Altersschwerhörigkeit - HNO Informationen – Prof. Dr. Ernst

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Altersschwerhörigkeit
Symptome
Ursachen
Folgen
Diagnostik
Therapie
Fachinformation
In Kooperation mit
Inhalt
|1|
Die alternde Gesellschaft
und der schwer­
hörige Mensch: (K)ein neuzeitliches Problem
4
|2| Pathophysiologie der Altersschwer­
hörigkeit
(Presbyakusis)
6
|3| Diagnostik der Altersschwer­
hörigkeit 8
|4| Therapie der Altersschwer­
hörigkeit Erkennen der Schwerhörigkeit
Hörgeräte
Audiotherapie
Hörimplantate
Cochleaimplantate
9
9
9
10
11
12
|5| Literatur
14
| 2 | Altersschwerhörigkeit
Vorwort
| Prof. Dr. med. Arneborg Ernst |
Direktor der HNO-Klinik UKB Berlin
Sehr verehrte Frau Kollegin,
sehr geehrter Herr Kollege,
ältere Menschen treten mit ihren spezifischen Gesundheitsbedürfnissen
und unterschiedlichen Krankheitszuständen zunehmend in den Vordergrund unserer ärztlichen Bemühungen. Sie bleiben bis ins hohe Alter aktiv
und wollen auch weiterhin aktiv am sozialen und familiären Alltag teilnehmen. Dabei sollten wir ihnen helfen.
In dieser Broschüre möchten wir Ihnen die spezifischen neuen Erkenntnisse zu Hör- und Kommunikationsstörungen beim älteren Menschen
nahebringen. Wir wissen seit wenigen Jahren, dass nicht nur das Sinnesorgan (das Innenohr) altert, sondern auch zentrale Verarbeitungszentren
neurodegenerativen Veränderungen unterliegen, die vor allem das Verständnis komplexer Signale (z. B. Sprache, Musik) beeinträchtigen. Die hier
zusammengetragenen Erkenntnisse sind nicht nur für HNO-Fachkollegen
von Interesse – kompetenten Rat und entsprechende Ansprechpartner finden auch ärztliche Kollegen aus der Allgemeinmedizin oder Geriatrie, die
ältere Patienten betreuen.
Wir freuen uns über jede Anregung zur Verbesserung und wünschen unserer Broschüre möglichst große Verbreitung – im Interesse unserer älteren
Patientinnen und Patienten!
Mit kollegialen Grüßen, Ihr
| Prof. Dr. med. Arneborg Ernst |
Altersschwerhörigkeit | 3 |
Phänomen
|1| D
ie alternde Gesellschaft und der
schwerhörige Mensch: (K)ein neuzeit­
liches Phänomen
Die westlichen Zivilisationen haben dank einer hoch entwickelten Medizin, verbesserter Lebensbedingungen und eines zunehmend ausgeprägten
Gesundheitsbewusstseins einen immer größer werdenden Anteil an älteren
Menschen. Bei gleichzeitiger Abnahme der Geburtenrate führt dies zu
einer Umkehrung der Bevölkerungspyramide. Mit der Alterung des Menschen geht eine Abnahme des Hörvermögens einher, die sowohl degenerativ als auch exogen getriggert ist (Baur et al. 2009). Im Alter schlechter
zu hören heißt nicht nur, weniger oder unzureichend zu kommunizieren,
sondern auch, aufgrund mangelnder Orientierung schneller zu stürzen als
Gleichaltrige und Gefahrensituationen verspätet wahrzunehmen und/oder
aufgrund frustraner Kommunikation in den gesellschaftlichen Rückzug zu
gehen (Cacciatore et al. 1999, Chia et al. 2007).
Da die zwischenmenschliche Kommunikation für den älteren Menschen eine
überragende Rolle spielt (denn er hat traditionell weniger berufsbedingt verpflichtende Kommunikation als junge Menschen), liegt darin ein echtes Lebensproblem beim alten Menschen, das zu einer wesentlichen Reduktion der
Lebensqualität führt und der Demenz Vorschub leisten kann (Dalton et al.
