Historische Einführung

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Kapitel 1
Einleitung
1.1
Die Entdeckung der chemischen Elemente
Im Verlaufe von rund einhundertfünfzig Jahren, von 1766 bis 1925, gelang der
chemischen Forschung die Auffindung und Charakterisierung aller Bausteine der
irdischen Materie, die als Elemente oder Grundstoffe bezeichnet werden. Abgesehen von den schon im Altertum bekannten elementaren Stoffen – wie Gold,
Silber, Kupfer, Quecksilber, Zinn, Blei, Eisen und Schwefel – wurden die neu
entdeckten chemischen Elemente nach zwei Methoden, entweder durch Spaltung oder Verdrängung, aus geeigneten Verbindungen freigesetzt. Wenn eine
Substanz durch chemische Reaktionen nicht weiter zerlegt werden konnte, wenn
sie bei solchen Operationen nicht mehr an Gewicht abnehmen, sondern nur
unverändert bleiben oder an Gewicht zunehmen konnte, dann war sie als Ele”
ment“ im Sinne des von Robert Boyle geschaffenen Begriffs erkannt. So wurde
z.B. 1766 der Wasserstoff von Cavendish durch Umsetzen von Wasserdampf mit
Eisen nach der Methode der Verdrängung dargestellt:
Fe + H2 O −→ FeO + H2 .
Das Eisen hatte den Wasserstoff verdrängt. Anders verlief einige Jahre später
(1774) die Entdeckung des Sauerstoffs durch Priestley, der das neue Element
nach der Methode der Spaltung aus Quecksilberoxid erhielt:
2 HgO −→ 2 Hg + O2 .
Die obige Definition, wonach nur chemische Eingriffe ein Element unverändert
lassen müssen, paßt sich dem um 1900 erkannten Umstand an, daß ein Element durch spontanen radioaktiven Zerfall oder durch rabiaten physikalischen
Angriff, wie durch Beschuß mit α-Strahlen, Protonen, Neutronen oder sonstigen Teilchen, die auf große Werte der kinetischen Energie beschleunigt wurden,
verändert und bezüglich der Masse ab- oder aufgebaut werden können.
Im Jahr 1800 betrug die Zahl der bekannten Elemente erst 25, im Jahr
1850 waren es schon 59 und im Jahr 1900 schließlich 84. Bis 1925 wurden auf
chemischem Wege 81 stabile und 9 radioaktive Elemente identifiziert, die alle
auf der Erde vorkommen, wenn auch oft nur in Spuren.
Eine gewisse Ordnung in das Mitte des 19. Jahrhunderts bereits gewaltig
angewachsene Erfahrungsmaterial über die Elemente und ihre chemischen Verbindungen wurde 1869 durch die Erkenntnisse von Lothar Meyer und Dimitrij
Mendelejeff gebracht, daß sich die Elemente in ein rechteckiges Schema ein1
2
Kapitel 1. Einleitung
Abbildung 1.1: Dimitrij Iwanovitsch Mendelejeff (1834-1907) (links) und Julius Lothar Meyer (1830-1895) (rechts), die Begründer der Periodentafel der chemischen Elemente
ordnen lassen, in dem sich klare Beziehungen zwischen den Elementen in den
einzelnen Reihen und Spalten finden lassen. Dieses periodische System der Elemente war zum damaligen Zeitpunkt noch mit gewissen Lücken behaftet, da es
zum Zeitpunkt seiner Aufstellung auf nur 60 Elementen basierte. Beispielsweise fehlte noch komplett die Gruppe der Edelgase, von denen damals noch kein
einziges entdeckt war.
Die Tatsache, daß in dem Schema Lücken ausgespart werden mußten, wurde
dahingehend interpretiert, daß noch weitere, bis dahin unentdeckte Elemente
existieren. Medelejeff stellte Prognosen über die Eigenschaften dieser Elemente
auf, die sich aus den Beziehungen zwischen den Elementen in den verschiedenen
Reihen und Spalten ergeben. Es setzte daraufhin eine Jagd nach den fehlenden
Elementen ein, die bis zum Jahr 1925 bis auf zwei verbleibende Lücken im
Periodensystem auch alle gefunden wurden.
Eine wesentliche Einsicht über die Natur der chemischen Elemente beginnt
Ende des 19. Jahrhunderts mit der Erkenntnis, daß Atome durch Abtrennung
von Elektronen aufspaltbar sind. Ein Versuch von Heinrich Hertz (1891) zeigte,
daß Elektronen eine dünne Metallfolie fast ungehindert passieren, während ein
kleiner Teil gestreut wird. Die Zahl der aus ihrer Richtung abgelenkten Elektronen erwies sich bei gleicher Zahl der durchdrungenen Atome als annähernd proportional zur Ordnungszahl des Elements im periodischen System der Elemente
(P. Lennard, 1903). Es wurde gefolgert, daß 1. die Streuung auf der Coulombschen Abstoßung zwischen den durchgehenden Elektronen und den Elektronen
des Atoms beruht, daß 2. deren Anzahl gleich der Ordnungszahl des Elements
ist, und daß 3. die große Zahl der glatt durchgehenden Elektronen auf einer
sehr lockeren Packung der Elektronen im Atom beruht. Da ein Atom elektrisch
neutral ist und die Atomelektronen sich gegenseitig abstoßen, und da die Elektronenmassen sehr viel kleiner als die Atommassen sind, muß ein Atom einen
positiv geladenen Massenanteil enthalten, der fast die gesamte Masse in sich
vereinigt. Dessen Existenz wurde ganz analog durch die beobachtete Streuung
von α-Teilchen beim Durchgang durch Materie nachgewiesen (E. Rutherford,
H. Geiger 1908). Daraus entstand das Rutherfordsche Atommodell: Ein sehr
kleiner, positiv geladener Kern, der fast die gesamte Masse enthält, ist umgeben von Elektronen, deren Anzahl gleich der Anzahl der positiven Ladungen im
1.1. Die Entdeckung der chemischen Elemente
3
100
80
Z
60
40
20
0
0
50
100
150
N
Abbildung 1.2: Nuklidkarte. Z ist die Kernladung und N die Anzahl der Neutronen
im Kern. Die stabilen Isotope sind durch gefüllte Quadrate dargestellt, langlebige
instabile Isotope mit τ1/2 ≥ 103 a durch offene Quadrate.
Kern ist, und diese Anzahl ist gleich der Ordnungszahl des Elements im periodischen System der Elemente. Die Ladungszahl Z des Kerns erweist sich so als
der fundamentale Ordnungsparameter der chemischen Elemente.
Mit der Schaffung der halbklassischen Quantentheorie durch Niels Bohr
(1912) und durch Arnold Sommerfeld und seine Schüler, und mit der Entwicklung der Quantenmechanik durch Werner Heisenberg und Erwin Schrödinger
Ende der 20’er Jahre des 20. Jahrhunderts, konnten die Eigenschaften der Atome der chemischen Elemente quantitativ richtig erklärt werden, und die chemischen Eigenschaften wurden vollständig auf den Aufbau und die Eigenschaften
ihrer Elektronenhüllen zurückgeführt.
