calcium zur Prophylaxe der Osteoporose. Gleichzeitig steht die Frage im Raum, ob eine Calciumsubstitution überhaupt erforderlich ist um das Risiko von Knochenbrüchen zu reduzieren. Es ist zwar unbestritten, dass ein langfristiger Calciummangel das Risiko für eine Osteoporose erhöhen kann (1), aber viele Menschen sind fälschlicherweise davon überzeugt, dass der Verlust von Knochenmasse durch Menopause und Altern und die damit verbundene Erhöhung des Risikos von Knochenbrüchen durch die Einnahme von Calciumpräparaten weitestgehend vermieden werden kann. Und obwohl bei einigen Menschen tatsächlich eine Unterversorgung mit Calcium vorliegt, überschreiten andere die empfohlene maximale tägliche Einnahme (RDA, „recommended daily allowance“). Hinzu kommt, dass das komplexe und bislang noch nicht vollständig verstandene Zusammenspiel zwischen der Einnahme von Calcium und von Vitamin D3 die Einschätzung von Nutzen und Risiko der Einnahme des jeweiligen Monopräparates erschwert (2). So zeigte das Ergebnis einer randomisierten doppelblinden Placebo kontrollierten Studie, dass selbst hohe Dosen von Vitamin D3 (4.800 IU pro Tag) die Resorption von Calcium nur geringfügig um 6 % steigerten (3). Untersucht wurden 163 postmenopausale Frauen mit einem durchschnittlichen Alter von 67 Jahren, die einen Vitamin D Mangel aufwiesen. Die Autoren schlossen aus Ihren Ergebnissen, dass eine Substitution mit Vitamin D3 von zweifelhaftem Wert sei, denn die geringe zusätzlich resorbierte Menge von Calcium könne auch durch 100 ml Milch oder 100 mg elementares Calcium abgedeckt werden. In den meisten klinischen Studien sind die Effekte einer Kombination von Vitamin D3 und Calcium in unterschiedlichen Dosierungen untersucht worden, während zu den Effekten einer alleinigen Substitution mit Calcium auf die Knochenstabilität weniger Untersuchungen vorliegen. Nach derzeit aktuellen Leitlinien des Dachverbandes Osteologie e.V. sollte eine Substitution mit 800-2.000 IU pro Tag Vitamin D3 erfolgen, wenn die Betroffenen im Mittel weniger als 30 min Sonnenexposition von Gesicht und Armen aufweisen (Weblink 1). Dies trifft beispielsweise für viele ältere Menschen, insbesondere bei Unterbringung in Pflegeheimen, zu (4). Auch eine neuere Metaanalyse mit 31.022 eingeschlossenen Personen (ca. 90 % Frauen) im mittleren Alter von etwa 75 Jahren kommt zu dem Schluss, dass höhere Vitamin D3 Dosierungen (>800 IU pro Tag) die Inzidenz von Hüftfrakturen und nicht-vertebralen Frakturen geringfügig besser reduzieren als niedrigere Dosierungen (5). Dabei lag Fortbildungstelegramm Pharmazie 2013;7(6):194-207 Calciumsubstitution 198 in dieser Hochdosis-Subgruppe die tägliche Aufnahme von elementarem Calcium bei 830±460 mg. Dagegen zweifeln die Autoren einer weiteren Metaanalyse daran, dass die Substitution von Vitamin D3 bei selbstständig lebenden Personen überhaupt nützlich ist (6). In dieser Übersicht werden sowohl die erwünschten Effekte einer Substitution mit Calcium auf das Risiko von Knochenbrüchen als auch die Bedenken hinsichtlich der Sicherheit diskutiert. Dabei wird Calcium als Synonym für elementares Calcium (oder Ca2+) verwendet. Stoffwechsel von Calcium Calcium macht bei Erwachsenen etwa 1,6 % des Körpergewichtes und etwa 14 % des Skelettgewichtes aus. Es ist im Körper fast ausschließlich (98 %) im Skelett gespeichert und kann bei Bedarf von dort mobilisiert werden. Wegen der lebenswichtigen Bedeutung von Calcium für die Regulation einer Vielzahl von Zellfunktionen wie Sekretion, neuronale Reizleitung oder Muskelkontraktion sowie als Schlüsselbestandteil von CalziumHydroxyapatit [Ca5(PO4)3(OH)], welches den Knochen stabilisiert, ist