Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein Fahrplan Anpassung an den Klimawandel 1 Impressum Herausgeber: Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, Mercatorstraße 3, 24106 Kiel Druck: Neue Nieswand Druck GmbH Druckerei, Kiel Auflage: 1500 Stück Dezember 2011 Das Ministerium im Internet: www.landwirtschaftsministerium.schleswig-holstein.de Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der schleswig-holsteinischen Landesregierung herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Personen, die Wahlwerbung oder Wahlhilfe betreiben, im Wahlkampf zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zu Gunsten einzelner Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. Bildnachweise Titel: keller fotolia.com, Seite 6 12frames, Seite 8 David Dieschburg, Seite 10, 40, 53, 54 kallejipp, Seite 12, 29 biloba, Seite 20 ti.Na, Seite 21 mareczko, Seite 26 time., Seite 28 Susann Städter, Seite 30 manun, Seite 32 Lovepool, Seite 33 merlo, Seite 34 Jenzig71, Seite 36 BJØRN, Seite 38 zunker, Seite 42 imaginaryfriend, Seite 43 jengel, Seite 46 catch­_up, Seite 50 karinclaus, Seite 52 boing, Seite 55 earl, Seite 58 kar.ku – alle photocase.com, Seite 13 Christian vR, Seite 15 photlook, Seite 18 Jürgen Fälchle, Seite 22 Tyler Olson, Seite 24 jiri jura, Seite 27 DeVe, Seite 37 Essaka, Seite 44 Jan Schuler, Seite 47 lumen-digital, Seite 47 marily barbone, Seite 48 U. Hardberck, Seite 49 k_rahn, Seite 49 Juan Pablo Fuentes , Seite 52 Uwe Lütjohann, Seite 62 Paul Wander alle fotolia.com, Karte Seite 23 2011 LVermGeo, Foto Seite 23 Dr. M. Filipinski 2 Inhaltsverzeichnis Vorwort Ministerin Dr. Juliane Rumpf.......................................................................................................................................5 Klimawandel in Norddeutschland..............................................................................................................................................7 Schon jetzt zu beobachtende Klimaänderungen....................................................................................................................7 Mögliche Änderungen in der Zukunft ...................................................................................................................................9 Wozu dient der Fahrplan Anpassung? ................................................................................................................................11 Welche Arbeitsprozesse und Konzepte zur Anpassung existieren bereits auf EU-, Bundes- oder Landesebene?.................13 Welche Erkenntnisse über den Klimawandel liegen in Schleswig-Holstein bereits vor?........................................................13 Welche Erkenntnisse bestehen und welche Ansätze zur Anpassung sind schon ergriffen?..................................................18 Boden..................................................................................................................................................................................18 Grundwasser.......................................................................................................................................................................24 Meeresökologie...................................................................................................................................................................30 Küstenschutz.......................................................................................................................................................................34 