Text von Prof. Wagner zum Schilddrüsenkarzinom. „Das Schilddrüsenkarzinom ist der häufigste bösartige Tumor des endokrinen (hormonellen) Systems, jedoch mit einem Anteil von ca. 1% an allen bösartigen Geschwülsten insgesamt sehr selten. Die Sterblichkeit der Erkrankung konnte durch eine bessere Früherkennung, effektivere Therapiemöglichkeiten und eine abnehmenden Anteils prognostisch ungünstiger Formen deutlich gesenkt werden. Bei den Schilddrüsenkarzinomen unterscheidet man die von den Follikelzellen der Schilddrüse ausgehenden – häufig als differenzierte Tumoren zusammengefassten – papillären (PTC) und follikulären (FTC) Karzinome von den anaplastischen (ATC) und von den parafollikulären Zellen (sog. C- Zellen) ausgehenden medullären Schilddrüsenkarzinomen (MTC). Während die differenzierten Schilddrüsenkarzinome (PCT und FTC) eine sehr gute Prognose mit 10-Jahres-Ueberlebensraten von über 90% haben, gehört das anaplastische Karzinom zu den aggressivsten bösartigen Tumoren. Bei gesicherter oder wahrscheinlicher Diagnose eines Schilddrüsenkarzinoms ist die chirurgische Therapie in Form einer totalen Organentfernung (Thyreoidektomie) mit Lymphknotenentfernung die Therapie der Wahl. Alle differenzierten Schilddrüsenkarzinome sollten chirurgisch entfernt werden. Neben der Entfernung des Primärtumors erlaubt die Operation eine genaue histologische Diagnose und Stadieneinteilung. Auch der Lymphknotenbefall kann während der Operation beurteilt und die betroffenen Lymphknoten entfernt werden. Die Operationsstrategie hängt wesentlich von dem Tumortyp und dem Stadium der Erkrankung ab und sollte immer individuell mit dem Patienten besprochen werden. Bei den follikulären und papillären Schilddrüsenkarzinomen erfolgt im Anschluss an die Operation nach 4-6 Wochen eine 131I Radiojodtherapie. Ziel dieser Behandlung ist die selektive Zerstörung verbleibender Schilddrüsen(tumor)zellen sowie ggf. vorhandener Metastasen. Eine Ausnahme stellt das papilläre Mikrokarzinom dar, bei dem wegen der sehr günstigen Prognose auf eine Radiojodtherapie verzichtet werden kann, sofern der Tumor komplett chirurgisch entfernt wurde. Die Radiojodtherapie ist ebenfalls Behandlung der Wahl, wenn im Rahmen der Tumornachsorge Metastasen nachgewiesen werden. In einem Großteil der Fälle sprechen differenzierte Schilddrüsenkarzinome sehr gut auf die Radiojodbehandlung an. Ein Progress nach Radiojodtherapie ist mit einem Verlust der Fähigkeit zur Jodaufnahme verbunden. In dieser Situation stellt sich die Frage nach einer anderweitigen systemischen Therapie. Hier konnten in den letzten Jahren mit der Einführung der Multithyrosinkinaseinhibitoren entscheidende Verbesserungen für das Überleben der Patienten erreicht werden. Der erwartete therapeutische Vorteil muss aber für jeden Patienten individuell gegenüber dem medikamentösen Nebenwirkungsprofils abgewogen werden.“