Trotz immer genauerer Atomgewichtsbestimmungen gelang es nicht, eine
solche Masseneinheit für die Atome zu finden, mit der die Atomgewichte aller
Elemente ganzzahlige Vielfache dieser Masseneinheit werden, was nahegelegen
hätte, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Kernladung der fundamentale
Ordnungsparameter ist. J.J. Thomson fand dann 1913, daß bei der experimentellen Bestimmung der spezifischen Elementarladung von Neon-Kanalstrahlen
zwei unterschiedliche Massen auftreten, die sich zur Wasserstoffmasse nahezu
wie 20:1 und 22:1 verhielten. Teilchen mit der Masse 20 waren im Ne-Gas wesentlich häufiger als Teilchen mit der Masse 22 enthalten. Da das Atomgewicht
von Ne 20.2 ist, schloß er, daß das natürlich vorkommende Neon aus zwei verschiedenen Atomsorten mit etwas unterschiedlichen Massen besteht, und zwar
zu 90% mit der Masse 20 und zu 10% mit der Masse 22. In einer Reihe von
Arbeiten zeigte F.W. Aston ab 1919, daß fast alle Elemente ein solches Gemisch
unterschiedlicher Isotopen mit verschiedenen Massen darstellen.
4
Kapitel 1. Einleitung
Abbildung 1.3: Arthur Eddington (18821944), erkannte 1919 erstmals, daß die
Energieproduktion in Sternen auf Kernreaktionen beruhen muß
Einige chemische Elemente haben unter ihren Isotopen ein natürliches, auf
der Erde vorkommendes, langlebiges, radioaktives Isotop.
Im Jahre 1932 wurde von J. Chadwick nach vorausgegangenen Versuchen
von W. Bothe und H. Becker, sowie von I. Curie und F. Joliot, die Existenz
des Neutrons aus der Interpretation des Experiments, bei dem Beryllium mit
α-Teilchen beschossen wird, erschlossen. Dabei erhält man nach der Reaktion
9
Be (α, n) 12 C
das zu diesem Zeitpunkt noch unbekannte Neutron, das seine Existenz durch
Streuprozesse an H und N verriet, die dadurch zu ionisierenden Teilchen wurden.
Aus dem Experiment konnte ermittelt werden, daß dieses Teilchen die gleiche
Masse wie ein Wasserstoffkern besitzt, aber elektrisch neutral ist.
Werner Heisenberg hat dann sofort geschlossen, daß alle Atomkerne aus positiv geladenen Protonen und den neutralen Neutronen bestehen. Die Zahl der
Protonen im Kern ist gleich der Ordnungzahl Z im periodischen System der
Elemente und die Zahl der Neutronen ist
N = A−Z,
wobei A das Atomgewicht eines bestimmten Isotops ist. Die einzelnen Isotope
eines Elements unterscheiden sich demnach nur durch die Anzahl der im Kern
enthaltenen Neutronen. Durch diese Entdeckung wurde eine einfache Systematik
in die verwirrenden Vielfalt der chemischen Elemente und ihrer Isotope gebracht.
Sie lassen sich einfach entsprechend ihrer Protonen- und Neutronenzahlen in
ein rechteckiges Schema einordnen, die bekannten Nuklidkarte, die in Abb. 1.2
dargestellt ist.
In diesem Schema belegen die stabilen Kerne ein schmales Band, das bei kleinen Ordnungszahlen der Diagonalen folgt und bei großen Ordnungszahlen sich
zur Seite größerer Neutronen- als Protonenzahlen krümmt. Dies wird dahingehend interpretiert, daß bei großen Kernen die Coulombabstoßung der Protonen
durch eine erhöhte Neutronenzahl kompensiert werden muß.
Seitlich an das Band schließen sich die instabilen Isotope an, wobei Kerne mit
zu großer Neutronenzahl einen β − –Zerfall und Kerne mit zu großer Protonenzahl
einen β + –Zerfall erleiden.
Entsprechend diesem Schema sollte man erwarten, daß die Massen der Isotopen der chemischen Elemente einfach gleich der Summe der entsprechenden
Anzahl von Protonen- und Neutronenmassen seien. Tatsächlich ist dies jedoch
1.1. Die Entdeckung der chemischen Elemente
5
nicht der Fall; die Massen sind generell etwas geringer. Dieser Massendefekt entspricht nach dem Einsteinschen Äquivalenzprinzip von Masse und Energie der
Bindungsenergie, die freigesetzt wird, wenn die entsprechende Anzahl von Protonen und Neutronen zum Kern zusammengefügt wird. Diese Bindungsenergien
sind so groß, daß sie sich zum Teil schon einfach durch eine Wägung bestimmen
lassen!
Die große Energie, die in der Bindung der Kerne enthalten ist, und die für unterschiedlich große Kerne unterschiedlich groß ist, ließ schon frühzeitig die Idee
aufkommen, daß Kernumwandlungen für die Energieerzeugung in den Sternen
verantwortlich sein könnten. Hierauf wiesen bereits im Jahr 1920 Eddington
[11] und Perrin hin, sowie 1929 Atkinson & Houtermans [3] und noch konkreter
Atkinson [4, 5], aber die Kernphysik war zu diesem Zeitpunkt in einem viel zu
rudimentären Status, als daß definitive Schlüsse hätten gezogen werden können.
Mit dem gewaltigen Aufschwung der Kernphysik in den 30’er und 40’er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden dann auch bei Kernumwandlungen eine große
Zahl radioaktiver Isotope der bekannten Elemente erzeugt, die viel zu kurzlebig
sind, als daß sie in der Natur gefunden werden könnten. Es gelang auch, die bis
dahin noch verbliebenen Lücken im periodischen System der Elemente zu schließen: 1937 wurde Technetium (Z = 43), 1941 wurde Promethium (Z = 61), 1940
wurde Astatin (Z = 85) und 1939 wurde Francium (Z = 87) synthetisiert. Keines dieser Elemente besitzt ein stabiles Isotop. Von diesen besitzt Technetium
einige langlebige Isotope mit Halbwertszeiten von 105 . . . 106 Jahren. Technetium wurde 1954 in den Spektren bestimmter Sterne (der S–Sterne) nachgewiesen,
kommt also im Kosmos vor, wenn auch nicht auf der Erde. Die drei anderen Elemente besitzen nur sehr kurzlebige Isotope, sodaß diese Elemente nicht in der
Natur vorzukommen scheinen.
Insgesamt findet man in der Natur alle Massenzahlen von 1 bis 238, ausgenommen die Massenzahlen 5 und 8. Es gibt auf der Erde 280 stabile und
67 natürlich radioaktive Isotope der Elemente. Zusätzlich wurden im Labor bei
Kernreaktionen zahlreiche weitere Isotope mit teilweise sehr kurzen Lebensdauern erzeugt. Insgesamt sind zur Zeit etwa 1 700 verschiedene Kerne bekannt.
Damit waren bis 1941 alle verbliebenen Lücken im periodischen System der
Elemente, wie es Mendelejeff aufgestellt hatte, geschlossen. Eine Erweiterung
des Schemas in Richtung größerer Z schien möglich, nachdem sich die Zusammensetzung der Kerne als ein gebundener Zustand von mehreren Protonen und
Neutronen herausgestellt hatte. In den Jahren 1934/35 glaubten E. Fermi und
seine Mitarbeiter, daß die bei der Bestrahlung von Uran mit Neutronen auftretenden neuen radioaktiven Isotope solche von Transuranen seien. Dies stellte
sich aber als Irrtum heraus, als 1938 O. Hahn und F. Straßmann zeigen konnten,
daß die neu entstandenen Kerne mittelschwere Kerne sind, die durch Spaltung
des Urankerns entstanden waren. Als erste echte Transurane wurden 1940 von
E.M. McMillan und Ph.H. Abelson das Neptunium (Z = 93) und von G.T.