die Plasmakonzentration von Calcium fein reguliert. Daran sind hauptsächlich folgende Prozesse beteiligt: • Mobilisierung aus und Speicherung in Knochen • intestinale Resorption • renale Reabsorption • Ausscheidung und Schweiß durch Niere, Stuhl Der tägliche Calciumbedarf beträgt bei Erwachsenen etwa 10 mg/kg Körpergewicht (siehe unten), liegt aber bei Wachstumsphasen in der Kindheit und Adoleszenz deutlich darüber. Ähnliches gilt auch für Schwangerschaft und Stillzeit, was bei der Zufuhr von Calcium, d.h. vor allem bei der Ernährung, berücksichtigt werden muss. Resorption Die Resorption von Calcium erfolgt hauptsächlich im Ileum (ca. 65%). Die der Resorption zugrunde liegenden molekularen Mechanismen sind noch nicht gänzlich verstanden (7). Grundsätzlich wird zwischen einer para- zellulären und einer transzellulären Resorption unterschieden (Abb. 1) und in beiden Fällen bewirkt Vitamin D3 über unterschiedliche Mechanismen eine Steigerung der Resorption. So ist die parazelluläre Resorption von Adhäsionsproteinen wie Claudinen abhängig, die einen parazellulären Kanal bzw. eine wässrige für bestimmte Ionen und Moleküle durchlässige Pore bilden können. Die Expression von Claudin 2 und Claudin 12 wird beispielsweise durch Vitamin D3 erhöht. Bei der transzellulären Resorption gelangt Calcium über das Membranprotein „Transient receptor potential vanilloid“ 6 (TRPV6), einen Calciumkanal, ins Zytosol der Enterozyten. Dort wird Calcium an das Calcium-bindende Protein Calbindin gebunden und von der apikalen zur basolateralen Zellseite transportiert. Die Expression von Calbindin wird durch Vitamin D3 erhöht, was ebenfalls zur Steigerung der CalciumResorption beiträgt. Auch andere Calcium-bindende Proteine wie Calmodulin tragen wahrscheinlich zur Resorption von Calcium bei. An der basolateralen Zellseite gelangt Calcium durch eine Plasmamembran Ca2+-ATPase (PMCA1b) ins Blutplasma. Regulation Die Konzentration von Calcium im Plasma wird eng kontrolliert. Hieran sind die Hormone Parathormon und Calcitonin beteiligt. Die Sekretion von Parathormon hängt im Sinne einer negativen Rückkopplung vom CalciumPlasmaspiegel ab, d.h. je niedriger das Calcium umso höher die Sekretion. Parathormon fördert die Mobilisierung von Calcium aus dem Knochen und erhöht die Reabsorption von Calcium im distalen Tubulus des Nephrons. Es aktiviert ebenfalls die Biosynthese von Calcitriol, der aktiven Form von Vitamin D3, über eine Aktivierung der 1α-Hydroxylase im proximalen Tubulus der Niere und steigert damit auch die Calcium-Resorption. Dagegen hemmt es im proximalen Tubulus die Wiederaufnahme von Phosphat. Calcitonin kann als Gegenspieler von Parathormon betrachtet werden, denn es senkt den Plasmaspiegel von Calcium durch eine Hemmung der Mobilisierung von Calcium aus den Knochen. Allerdings hemmt es wie Parathormon im proximalen Tubulus die Wiederaufnahme von Phosphat. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2013;7(6):194-207 Calciumsubstitution 199 Enterozyten apikal basolateral Ca2+ parazellulär transzellulär Ca2+ TRPV6 Ca2+ Ca2+ PMCA1b Calbindin ATP Ca2+ Ca2+ andere Ca2+-bindende Proteine Enterozyten Abb. 1: Schematische Darstellung der parazellulären und transzellulären Resorption von Calcium (TRPV6=„Transient receptor potential vanilloid“ 6, ein Calciumkanal in der Membran der Enterozyten; PMCA1b= eine Plasmamembran Ca2+-ATPase; Näheres siehe Text). Empfehlungen zur Calciumaufnahme Auf der Basis von Studien zur CalciumHomöostase bei jüngeren Menschen sowie der bekannten Progression von Knochenverlust nach der Menopause und mit steigendem Alter sind beispielsweise in den USA (8) (Weblink 3) und in Deutschland (Weblink 1) Empfehlungen zur täglichen Aufnahme von Calcium erarbeitet worden. Grundsätzlich wird dabei die Aufnahme Calcium-haltiger Lebensmittel, vor allem Milch und Milchprodukte, bevorzugt. Danach ist sowohl die jeweilige RDA als auch die maximale tägliche Aufnahme abhängig von Alter und Geschlecht, während die Empfehlungen für Schwangere nicht von denen für nicht schwangere Frauen abweichen. So beträgt die RDA für Männer und Frauen 1.000 mg elementares Calcium pro Tag. Frauen sollten ab dem 50. Lebensjahr und Männer ab dem 70. Lebensjahr 1.200 mg/Tag zu sich nehmen. Gleichzeitig wird wegen verschiedener Risiken (siehe unten) davor gewarnt eine täglich Calciumaufnahme von 2.500 mg/Tag sowie bei einem Lebensalter > 50 Jahre 2.000 mg/Tag zu überschrei- ten. Es wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass insbesondere ältere Menschen (<70 Jahre) oft zu wenig Calcium aufnehmen, und dass beispielsweise postmenopausale Frauen selbst bei Einnahme von Präparaten zur Calciumsubstitution die empfohlene RDA nicht erreichen (2). Nahrungscalcium und Substitution Nahrungscalcium Milch und Milchprodukte sind die wichtigsten Calcium Quellen der Nahrung (Weblink 4). So enthalten 1 l Milch oder 1.000 g Joghurt etwa 1.000 mg elementares Calcium. Konzentrierte Milchprodukte wie Hartkäse können bis zu 10-Mal mehr Calcium enthalten. Auch Gemüse wie Spinat, Grünkohl oder Porree enthalten etwa so viel Calcium wie Milch. Dagegen sind Brot, Kartoffeln oder Fleisch eher arm an Calcium. In jedem Fall ist es aufgrund der bekannten Zahlen nach Befragung möglich, relativ gut die tägliche CalciumAufnahme mit der Nahrung abzuschätzen. Diese Einschätzung sollte Grundlage für eine Empfehlung im Hinblick auf eine Fortbildungstelegramm Pharmazie 2013;7(6):194-207 Calciumsubstitution 200 Calcium-Substitution und deren Dosierung sein. Klinische Studien zur Verhinderung von Knochenbrüchen durch Nahrungscalcium liegen im Gegensatz zur Calcium-Substitution nicht vor. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass sich die jeweiligen metabolischen Wirkungen von Calcium kaum unterscheiden (siehe Risiken) (2). Calciumpräparate In Deutschland stehen eine Reihe von Calciumpräparaten für eine Calcium Supplementation zur Verfügung. Viele dieser Fertigarzneimittel sind Kombinationen von Calciumsalzen mit Vitamin D3, aber es sind auch Monopräparate von Calciumsalzen erhältlich. Die Präparate weisen oft schon im Handelsnamen die Menge an enthaltenem elementarem Calcium aus, auf welches sich die Substitutionsempfehlungen beziehen. Das am häufigsten verwendete Calciumsalz ist das Carbonat, während Citrat, Laktat und vor allem Glukonat weniger gebräuchlich sind. So listet die ABDA Datenbank unter dem Stichwort Calciumcarbonat 569 Präparate auf. Dagegen finden sich nur 49 Präparate mit Calciumlactat, 48 Präparate mit Calciumcitrat und 18 Präparate mit Calciumglukonat als Inhaltsstoff (Weblink 5). Den höchsten prozentualen Anteil (G/G) an elementarem Calcium (40 %) weist Calciumcarbonat auf (Tab. 1). Verglichen mit den anderen Calciumsalzen kommt es jedoch wegen des Carbonatanteils häufiger zu Verstopfung, Blähungen und Übelkeit. Auch Abdominalschmerzen, Diarrhoe Pruritus, Hautausschlag und Urtikaria können auftreten. Insgesamt werden diese Nebenwirkungen jedoch als selten (>0,1%-<1%) klassifiziert (siehe auch Abschnitt Risiken). Calciumcarbonat sollte wegen der besseren Resorption mit dem Essen eingenommen werden. Die anderen Calciumsalze enthalten zwar weniger elementares Calcium, sind aber gute Alternativen bei Unerträglichkeit von Calciumcarbonat, die auch unabhängig vom Essen eingenommen werden können. Wenn mehr