Wie führe ich einen schwierigen Patienten motivational in der

Werbung
?
Wie führe ich schwierige Patienten
motivational in der Praxis!
!
Hansjörg Znoj!
Universität Bern!
!
[email protected]!
1
I
n
t
e
r
v
e
n
t
i
o
n
&
M
o
t
i
v
a
t
i
o
n!
2
Aufbau!
a)  Was sind „schwierige“ Patienten?
b)  Mittel zur Erhöhung der Motivation
—  Stufenmodell von Prochaska und Mitarbeitern
—  Arbeitsmodell von Mathier (2005)
—  Motivationale Gesprächsführung
c)  Arbeiten zur therapeutischen Motivation
—  Motivationale Vorbereitung (Praxisstelle, Projekt Mathier)
—  Goal Attainment Scaling (Suva-Projekt)
—  Plananalyse als Werkzeug motivorientierter
Beziehungsgestaltung
d)  Fazit und Zeit für Diskussion
3
Der einfache Patient (?)!
>  Young!
>  Attractive!
>  Verbal!
YAVIS
>  Intelligent!
>  Sensible!
Dazu:!
>  Pünktlich!
>  Zuverlässig!
>  Hält sich an (unsere) Spielregeln!
>  Hat keine weitere Probleme finanzieller oder rechtlicher Art!
4
Der schwierige Patient!
5
Das schwierige Kind!
6
Vergleich der schwierigen und
unauffälligen Patienten im IIP!
autokratisch ***
20
streitsüchtig ***
15
expressiv ***
10
5
abweisend ***
0
fürsorglich *
introvertiert ***
ausnutzbar **
unterwürfig ***
interaktionell schwierig
interaktionell unauffällig
7
Diagnosen!
interaktionell
schwierig
interaktionell
unauffällig
Affektive Störungen
20
19
Angst-Störungen
19
24
Somatoforme Störungen
4
2
Ess-Störungen
9
6
Anpassungs-Störungen
4
8
Sonstige Störungen
8
5
keine Diagnose oder Angabe
50
49
Gesamt
114
113
8
Anzahl Therapien pro Erfolgsgruppe!
IIP*
SCL-90*
GAS
interaktionell schwierig
und erfolgreich
7
16
16
interaktionell schwierig
und nicht erfolgreich
37
28
37
interaktionell unauffällig
und erfolgreich
38
34
44
interaktionell unauffällig
und nicht erfolgreich
14
18
21
*bezogen auf Normalpopulation
9
Bewältigungserfahrungen!
z-Werte
1
0.5
0
-0.5
-1
frühe
mittlere
späte
Phase
schwierige Patienten
unauffällige Patienten
10
Klärungserfahrungen!
z-Werte
1
0.5
0
-0.5
-1
frühe
mittlere
späte
Phase
schwierige Patienten
unauffällige Patienten
11
Unzufriedenheit!
z-Werte
1
0.5
0
-0.5
-1
frühe
mittlere
späte
Phase
schwierige Patienten
unauffällige Patienten
12
Modelle des Eingehens auf
Patientenmerkmale in der KVT
!
•  Duales Modell (Schulte)
–  Basis: Anwendung störungsspezifischer Manuale
–  Patient muss bestimmtes Basisverhalten einbringen
–  Negative Korrelation zwischen Anpassung des
Therapeuten und Therapieerfolg => möglichst wenig
Anpassen
•  Komplementäre Beziehungsgestaltung (Caspar,
Grawe)
–  Basis: Neukonstruktionsmodell
–  Therapeut bezieht Patientenmerkmale (und Manuale als
Prototypen etc. ) ein ! aktive Beziehungsgestaltung
13
Patientenerwartungen
(Ursachenvorstellungen)!
Nach Faller (1997) haben PatientInnen mit somatoformer
Störung, Essstörung oder Depression jeweils andere
Ursachenvorstellungen und dementsprechend andere
Erwartungen an die Therapie. Er teilt die Ursachenvorstellungen
ein in
>  intrapsychische,
>  interpersonelle,
>  soziale und
>  somatische
PatientInnen mit somatoformer Störung geben vor allem
somatische Ursachenvorstellungen an. PatientInnen mit
Essstörung oder Depression messen interpersonellen Ursachen
einen grösseren Einfluss bei.
14
Arbeitsmodell (Mathier (2005)!
