Kompetenz in Kleintiermedizin n e w s Augen auf! Das Sehorgan der Tiere ist empfindlich Augenheilkunde in der Tiermedizin von Dr. med. vet. Marianne Richter, dipl. ECVO Fachärztin in Augenheilkunde Das Auge ermöglicht Menschen und Tieren, sich in ihrer Umwelt zu orientieren, einen herannahenden Feind zu erkennen und Nahrung zu finden. Das lebensnotwendige Organ ist bei Mensch und Tier gleichermassen empfindlich. Manche Krankheiten aber kommen nur bei bestimmten Tierarten vor. Prinzipiell entspricht der Auf bau der Augen unserer Haustiere (Bild 1) jenem des menschlichen Auges. Dementsprechend findet man bei den Haustieren einige Augenerkrankungen, die auch beim Menschen bekannt sind: verschiedene Hornhauterkrankungen, Verletzungen, mangelnde Tränenproduktion, bakterielle, virale und parasitäre Infektionen, innere Augenentzündung (Uveitis), Katarakt (Grauer Star), Glaukom (Grüner Star) und Netzhauterkrankungen. krankheiten gibt es bereits Gentests, mit deren Hilfe die krankmachende Genmutation identifiziert werden kann. Erbliche Augenkrankheiten bei Hund und Katze Es gibt jedoch auch spezifische Augenerkrankungen, die man nur bei bestimmten Tierarten oder sogar nur bei bestimmten Hunde- bzw. Katzenrassen findet. Dazu zählen Hornhauterkrankungen aufgrund von Lidfehlstellungen (Bild 2a,b) bei Hunderassen wie SharPei, ChowChow, Mops, Englische Bulldogge, Bordeaux Dogge, Deutsche Dogge, Bernhardiner etc. Weitere rassespezifische Augenerkrankungen sind die erbliche progressive Retinaatrophie (PRA), die bei über 100 Hunderassen und einigen Katzenrassen vorkommt, die Schäferkeratitis (v. a. bei Schäferhunden), erbliche Katarakte (div. Rassen), Linsenluxation (Tibetterrier und andere Terrierrassen), Hornhautdystrophien (div. Rassen) und einige weitere erbliche Augenkrankheiten. Um die Ausbreitung solcher Krankheiten zu reduzieren, sollten Hunde und Katzen, die zur Zucht ­eingesetzt werden, einmal jährlich von einem Augenarzt­ ­u ntersucht werden. Für einzelne Erb- Grauer Star durch Diabetes Neben zahlreichen rassetypischen, erblichen Augenkrankheiten gibt es auch verschiedene Augenerkrankungen, die durch innere (systemische) Erkrankungen ausgelöst werden. Bei Hunden, die an Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) erkranken, kommt es in der Regel zu einer vollständigen Trübung der Linse (Katarakt, Grauer Star, Bild 3a) und somit zur Erblindung. Jedoch können auch gesunde Hunde eine Linsentrübung entwickeln – meistens handelt es sich dabei um eine erbliche Katarakt oder – bei ­älteren Tieren – um eine altersbedingte (senile) Katarakt. Die Behandlung ­erfolgt, wie auch beim Menschen, mittels chirurgischer Entfernung der trüben Linse und Implantation einer Kunstlinse, ­sodass das Sehvermögen wieder hergestellt ist (Bild 3b). Solche Eingriffe am Auge erfordern nicht nur eine entsprechende technische Ausrüstung, sonder müssen auch von einem erfahrenen Augenspezialisten durchgeführt werden. Ausgabe 6 / Juni 2014 1 Auge eines Hundes. 