als 500 mg elementares Calcium eingenommen werden soll, wird empfohlen die tägliche Dosis zu teilen. Dies erhöht die Resorption und vermindert die gastrointestinalen Nebenwirkungen. Calciumsalz Ca2+-Gehalt Dosierung Kommentar Calciumcarbonat 40 % 1.500 mg/Tag häufigstes für die Substitution verwendetes Calciumsalz, sollte mit dem Essen eingenommen werden, kann Blähungen, Völlegefühl und Obstipation verursachen Calciumcitrat 21 % 2.850 mg/Tag Alternative bei Calciumcarbonat Unverträglichkeit, in Arzneimitteln Kombination mit anderen Calciumsalzen, oft weniger als 100 mg Calcium pro Einheit Calciumlactat* 13 % - in Arzneimitteln Kombination mit anderen Calciumsalzen Calciumglukonat* 9% - in Arzneimitteln Kombination mit anderen Calciumsalzen Tab. 1: Die Angaben zur Dosierung beziehen sich auf das Calciumsalz mit welchem die Hälfte der empfohlenen täglichen Aufnahme von 1.200 mg Calcium in höherem Alter abgedeckt werden kann, d.h. es wird eine Grundversorgung durch Nahrungscalcium vorausgesetzt. Die RDA für Männer und Frauen beträgt 1.000 mg elementares Calcium pro Tag. Frauen sollten ab dem 50. Lebensjahr und Männer ab dem 70. Lebensjahr 1.200 mg/Tag zu sich nehmen. Calciumsalze bzw. Kombinationen von Calciumsalzen werden auch als Antazida angeboten werden, was bei regelmäßiger Einnahme für die Schätzung des Substitutionsbedarfs berücksichtigt werden muss (Näheres siehe Text). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2013;7(6):194-207 Calciumsubstitution 201 Zu den Nebenwirkungen gehört in einzelnen Fällen auch die Möglichkeit des Auftretens einer Hypercalcämie, die mit Organschäden einhergehen kann. Es ist bekannt, dass eine Calciumsubstitution den Plasmaspiegel von Calcium erhöhen kann. Die Einnahme von je 200 mg elementarem Calcium alle 4 Stunden erhöhte in einer klinischen Studie den Serumspiegel von Calcium um etwa 0,05 mmol/l (Referenzbereich: 1,15–1,35 mmol/l), wobei dieser Anstieg 24 Stunden nach der ersten Einnahme nicht mehr nachweisbar war (9). Nutzen einer Calciumsubstitution Der Verlust an Knochensubstanz, der sich vor allem postmenopausal aber auch durch Altern manifestiert, ist Ausdruck eines Verlustes von Calcium im Skelett dem ein Ungleichgewicht von Knochenaufbau und Knochenabbau zugrunde liegt. Während der postmenopausale Knochenverlust hauptsächlich mit dem Absinken des Plasmaspiegels von Estradiol auf unter ca. 20pg/ml zusammenhängt, betrifft der altersbedingte Knochenverlust sowohl Frauen wie Männer. Hierbei spielen auch genetische und andere Faktoren wie reduzierte Vitamin DHormon(Calcitriol)-Synthese in Niere und Knochen oder Calcitriolrezeptor-Mangel in Knochen, Gastrointestinaltrakt und Nebenschilddrüse eine Rolle. Einer Beobachtungsstudie an 61,433 Frauen in der Menopause über 19 Jahre hinweg zufolge steigt das Risiko von Knochenbrüchen, wenn die tägliche Aufnahme von elementarem Calcium 700-800 mg unterschreitet (10), während eine höhere tägliche Aufnahme das Risiko nicht weiter vermindert. Die Effekte von Calcium auf das Frakturrisiko sind auch in prospektiven randomisierten und placebokontrollierten Studien untersucht worden. Dabei sind jedoch, wie bei der „Women’s Health Initiative, Calcium/Vitamin D3 Supplementation trial“ (11), fast immer Personen ohne niedrige Calciumaufnahme, beispielsweise <700 mg/Tag, einbezogen und mit einer Calcium/Vitamin D3 Kombination behandelt worden. Die große randomisierte WHI-Studie an 36.282 postmenopausalen Frauen zeigt, dass eine 7jährige Substitution mit Vitamin D3 (400 IU/Tag) und Calcium (1.000 mg/Tag) zu einer geringen Verbesserung der Knochendichte in der Hüfte führte (Abb. 2), während die Knochendichte von