2003, Hesse und Laubert 2005). Erst im zwischenmenschlichen Austausch
wird sich der Mensch seiner selbst bewusst. Da alle sozialen Begegnungen
in kommunikativen Kontakten gründen, dient jede Art der Kommunikation
nicht nur der Aufnahme oder dem Austausch von Informationen, der Weitergabe bestimmter Bewusstseinsinhalte und der Organisation menschlichen
Verhaltens und/oder sozialer Beziehungen, sondern auch dem Individualerhalt der Persönlichkeitsstruktur (Dalton et al. 2003).
Unsere alternden westlichen Gesellschaften sind zunehmend auf den
individuellen Input der älter werdenden Menschen angewiesen, um alle
| 4 | Altersschwerhörigkeit
| Demografischer Wandel | Kommunikation | Lebensqualität |
Facetten sozialen Zusammenlebens so gestalten zu können, dass auch
ältere Menschen weiterhin in der Mitte der Gesellschaft verankert bleiben und als Vermittler definierter Rollen, Normen und Werte für jüngere
Menschen auftreten können.
Hesse und Laubert (2005) zeigten in einer deutschen Übersichtsarbeit,
dass neben der Prophylaxe von Hörschäden vor allem eine frühzeitige
Diagnostik und entsprechende Versorgung der Hörgeschädigten vorrangig sind. Dabei stellen sich zwei zentrale Fragen, die es in diesem
Zusammenhang zu beantworten gilt: Wie gelingt es der Gesellschaft,
Verständnis für die Belange von älteren Menschen zu wecken, die in
ihrer Kommunikation eingeschränkt sind? Und wie schafft man es, die
Betroffenen davon zu überzeugen, dass sich der Gang zum HNO-Arzt
für sie, ihre Partner und ihre Lebensqualität außerordentlich lohnt?
Die ersten Hörhilfen gab es bereits im 17. Jahrhundert. Auch Ludwig van Beet­
hoven, der infolge einer unerkannten Mittelohrentzündung taub wurde, war auf
solche Hörrohre angewiesen. Allerdings funktionierten die „Oldtimer“ unter den
Hörgeräten nach dem einfachen Prinzip „Hauptsache laut!“. Moderne Hörsysteme
und Implantate hingegen verstärken leise Töne, unterdrücken Lärm und eröffnen
den Betroffenen völlig neue Klangwelten.
Altersschwerhörigkeit | 5 |
Pathophysiologie
|2| P
athophysiologie der Altersschwer­
hörigkeit (Presbyakusis)
Die Altersschwerhörigkeit umfasst einen gut dokumentierten Anteil an
peripherem Hörverlust (= Innenohrhörverlust durch Verlust von Haarsinneszellen) und einen bislang noch nicht umfassend aufgeklärten zentralen Hörverlust (= Verlust an komplexen Verarbeitungsstrategien in den
höheren Zentren der Hörbahn durch Verlust an Synapsen, veränderter
Zeitauflösung, verlängerter Laufzeit usw.) (Mazelova et al. 2003, Freigang
et al. 2010). Es gibt sogar tierexperimentelle Hinweise, dass übermäßiger
Lärmeinfluss (als einer der wichtigsten exogenen Einflussfaktoren) nicht
nur das Innenohr, sondern direkt höhere auditorische Zentren entlang der
Hörbahn schädigt (durch Neurodegeneration) (Basta et al. 2005).
Dabei wird die Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) zum kommunikationsbehindernden Problem mit einer Prävalenz von etwa 37 Prozent
bereits im Alter von 61 bis 70 Jahren, was auf 60 Prozent in der Altersgruppe der 71- bis 80-Jährigen ansteigt (Baur et al. 2009). Männer
sind überrepräsentiert, da hier die exogenen Faktoren wie zum Beispiel
Nikotin und Lärm dominieren. Genetische Faktoren spielen eine Rolle
(als erstes Suszeptibilitätsgen wurde NAT2 für die Altersschwerhörigkeit
identifiziert), sind aber bislang noch nicht umfänglich untersucht (Baur
et al. 2009).