Landwirtschaft.....................................................................................................................................................................40 Biologische Vielfalt...............................................................................................................................................................44 Forstwirtschaft.....................................................................................................................................................................50 Welche übergreifenden Projekte laufen oder sind in Planung?...............................................................................................54 Was sind die weiteren Arbeitsschritte auf dem Weg zu Landes-Anpassungsstrategien? Ein Ausblick!................................57 Abkürzungen............................................................................................................................................................................63 3 4 Sehr geehrte Damen und Herren, der Klimawandel ist in Deutschland bereits messbar. Wir müssen uns auf Veränderungen durch steigende Temperaturen und Veränderungen der Niederschläge einstellen. Selbst ein weltweites Zurückfahren der Klimagasemissionen auf das Niveau von 1990 wird ein Fortschreiten des Klimawandels auch in SchleswigHolstein zunächst nicht bremsen können. Deshalb ist es wichtig jetzt abzuschätzen, welche Klimaänderung in unserem Land welche Klimafolgen hervorruft. Hierfür brauchen wir u.a. eine fundierte Untersuchung der konkreten Risiken. Auf deren Grundlage können wir Strategien für eine Abmilderung der Auswirkungen des Klimawandels in kritischen Bereichen erarbeiten. Da dies nicht von heute auf morgen realisierbar ist, haben wir in dieser Broschüre den Prozess dargestellt, wie wir eine Strategie für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Schleswig-Holstein erarbeiten wollen, die über die allgemeinen Aussagen der Deutschen Anpassungsstrategie (DAS) hinausgeht. Die Anpassung an den Klimawandel betrifft viele Handlungsbereiche und verschiedene Handlungsträger. Mit dieser Veröffentlichung möchte ich einen nötigen Diskussionsprozess anstoßen. Ich würde mich freuen, wenn durch diese Lektüre Anstöße gegeben werden, um das durch den Klimawandel Unvermeidbare so weit wie möglich beherrschbar zu machen. Dr. Juliane Rumpf Ministerin für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig Holstein 5 6 Klimawandel in Norddeutschland Schon jetzt zu beobachtende Klimaänderungen Das Klima in Norddeutschland hat sich – wie in vielen anderen Regionen der Welt – bereits deutlich verändert. Die Wetteraufzeichnungen der letzten 100 Jahre belegen einen Anstieg der Temperatur um etwa 1 °C, mit einer Beschleunigung in den letzten 30 Jahren. Die jährlichen Niederschläge haben zugenommen mit einer Tendenz zu trockeneren Sommermonaten und einer deutlichen Zunahme des Niederschlags im Herbst und Winter. Der Meeresspiegelanstieg längs der Küste liegt bei 20 cm und auch Sturmfluten sind angestiegen. Im ökologischen Bereich sind frühere Blühtermine bei Pflanzen und längere Vegetationsperioden eingetreten und seit einiger Zeit sind neue wärmeliebende Arten in Elbe, Wattenmeer und Nordsee anzutreffen. 