Wirbelsäule und gesamten Skelett nicht anstieg und sich in der Gesamtkohorte kein Effekt auf die Inzidenz von Knochenbrüchen feststellen ließ. Abb. 2: Darstellung der zeitabhängigen Veränderung der Knochendichte in der WHIStudie (11) bei Gabe von Verum (400 IU/Tag Vitamin D3 und 1.000 mg/Tag Calcium) oder Placebo (Näheres siehe Text). Fortbildungstelegramm Pharmazie 2013;7(6):194-207 Calciumsubstitution 202 Allerdings hatten die in diese Studie eingeschlossenen Frauen die Möglichkeit ihre bisherige Calciumsubstitution fortzuführen. Deshalb lag die tägliche Calciumaufnahme selbst in der Placebogruppe bei etwa 1.000 mg/Tag, während dieser Wert in der Verumgruppe etwa das Doppelte betrug. Insbesondere unter Voraussetzung einer nahezu ausreichenden Versorgung der Frauen der Placebogruppe mit Vitamin D3, ist dies möglicherweise ein Grund dafür, dass die Effekte der Substitution so gering ausgefallen sind. Allerdings spielt die Compliance offensichtlich eine wichtige Rolle, denn die Inzidenz von Hüftfrakturen war bei jenen Frauen um 29 % geringer, die wenigstens 80 % der Studienmedikation eingenommen hatten. Auch Frauen über 60 Jahre profitierten ähnlich von der Substitutionstherapie. Ihr Hüftfrakturrisiko verringerte sich um 21 %, während in der Gesamtkohorte diese Reduktion nur bei 12 % lag (P>0,05). Die Tatsache, dass die Inzidenz von Frakturen der Wirbel, des Unterarms oder des Handgelenks weder in der Gesamtkohorte noch in Subgruppen verändert war deutet darauf hin, dass sich die Effekte von Vitamin D3/Calcium eher auf die kompakte Knochensubstanz als auf die Stabilität der Trabekel in den spongiösen Knochenteilen auswirken. Im Gegensatz zu den Ergebnissen der WHI-Studie zeigen Metaanalysen einen moderaten Effekt von Calcium/Vitamin D3 auf das Frakturrisiko bei älteren und gebrechlichen Personen (12, 13). So hat beispielsweise eine Metaanalyse aus 16 placebokontrollierten Studien eine Reduktion des Risikos für Knochenbrüche um 12 % ergeben (13). Allerdings war das Ergebnis für selbstständig lebende Personen, im Gegensatz zu Heimbewohnern, nicht signifikant. Betrachtet man eine alleinige Substitution von Calcium bei älteren Frauen im mittleren Alter von etwa 69 Jahren, ergibt eine der beiden Metaanalysen eine allerdings nicht signifikante relative Risikoreduktion für Knochenbrüche von 10 % (12). Zusammengefasst ist der Effekt einer Substitution mit Calcium, allein oder in Kombination mit Vitamin D3, insgesamt allenfalls bescheiden. Darüber hinaus bleibt der Nutzen der routinemäßigen Verwendung einer solchen Substitution bei selbstständig lebenden Personen, im Gegensatz zu Heimbewohnern, nach wie vor fraglich. Risiken einer Calciumsubstitution Wie bereits beschrieben, weisen Calciumpräparate nur wenige Nebenwirkungen auf und das diskutierte erhöhte Risiko für ein Prostatakarzinom konnte nicht bestätigt werden (2). Es sollte jedoch erwähnt werden, dass die Inzidenz von Nebenwirkungen wie Obstipation, Blähungen oder Flatulenz in vielen Monographien der Calciumpräparate als selten klassifiziert wird, obwohl die Ergebnisse der WHI-Studie vermuten lassen, dass die Substitutionstherapie mit Calcium bei jeder 10. Frau mit einer mittelschweren bis schweren Obstipation und bei jeder 5. Frau mit Blähungen oder Flatulenz einhergeht (11). Im Einzelnen wurden folgende Inzidenzen berichtet: • mittelschwere bis schwere Obstipation (P>0.05) 10,3 % in der Verumgruppe 8,9 % in der Placebogruppe • Blähungen, Flatulenz (P>0.05) 20,4 % in der Verumgruppe 19,5 % in der Placebogruppe Auch wenn nur geringe numerische Unterschiede und keine statistische Signifikanz zwischen Placebo- und Verumgruppe bestehen, bleibt