Altersschwerhörigkeit beeinflusst die Kognition
Cacciatore et al. (1999) untersuchten bereits frühzeitig den Einfluss der
Altersschwerhörigkeit auf die Kognition, den psychischen Status oder
andere Einschränkungen bei einer Population von Landbewohnern in
Süditalien (n = 1.332, mittleres Alter 75 Jahre). Das Ausmaß der Schwerhörigkeit war signifikant korreliert mit einer reduzierten Kognition (altersund geschlechtsunabhängig) und einer erhöhten Erkrankungshäufigkeit
| 6 | Altersschwerhörigkeit
| Peripherer Hörverlust | Kognition | Depression | Demenz |
für Altersdepression. Dalton et al. (2003) untersuchten den Einfluss der
Altersschwerhörigkeit auf die Lebensqualität in einer Fünf-Jahres-Längsschnittstudie bei 2.688 Senioren (53 bis 97 Jahre, mittleres Alter: 69).
Auch hier zeigte sich wieder, dass ein mittel- bis hochgradiger Hörverlust
mit einem erhöhten Auftreten von Altersdepression verknüpft ist und dass
die Lebensqualität (mental und physisch) mit Zunahme des Hörverlustes
deutlich sinkt.
Die australische „Blue Mountain
hearing study“ (Chia et al. 2007)
untersuchte 2.956 Senioren (mittleres Alter: 67 Jahre) hinsichtlich
der Korrelation von Hörverlust
und Lebensqualität. Bilaterale
Hörverluste führten zu einer
deutlichen Abnahme der Lebensqualität im Vergleich zu einseitigen Hörverlusten oder solchen
allein im Hochfrequenzbereich.
Da die Altersschwerhörigkeit
nachweislich auch andere Gesundheitszustände negativ
beeinflusst (z. B. Entstehung
von Depression und Einsamkeit,
Somatisierung, Beeinträchtigung
der räumlichen Orientierung und
Sehverlust) und der Entstehung
einer Altersdemenz Vorschub
leistet, ist eine frühzeitige Diag­
nostik sehr bedeutsam (Chisolm
et al. 2004).
Mehr als 14 Millionen Deutsche leiden
unter Schwerhörigkeit. Wer akustisch von
der Außenwelt abgeschnitten ist, verlernt
nicht nur das Hören, sondern gerät auch
sozial und geistig in die Isolation. Je we­
niger Reize das Gehirn empfängt, desto
stärker nimmt die Leistungsfähigkeit ab.
Altersschwerhörigkeit | 7 |
Diagnostik
|3| Diagnostik der Altersschwerhörigkeit
Die Diagnostik der Altersschwerhörigkeit richtet sich nach den Möglichkeiten, die vor Ort für den jeweiligen Patienten verfügbar sind. Sie beginnt
traditionell mit der Durchführung eines sogenannten Tonaudiogramms,
um zu prüfen, ob der Hörverlust altersentsprechend ist. Dies ist jedoch
in den meisten Fällen nicht ausreichend, um die Spezifik der altersentsprechenden Veränderungen des Hörsystems zu erfassen (Mazelova et al.
2003). Dazu zählen vorrangig das schlechtere Verstehen von Sprache (vor
allem im Störschall, d. h. bei Umgebungslärm), das „verlangsamte“ Hören
(durch die verzögerte synaptische Übertragung werden schnell dargebotene akustische Reize schlechter verstanden) sowie das eingeschränkte
Richtungshören (Hesse und Laubert 2005).
Um diese Veränderungen zu erfassen, sollten andere, in ihrer Komplexität
abgestufte Hörtests zur Anwendung kommen. Dazu zählen die Durchführung eines Sprachtests (möglichst im Störschall) und – sofern möglich – eines
spezialisierten, möglichst sprachfreien Tests zur Untersuchung der auditorischen Verarbeitung in den zentralen Anteilen der Hörbahn (Bungert-Kahl
et al. 2004, Freigang et al. 2010).