7 8 Mögliche Änderungen in der Zukunft Nach allen vorliegenden Kenntnissen wird sich dieser Trend fortsetzen. Aktuelle Forschungen sind beispielsweise im Norddeutschen Klimaatlas1 dokumentiert. Danach sind ein Temperaturanstieg bis max. 4,7 °C bis 2100 und eine Änderung der Niederschläge mit einer Abnahme von max. 41 % im Sommer und einer Zunahme von max. 53 % im Winter möglich. Der Meeresspiegelanstieg wird langfristig signifikant zunehmen; nach dem UNO-Weltklimarat IPCC ist mit Werten zwischen 0,2 und maximal 0,8 m bis 2100 zu rechnen. Die Sturmflutwasserstände könnten in der Deutschen Bucht und der Tideelbe bis 2100 um 3 bis 11 Dezimeter höher auflaufen als heute. Belastbare Aussagen über mögliche Änderungen der Extremniederschläge und – in der Folge – Binnenhochwasser existieren bisher nicht. Aus diesem Grund wird der Binnenhochwasserschutz in diesem Bericht noch nicht weiter vertieft. Die Änderungen des Klimas werden Auswirkungen auf Natur- und Wirtschaftsräume mit sich bringen. 1 www.norddeutscher-klimaatlas.de/klimaatlas/2071-2100/jahr/durchschnittliche-temperatur/ metropolregion-hamburg.html 9 10 Wozu dient der Fahrplan Anpassung? Die zu erwartenden Klimaänderungen und ihre Folgen erfordern Anpassungsmaßnahmen in verschiedenen gesellschaftlichen Handlungsfeldern wie Landund Forstwirtschaft, Küstenschutz, Naturschutz oder Wasserwirtschaft. Diese müssen vorausschauend geplant und schrittweise umgesetzt werden. Ein Dilemma besteht darin, dass sich derzeit zwar Trends erkennen lassen, genaue Prognosen der zu erwartenden Veränderungen aber schon aus naturwissenschaftlichen Gegebenheiten heraus unmöglich sind. Hierauf muss sich eine Handlungsstrategie einstellen. Sie muss eine Verbreiterung des Wissensstandes einschließen, gleichzeitig aber auch Flexibilitäten ermöglichen und unterschiedliche Optionen betrachten. All dies soll mit einer Anpassungsstrategie für Schleswig-Holstein erreicht werden. Die aufgezeigten Herausforderungen machen deutlich, dass eine Strategieplanung quasi „aus einem Guss“ schwierig, wenn nicht unmöglich ist. Das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume (MLUR) des Landes Schleswig-Holstein hat sich daher zu einem Stufenkonzept entschlossen. In einem ersten Schritt wird zunächst dieser Fahrplan vorgelegt. Er soll den Weg hin zur Anpassungsstrategie skizzieren. Im Einzelnen will er • bereits vorhandene Erkenntnisse über mögliche Verän- derungen durch den Klimawandel dokumentieren, • • auf laufende oder geplante Untersuchungen zur Vertiefung des Kenntnisstandes hinweisen, bereits ergriffene oder vorgesehe Handlungsansätze skizzieren sowie abschließend übergreifend den weiteren Prozess zur Erarbeitung von Anpassungsstrategien skizzieren. Dies geschieht zunächst für ausgewählte Handlungsbereiche und Sektoren: • Wasserwirtschaft inkl. Grundwasser, • Küstenschutz, • Boden, • Biologische Vielfalt, • Forst- und Landwirtschaft. Ergebnis des geschilderten Arbeitsprozesses können eine übergreifende, aber durchaus auch mehrere TeilAnpassungsstrategien sein. Nach derzeitigem Stand ist durchaus denkbar, dass aufgrund der unterschiedlichen Herausforderungen und Wissensstände in den einzelnen Sektoren mehrere fachspezifische Anpassungsstrategien parallel – ggf. auch mit zeitlicher Versetzung – entwickelt werden. Der Fahrplan richtet sich an all diejenigen, die sich in Schleswig-Holstein mit Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in den unterschiedlichen Sektoren beschäftigen müssen und wollen. 11 Welche Arbeitsprozesse und Konzepte zur Anpassung existieren bereits auf EU-, Bundes- oder Landesebene?1a Europäische Union Die EU-Kommission hat im April 2009 mit dem Weißbuch Klimaanpassung einen Rahmen für die Anpassung auf EU-Ebene gesetzt2 . Die Kommission möchte die bestehenden Aktivitäten der Mitgliedstaaten stärken und durch koordinierte Maßnahmen auf EU-Ebene unterstützen. Sie sieht Ihre Rolle insbesondere dort, wo Folgen des Klimawandels die Grenzen einzelner Länder überschreiten – etwa bei gemeinsamen Flusseinzugsgebieten oder Meeren sowie in