Seaborg und J.W. Kennedy das Plutonium (Z = 94) erhalten. Insgesamt wurden seitdem die Elemente bis Z = 116 hergestellt, die aber auf der Erde nicht
vorkommen. Das längstlebige Isotop eines dieser Transurane ist 244 Pu mit einer
Halbwertszeit von 80 Millionen Jahren. Es gibt Gründe dafür anzunehmen, daß
Plutonium in der Frühzeit der Erde in merklichen Quantitäten auch auf der
Erde vorgekommen, aber in der Zwischenzeit vollständig zerfallen ist.
6
Kapitel 1. Einleitung
O
106
Si
Al
Na
Mg
10
Fe
Ca
K
Ti
3
H
C
100
Mn
P
S
Cl
F
εel
Ar
Mo
100
Sc
Se
10-3
He
Ce
Zn Rb
Cu
Y Nb
Ga
Co
Br
As
Ge
V Cr
Li
N
B
Be
Ba
Sr
Zr
Ni
Sn
J
In
Cd Sb
Ag
Te
Nd
Pb
La
Gd Dy
Pr
ErYb Hf
Sm
Cs
Ta
Eu
W Tl
Tb Ho Lu
Tm
U
Hg
Pd
Pt
Bi
Os Au
Ir
Re
Ne
Ru
Th
Rh
Kr
10-6
Xe
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Z
Abbildung 1.4: Häufigkeiten der Elemente in der Erdkruste in der Normierung, daß
Si die Häufigkeit 106 hat (Daten aus Lide [16]).
1.2
Vorkommen der Elemente auf der Erde
Unsere Kenntnisse von der Materie und den chemischen Elementen erstreckt
sich zunächst nur auf die uns unmittelbar für Laboruntersuchungen zugängliche Oberfläche der Erde, einschließlich der Meere und der Atmosphäre. Die
Häufigkeit der darin enthaltenen Elemente ist ungemein verschieden. Nur wenige davon sind mit einem über 1% hinausgehenden Anteil am Aufbau der uns
zugänglichen Teile der Erde beteiligt. Über die Verbreitung der Elemente an
der Erdoberfläche hat man durch eingehende Analysen ein ziemlich genaues
Bild erhalten. Es ergeben sich die in Tab. 1.1 gelisteten Anteile der Elemente
am Aufbau der Erdkruste. Alle anderen Elemente sind mit weniger als 0.1%
am Aufbau der Erdkruste beteiligt. Diese Häufigkeiten sind in Abb. 1.4 dargestellt; allerdings sind die Zahlenwerte in vielen Fällen kaum mehr als rohe
Schätzungen.
Die Häufigkeitsverteilung der Elemente für den ganzen Erdkörper muß eine ganz andere sein. Da die Dichte der Erdkruste durchschnittlich 2.5 g cm−3
beträgt, die mittlere Dichte der ganzen Erde aber 5.5 g cm−3 , muß der Kern
eine Dichte von ca. 9 g cm−3 haben. Wegen des großen Drucks im Erdinneren
ist die Materie dort merklich komprimiert. Bei p = 1 bar wäre die Dichte ca.
7 g cm−3 , wenn die etwas unsichere Kompressibilität des Materials berücksichtigt wird. Der Anteil der Elemente mit größeren Atomgewichten muß deshalb im
Erdinneren höher als in der Erdkruste sein. Um welche es sich dabei handelt ist
aber durch Untersuchungen der Erdkruste allein nicht festzustellen. Hier hilft
nur eine begründete Theorie der Entstehung der Erde und der Zusammensetzung des ursprünglichen Materials, aus dem die Erde entstanden ist, weiter.
1.2. Vorkommen der Elemente auf der Erde
7
Tabelle 1.1: Anteil der Elemente in Gewichtsprozent am Aufbau der Erdkruste.
Elem.
O
Si
Al
Fe
Gew.Proz.
47.0
28.0
8.0
5.0
Elem.
Ca
Na
K
Mg
Gew.Proz.
3.5
3.0
2.5
2.2
Elem.
H
Ti
Cl
P
Gew.Proz
0.9
0.4
0.2
0.1
Abbildung 1.5: Joseph Fraunhofer (1787 – 1826), der Entdecker der Spektrallinien
in der Sonne
Es gibt eine Möglichkeit, die Chemie von Materie, die ihren Ursprung außerhalb des Erde hat, im Laboratorium zu untersuchen: Die Meteoriten, die
gelegentlich auf die Erde fallen, stammen aus anderen Bereichen des Planetensystems. Es wird heute angenommen, daß es sich dabei um Trümmerstücke
handelt, die bei gelegentlichen Kollisionen von Asteroiden mit Bahnen im Bereich zwischen Mars und Jupiter entstehen. Auch ein Ursprung eines Teils der
Meteoriten außerhalb unseres eigenen Sonnensystems ist prinzipiell nicht auszuschließen, konnte bisher aber für keinen Meteoriten belegt werden.
In den Meteoriten sind fast alle auf der Erde bekannten Elemente nachgewiesen worden. Ihrer Zusammensetzung nach unterscheidet man Steinmeteorite, die
hauptsächlich aus Silikaten und Ca-Al-Verbindungen bestehen, und Eisenmeteorite, die hauptsächlich aus einer Nickel-Eisen Legierung bestehen. Die Häufigkeit
der Elemente in den Meteoriten ist ähnlich der Häufigkeit, wie sie auf der Erde
gefunden wird, sie ist allerdings nicht damit identisch. Die Atomgewichte der in
den Meteoriten gefundenen Elemente sind innerhalb der erreichbaren Genauigkeit identisch mit den irdischen Atomgewichten. Das Mischungsverhältnis der
Isotope in den Meteoriten ist also praktisch das gleiche wie auf der Erde. Das
deutet darauf hin, daß die Materie, aus der die terrestrischen Planeten unseres
Planetensystems entstanden sind, vor der Entstehung der Planeten relativ gut
durchmischt war. Aus dem Gehalt der Meteoriten an radioaktiven Elementen
und den relativen Häufigkeiten von Mutterkernen und Zerfallsprodukten, kann
man das Alter der Meteoriten seit der Erstarrung des Materials auf 4.6 × 109
Jahre bestimmen. Das wird als das Alter des Planetensystems angesehen.
Durch die Landung auf dem Mond ist es inzwischen möglich geworden, auch
Mondgestein im Laboratorium zu untersuchen. Auch dort fanden sich nur die
8
Kapitel 1. Einleitung
Abbildung 1.6: Pater Angelo Secchi (1818-1878) (links oben), Hermann Vogel (18111899) (rechts oben), Edward Charles Pickering (1846-1919) (links unten) und Annie
Jump Cannon (1863-1941) (rechts unten) entwickelten die Spektralklassifikation der
Sterne
auf der Erde bekannten Elemente.
1.3
Vorkommen der Elemente im Kosmos
Eine völlig andere Informationsquelle über die chemischen Elemente stellen die
Sterne dar. Im Jahre 1814 entdeckte Fraunhofer die nach ihm benannten dunklen
Linien im Sonnenspektrum und 1823 konnte er zeigen, daß ähnliche Linien auch
in den Spektren einiger anderer Sterne auftreten. Er bemerkte auch schon Unterschiede in den Spektren verschiedener Sterne. Die daraufhin einsetzende Beobachtung der Sternspektren, zunächst noch mit reinen Okularbeobachtungen mit
bloßem Auge, führte zu der Erkenntnis, daß sich die Sterne nach der Beschaffenheit ihrer Spektren in unterschiedliche Klassen einteilen lassen. Dies führte
1866 zur Aufstellung eines ersten Schemas zur Spektralklassifikation der Sterne
durch Pater A. Secci, die 1874 durch H.C. Vogel wesentlich verbessert wurde. Einen wesentlichen Aufschwung erfuhr die Spektroskopie der Sterne durch
die Einführung der photographischen Platte durch Huggins, Vogel und Pickering. Diese Bemühungen gipfelten in der Ende des 19. Jahrhunderts von E.