festzuhalten, dass die Frauen in der Placebogruppe im Mittel mehr als 1.000 mg Calcium pro Tag aufgenommen hatten. Darüber hinaus haben Studien der letzten Jahre zwei ernsthafte Risiken ergeben, die vor allem angesichts des begrenzten Nutzens der Calciumsubstitution eine nähere Betrachtung erfordern. Nephrolithiasis. Nierensteine wurden in einer prospektiven Kohortenstudie bereits 1997 als Nebenwirkung nach Langzeitgabe einer Calciumsubstitution bei Frauen identifiziert. Das Risiko Nierensteine zu entwickeln, welches bei Frauen etwa nur ein Drittel so hoch ist wie bei Männern, war um ca. 20 % erhöht. Dieser Effekt war zwar dosisabhängig, aber bereits bei einer Dosierung von 100 mg/Tag maximal (14). Über die gleiche Nebenwirkung wurde auch nach Substi- Fortbildungstelegramm Pharmazie 2013;7(6):194-207 Calciumsubstitution 203 tution mit Calcium und Vitamin D3 in der WHI Studie berichtet (11). Hier stieg das relative Risiko für Nierensteine um 17 % an. Betrachtet man jedoch das absolute Risiko, so war dieses von 2,1 % in der Placebogruppe auf 2,5 % der Verumgruppe erhöht. Dieser geringe Unterschied beruht möglicherweise ebenfalls auf der hohen Calciumsubstitution in der Placebogruppe. Die WHI Studie zeigt aber auch, dass eine zusätzliche Calciumsubstitution von 1.000 mg/Tag auch bei einer Basisaufnahme von ca. 1.000 mg/Tag das Nierensteinrisiko erhöht. Im Gegensatz dazu zeigte sich in zwei Beobachtungsstudien selbst bei hoher Aufnahme von Nahrungscalcium eine erniedrigte Rate von Nierensteinen (14, 15) und in der neueren dieser Studien war das Nierensteinrisiko auch nach Calciumsubstitution erniedrigt (15). Insgesamt muss also das erhöhte Risiko von Nierensteinen berücksichtigt werden und die bisher beste Evidenz (11) legt eine Inzidenz von etwa 2 % nahe. Damit wäre die Bildung von Nierensteinen eine häufige (>1%-<10%) Nebenwirkung einer Calciumsubstitution. Bei familiärer Anamnese sowie bestehender oder anamnestischer Nephrolithiasis sollte auf die Anwendung einer Calciumsubstitution verzichtet werden. Vorsicht sollte im Übrigen auch für die längerdauernde tägliche Anwendung von Fertigarzneimitteln gelten, die Calciumsalze bzw. Kombinationen von Calciumsalzen enthalten und als Antazida angeboten werden. Kardiovaskuläres Risiko. Nach einigen klinischen Studien könnte die Calciumsubstitution das kardiovaskuläre Risiko erhöhen. Eine Metaanalyse aus publizierten Daten von 15 placebokontrollierten Studien zur Calciumsubstitution ohne gleichzeitige Gabe von Vitamin D3 zeigte eine 31 %ige Erhöhung des relativen Risikos einen Myokardinfarkt zu erleiden (16). Dagegen war das relative Risiko für Schlaganfall, Tod oder den kombinierten Endpunkt aus Myokardinfarkt, Tod und Schlaganfall nicht signifikant erhöht. Die mittlere Dosierung der Calciumsubstitution in den 15 eingeschlossenen Studien betrug ungefähr 800 mg/Tag. Das Ergebnis dieser Metaanalyse Studie hat einige Aufmerksamkeit erregt, wurde aber u.a. wegen uneinheitlicher Zuerkennung der Ereignisse, marginaler sta- tistischer Signifikanz und des Ausschlusses von Studien, die eine Calcium/Vitamin D3 Kombination untersucht hatten, kontrovers diskutiert. So hatten die Autoren beispielsweise die große WHI Studie (11), die keine Erhöhung des kardiovaskulären Risikos gezeigt hatte (17), ausgeschlossen. In eine zweite Metanalyse schlossen dieselben Autoren Studien mit einer Calcium/Vitamin D3 Kombination ein (18). Auch wenn hierbei die WHI Studie berücksichtigt war, hatten die Autoren immer noch alle Teilnehmerinnen der WHI Studie, die zu Studienbeginn eine Calciumsubstitution einnahmen, ausgeschlossen. Das Ergebnis dieser neuen Metaanalyse zeigte eine Zunahme