großen, zusammenhängenden Naturräumen. Im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinien zur Regelung der Wasserwirtschaft (Wasser-Rahmenrichtlinie, Hochwasserrisikomanagementrichtlinie, MeeresstrategieRahmenrichtlinie) werden die Auswirkungen des Klimawandels auf die Schutzgüter mit geprüft und bei 12 der Aufstellung und der alle sechs Jahre erfolgenden Fortschreibung der Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme mit berücksichtigt. Bereits mit dem Bericht „Impacts of Europe´s changing climate - 2008 indicator based assessment”3 hatte die Euro-päische Umweltagentur (EEA) gemeinsam mit anderen europäischen Institutionen zuvor begonnen, schrittweise die Datenbasis für die Anpassung an den Klimawandel in Europa zu verbessern. Der EEA Report stellt beobachtete und projizierte Folgen des Klimawandels in Europa dar mit dem Ziel, Handlungsfelder und Sektoren mit hohen Vulnerabilitäten und der Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen zu identifizieren. Bundesregierung Am 17. Dezember 2008 hat das Bundeskabinett die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) beschlossen. Diese schafft einen Rahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Deutschland. Sie stellt vorrangig den Beitrag des Bundes dar und bietet auf diese Weise eine Orientierung für andere Akteure. Die Strategie legt den Grundstein für einen mittelfristigen Prozess, in dem schrittweise mit den Bundesländern und anderen gesellschaftlichen Gruppen die Risiken des Klimawandels bewertet, der mögliche Handlungsbedarf benannt, die entsprechenden Ziele definiert sowie mögliche Anpassungsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden sollen. Derzeit wird ein Evaluationskonzept für die fortlaufende Umsetzung der DAS unter Einbindung der Bundesländer und unter fachwissenschaftlicher Begleitung durch das Umweltbundesamt erarbeitet. Zur Konkretisierung der DAS hat das Bundeskabinett im August 2011 den „Aktionsplan Anpassung“ verabschiedet. Er befasst sich nicht mit Einzelsektoren, sondern formuliert Querschnittsmaßnahmen der Bundesregierung in den Bereichen Informationsvermittlung, Ausbau der Forschungs- und Informationsinfrastruktur, Unterstützung von Dialog, Beteiligung und Netzwerkbildung, rechtliche oder technische Rahmensetzung sowie Förderpolitik. Bundesländer Auch die Bundesländer haben damit begonnen Anpassungsstrategien für ihre Zuständigkeitsbereiche unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten zu entwickeln. Bei aller Unterschiedlichkeit zeigen die bislang vorlie­genden Strategieansätze und Maß­ nahmenkataloge eine ähnliche Struktur. Ausgehend von den Erkenntnissen des 4. Sachstandsberichtes des Weltklimarates (IPCC) von 2007 zu globalen Klimaänderungen bemühen sich die Länder zunächst um kleinräumigere Kli­maprojektionen. Erste Bundesländer haben darauf aufbauend Verletzlichkeits-/ Anfälligkeitsstudien („Vulnerabilitätsstudien“) zur Konkretisierung der Klimafolgen begonnen. Nur in einigen Bun­desländern werden Maßnahmen zur Klimaanpassung und deren Um­set­zung bereits konkret beschrieben bzw. geregelt. 1a Text aus „Daten- und Konzeptanalyse für ein Klimafolgen-Monitoring als Basis einer Berichter-stattung für das Ressort des MLUR“ Von: Petra van Rüth, Achim Daschkeit (UBA KomPass) 30.04.2011, 2 Commission of the European Communities (2009): WHITE PAPER Adapting to climate change: Towards a European framework for action, 3 http://ec.europa. eu/environment/climat/adaptation/index_en.htm, http://www.eea.europa.eu/pressroom/ newsreleases/europe-needs-to-intensify-actions-to-adapt-to-climate-change-impacts 13 Welche Erkenntnisse über den Klimawandel