„Gedächtnis“ Prof. Dr. Hermann Körndle Professur für die Psychologie des Lehrens und Lernens Technische Universität Dresden © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Gedächtnisprozesse encoding - storage - retrieval Ö Enkodierung z Wie wird neue Information in einen Code übersetzt, den das Gedächtnis verarbeiten kann? Ö Speicherung z Wie wird neue (enkodierte) Information im Gedächtnis gespeichert? Wie lange bleibt die Information gespeichert? Ö Abruf z 2 Wie wird die gespeicherte Information zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgefunden? © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Vergessenskurve Behaltenes Material 90 in % 80 70 60 50 40 30 20 10 1.Tag 2.Tag 3 Zeit © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Vergessen Hermann Ebbinghaus (1850 - 1909) 100% 90% Ersparniswert 80% 70% 20 Minuten 1 Stunde 9 Stunden 60% 50% 40% 30% sinnhaltiges Material 20% 10% sinnloses Material 0% Verstrichene Zeit nach dem Lernen (in Tagen) 4 © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Gedächtnis Ö Modelle des Vergessens z z z z 5 Spurenzerfall Zugriffsstörung Interferenz systematische Verzerrung © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Interferenzeffekte Ö Psychologie: z Beeinflußung von Lernprozeßen durch anderes (v.a.ähnliches) Lernmaterial vorangegangene oder weitere Lernprozesse z Ähnlichkeits-Interferenz retroaktive Interferenz proaktive Interferenz z z 6 © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Gedächtnis - Interferenz familia campo outubro instituto cinco quando 7 Familie Feld Oktober Institut fünf wann © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Gedächtnis - Interferenz famiglia campagna ottobre istituto cinque quando 8 Familie Feld Oktober Institut fünf wann © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Typisches Experiment zur Interferenz A-D-Gruppe (Experimentalgruppe) C-D-Gruppe (Kontrollgruppe) Lernen erste Liste: A-B Lernen erste Liste: A-B Lernen zweite Liste: A-D Lernen zweite Liste: C-D Test A-B Test A-B mit Liste: mit Liste: Anderson, J.R. (1988). Kognitive Psychologie: Eine Einführung. Heidelberg: Spektrum der Wissenschaft-Verlagsgesellschaft, S. 148. 9 © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Interferenzeffekte Ö Überlagerung bzw. Überschneidung von Informationen, so daß im negativen Fall eine Lernhemmung, im positiven Fall Transfer stattfinden kann. Ö Negative Interferenzeffekte: 10 z Pro- und retroaktive Hemmung (Zeit- und Mengeneffekt): Die schon vorhandenen Informationen stören die Aufnahme weiterer Informationen (proaktiv) oder neu Gelerntes verhindert die Einprägung des zuvor Gelernten (retroaktiv). z Ähnlichkeitshemmung: Die Ähnlichkeit der Informationen stört das Erlernen und korrekte Wiedergeben des Lernmaterials. © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Gedächtnis Vergleich von Reproduktions- und Rekognitionsleistung (nach Miller, 1969) Behaltene Silben in % 80 60 40 20 0 5 sec 1 Std 6 Std 24 Std 4 Tage 14 Tage Zeit nach dem Lernen Reproduktion (Recall) 11 Rekognition (Recognition) © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden richtig erinnerte Wörter in % Einfluss der Situation 50 40 an Land gelernte Wörter 30 20 unter Wasser gelernte Wörter 10 an Land erinnert 12 unter Wasser erinnert © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Gedächtnis - Modelle Ö Mehrspeicher-Modell Ö Levels-of-Processing Ö Modelle der Wissensrepräsentation 13 © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Mehrspeichermodell des Gedächtnisses Sensorisches Sensorisches Register Register •• modalitätsspezifische, modalitätsspezifische, sehr sehr kurze kurze Speicherung Speicherung •• präkategorial, präkategorial, d.h. d.h. keine keine semantische semantische Verarbeitung Verarbeitung Aufmerksamkeit Selektive Übertragung Kurzzeit-Gedächtnis Kurzzeit-Gedächtnis •• begrenzte begrenzte Speicherkapazität Speicherkapazität (7 (7 +/+/- 22 Items) Items) •• aktive aktive Teilstrukturen Teilstrukturen des des Langzeit-Gedächtnisses Langzeit-Gedächtnisses Ordnen Ordnen Verarbeiten Verarbeiten Üben Üben Wiederholen Wiederholen •• •• 14 Langzeit-Gedächtnis Langzeit-Gedächtnis Grenzen Grenzen der der Speicherkapazität Speicherkapazität nicht nicht bekannt bekannt Struktur, Struktur, Ordnung, Ordnung, Organisation Organisation von von Wissen Wissen © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis Die wichtigsten Unterschiede Kurzzeitgedächtnis 15 Langzeitgedächtnis Haltezeit etwa 10 Sekunden unter Umständen lebenslang erlebte Beständigkeit der Spuren flüchtig beständig Zeitdruck bei der Reproduktion groß klein Kapazität etwa 7 +/- 2 Einheiten vorherrschende Ordnung (Organisation, Kodierung) nach sensorischen Merkmalen nicht bekannt; geschätzte Größenordnung: 1 Million Einheiten nach semantischen Merkmalen © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Prozentsatz richtiger Reproduktionen Reproduktionsleistung aus dem KZG 100 80 60 40 20 0 0 3 6 9 12 15 18 Behaltensintervall (sec) Abnahme der Reproduktionsleistung als Funktion der Dauer zwischengeschalteter Tätigkeiten Î rapider Verlust von Informationen aus dem KZG 16 © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Prozesse im KZG und LZG MEMORY MEMORY short-term short-term encoding encoding acoustic acoustic code code 17 visual visual code code storage storage limited limited capacitiy capacitiy 77+/+/-22 displacement displacement and anddecay decay long-term long-term retrieval retrieval encoding encoding storage storage retrieval retrieval search searchand and activation activation models models adding adding meaningful meaningful connections; connections; elaboration elaboration ofofmeaning meaning retrieval retrieval failures; failures; interference; interference; search searchand and activation activation models models consolidation consolidation © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Levels-of-Processing Ansatz (LOP) (Craik & Lockhart, 1972) Ö "Verarbeitungstiefe" Ö Verarbeitungsebenen z z z 18 physikalisch akustisch semantisch (z.B. Schriftbild) (z.B. Klang) (z.B. Wortbedeutung) © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Modell der Verarbeitungstiefen („levels of processing“) Reizeingabe 19 Zentraler Prozessor Verarbeitung Reizanalyse Behaltensleistung flach graphisch (Form) gering mittel phonemisch (Laut) mittel tief semantisch (Bedeutung) hoch © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Shiffrin & Schneider 1977 Inputs 20 Visuelle Attribute BuchstabenCode Kategorie Höhere Codes L L „Anfangsbuch„Buchstabe“ stabe des Sohnes“ usw. 2 2 „Zahl“ „Alter des Sohnes“ usw. © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden Verarbeitungstiefe Erinnerungsleistungen (n. Craik & Lockhart, 1975) Erinnerte Wörter in % 70 60 50 40 30 Einmalige Präsentation Zweimalige Präsentation 20 10 Form 21 Klang Bedeutung © Psychologie des Lehrens und Lernens, TU Dresden