Ch. Pickering und Anny J. Cannon eingeführten Harvard Spektralklassifikation
der Sterne, die ihre endgültige und noch heute gültige Form 1943 durch W.W.
Morgan, P.C. Keenan und E. Kellman fand (MKK–Klassifikation [19]).
Unter der Spektralklassifikation versteht man eine Einteilung der Sterne nach
dem Aussehen ihrer Spektren. Diese Klassifikation stellt einen Kompromiß dar.
Einerseits soll sie so einfach sein, daß man mit möglichst geringem Aufwand
möglichst schnell möglichst viele Sterne klassifizieren kann, andererseits soll sie
1.3. Vorkommen der Elemente im Kosmos
9
doch so differenziert sein, daß ein Stern durch die Angabe seines Spektraltyps
in seinen wichtigsten Eigenschaften charakterisiert ist. Es hat sich gezeigt, daß
für über 99 % Prozent aller Sterne dies durch ein zweidimensionales Klassifikationsschema erreicht werden kann, und zwar durch Angabe des Spektraltyps
und der Leuchtkraftklasse.
In der Harvard Klassifikation werden die Sternspektren in eine einfache Sequenz von Sternspektren eingeordnet und durch große Buchstaben gekennzeichnet:
O–B–A–F–G–K–M–L
Zirka 99% aller Sterne gehören zu einer der Spektraltypen O – L. Es hat
sich herausgestellt, daß die Eigenschaften dieser Sequenz im wesentlichen durch
die Temperatur der Sternoberfläche bestimmt werden: von heißen Sternen mit
T>
∼ 40 000 K bei O-Sternen bis herunter zu T ≈ 2 500 K bei M-Sternen und noch
darunter bei der neuen Klasse L für die Braunen Zwerge. Einige seltene, aber
auffällige Sondertypen sind die Typen
R – N und S
Die Typen R und N werden auch als C-Sterne klassifiziert. Diese Typen sind
in ihren sonstigen Eigenschaften etwa parallel zu den Spektralkassen K – M
einzuordnen. Eine zweite Gruppe von Sondertypen sind die Spektraltypen
WN – WC ,
die nach ihren sonstigen Eigenschaften etwa parallel zu den O und B Sternen
einzuordnen sind.
Sterne können bei gleicher Oberflächentemperatur (also auch gleichem Spektrum) noch sehr unterschiedliche Leuchtkräfte haben, also auch sehr unterschiedliche Radien. Der geringe Druck in den äußeren Schichten von Riesensternen führt zu wesentlich schärferen Spektrallinien. Das erfordert eine zweite
Klassifikation der Sterne nach den Leuchtkraftklassen, die mit römischen Zahlen
bezeichnet werden:
V – IV – III – II –Ib – Ia
Die Sterne der Leuchtkraftklasse V sind Zwerge, die der Leuchtkraftklasse Ia
sind helle Überriesen.
Die Interpretation der Eigenschaften der Sternspektren begann mit der Einführung der Spektralanalyse durch R.W. Bunsen im Jahre 1855. Die Färbung
von Flammen zu analytischen Zwecken durch Einbringung bestimmter chemischer Verbindungen war in Europa schon im 18. Jahrhundert bekannt. Sie wurde
erstmals 1758 durch A.S. Marggraf zur chemischen Unterscheidung von Stoffen
verwendet. Um die hierbei auftretenden Farben eindeutiger unterscheiden zu
können, zerlegten J. Herschel und W.H.F. Talbot das Licht der Flamme mit
einem Prismenspektrographen. Talbot konnte so 1834 die roten Linien von Lithium und Strontium unterscheiden. Durch die Verbesserung der Konstruktion
des Bunsenbrenners gelang dann Bunsen die Herstellung einer praktisch farblosen Flamme, die diese Art der Untersuchung nicht mehr durch ihre Eigenfarbe störte. Gemeinsam mit Kirchhoff entwickelte er das erste Spektroskop und
konnte zeigen, daß das Emissions- und Absorptionsspektrum für jedes chemische Element charakteristisch ist. Im Jahre 1860 zeigte Bunsen dann, daß mit
dieser Methode neue, bis dahin noch unbekannte Elemente identifiziert werden
können, indem er mit spektralanalytischen Methoden Cäsium und Rubidium
entdeckte.
10
Kapitel 1. Einleitung
Abbildung 1.7: Robert Bunsen (1811-1899) (links) und Gustav Robert Kirchhoff
(1824-1887) (rechts) entwickelten die Spektralanalyse der chemischen Elemente
Bereits 1859 hatten Kirchhoff und Bunsen die Deutung der Fraunhoferlinien
im Sonnenspektrum entdeckt: Es sind einfach Absorptionslinien von Elementen, die auch schon auf der Erde bekannt waren. Dies wurde dann auch rasch
bei anderen Sternen festgestellt. Später kam zur Identifikation von Atomlinien
noch die Identifizierung von Molekülen durch ihre Absorptionsbanden als weitere Methode zur Bestimmung der chemischen Zusammensetzung von kosmischen
Objekten hinzu. Es haben sich dabei immer nur die von der Erde her bekannten
chemischen Elemente nachweisen lassen.
Gelegentlich tauchten aber zwischenzeitlich immer wieder einmal Vermutungen auf, daß in Sternen auch bis dahin auf der Erde unbekannte Elemente
existieren könnten. So zum Beispiel im Fall des Heliums, dessen Linien 1868
bei einer Sonnenfinsternis im Sonnenspektrum entdeckt wurden und das seinen
Namen erhielt, weil seine Existenz zunächst nur für die Sonne belegt werden
konnte. Ramsey hat dann 1895 entdeckt, daß dieses Element auch in Uranmineralien vorkommt. Ein anderer Fall war das zunächst mysteriöse Nebulium,
ein hypothetisches Element, dessen Linien man in Gasnebeln (Planetarischen
Nebeln) entdeckt zu haben glaubte. Von diesen stellte sich dann später heraus,
daß sie zu verbotenen Übergängen von Stickstoff und Sauerstoff gehören, die im
Laboratorium wegen immer viel zu hoher Gasdrucke (selbst beim besten Vakuum) nicht experimentell nachgewiesen werden können. Sterne und alle anderen
kosmischen Objekte sind aus den gleichen chemischen Elementen aufgebaut,
die auch auf der Erde vorkommen, entweder natürlichen oder anthropogenen
Ursprungs.
Es sind aber nicht alle Elemente, die von der Erde her bekannt sind, in den
Sternen gefunden worden. In der Sonne sind z.B. nur 67 der 81 stabilen Elemente
sicher nachgewiesen worden. Bei den nicht gefundenen Elementen handelt es sich
aber um solche, die auch auf der Erde nur in sehr kleinen Mengen vorkommen.
Daß diese Elemente auf der Sonne nicht nachzuweisen sind liegt demnach nicht
daran, daß diese Elemente dort tatsächlich nicht vorkommen, sondern an dem
Umstand, daß die Linien dieser Elemente wegen geringer Häufigkeit durch die
stärkeren Linien der häufigeren Elemente überlagert werden und daher nicht
mehr eindeutig im Spektrum identifizierbar sind. Entsprechendes ist dann auch
für alle anderen Sterne anzunehmen.