2a Mops mit typischer Nasenfalte aufgrund einer stark verkürzten Nase. Bluthochdruck: Gefahr für die Netzhaut Bei älteren Katzen entstehen als Folge von Bluthochdruck gravierende Veränderungen an der Netzhaut (Bild 4). Da die Netzhaut ohne entsprechende Untersuchungsgeräte von aussen nicht einsehbar ist, werden Erkrankungen oft viel zu spät erkannt. Häufig bemerken Tierbesitzer das Problem erst, wenn die Kat- ze vollständig erblindet ist. Auch wenn dies «plötzlich» auffällt, haben sich die Veränderungen an der Netzhaut über längere Zeit schleichend entwickelt. Da unsere Haustiere das abnehmende Sehvermögen gut kompensieren können, fällt dem Tierbesitzer erst bei totaler Erblindung auf, dass etwas nicht in Ordnung ist. Der Blutdruck ist zwar behandelbar, die Schäden an der Netzhaut sind aber 2b Pigmentierung der Hornhaut als Folge des einwärtsgedrehten Unterlides. oft fortgeschritten und nicht mehr reversibel. Daher ist es notwendig, bei älteren Katzen (ab 10 Jahren) einmal jährlich den Blutdruck zu messen und die Netzhaut zu kontrollieren. Da bei einigen Katzen der Blutdruck schwankt und so manchmal normale Werte gemessen werden, kann die zusätzliche Untersuchung der Netzhaut Aufschluss geben, ob Bluthochdruck vorliegt oder nicht. Eine frühzeitige Be- Kompetenz in Kleintiermedizin n e w s 3a Yorkshire Terrier vor der Katarakt-OP mit trüben Linsen (blind). 3b Yorkshire Terrier nach Katarakt-OP mit Kunstlinsen (kann wieder sehen). handlung des Bluthochdrucks verhindert nicht nur, dass die Katze erblindet, sondern auch die Schädigung weiterer Organe wie Herz, Nieren und Gehirn. ent­z ündung) oder um eine Verletzung am Auge handeln. Je nach Dauer und Stärke der Entzündung entstehen im Augeninneren strukturelle Veränderungen. Innere Augenentzündungen führen zu Folgeschäden Innere Augenentzündungen können viele Ursachen haben. So kann es sich dabei um eine Infektionskrankheit, um einen lokalen Entzündungsherd (z. B. Zahnwur­zel­ Da einige Folgeschäden irreversibel oder schwierig zu behandeln sind, empfiehlt es sich, die Augen bei entsprechenden Anzeichen untersuchen zu lassen. Bei Symptomen wie Rötung, Trübung oder Zukneifen des Auges sollte das Tier un- Porträt 4 Katze mit Bluthochdruck – Netzhautblutungen und Netzhautabhebung. bedingt zur Augenuntersuchung vorgestellt werden. Früh erkennen und behandeln! Für die meisten Augenerkrankungen gilt, je früher sie diagnostiziert und behandelt werden, desto grösser ist die Chance auf eine Abheilung ohne permanente Schädigung der empfindlichen Strukturen und damit verbunden ohne Einschränkung des Sehvermögens oder Erblindung. Schwerpunkte: Katarakt-Operationen (Graue Star Opera­ Dr. med. vet. Marianne Richter, dipl. ECVO, Fachärztin in Augenheilkunde tion), Hornhauterkrankungen, Herpesvirusinfektion der Katze, Untersuchungen auf erbliche Augenkrankheiten, Vortragstätigkeit im In- und Ausland Zur Person: Diplomstudium und Promotion an der Ve- gen im Bereich der Augenheilkunde terinärmedizinischen Universität (VMU) (Ophthalmologie) an der University of Wien, 1999. Folgend diverse Fortbildun- Pretoria (South Africa), an der University of North Carolina (USA) und in einer privaten Veterinär-Augenklinik in Capetown (South Africa), sowie in Allgemeinmedizin an der University of Melbourne (Australia). 2000–2002: Assistenzärztin und von 2002 bis 2008 Oberärztin in der Abteilung Ophthalmologie an der Vetsuisse Fakultät der Universität Zürich. Seit 2009 als Kon­siliarärztin in privaten Tierarztpraxen und -kliniken tätig. Seit 2003 Diplomate of the European College of Veterinary Ophthalmologists (ECVO). Sprechstunden: Kleintierpraxis Göbli, Industriestrasse 49, 6300 Zug, Telefon 041 761 35 45 Tierklinik AW, Muhenstrasse 56, 5036 Oberentfelden, Tel. 062 737 80 00