15
Empirische Zusammenhänge (1. Zahl positive Ergebnisse von insgesamt untersuchten
Zusammenhänge/Studien (Quelle Mathier, 2005)!
16
17
4-Felder-Schema zur Therapiemotivation nach Bents (2003)!
18
Fünf Prinzipien motivierender
Gesprächsführung!
1. Empathie ausdrücken!
2. Diskrepanzen entwickeln:!
Dem Patienten werden die Diskrepanz zwischen seinem aktuellen Verhalten und
seinen grundsätzlichen Lebenszielen bewusst gemacht. !
Der Patient sollte die Argumente zur Veränderung selbst liefern.!
3. Beweisführungen vermeiden:!
Vermeidung vorwurfsvoller Konfrontationen: es ist zu vermeiden, dem Patienten die
Notwendigkeit einer Veränderung nachzuweisen, ihn dazu zu überreden.!
Widerstand ist ein Signal, die Strategie zu ändern.!
4. Den Widerstand aufnehmen:!
Mittels Reflexion der Aussagen des Patienten und Umformulieren / Fokus verschieben
wird der Widerstand des Patienten aufgenommen. !
Die persönliche Entscheidungsfreiheit und Selbstkontrolle des Patienten werden
betont. !
Evtl. wird eine paradoxe Intervention durchgeführt.!
5. Selbstwirksamkeit fördern!
19
Motivation keine Persönlichkeitsvariable des Patienten
(Prochaska & Di Clemente, 1982; 1994)!
1. 
Die Absichtslosigkeit
2. 
Die Absichtsbildung
3. 
Die Vorbereitung der Handlung
4. 
Die Handlung
5. 
Die Aufrechterhaltung der Handlung
6. 
Den Rückfall
20
Das Stufenmodell von Prochaska et al.,
(1994)!
21
Beispielhafte Fragen zur Förderung
selbstmotivierender Aussagen (Auszug aus Miller et al. , 1999, S.93, nach Mathier, 2005)!
22
Die Untersuchung von Mathier (2005)!
23
Übersicht der Teilnehmenden!
Anzahl Therapievorbereitungen indiziert vs. nicht indiziert
in der Kontrollgruppe und Experimentalgruppe, n = 62
24
Diagnosen der Teilnehmenden!
25
„Schwierige“ vs. nicht schwierige Patienten!
26
PatientInnen mit Therapievorbereitung
indiziert: EG vs. KG
Patientenstundenbogen (aus Mathier, 2005)!
Patientenstundenbogenbeurteilungen bei PatientInnen mit Therapievorbereitung
indiziert aus der Experimentalgruppe (n=11) vs. Kontrollgruppe (n=16);
Unterschiede in Mittelwerten und Effektstärken (dunkler Balken bei den
Effektstärken = signifikanter Unterschied im t-Test, p<.05; 1.-5. Sitzung gemittelt
27
PatientInnen mit Therapievorbereitung indiziert: EG vs. KG
Therapeutenstundenbogen!
Therapeutenstundenbogenbeurteilungen bei PatientInnen mit Therapievorbereitung
indiziert aus der Experimentalgruppe (n=11) vs. Kontrollgruppe (n=16);
Unterschiede in Mittelwerten und Effektstärken; 1.-5. Sitzung gemittelt
28
Zusammenfassung der Art und
Häufigkeiten der Gründe für die
Therapievorbereitungsgespräche!
29
Was mit Hilfe der Therapievorbereitung
erreicht werden konnte
!
> 
Der Therapiebeginn, gemessen anhand der Patienten- und
Therapeutenstundenbögen, konnte mit Hilfe der Therapievorbereitungssitzung im Vergleich zur Kontrollgruppe, bei der diese
Intervention noch nicht stattgefunden hatte, verbessert werden.
> 
Die ungünstigen oder „falschen“ Ursachenmodelle der PatientInnen
konnten verändert werden
> 
Die motivationale Ambivalenz der PatientInnen konnte reduziert
werden, so dass diese sich zum Beginn der Therapie entschliessen
konnten.
> 
Interaktionelle Schwierigkeiten der PatientInnen und andere
Schwierigkeiten oder Befürchtungen konnten im Therapievorbereitungsgespräch angesprochen werden und es ergaben sich z. T.
daraus klare Abmachungen zwischen PatientInnen und
TherapeutInnen für den weiteren Verlauf der Therapie.