1.3. Vorkommen der Elemente im Kosmos
11
Abbildung 1.8: Henry Norris Russell (1877-1957) (links) und Albrecht Otto Johannes
Unsöld (1905-1995) (rechts), die Begründer der Spektralanalyse der Sterne
Die Häufigkeiten der chemischen Elemente in den Sternen müssen aus einer eingehenden Analyse ihrer Spektren erschlossen werden. Form und Stärke
der Absorptionslinien im Spektrum enthält Informationen über die vorhandenen Elemente, gegebenenfalls auch der Moleküle, und ihre Häufigkeiten, über
die Druckverhältnisse in der Schicht, in der das beobachtete Sternspektrum
entsteht, und über die Temperatur und deren vertikale Schichtung in der Atmosphäre. Durch umfangreiche Modellberechnungen, in denen man synthetische
Spektren berechnet und mit beobachteten Spektren vergleicht und in denen man
die grundlegenden Parameter — wie Schwerebeschleunigung, Effektivtemperatur, Häufigkeiten der chemischen Elemente usw. — so lange variiert, bis optimale Übereinstimmung erzielt ist, lassen sich die Häufigkeiten der chemischen
Elemente in den Sternen bestimmen. Es ergibt sich im wesentlichen folgendes
Bild:
1.) In praktisch allen Sternen sind Wasserstoff und Helium die beiden häufigsten Elemente. H Atome stellen ca. 90% aller vorkommenden Teilchen, He ca.
10%. Es gibt nur eine verschwindend kleine Zahl von Sternen, die praktisch
keinen Wasserstoff in der Atmosphäre enthalten. In diesen ist He das häufigste
Element.
2.) Alle anderen Elemente zusammen stellen ca. 1
aller vorkommenden
Teilchen bzw. 1%. . . 2% der gesamten Massendichte.
3.) Von diesen stellen die acht Elemente C, N, O, Ne, Mg, Si, S, Fe praktisch
den gesamten Teil aller schweren Elemente. Alle anderen Elemente haben nur
sehr geringe Häufigkeit.
4.) Der relative Anteil der Elemente schwerer als Helium an der gesamten
Massendichte ist nicht ganz konstant. Es gibt auch Sterne mit sehr kleinen sog.
Metallhäufigkeiten“. Der Anteil der schweren Elemente scheint abzunehmen,
”
je weiter der Zeitpunkt der Entstehung der Sterne zeitlich zuück liegt.
5.) Die relativen Häufigkeiten der schweren Elemente untereinander sind für
die Mehrzahl der Sterne innerhalb relativ enger Grenzen fast überall die gleichen. Es scheint so etwas wie eine universelle Häufigkeitsverteilung der schweren
Elemente zu geben. Diese Häufigkeitsverteilung ist in Abb. 1.9 dargestellt.
Abweichungen von dieser Häufigkeitsverteilung werden in bestimmten Sterntypen beobachtet, hauptsächlich in den raren Sterntypen der Spektralklassen S,
C (auch gelegentlich M-Riesen) einerseits und WN, WC andererseits, sowie in einigen mit diesen Sternen verwandten Typen. Chemische Anomalien werden auch
bei manchen Sternen im Bereich der Spektraltypen A und F auf der Hauptreihe
beobachtet, und nicht zuletzt bei explosiven Vorgängen.
Man erklärt die Abweichungen von der Standardverteilung der chemischen
‡
12
Kapitel 1. Einleitung
12
H
He
10
O
C
Ne
8
Si
Mg
N
Fe
S
εel
Ar
Ca
Al
Na
6
P
F
4
Ni
Cr
Ti Mn
Cl
V
Li
B
Sc
2
Be
0
0
10
Zn
Co
K
20
Cu
Ge
Se
Kr
Sr
Zr
Xe
Ga
Mo Pd SnTe Ba
Pb
Br
Ru Cd
Ce
As Rb
Pt
Dy
Nd
Os
Yb
Y
Gd
Hg
Sm
Er Hf
J
Nb
W Ir
Ag
La
Rh InSb Cs
Au Tl Bi
Pr
Eu Ho
Tb
Lu Re
Tm Ta
30
40
50
60
70
80
Th
U
90
100
Z
Abbildung 1.9: Häufigkeitsverteilung der Elemente im Sonnensystem (dekadischer
Logarithmus), wie sie aus der Analyse des Sonnenspektrums und den Häufigkeitsbestimmungen in Meteoriten folgt. Die Häufigkeit ist in der astronomischen Häufigkeitsskala angegeben, in der H die Häufigkeit 12 erhält. Diese Häufigkeitsverteilung wird als
repräsentativ für die Häufigkeitsverteilung der Elemente von Pop I Sternen angsehen.
(Daten nach Tab. 6.1)
Elemente heute im Fall der Riesensterne (M, S, C) mit Beimischung von Brennprodukten aus dem Sterninneren zur Materie in der sichtbaren Photosphäre
durch Mischungsvorgänge, im Fall der WN, WC Sterne durch Verlust der äußeren Schichten des Sterns durch einen Sternwind, der angebranntes Material aus
dem Sterninneren freilegt, und im Fall der A, F Sterne mit chemischen Besonderheiten durch Entmischungsvorgänge unter dem Einfluß von Schwerefeld und
Strahlungsdruck.
Die Information über die kosmische Häufigkeit der chemischen Elemente
mit großen Ordnungszahlen Z stammt nicht in allen Fällen aus der Analyse von
Sternspektren. Vielmehr wurden hier Laboranalysen der Häufigkeit der chemischen Elemente in einer bestimmten Klasse von Meteoriten, den sog. kohligen
Chondriten herangezogen. Diesem Vorgehen liegt folgendes Zugrunde: In diesem
Typ von Meteoriten entspricht die relative Häufigkeit derjenigen Elemente, die
zu schwer flüchtigen Festkörpern mit hohen Schmelz- und Siedepunkten kondensieren, praktisch vollständig den Häufigkeitsverhältnissen in der Sonne, sofern
sie dort spektroskopisch bestimmt werden können. Dies deutet darauf hin, daß es
sich bei den kohligen Chondriten um Restmaterial aus der Zeit der Entstehung
der Sonne und des Planetensystems handelt. Deswegen wird angenommen, daß
auch bei denjenigen Elementen, deren Häufigkeit auf der Sonne nicht oder nur
sehr ungenau bestimmt werden können, die Häufigkeiten relativ zu den anderen
Elementen die gleichen wie bei den kohligen Chondriten sind. Da die Sonne ein
typischer Durchschnittsstern ist, dessen Häufigkeiten der schweren Elemente re-
1.3. Vorkommen der Elemente im Kosmos
1012
108
ε (A)
104
100
10-4
10-8
0
50
100
150
200
250
A
Abbildung 1.10: Häufigkeitsverteilung der stabilen und der sehr langlebigen radioaktiven Kerne mit Massenzahl A im Sonnensystem, wie sie aus
der Analyse des Sonnenspektrums und den Häufigkeitsbestimmungen in Meteoriten folgt. Die Häufigkeit ist in der Häufigkeitsskala angegeben, in
der Si die Häufigkeit 106 erhält.
13
14
Kapitel 1. Einleitung
lativ zueinander die gleichen wie bei den allermeisten anderen Sterne sind, falls
diese aus dem Spektrum ermittelt werden können, werden die Häufigkeiten der
selteneren schweren Elemente in den kohligen Chondriten als repräsentativ für
die Standardhäufigkeiten im Kosmos angesehen. Das stellt natürlich eine starke – wenn auch durch viele andere Ergebnisse gestützte – Extrapolation dar.
Glücklicherweise hängen aber Erwägungen zum Aufbau und der Entwicklung
der Sterne nicht von dieser Hypothese ab.