liegen in Schleswig-Holstein bereits vor? Grundlagen Um heute Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können, benötigen wir Anhaltspunkte wie sich das Klima konkret in Schleswig-Holstein ändern könnte. Auch für Norddeutschland bilden die globalen Klimamodelle die Grundlage für eigene Berechnungen. Um verschiedene zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten des Klimas zu erfassen, legt der Weltklimarat unterschiedliche Szenarien für die weitere gesellschaftlich-wirtschaftliche Entwicklung und darauf aufbauend unterschiedliche Emissionsannahmen zugrunde. Dazu hat er SzenarienFamilien (A1, A2, B1, B2) definiert, die sich z.B. hinsichtlich technischer Entwicklungen, Nutzungen fossiler und Ausbau Erneuerbarer Energien sowie Bevölkerungsentwicklung unterscheiden. Grundsätzlich führen die „A“-Szenarien aufgrund der getroffenen Annahmen zu höheren Erwärmungen als die „B“Szenarien. Extreme Werte liefern die Szenarien A1FI und A2. Die im nebenstehenden Kasten aufgeführten Kriterien in A1B charakterisieren eine mittlere Entwicklung und werden daher exemplarisch für diesen Bericht zur Darstellung möglicher Klimaentwicklungen herangezogen – auch wenn konstatiert werden muss, dass die tatsächliche weltweite Emissionsentwicklung der letzten Jahre sich eher am oberen Rand der Szenarien abspielt, also z. B. A1FI die reale Entwicklung eher trifft. 14 Die Herausforderung gegenüber den recht groben globalen Klimaprojektionen besteht darin, mögliche Entwicklungen zu regionalisieren, so dass spezifischere Aussagen für ein Bundesland möglich sind. Hierzu sind verschiedene Modelle entwickelt worden, die sich in statistische (WETTREG, STAR) und dynamische (REMO, CLM) Verfahren einteilen lassen. An laufenden Fortentwicklungen der Modelle ist auch Schleswig-Holstein beteiligt. Gegenüber dem Klimaschutzbericht der Landesregierung 2009 sind jetzt verbesserte Datenreihen aus neueren Modellrechnungen mit WETTREG 2010 verfügbar. Sowohl die Modellrechnungen aus 2006 als auch die 2010er Datenreihen werden parallel genutzt. Als Beispiel werden hier die Projektionszeiträume 2021 bis 2050 und 2071 bis 2100 für einen meteorologischen Sommer und einen Winter mit WETTREG-Daten des Jahres 2010 für Temperatur und Niederschlagsmengen gewählt. Im Rahmen der Erarbeitung einer Anpassungsstrategie für Schleswig-Holstein werden aber sämtliche zur Verfügung stehenden Modelle ausgewertet (Ensembletechnik; Erläuterungen siehe weiter unten). Projektionen sind keine Prognosen! Die Grafiken auf den Folgeseiten zeigen jeweils die projezierten Veränderungen gegenüber dem Basiszeitraum. So wird danach der Sommer z.B. im Projektionszeitraum 2021 – 2050 um rd. 1°C wärmer. Aufgrund der geringen Fläche und der kleinen Höhen-unterschiede in SchleswigHolstein gibt es keine großen Temperaturunterschiede im Land. Bis 2100 ist eine deutliche Steigerung der Temperaturen zu erkennen. Im Norden sind die Temperaturen geringfügig kälter als im Süden von Schleswig-Holstein. Auch im Winter steigen die Temperaturen im gleichen Muster wie im Sommer an. Die Niederschläge nehmen im Projektionszeitraum 2071-2100 im Sommer deutlich ab, am stärksten im Norden von Schleswig-Holstein, während sie im Winter stärker zunehmen. Auch hier zeigt sich eine Differenzierung. An der Ostseeküste und in einem Streifen auf der Linie Kiel-Hamburg zeigen die Grafiken die höchste Niederschlagsveränderung. Das Norddeutsche Klimabüro1 hat unter Nutzung dieser neuen Modelle mit dem Norddeutschen Klimaatlas ein digitales InternetTool entwickelt, mit dem sich Anwender selbständig über zukünftige Klimaänderungen in Norddeutschland informieren können. Der Klimaatlas ist interaktiv konzipiert. 