30
Motivationale Konflikte, Wunsch nach
Anerkennung und Kompensation: Faktoren, welche die Therapie behindern!
• 
Umstände (schwierige Krankheitsverläufe, weitere
Stressoren wie Arbeitsplatzverlust, Todesfälle in der
Familie, Rentenaussicht)
• 
Psychische Faktoren (bestehende Symptomatik,
maladaptives Coping, wenig persönliche Ressourcen)
• 
Ängste (z.B. bezüglich medizinischer Versorgung,
kulturelle Faktoren (Krankheitsbild etc.)
• 
Unklare Ziele, divergierende Vorstellungen bezüglich
therapeutischer Ziele
31
Das Projekt EBEPS: Erkennung und Behandlung psychischer Störungen im
Rahmen von Unfallfolgen und Berufskrankheiten !
>  Anlass des Projekts!
—  Einführung NCM !
—  Immer noch späte Dossiervorlagen an den
Versicherungspsychiatrischen Dienst!
—  Suboptimale Behandlungen psychischer Störungen!
>  Ziele!
—  Früherkennung psychischer Probleme!
—  Prädiktoren (Screening) für Komplexfälle!
>  Teilprojekt MOVE (Goal Attainment Scaling) !
32
Grundsätzliches
!
Die Methode „Goal Attainment Scaling“ (GAS) wurde
ursprünglich von Kiresuk und Sherman (1968) entwickelt und
ist mittlerweile weit verbreitet.
Unter dem Begriff GAS versteht man individuell zwischen
PatientIn und TherapeutIn vereinbarte Therapieziele.
Diese Therapieziele stellen einerseits eine Art „Therapievertrag“ dar, andererseits dient die
spätere Erfolgsbeurteilung anhand dieser Ziele (durch PatientIn, TherapeutIn und ev. Dritte)
der Qualitätssicherung (und der Forschung).
Mit dem GAS wird das Erreichen individueller Ziele - und damit
das vermutlich wichtigste Erfolgskriterium jede Art von Therapie
- auf eine einheitliche, zwischen PatientInnen vergleichbare
Skala abgebildet.
33
GAS: Zweck!
>  Motivationserhöhung (Mitarbeit)
>  Therapievertrag
>  Klärung der Therapieziele
>  Erfolgsmessung (Evaluation)
34!
GAS: Prinzip!
>  individuell zwischen PatientIn und
TherapeutIn vereinbarte Therapieziele
>  Einschätzung auf einer für alle PatientInnen
einheitlichen und damit vergleichbaren Skala
35!
Probleme und Behandlungsanliegen
aus Patientensicht (GAS)!
36!
Ziel
MOVE bzw. GAS!
Ziel
Ziel
Problem Problem Problem
Ziel:
Motivationserhöhung bei den Versicherten durch
evaluierbare, gemeinsame Zielformulierung von
versicherter Person und CM/ KomplexfallspezialistInnen
mittels Goal Attainment Scaling (GAS, Kiresuk und
Sherman, 1968).
Prinzip:
a) individuell zwischen Case Manager/in oder
Sachbearbeiter/in und Versicherten vereinbarte Ziele
b) Einschätzung des Zielerreichungsprozesses auf einer für
alle Versicherten einheitlichen und damit vergleichbaren
Skala
37
MOVE Ergebnisse
Eckdaten: N = 48 vollständige Fälle (zum Zeitpunkt 2: N = 18)
Dauer der gemeinsamen Problem- und Zielformulierung Formulierung (durchschnittlich in
min): total 58.9 min, zum zweiten Zeitpunkt nur noch 18 min für alle Ziele
Thema Gesundheit: 23.5 min
Thema Beziehung: 17.3 min
Thema Beruf: 18.8 min
Gemessene Veränderungen von Zeitpunkt 1 (1. Erhebung) und Zeitpunkt 2 (ca. 3 Mt. später)
Durchschnittlich wurden deutliche
Verbesserungen erzielt, was für die
Motivation der Versicherten spricht.
Die Methode (GAS) wurde von den
Mitarbeitern mehrheitlich als zwar
aufwändig aber nützlich hinsichtlich der
Fragestellung beurteilt
Veränderung von t1 zu t2!
4!
3!