Da erhebliche neurodegenerative Veränderungen im ZNS (z. B. beginnende Demenz, M. Alzheimer, Zelluntergang nach Stroke/Ischämie) den
Testausfall dieser spezialisierten Hörtests beeinflussen können, sollte
man bei Verdacht auf eine neurodegenerative Erkrankung einen Screeningtest (z. B. Mini-Mental-Test) vorschalten (Freigang et al. 2010).
Wenn man dann die Tests ausgewertet hat, sollte klar sein, ob es sich in
erster Linie um einen (altersbedingten oder degenerativen) Schaden im
Innenohr (peripher) oder um eine komplexe Störung im (zentralen) Teil
der Hörbahn (aufgrund verlängerter synaptischer Übertragungszeiten,
kortikaler Degeneration o. a. pathophysiologischer Prozesse) handelt.
Natürlich sind Kombinationen beider Schadensmuster möglich.
| 8 | Altersschwerhörigkeit
| Tonaudiogramm | Sprachtest | Gesellschaft | Hörgeräte |
|4| Therapie der Altersschwerhörigkeit
Da der Hörvorgang und besonders das Verstehen komplexer Tonsignale
(Sprache, Musik) ein hochgradig redundanter Vorgang ist, spielen eine hohe
Intelligenz und ein hohes Assoziationsvermögen im Alter eine wichtige Rolle
bei der Kompensation peripherer Hörschäden (Hesse 2004). Die Kompensation zentraler Hörschäden gelingt schlechter.
Was kann man nun tun, wenn eine Altersschwerhörigkeit vorliegt?
Erkennen der Schwerhörigkeit
Die einfachste Möglichkeit des Umgangs mit der Altersschwerhörigkeit ist
zunächst einmal das Bekenntnis zum problematischen Hören. Damit können
Betroffene ihrer Umgebung signalisieren, dass sie auf ihre Hör- und Kommunikationsbedürfnisse im Gespräch mehr Rücksicht nehmen müssen (z.
B. langsamer und lauter sprechen). Darüber hinaus sollten ältere Menschen
eine Beratung über technische Hilfsmittel im Alltag (z. B. FM-Anlage fürs
Fernsehen) erwägen.
Hörgeräte
Die medizinisch-ärztlichen Möglichkeiten, den Betroffenen zu helfen, sind vielfältig. Handelt es sich in erster Linie um eine periphere
Schwerhörigkeit, sollte als erstes die Versorgung mit einem Hörgerät
vorgeschlagen werden (Hesse 2004). Dabei wird nach Ausstellen einer
„Ohrenärztlichen Verordnung einer Hörhilfe“ durch den HNO-Arzt der
Patient von einem Hörgeräteakustiker mit einem für seinen Hörverlust
angepassten Hörgerät versorgt. Dabei sollten mehrere Hörgeräte ausprobiert werden („Probetragephase“ für 6 bis 8 Wochen), um einen optimalen Hörerfolg zu garantieren. Das Anpassergebnis wird nachfolgend
vom HNO-Arzt überprüft und die Sinnhaftigkeit der Verordnung durch
Unterschrift bestätigt, so dass diese an die Kostenerstattungsstellen weitergereicht werden kann.
Altersschwerhörigkeit | 9 |
Therapie
Soweit zur Theorie. In der Praxis zeigt sich hingegen leider, dass sowohl die
Akzeptanz von Hörgeräten als auch der spezifische Hörgewinn von Hörgeräten geringer ist als allgemein erwartet (Neuman 2005). Woran liegt das?
In einer größeren Untersuchung berichtet Hesse (2004), dass nur zehn
Prozent der Menschen, die ein Hörgerät benötigen, in Deutschland auch
wirklich mit einem solchen versorgt sind. Neben der immer noch geringen
sozialen Akzeptanz (Stigmatisierung) und der vom älteren Patienten gern
selbst eingeführten Bagatellisierung seines Hörverlustes (Hesse und Laubert
2005) spielt der unzureichende individuell erlebte subjektive Nutzen von
Hörgeräten die entscheidende Rolle. Das hat seine Ursache vor allem darin,
dass Hörgeräte auf einen Ausgleich des peripheren (cochleären) Hörverlustes
abzielen, aber die zentralen Komponenten der Altersschwerhörigkeit (s. o.)
dabei nicht ausreichend technisch kompensiert werden können.