des relativen Risikos für Myokardinfarkt um 24 % und für den kombinierten Endpunkt Myokardinfarkt und Schlaganfall um 15 % und unterschied sich daher im Ergebnis kaum von der vorherigen Analyse. Die kontrovers diskutierte Frage an dieser Stelle ist, ob der Ausschluss von mehr als der Hälfte der WHI Studienpopulation gerechtfertigt war, oder ob dies zu einer Verzerrung der Analyse geführt hat und damit das gesamte Studienergebnis infrage stellt. Hinzu kommt, dass es für den beobachteten Anstieg des kardiovaskulären Risikos keine plausible mechanistische Erklärung gibt. Folgt man jedoch der Fragestellung der Autoren würde eher die Einbeziehung von Frauen der WHI Studie mit einer Basissubstitution von mehr als 1.000 mg elementares Calcium täglich (siehe oben), das Ergebnis einer Analyse verzerren. Bei dieser Teilpopulation würde dann nicht die Calciumsubstitution mit keiner Behandlung verglichen, sondern eine ausreichende Substitution mit der empfohlenen Maximalsubstitution von 2.000 mg/Tag. Angesichts des Ergebnisses der ersten Metaanalyse, nach welcher das kardiovaskuläre Risiko bereits bei Substitution mit im Mittel 800 mg/Tag signifikant erhöht war, erscheint das Vorgehen von Bolland et al. zunächst plausibel. Schließlich wird ja auch der geringe Nutzen, den die Substitution mit Calcium und Vitamin D3 in der WHI Studie gezeigt hatte, teilweise mit der Verwässerung der Ergebnisse durch die Calciumsubstitution in der Placebogruppe zu erklären versucht (2). Andererseits zeigt eine weitere und neuere Studie anderer Autoren einen ande- Fortbildungstelegramm Pharmazie 2013;7(6):194-207 Calciumsubstitution 204 ren Zusammenhang zwischen Calciumsubstitution und erhöhtem kardiovaskulären Risiko (19). In dieser großen longitudinalen Untersuchung einer schwedischen Kohorte war das relative Risiko für kardiovaskulären Tod und Tod jeder Ursache allerdings nur bei Personen erhöht, die mehr als 1.400 mg Calcium pro Tag substituiert hatten, während sich bei mittleren Dosierungen von 1.000 bis 1.399 mg Calcium keine Risikoerhöhung gegenüber den niedrigen Dosierungen von 600 bis 999 mg Calcium ergab. In Anbetracht der Ergebnisse dieser Kohortenstudie wäre eigentlich ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei der prospektiven WHI Studie zu erwarten gewesen. Dies war aber nicht der Fall. Da eine prospektive randomisierte placebokontrollierte Studie einen wesentlich höheren Evidenzgrad aufweist als eine Kohortenstudie und andere publizierte Studien ebenfalls kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko durch Calciumsubstitution gezeigt haben (Übersicht siehe (2)), ist die Evidenz für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko uneinheitlich und muss eher als ein Risikosignal betrachtet werden. Gerade im Hinblick auf den nur moderaten Nutzen der Calciumsubstitution sowie die damit verbundenen anderen besser belegten Nebenwirkungen (siehe oben), sollte den Empfehlungen der Leitlinien zur Calciumsubstitution besondere Beachtung geschenkt werden (Weblink 1,3). Danach sollte die Prophylaxe von Knochenbrüchen bzw. der manifesten Osteoporose mit möglichst viel Nahrungscalcium erfolgen und eine Calciumsubstitution nur dann hinzugefügt werden, wenn dies für den einzelnen Patienten nicht oder nicht vollständig möglich ist. In diesen Fällen sollte aber die Aufnahme von Nahrungscalcium kalkuliert und die Dosierung der Calciumsubstitution daran angepasst werden. Beratung in der Apotheke Allgemeine Hinweise. Das Beratungsgespräch sollte die Patienten immer dazu ermutigen möglichst viel Nahrungscalcium aufzunehmen. Gleichzeitig empfiehlt es sich die Patienten auch fragen, ob sie andere