1 Institut für Küstenforschung, Helmholtz-Zentrum Geesthacht, Zentrum für Material- und • Projektionen stellen unter bestimmten Annahmen mögliche zukünftige Entwicklungen dar. Bestehende Klimamodelle liefern ausschließlich Projektionen • Prognosen stellen eine zukünftige Situation dar, die für wahrscheinlich gehalten wird. Prognosen sind allein für kurzzeitige Wetterent wicklungen, nicht aber Klimaveränderungen möglich. A1B (Mittleres Emissionsszenario) Annahmen: • Global orientierte Entwicklung mit starkem Wirtschaftswachstum • Schnelle Einführung neuer und effizienter Techniken • Nutzung fossiler und erneuerbarer Energien • Anstieg der Weltbevölkerung bis Mitte des 21.Jahrhunderts, gefolgt von einer Abnahme der Weltbevölkerung • Anstieg der CO2-Emissionen bis Mitte des 21. Jahrhunderts, danach leichter Rückgang bis 2100 Küstenforschung GmbH, www.norddeutsches-klimabuero.de 15 Basiszeitraum 1961 - 1990 (absolute Werte in °C) Projektionszeitraum 2021 - 2050 (Änderungssignal zum Basiszeitraum in °C) Projektionszeitraum 2071 - 2100 (Änderungssignal zum Basiszeitraum in °C) 0.00 1.5 3.0 4.5 6.0 7.5 9.0 10.5 12.0 13.5 15.0 16.5 18.0 (°C) -0.50 0.0 0.50 1.0 1.5 2.0 2.5 Claudia Schöps (LLUR) 3.3.3.0 Claudia Schöps (LLUR) 3.3.3.0 Claudia Schöps (LLUR) 3.3.3.0 WETTREG 2010; EH_L1; A1B; Simulation:Mittel; Mittel_Temp; meteorologischer Sommer (JJA) 1.5 3.0 (°C) 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 4.5 Mittel 1.6(°C) 0.18 °C je 100 m R= 0.124 Mittel 16.1 (°C) Basiszeitraum 1961 - 1990 (absolute Werte in °C) 5.0 (°C) Mittel 4.0(°C) Projektionszeitraum 2021 - 2050 (Änderungssignal zum Basiszeitraum in °C) Projektionszeitraum 2071 - 2100 (Änderungssignal zum Basiszeitraum in °C) 0.00 1.5 3.0 14 16 4.5 6.0 7.5 9.0 10.5 12.0 13.5 15.0 16.5 18.0 (°C) -1.35 °C je 100 m R= 0.738 Mittel 1.8 (°C) -0.50 0.0 0.50 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 (°C) Mittel 1.6 (°C) Claudia Schöps (LLUR) 3.3.3.0 Claudia Schöps (LLUR) 3.3.3.0 Claudia Schöps (LLUR) 3.3.3.0 WETTREG 2010; EH_L1; A1B; Simulation: Mittel; Mittel_Temp; meteorologischer Winter (DJF) 1.50 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 4.5 5.0 (%) Mittel 3.9 (%) Basiszeitraum 1961 - 1990 (absolute Werte in mm) Projektionszeitraum 2021 - 2050 (Änderungssignal zum Basiszeitraum in %) Projektionszeitraum 2071 - 2100 (Änderungssignal zum Basiszeitraum in %) 120 175 230 285 340 395 450 505 (mm) -50.0 -40.0 -30.0 -20.0 -10.0 0.00 10.0 20.0 30.0 -9.70 mm je 100 m R= 0.131 Mittel 221.3 (mm) 40.0 50.0 (%) Claudia Schöps (LLUR) 3.3.3.0 Claudia Schöps (LLUR) 3.3.3.0 Claudia Schöps (LLUR) 3.3.3.0 WETTREG 2010; EH_L1; A1B; Simulation: Mittel; Niederschlag; meteorologischer Sommer (JJA) -52.9 < -50.0 -40.0 -30.0 -20.0 -10.0 0.00 10.0 20.0 30.0 Mittel -14.2 (%) Basiszeitraum 1961 - 1990 (absolute Werte in mm) 40.0 50.0 (%) Mittel -38.7 (%) Projektionszeitraum 2021 - 2050 (Änderungssignal zum Basiszeitraum in % Projektionszeitraum 2071 - 2100 (Änderungssignal zum Basiszeitraum in %) 120 175 230 285 340 395 450 505 (mm) -7.47 mm je 100 m R= 0.078 Mittel 179.2 (mm) -50.0 -40.0 -30.0 -20.0 -10.0 0.00 10.0 20.0 30.0 40.0 50.0 (%) Claudia Schöps (LLUR) 3.3.3.0 Claudia Schöps (LLUR) 3.3.3.0 Claudia Schöps (LLUR) 3.3.3.0 WETTREG 2010; EH_L1; A1B; Simulation: Mittel; Niederschlag; meteorologischer Winter (DJF) -50.0 -40.0 -30.0 -20.0 -10.0 0.00 10.0 20.0 30.0 40.0 Mittel 11.1 (%) 50.0 (%) 52.0 > Mittel 34.8 (%) 17 18 Welche Erkenntnisse bestehen und welche Ansätze zur Anpassung sind schon ergriffen? Der folgende Abschnitt untersucht den Kenntnisund Maßnahmenstand zur