Die erste vollständige und zuverlässige Tabelle über die kosmische Häufigkeit
der Elemente wurde dann 1956 von Hans Suess und Harold Urey erstellt, die
den Ausgangspunkt für alle weiteren Untersuchungen über die Chemie im Kosmos und die Entstehung der chemischen Elemente bildete. Schon die Vorläufer
dieser Tabelle, ebenfalls von Suess und Urey erstellt, ließen schon klar die magischen Zahlen 2, 8, 10, 20, 28, 50, 82 und 126 erkennen. Ausgehend von dieser
Feststellung wurde bekanntlich 1950/52 von Maria Meyer und Hans Jensen das
Schalenmodell des Atomkerns entwickelt.
1.4
Die Entstehung der chemischen Elemente
Die große Einheitlichkeit der Elementhäufigkeiten in den Sternen, abgesehen
von den wenigen Fällen merklicher Abweichung in nicht sehr häufigen Sterntypen, ließ früh die Idee aufkommen, daß die Elemente im Kosmos durch einen
einheitlichen Prozeß entstanden sind. Ernsthaft wurden eigentlich immer nur
zwei Möglichkeiten in Betracht gezogen:
1. Gleichzeitige Entstehung aller Elemente zu einem Anfangszeitpunkt in einem Objekt extrem hoher Masse, Dichte und Temperatur (z.B. Urknall).
Die heutigen Brennprozesse in Sternen sollten danach nur noch die Umwandlung von H in He, von He in C und eventuell einige andere leichte
Elemente betreffen.
2. Entstehung der Elemente in Sternen bei Brennprozessen, in denen alle
schweren Elemente letztendlich aus Wasserstoff aufgebaut werden, wobei
die freigesetzte Bindungsenergie die Energieabstrahlung der Sterne speist.
Zunächst wurde ganz überwiegend die Hypothese favorisiert, daß die chemischen Elemente alle zu einem frühen Zeitpunkt gemeinsam gebildet wurden.
Die scheinbare Gleichförmigkeit der Häufigkeitsverteilung der chemischen Elemente veranlaßte viele Physiker, im Rahmen der Kosmologie nach einem Satz
von Anfangsbedingungen zu suchen, die die heute beobachtete Häufigkeitsverteilung ergeben.
Ein erheblicher Teil der frühen Anstrengungen konzentrierten sich auf Gleichgewichtsbetrachtungen. Es wurde angenommen, daß die Materie im Universum
zu einem frühen Zeitpunkt in einem Zustand mit hoher Dichte und Temperatur
versammelt war. Unter diesen Umständen laufen Kernreaktionen sehr rasch ab
und es stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein. Die relativen Häufigkeiten der
verschiedenen Kerne in einem Zustand mit bestimmter Dichte und Temperatur kann dann mit den Methoden der statistischen Mechanik berechnet werden, wenn die Energien und die Spins des Grundzustands und der angeregten
Zustände der Kerne bekannt sind. Solche Theorien der Entstehung der chemischen Elemente leiden unter der Schwierigkeit, daß die Gleichgewichtsverteilung
1.4. Die Entstehung der chemischen Elemente
15
Abbildung 1.11: Georgi Antonovich (George) Gamow (1904-1968) legte die Grundlagen für die Theorie der nuklearen Brennprozesse
der Kerne in einem bestimmten Zustand ziemlich scharf um ein bestimmtes
Maximum herum verteilt sind. Für eine Temperatur von einigen 109 K und eine
Dichte von der Größenordnung von 106 g cm−3 sagt die statistische Gleichgewichtsverteilung voraus, daß die Kerne im Bereich des Eisens ein Maximum in
der Häufigkeitsverteilung aufweisen. Das ist in Übereinstimmung mit der beobachteten Häufigkeitsverteilung, aber gleichzeitig sagt die statistische Theorie
einen schnellen Abfall der Verteilung bei den schweren Elementen voraus, was
der Beobachtung kraß widerspricht (Abb. 1.10). Es wurden dann verschiedene
Anstrengungen unternommen, massive Sternmodelle“ zu konstruieren, die eine
”
passende Temperatur und Dichteschichtung aufweisen, sodaß in diesen die beobachtete Häufigkeitsverteilung der Kerne gebildet wird. Solche Modelle leiden
unter der zusätzlichen Schwierigkeit, daß es unmöglich erschien, solche Modelle
genügend schnell abzukühlen, um die Elementhäufigkeiten entsprechend den ursprünglichen Dichten und Temperaturen einzufrieren. Gewisse Elemente solcher
Theorien haben aber in der heute akzeptierten Theorie der Elemententstehung
überlebt in der Form des sog. e-Prozesses“, der für die Bildung der Elemente
”
in der Umgebung der Eisenspitze verantwortlich ist.
Eine andere, 1948 von Alpher, Bethe und Gamow entwickelte Theorie ging
von der Vorstellung aus, daß der Anfangszustand der Materie ein kaltes, komprimiertes Neutronengas ist. Die Expansion des Gases nach einer anfänglichen
Explosion würde einen Zerfall eines Teils der Neutronen in Protonen und Elektronen zur Folge haben und nachfolgender Neutroneneinfang würde dann alle
schweren Elemente aufbauen. Das Problem dieser Theorie besteht allerdings
darin, daß es keine Kerne mit den Massenzahlen 5 und 8 gibt, sodaß schwerere Kerne mit Massenzahlen größer als 4 nicht durch Neutroneneinfang allein
aufgebaut werden können. Im Verlaufe der weiteren Entwicklung dieser Theorie
wurde aber 1956 von F. Hoyle entdeckt, daß die Elementhäufigkeiten schwerer
Kerne dann besonders groß sind, wenn diese kleine Einfangquerschnitte für Neutronen haben. Es kommt gewissermaßen zu einem Stau bei diesen Kernen, wenn
sie durch Neutronenanlagerung aufgebaut werden. Dies machte klar, daß Neutroneneinfang ein wichtiges Element beim Aufbau der schweren Kerne darstellt.
Teile dieser Theorie haben deswegen auch in der heute akzeptierten Theorie in
Form der sog. s- und r-Prozesse überlebt.
Andere Vorschläge, die in der Zeit kurz vor 1950 diskutiert wurden, haben
sich als unhaltbar herausgestellt.
Die Idee, daß die Elemente nicht in einem kurzen Ereignis im Zusammenhang mit der Entstehung des Kosmos gebildet wurden, sondern sukzessive bei
16
Kapitel 1. Einleitung
9
Bindungsenergie/Nukleon
8
7
6
5
4
3
2
1
0
0
50
100
150
200
250
A
Abbildung 1.12: Bindungsenergie pro Nukleon in Abhängigkeit von der Massenzahl
A, der Anzahl der Nukleonen in einem Kern.
Brennprozessen und explosiven Ereignissen im Verlaufe der Sternentwicklung,
entstand allmählich im Zusammenhang mit der Aufklärung der Energieerzeugungsprozesse in den Sternen. Die Bestimmung des Alters der Erde mittels der
Häufigkeit von Zerfallsprodukten relativ zu ihren radioaktiven Mutterkernen
(z.B. in dem Zerfall U → Pb) ergab als Alter mehrere Milliarden Jahre. Das
erfordert eine Energiequelle für die Sonne, die für viele Milliarden Jahre den
Energieverlust durch Abstrahlung deckt. Hierfür kommen nur Fusionsprozesse
von leichten Kernen in Frage, da nur diese mit der benötigten Häufigkeit in
der Sonne vorhanden sind. Hierauf wies bereits 1919(!) A.S. Eddington hin1 .