2!
1.1!
1.3!
Gesundheit
(n=19)!
Beziehung (n=18)!
1.0!
1!
0!
-1!
Beruf (n=18)!
-2!
38
Motivorientierte Beziehungsgestaltung
Vier Grundbedürfnisse
(Grawe, 1998, 2004; Epstein, 1990, 1993: Cognitive-Experiental Self-Theory)
Selbstwerterhöhung/Selbstwert
Das Bedürfnis, sich selber als gut, kompetent,
wertvoll und von anderen geliebt zu fühlen. Zur
Bildung eines guten Selbstwertgefühls braucht
es eine entsprechende Umgebung, die
wertschätzend ist und dem anderen etwas
zutraut, ihn unterstützt.
Lustbedürfnis/Unlustvermeidung
Das Bestreben, erfreuliche, lustvolle Erfahrungen
herbeizuführen und schmerzhafte, unangenehme
Erfahrungen zu vermeiden (positive Lust-/
Unlustbilanz). Je nach Erfahrungen in der Kindheit
wird ein Mensch die Umgebung eher als Quelle von
positiven oder von negativen Erfahrungen sehen,
es entwickelt sich eher eine optimistische oder eher
eine pessimistische Lebenseinstellung.
Bindung
Das Angewiesen-Sein des Menschen auf Mitmenschen; das
Bedürfnis nach Nähe zu einer Bezugsperson. Je nach
Erfahrungen mit sog. Primären Bezugspersonen
(Verfügbarkeit, Einfühlungsvermögen) entwickelt ein Mensch
ein bestimmtes Bindungsmuster. In einer ‚guten‘ Bindung
sind die Bezugspersonen ein immer erreichbarer
Zufluchtsort, bieten Schutz, Sicherheit, Trost, es entwickelt
sich ein ‚Urvertrauen‘.
Orientierung und Kontrolle
Je nach individueller Erfahrung (v.a.in der frühen
Kindheit) entwickelt der Mensch Grundüberzeugungen
darüber, inwieweit das Leben Sinn macht, ob
Voraussehbarkeit und Kontrollmöglichkeiten bestehen,
ob es sich lohnt, sich einzusetzen und zu engagieren
u.ä. Das Kontrollbedürfnis wird befriedigt durch
möglichst viele Handlungsalternativen
(grosser Handlungsspielraum).
39
Def. motivationale Schemata
!
Der Mensch strebt nach Befriedigung
und Schutz seiner Grundbedürfnisse
Unter dem Einfluss seiner konkreten
Lebensbedingungen entwickelt er der
Befriedigung dienende Annäherungsziele
und dem Schutz dienende
Vermeidungsziele
Sowie Mittel zur Realisierung dieser Ziele
Ziele + Mittel zu ihrer Realisierung
=
Motivationale Schemata
40
Konsistenztheorie im Hinblick auf die
therapeutische Beziehung!
Komplementäre Beziehungsgestaltung
Der Therapeut vermittelt dem Patienten in der
therapeutischen Beziehung positive Wahrnehmungen im Hinblick auf seine wichtigsten
Bedürfnisse.
Er verhält sich komplementär zu den
wichtigsten Zielen und wunden Punkten des
Patienten.!
41
Komplementäre Beziehungsgestaltung!
42
Beziehungsgestaltung als gezielte Intervention bei
narzisstischer Persönlichkeitsstörung in der
allgemeinen Psychotherapie (Znoj, Regli, Ülsmann, 2004) !
43
Fazit und Resumé!
> 
> 
> 
> 
> 
> 
> 
Motivation ist der wichtigste Faktor: Ohne ihn kommt es zu
keinem Veränderungsprozess
Problem: Patienten sind zwar motiviert, aber “widerständig”
Der Widerstand oder die mangelnde Motivation ist aber keine
Persönlichkeitseigenschaft
sondern liegt jedem Veränderungsprozess inhärent zugrunde
Um den Veränderungsprozess zu verstehen muss man auf
die Basisvariablen des menschlichen Funktionierens
zurückgreifen:
Grundbedürfnisse müssen positiv befriedigt werden
Motivationale Gesprächsführung bedeutet, diese
Grundbedürfnisse anzusprechen und mind. teilweise zu
befriedigen
44
Und was es auch noch gibt....
Danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!!
45
46
Herunterladen