Audiotherapie
Hier gibt es international zwei Hauptansätze, um diesem Dilemma zu entkommen. Zum einen wird dem älteren Menschen eine Hörtherapie (Synonyme: „aural rehabilitation“ bzw. „auditiv-verbale Therapie“) angeboten, im Rahmen derer
das Hören und repetitive Sprechen/Erkennen von Klang- und Schallmustern
geübt wird (Moore et al. 2001, Kramer et al. 2005). Dies ist eine individuelle
Gesundheitsleistung (IGeL). Damit soll die neuronale Plastizität angeregt werden, um die vor der Hörgeräteversorgung unzureichend genutzten afferenten
Eingänge in die zentralen Anteile des Hörsystems „wiederzubeleben“ und die
assoziativen Fähigkeiten der Großhirnrinde und den Wortschatz zu trainieren
(Hesse 2004). Damit lässt sich die Akzeptanz und der Erfolg einer Hörgeräteversorgung deutlich verbessern (Sweetow und Sabes 2006).
Es gibt jedoch einige, vor allem über 70-jährige Menschen, bei denen der
Anteil an peripherer oder zentraler Hörstörung so ausgeprägt ist, dass diese
Maßnahmen nur unzureichend zu einer verbesserten Hör- und Kommunikationsfähigkeit beitragen.
| 10 | Altersschwerhörigkeit
| Akzeptanz | Neuronale Plastizität | Mittelohrimplantate |
Hörimplantate
Hier kommen moderne Hörimplantate zum Einsatz, die durch einen kleinen
ohrchirurgischen Eingriff ins Mittel- oder Innenohr eingepflanzt werden und
eine direkte mechanische Stimulation des Innenohres oder eine elektrische
Stimulation der Hörnerven ermöglichen, so dass Übertragungsverluste (wie
durch Hörgeräte) vermieden werden und eine direkte Reizung der Hörbahn
gewährleistet ist.
In den letzten Jahren haben sich im klinischen Alltag die implantierbaren
Mittelohrsysteme für den mittleren bis starken Hörverlust (Vibrant Soundbridge) gut durchgesetzt. Tausende Patienten sind bislang (2010) weltweit
damit erfolgreich versorgt worden, wobei traditionell eine deutlich bessere
funktionelle Hörverstärkung – auch in der Langzeitbeobachtung – und
damit ein Vielfaches an subjektivem Hörgewinn erzielt werden kann, wenn
man diese Hörergebnisse mit denen einer konventionellen Hörgeräteversorgung vergleicht (Todt et al. 2005, Truy et al. 2008). Die Hörimplantateversorgung auf einer Seite kann auch mit einem Hörgerät auf der anderen
Vibrant Soundbridge: Der externe Teil der Vibrant Soundbridge, der Audioprozes­
sor, überträgt elektrische Signale zum Implantat. Dort werden sie in mechanische
Schwingungen umgewandelt. Der Frequenzbereich beträgt bis zu 8.000 Hz.
Altersschwerhörigkeit | 11 |
Therapie
Seite gut kombiniert werden, um das Richtungshören zu verbessern (Saliba
et al. 2005).
Bei der Hörimplantateversorgung heben die Patienten – im Vergleich zu
ihren eigenen Erfahrungen mit konventionellen Hörgeräten – als entscheidende Vorteile die natürliche Klangqualität („high fidelity“) von Sprache
und Musik, das bessere Unterscheiden von Einzeltönen (vor allem im
Störschall, also bei Umgebungslärm) und verbessertes Richtungshören,
kein Rückkopplungspfeifen und einen offenen Gehörgang hervor (Mosnier et al. 2008). Diese deutlich verbesserte Akustik lässt sich mit hoher
Wahrscheinlichkeit auf die – im Gegensatz zum konventionellen Hörgerät
– direkte Ankopplung der Hörimplantate an das Innenohr zurückführen.