Arzneimittel, beispielsweise als Antazida angebotene Calciumsalze, re- gelmäßig einnehmen. Um den Bedarf einer Calciumsubstitution rasch und unkompliziert, aber damit auch nur ungefähr einzuschätzen, wäre folgendes Vorgehen praktikabel (2): • Die Annahme, dass die Aufnahme von Nahrungscalcium durch Obst und Gemüse im Mittel 300 mg pro Tag beträgt, • Addieren der Aufnahme von Nahrungscalcium durch Milch und Milchprodukte • Auffüllen des empfohlenen Tagesbedarfs durch Calciumsubstitution Auch wenn Calciumcarbonat wegen des hohen prozentualen Anteils von elementarem Calcium die am häufigsten verwendete Calciumsubstitution darstellt, kann je nach den Präferenzen der Patienten hinsichtlich Kosten oder möglichen Unverträglichkeiten, beispielsweise eine bereits bestehende Obstipation, auch ein anderes Calciumsalz empfohlen werden. Bei Nierensteinen in der Anamnese oder bei diesbezüglichen Befürchtungen wegen eines familiären Risikos sollte in jedem Fall eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen. Wegen der besseren Resorption von Calciumcarbonat ist die Einnahme mit den Mahlzeiten empfehlenswert. Bei allen Calciumsalzen kann es zu Interaktionen mit anderen Arzneistoffen kommen. Beispielhaft genannt seien hier Levothyroxin, Ciprofloxacin und andere Gyrasehemmer, Hydrochlorothiazid und andere Thiaziddiuretika oder auch Bisphosphonate. Fallbeispiel. Unter der Annahme, dass die gesund lebende ältere Frau jeden Tag 250 ml Milch (1 Glass) und 250 ml Joghurt zu sich nimmt, beträgt die täglich Aufnahme von Nahrungscalcium bereits etwa 800 mg. Da sie zusätzlich noch 1.200 mg Calcium durch die Substitution einnimmt, liegt die tägliche Gesamtaufnahme von Calcium in ihrem Fall nicht nur weit über den derzeitigen Empfehlungen, sondern erreicht bereits die maximal empfohlene Tagesdosis von 2.000 mg. Daher wäre es zunächst leitliniengerecht ihr die zusätzliche Aufnahme von 400 mg Nahrungscalcium beispielsweise durch Milch, Käse oder andere Milchprodukte zu empfehlen. Wenn das nicht möglich sein sollte, wäre eine Reduktion der Dosis von Calciumcarbonat Fortbildungstelegramm Pharmazie 2013;7(6):194-207 Calciumsubstitution 205 auf einmal 1.000 mg pro Tag anzuraten. Gleichzeitig sollte sie darauf hingewiesen werden, dass eine Calciumsubstitution das Risiko von Knochenbrüchen bzw. Osteoporose nur begrenzt vermindert und die Substitution - aber nicht Nah- rungscalcium - ihr Risiko Nierensteine zu entwickeln moderat erhöht. Für eine Erhöhung ihres kardiovaskulären Risikos durch die Calciumsubstitution gibt es zwar einige Hinweise aber bislang keine verlässlichen klinischen Belege. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2013;7(6):194-207 Calciumsubstitution 206 Weblinks: 1) Dachverband Osteologie, Leitlinien Osteoporose 2009, Langfassung http://www.dv-osteologie.org/dvo_leitlinien/dvo-leitlinie-2009 2) Gemeinsamer Bundesausschuss, Informationsarchiv, Richtlinien, http://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/anlage/17/ 3) Office of Dietary Supplements, National Institutes of Health, USA, März 2013 http://ods.od.nih.gov/factsheets/Calcium-HealthProfessional/ 4) Ebels N, Ehmke T. Kalzium und Vitamin D zur Osteoporose–Prophylaxe. Fortbildungstelegramm Pharmazie 2010;4(2): 43-56 http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/SerieApothekenpraxis/Osteoporose_fuer_FortePharm_2010.pdf 5) ABDA Datenbank (kostenpflichtig) http://www.pharmazie.com/ Literatur 1. Rosen CJ. Clinical practice. Postmenopausal osteoporosis. N Engl J Med 2005;353:595-603. 2. Bauer DC. Clinical practice. Calcium supplements and fracture prevention. 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