Die Bindungsenergien pro Nukleon in Kernen ist in Abb. 1.12 dargestellt. Die
ergiebigste Quelle ist ganz offensichtlich die Fusion von H zu He
4 1 H −→ 4 He , ∆E = 6.7 MeV/Teilchen,
da hierbei der größte Betrag an Bindungsenergie freigesetzt wird. Fusion von
He zu schwereren Kernen bis hin zum Eisen setzt nur noch einen Bruchteil
der Energie frei, die bei der Fusion im ersten Schritt gewonnen werden kann
(∆E ≈ 2 MeV/Teilchen). Das Problem bestand nur darin, daß wegen der starken Coulombabstoßung die Kerne einander nicht nahe genug kommen, um miteinander reagieren zu können, es sei denn, daß extrem hohe Temperaturen im
Sterninneren angenommen werden, die aber mit der Theorie des Aufbaus hydrostatischer Gaskugeln nicht vereinbar sind. Dieses Problem löste sich durch
Gamows Theorie des Tunneleffekts [12], wie Atkinson & Houtermans [3] 1929
zeigen konnten, und Bethe & Critchfield [7] konnten dann 1938 zunächst die
Rate der Starterrektion
1
1 Das
H (p, β + ν) 2 H
hohe Alter der Erde, das sich aus radioaktiven Datierungen ergibt, war zu diesem
Zeitpunkt noch nicht bekann. Eddington argumentierte mit der hohen Konstanz der Pulsationsperioden von Cepheiden, daß die Entwicklungszeitskalen der Sterne viel länger sind
als die Helmholtz-Kelvin Kontraktionszeit, die damals als Entwicklungszeitskala der Sterne
betrachtet wurde
1.4. Die Entstehung der chemischen Elemente
17
Abbildung 1.13: Hans Albrecht Bethe (1906-2005) (links) entwickelte die Theorie
des Wasserstoffbrennens in Sternen. Carl Friedrich von Weizsäcker (1912- ) (rechts)
erkannte die katalytische Wirkung von C beim Wasserstoffbrennnen
für das Wasserstoffbrennen, und 1939 konnte Bethe [6] dann auch die Energieerzeugungsrate durch den p-p-Prozeß berechnen
1
H (p, β + ν) 2 H (p, γ) 3 He (3 He, 2p) 4 He .
1937/38 konnte von Weizsäcker [26, 27] und 1939 auch Bethe [6] zeigen, daß als
zweiter Prozeß die katalytische Reaktion mit 12 C ebenfalls als Brennprozeß im
Sterninneren ablaufen kann:
12
C (pγ) 13 N (β + ν) 13 C (p, γ) 14 N (p, γ) 15 O (β + ) 15 N (p, α) 12 C.
Dies ist der sog. Kohlenstoff-Stickstoff-Zyklus. Damit waren die wichtigsten
Brennprozesse in Sternen identifiziert. Mit gewissen Erweiterungen stellen sie
die auch heute noch gültige Theorie der Energieerzeugung in Sternen dar.
Damit war gesichert, daß in Sternen Kernreaktionen ablaufen, aber es war
zunächst noch keineswegs klar, daß an das Wasserstoffbrennen anschließende
weitere Brennprozesse zum Aufbau aller schweren Kerne, die in der Natur gefunden werden, beitragen können. Ein erster Versuch, die Entstehung der Elemente durch Kernreaktionen in Sterne zu erklären, wurde 1931 von Atkinson
[4, 5] unternommen. Wegen der erst wenig entwickelten Kenntnisse über Kerne
waren diese Versuche aber noch nicht erfolgreich und die Frage, ob Elemente in
Sternen synthetisiert werden, blieb lange offen.
Daß tatsächlich eine Synthese schwerer Elemente in Sternen stattfindet, wurde erst 1952 den Astronomen und Physikern schlagartig klar, als Merrill [18] im
Spektrum eines Sterns starke Linien von Tc nachweisen konnte. Tc Linien in
den Spektren einiger Sterne sind in Abb. 1.14 gezeigt. Die kurze Halbwertszeit des längslebigsten Isotops 99 Tc, das in Sternen gebildet werden kann, von
4.2 × 106 Jahren erforderte zwingend, daß das Tc in diesem Stern gegenwärtig
gebildet wird oder vor kurzem gebildet wurde, weil S-Sterne alte Sterne am Ende
ihrer Lebensdauer sind. Genügend energiereiche Prozesse, bei denen dieses Element durch Kernreaktionen in der Sternatmosphäre gebildet werden könnten,
kommen in der Atmosphäre eines kühlen Riesensterns nicht vor. Das Tc muß
deswegen im Sterninneren gebildet werden. Die Existenz von Tc legt dann nahe,
daß neben Tc auch andere Elemente, die in S-Sternen häufiger als in normalen
Sternen sind, ebenfalls im Sterninneren synthetisiert werden. Dies zeigt, daß
wenigstens in bestimmten Sternen auch heute noch schwere Elemente gebildet
18
Kapitel 1. Einleitung
Abbildung 1.14: Oberes Bild: Das untere Spektrum zeigt Spektrallinien des Elements
Tc in dem berriesen R And, einem S Stern auf dem AGB. Das obere Spektrum zum
Vergleich das Spektrum von 56 Leo, einem normalen M Riesen. Unteres Bild: Mikrophotometerregistrierung von Tc Linien in den Spektren einiger S und C Sterne: R And
(S6,6e; LpV), Rs Cnc (M6S; irr), HD 35155 (S4,1; nicht variabel), ρ Per (M4II-III, als
Vergleichsstern), UU Aur (C5,5; SR) TX Psc (C6,2; irr). (Aus Peery [20])
werden.
Diese Entdeckung wurde ergänzt durch die Feststellung von Aller und Chamberlain (1951), sowie von Burbidge und Burbidge (1956), daß es ganz allgemeine Häufigkeitsunterschiede zwischen verschiedenen Klassen von Sternen in dem
Sinne gibt, daß das Verhältnis der Häufigkeit der Elemente mit Z > 2 zur Wasserstoffhäufigkeit mit dem Zeitpunkt der Bildung des Sterns seit der Entstehung
der Galaxis zunimmt. Dies war ein eindeutiger Hinweis darauf, daß die schweren
Elemente nicht in einem einzigen Anfangsereignis gebildet wurden, sondern erst
allmählich im Zusammenhang mit den Prozessen der Energierzeugung im Sterninneren und in den späten Phasen der Sternentwicklung, in denen es teilweise
zu explosiven Prozessen kommt.
Damit wurde auch verständlich, warum manche Sterne eine vom Normalfall
abweichende Häufigkeit aufweisen. Bei diesen wird einfach Material, daß an
Brennprozessen im Sterninneren teilgenommen hat, an der Oberfläche sichtbar,
sodaß die veränderten Elementhäufigkeiten im Spektrum sichtbar werden.
Etwa um die gleiche Zeit (Mitte der 50’er Jahre des 20. Jahrhunderts) wurde
auch klar, daß der Verlust von Masse entweder durch einen stetigen Sternwind
oder durch explosive Prozesse (Novae, Supernovae) ein Prozeß ist, den wahrscheinlich alle Sterne im Verlaufe ihrer Existenz in einer oder mehreren Phasen
1.4. Die Entstehung der chemischen Elemente
19
Abbildung 1.15: William Fowler (1911-1995) (links) und Fred Hoyle (1915-2001)
(rechts) haben die Theorie der Nukleosynthese in Sternen entwickelt
der Sternentwicklung durchmachen. Auf diese Weise gelangt Material aus dem
Sterninneren in das interstellare Medium mitsamt der Elemente, die in den verschiedenen Brennprozessen aufgebaut wurden. Sterne, die aus diesem Material
neu gebildet werden, haben dann eine größere Häufigkeit der schweren Elemente
als die Generation ihrer Vorgänger.