Da mit den Hörimplantaten im Mittelohr auch Patienten mit Ohrerkrankungen (z. B. nach Cholesteatomen, chronischer Mittelohrentzündung, zu
engen Gehörgängen mit chronischer Otitis externa, Otosklerose) gut behandelt werden können (durch eine sogenannte „alternative Ankopplung“
im Mittelohr), ist auch in der Zukunft hier noch ein ganz erheblicher
Fortschritt für mittel bis stark schwerhörige ältere Patienten zu erwarten
(Wagner et al. 2009).
Cochleaimplantate
Wenn ältere Menschen hochgradig schwerhörig sind und insbesondere
wenn ihre zentralen Hörleistungen nachlassen, sind Cochleaimplantate
empfehlenswert. Bei diesen sogenannten „Innenohrprothesen“ wird eine
Elektrode in das Innenohr vorgeschoben und der Hörnerv direkt elektrisch
gereizt (Ernst et al. 2009). Damit muss man sich nicht auf die beim älteren
Menschen teilweise veränderten neuronalen Mikrostrukturen (Innenohr,
Hörnerv und deren synaptische Verknüpfungen) verlassen, sondern kann
direkt die in elektrische Impulse umcodierte akustische Information in die
zentrale Hörbahn einspeisen. Auch ein Resthörvermögen des Innenohres
kann ebenso erhalten werden wie die Gleichgewichtsfunktion, was für ältere
Menschen hochgradig bedeutsam ist (Todt et al. 2008, Basta in: Ernst et al.
| 12 | Altersschwerhörigkeit
| Natürliche Klangqualität | Elektrode im Innenohr | Impulse |
2009). Mit diesen Cochleaimplantaten können die Patienten heute mehr als
90 Prozent offenes Wortverstehen erreichen, d. h., der Patient versteht den
Sprecher perfekt, ohne ihn (oder seine Lippen) zu sehen. Auch das Musikverstehen wurde in den letzten Jahren erheblich verbessert, so dass insgesamt die Lebensqualität der älteren Patienten dadurch dramatisch verbessert
werden konnte (Ernst et al. 2009). In Deutschland wurden bisher mehr als
10.000 und weltweit mehr als 50.000 solcher Cochleaimplantate eingesetzt.
Zusammengefasst lassen sich mit modernen Rehabilitationsstrategien unter
Einbeziehung modernster Diagnostik durch den HNO-Arzt oder ggf. ein
entsprechendes Zentrum individualisierte Lösungen für den altersschwerhörigen Menschen erzielen, die ihn wieder in die Welt der Hörenden (und
Sprechenden) zurückführen und ihm auch eine gute räumliche Orientierung
und einen hohen Musikgenuss garantieren.
Opus-Audioprozessoren: Die mit modernem Mikrochipdesign ausgestatteten OpusProzessoren bieten Cochleaimplantat-Nutzern noch mehr Klangdetails und Klar­
heit – das ist besonders wichtig für das Hören von Musik und das Sprachverstehen.
Sehr laute und sehr leise Töne werden dem angenehm hörbaren Bereich angepasst.
Dank dieser neuen Technologie können nun neben der Einhüllenden auch die Fein­
struktur bzw. die Feinfrequenzinformation übertragen werden.
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Literatur
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Wagner F, Todt I, Ernst A (2009): Neue Indikationen für die Vibrant Soundbridge.
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Altersschwerhörigkeit | 15 |
Deutsche Seniorenliga e.V.
Heilsbachstraße 32
53123 Bonn
[email protected]
www.deutsche-seniorenliga.de
Impressum
In Kooperation mit
Herausgeber und V. i. S. d. P.:
RA Erhard Hackler
Geschäftsführender Vorstand
Deutsche Seniorenliga e.V.
Text: Prof. Dr. med. Arneborg Ernst
Ausgabe 2010
Bildnachweis:
fancy/Modern Boomers: Seite 1
Beethoven-Haus Bonn: Seite 5
Photodisc/Life after 40: Seite 7
Med-El: Seiten 11 und 13
Verbreitung, Übersetzung und jegliche
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nur mit Genehmigung des Herausgebers
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