Diese Feststellungen legten ein einfaches Bild für die galaktische chemische
Evolution nahe: Es wird angenommen, daß das ursprüngliche Gas, aus dem
sich eine Galaxie bildet, nur aus H und eventuell etwas He besteht. Die ersten
Sterne bestehen nur aus diesen Elementen. In den ersten Sternen werden die
ersten schweren Elemente aufgebaut, die schließlich bei Massenverlustprozessen
an die interstellare Materie abgegeben werden. Nachfolgende Sterngenerationen
haben dann eine mit zunehmendem Alter der Galaxie allmählich zunehmende
Häufigkeit der schweren Elemente. Die ältesten Sterne, die man bisher gefunden hat, haben eine Häufigkeit der schweren Elemente, die mehr als 10−4 mal
kleiner als in der Sonne ist. Solche Sterne sind aber sehr selten. Die meisten der
metallarmen“ Sterne der sog. Population II haben 10−2 . . . 10−1 mal kleinere
”
Häufigkeiten als die Sonne. Sehr junge Sterne (O, B), die erst innerhalb der
letzten paar Millionen Jahre entstanden sind, haben eine ca. zweimal größere
Häufigkeit der schweren Elemente als die Sonne.
Diese Entwicklungen in der Theorie der Elementsynthese kulminierten 1957
in der Veröffentlichung der Arbeit “Synthesis of the Elements in Stars” durch
Burbidge, Burbidge, Fowler und Hoyle [8], in der eine schlüssige und auch sofort allseits akzeptierte Theorie entwickelt wurde, wie die chemischen Elemente durch Kernreaktionen im Inneren von Sternen aufgebaut werden. In dieser
Theorie wurden insgesamt acht verschiedene Prozesse postuliert, durch die die
Gesamtheit aller Kerne im Kosmos aufgebaut werden. Dies sind die in Tabelle
1.2 aufgelisteten Prozesse.
Diese Theorie konnte mit Ausnahme von Li, Be, B in befriedigender Weise die
Entstehung der Elemente und die Details der Häufigkeiten der Elemente im Kosmos erklären. Sie ist, mit beträchtlichen Verbesserungen und Erweiterungen, die
heute allgemein akzeptierte Theorie der Entstehung der chemischen Elemente.
Ein Element der zeitweilig diskutierten Entstehung der Elemente zu einem
Anfangszeitpunkt wurde wieder aufgegriffen, als F. Hoyle 1964 darauf hinwies,
20
Kapitel 1. Einleitung
Tabelle 1.2: Wesentliche Prozesse der Elementsynthese im Kosmos
Wasserstoffbrennen
Heliumbrennen
α-Prozeß
e-Prozeß
s-Prozeß
:
:
:
:
:
r-Prozeß
:
p-Prozeß
:
X-Prozeß
:
4 H → 4 He (und weitere Kerne)
3 4 He → 12 C (und weitere Kerne)
von 20 Ne bis 48 Ti
Elemente bis zur Eisenspitze
langsamer Neutroneneinfang und Aufbau der
Kerne von 56 Fe bis 209 Bi
schneller Neutroneneinfang und Aufbau der
Kerne bis Pu und darüber hinaus
Einfang von Protonen, der einige sehr protonenreiche Kerne erzeugt (inzwischen stark modifiziert)
unbekannter Prozeß (damals), der Li, Be, B erzeugt
daß das in den Sternen vorhandene Helium nicht vollständig durch Wasserstoffbrennen in den Sternen erzeugt worden sein kann. Das Alter des Kosmos
ist dafür zu gering. Nachdem zu diesem Zeitpunkt auch die Vorstellung des Urknalls entwickelt worden war, konnten 1967 Wagoner, Fowler & Hoyle [24] durch
eine Modellrechnung zeigen, daß beim Urknall gerade die zu erwartende Menge
He erzeugt wird, die zusammen mit der seit diesem Zeitpunkt durch Brennprozesse erzeugten Menge Heliums die heutige Heliumhäufigkeit ergibt. Zusätzlich
wird im Urknall auch eine gewisse Menge 2 H erzeugt, dessen Ursprung im Kosmos durch die ursprüngliche Theorie von Burbidge, Burbidge, Fowler & Hoyle
[8] nicht befriedigend erklärt werden konnte. Außerdem werden im Urknall noch
Spuren von 7 Li erzeugt. Wegen der extrem kurzen Lebensdauern von Kernen
mit den Massenzahlen 5 und 8 können aber keine schweren Elemente im Urknall
erzeugt werde, wie derartige Modellrechnungen ganz klar gezeigt haben.
Der heutige Gehalt des Kosmos an chemischen Elementen wird nach der
gegenwärtig vorherrschenden Vorstellung durch folgende Prozesse bestimmt:
1. Aufbau leichter Kerne bis 7 Li im Urknall.
2. Synthese schwerer Kerne bei Brennprozessen (stetig oder explosiv) in Sternen.
3. Massenverlust an das interstellare Medium (Sternwind oder Explosion).
4. Transport und Mischungsvorgänge im interstellaren Medium, Homogenisierung der Produkte aus unterschiedlichen Quellen.
5. Sternentstehung aus dem interstellaren Medium.
Insgesamt findet in der Galaxis ein permanenter Kreislauf der Materie zwischen
den Sternen und der interstellaren Materie statt. Ein Teil der Materie scheidet durch die Bildung von Weißen Zwergen, Neutronensternen und Schwarzen
Löchern ständig aus diesem Kreislauf aus, wärend gleichzeitig noch immer etwas
frisches, fast primordiales Material aus dem intergalaktischen Medium auf die
Galaxis von außen einfällt. Der Zyklus zwischen Kondensation der interstellaren
Materie in Sterne und Rückgabe eines (großen) Teils des Materials am Ende der
Lebensdauer der Sterne, läuft in den inneren Bereichen der Galaxis schneller ab
1.4. Die Entstehung der chemischen Elemente
21
Urknall
H, He
?
Durchmischung
ISM
Massenverlust 6
He, Metalle
Planeten
Sterne
?
Sternbildung
?
WZ, NS, SL
Sternfriedhof
Abbildung 1.16: Kreislauf der Materie im Kosmos zwischen den Sternen und der
interstellaren Materie.
als in ihren äußeren Bereichen. Deswegen ist eine radiale Variation der Häufigkeiten der chemischen Elemente in der Galaxis festzustellen. Durch die Wechselwirkung zwischen Galaxien kommt es gelegentlich, vor allem in der Frühzeit des
Kosmos, zu kurzen Phasen mit dramatisch erhöhter Sternbildungsrate, die sich
einige Zeit später in erhöhter Massenrückfuhr mit den Produkten der Nukleosynthese an das interstellare Medium niederschlagen. Der Anreicherungsprozeß
der Galaxis mit schweren Elementen läuft dadurch nicht völlig gleichmäßig ab,
sondern ist mit hohen Fluktuationen behaftet.
Das Zusammenspiel aller dieser Prozesse bestimmt die chemische Zusammensetzung der Sterne in einer Galaxis und die Variation ihrer Zusammensetzung je nach Alter der Sterne und auch je nach Entstehungsort innerhalb der
Galaxis. Der Bestand an chemischen Elementen auf der Erde und in unserem
eigenen Planetensystem ist das Resultat der Nukleosynthese in unserer Galaxis
bis zum Zeitpunkt vor 4.6 Milliarden Jahren, als in einer der damaligen Molekülwolken in der Galaxis der protostellare Kollaps einsetzte, der zur Bildung
unserer Sonne und unseres Planetensystems führte.
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