Anpassung in Sektoren / Handlungsbereichen, die für die Anpassung besonders relevant sind. Dabei folgt jede Sektordarstellung einer einheitlichen Gliederung: • • • Welche Erkenntnisse liegen zu erwartbaren Klimafolgen vor? Welche Herausforderungen bestehen, welche Maßnahmen sind denkbar? Welche Aktivitäten auf Landesebene sind bereits konzipiert oder sogar ergriffen? Boden Welche Erkenntnisse liegen zu erwartbaren Klimafolgen vor? Klimawandel beeinflusst den Boden. Auf der Grundlage der Projektionen des Regionalisierungsmodells WETTREG unter ausschließlicher Betrachtung von Temperatur und Niederschlag zeichnen sich folgende mögliche Entwicklungstendenzen für die drei Hauptnaturräume Schleswig-Holsteins ab: 19 Geänderte Niederschlags- und Verdunstungsraten wirken sich unmittelbar auf die Bodenwassergehalte aus. Geringere Bodenwassergehalte im Sommer führen besonders auf den sandigen Geeststandorten zu einer Einschränkung der pflanzenverfügbaren Wassermenge und so zu einer Zunahme von Trockenstresssituationen. Die Böden der Marschen und des Östlichen Hügellandes können eher längere Trockenperioden überbrücken. Allerdings werden diese Böden von der projezierten Niederschlagszunahme im Winter vermutlich stärker beeinträchtigt als jene der Geestlandschaften. Sie befinden sich dann länger im wassergesättigten Zustand und sind anfälliger gegenüber Schadverdichtungen. Eine Ausweitung der Phasen mit wassergesättigten Bodenzuständen kann an geneigten Standorten außerdem eine Zunahme des Oberflächenabflusses und damit der Bodenerosion bedeuten. Die Sandböden der Geestlandschaften bieten ein besonders hohes Potential für Nitratausträge durch Sickerwasser. Da zudem in der Geest sehr hohe Niederschlagszunahmen für den Winter erwartet werden, kann gerade hier die Gefährdung von Grund- und Oberflächengewässern durch Stoffeinträge deutlich zunehmen. 20 Erwartbare Klimafolgen in Böden: • Trockenstress im Sommer auf der Geest ! • Schadverdichtungen und Bodenerosion in Marsch und östlichem Hügelland • Erhöhte Schadstoffausträge auf der Geest • Rückgang von organischer Substanz in Mooren und Feuchtgebieten. Der Humusabbau wird sowohl bei starker Trockenheit als auch bei starker Nässe gehemmt. Zusätzlich wird eine Zunahme der Biomasseproduktion infolge des Klimawandels vermutet. Aufgrund der Unsicherheiten, die mit möglichen Veränderungen der biologischen Aktivität und der Humusgehalte verbunden sind, ist eine regionale Einschätzung sehr schwierig. Bei zunehmender Trockenheit kann jedoch eine erhöhte Gefahr des Rückgangs von organischer Substanz in hydromorphen Böden, besonders in Mooren, als sehr wahrscheinlich erachtet werden. Bundesweit führt das Johann Heinrich von ThünenInstitut seit 2010 das Projekt Bodenzustandserhebung Landwirtschaft durch. Dabei werden die Kohlenstoffvorräte landwirtschaftlich genutzter Böden und der Einfluss von Klima, Nutzung und Management auf Bodeneigenschaften ermittelt sowie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Bodenkohlenstoffvorräte prognostiziert2. 2 vgl. http://www.bmelv.de/SharedDocs/Standardartikel/Landwirtschaft/Klima-und-Um- Bodenkarte Schleswig-Holstein, Teil Bodenarten (LLUR 2011; leicht verändert) Sand Sand und lehmiger Sand über Sand Sand und lehmiger Sand über Lehm Sand und lehmiger Sand über Ton Lehm und lehmiger Sand über Lehm Schluff und Feinsand Ton und Schluff Niedermoortorf und Anmoor Hochmoortorf Aufschüttung Binnensee welt/Agrar-Umweltmassnahmen/Bodenzustandserhebung.html 21 Seit 1989 wird das Programm Boden-Dauerbeobachtung durchgeführt. Die Erfassung der Veränderungen der Gehalte/Vorräte an organischer Substanz im Boden ist hierbei eine zentrale Größe in der Betrachtung der Klimafolgen für den Boden. Konkrete Aussagen dazu sind aufgrund der dafür noch zu kurzen Laufzeiten und noch nicht ausreichenden Wiederholungsbeprobungen derzeit noch nicht möglich. Eine monokausale Zuweisung von Ursachen für Veränderungen des Bodens aufgrund des Klimawandels wird jedoch praktisch nicht möglich sein. Welche Herausforderungen bestehen, welche Maßnahmen sind denkbar? Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Boden hat ein Positionspapier „Boden und Klimawandel. Klimawandel - Betroffenheit und Handlungsempfehlungen des Bodenschutzes“ entwickelt und vorgelegt.3 Dieses skizziert bereits einige Herausforderungen und Handlungsoptionen. Eine Schlüsselfunktion kommt den Böden bei der Speicherung von Kohlenstoff zu (Senkenfunktion), wobei die von Böden gespeicherten C-Mengen je Flächeneinheit in der Reihenfolge Moore >> semiterrestrische Böden (Gleye, Marschen, Auenböden) >> terrestrische Böden 3 Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz: Boden und Klimawandel. Klimawandel Betroffenheit und Handlungsempfehlungen des Bodenschutzes. LABO-Positionspapier. Stand 09.06.2010. 22 Erforderliche Bodenschutzmaßnahmen: • Schutz von Böden, insbesondere solchen mit sehr hohem C-Speichervermögen bzw. hohem C-Vorrat vor Überbauung im Rahmen von Planungs- und Genehmigungsverfahren (Freiflächenschutz) • Reduzierung des Flächenverbrauchs bisher unversiegelter Böden durch verstärkte Innen entwicklung und Brachflächenrecycling • Rekultivierung und Renaturierung devastierter Flächen • Erhalt, ggf. Mehrung von Wald und Grünland, insbes. Vermeidung von Grünlandumbruch; • Schutz hydromorpher Böden, insbesondere Erhalt und Regeneration von Mooren • nachhaltige Nutzung von Ackerflächen, insbesondere durch: Sicherstellung einer ausgeglichenen Humusbilanz; Vermeidung des Verlustes organischer Substanz infolge von Wasser- und Winderosion; Vermeidung von Bodenschadverdichtungen. Feldkapazität im effektiven Wurzelraum FKWE sehr hoch hoch mittel gering sehr gering mehr als 400 mm 300-400 mm 200-300 mm 100-200 mm 0-100 mm nicht bewertet (z.B. Wald, Siedlung, Datenlücken Gewässer Bodenfunktion „Bestandteil des Naturhaushalts, insbesondere mit seinen Wasser- und NährstoffKreisläufen“ (§2, Abs. 2, Pkt. 1b, BBodSchG) Die FKWE ist die Mendge an Wasser im effektiven Wurzelraum, die der Boden entgegen der Schwerkraft halten kann. Hohe Ton-, Schluff- und Humusgehalte bewirken eine hohe FKWE und umgekehrt. abnehmen. Den größten Einfluss auf die C-Vorräte der Böden hat die Landnutzung (Wald ≈ Grünland >> Ackerland). Darüber hinaus hat die Bodenbewirtschaftung einen deutlichen Einfluss auf die C-Gehalte und -Vorräte im Boden. Es gilt vorhandene organische Bodensubstanz zu erhalten und ggf. zu erhöhen. Allerdings werden die Gehalte an organischer Substanz in Böden im Wesentlichen von den standorttypischen Gegebenheiten bestimmt und lassen sich daher nicht einfach durch Zugabe von organischen Materialien erhöhen. Bestrebungen der Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft Boden hinsichtlich einer koordinierten Anpassung der Boden-Dauerbeobachtung vor dem Hintergrund des Klimawandels stehen erst am Anfang. Gegebenenfalls kann das laufende Projekt Boden-Dauerbeobachtung in Schleswig-Holstein unter Nutzung vorhandener Daten um die Kohlenstoffvorräte landwirtschaftlich genutzter Böden sowie die Humusqualität erweitert werden. Beispiel für einen Sandboden Gley aus Talsand über tiefem Schmelzwassersand an der Pinnaunördlich von Quickborn (Grünlandstandort) Welche Aktivitäten auf Landesebene sind bereits konzipiert oder sogar ergriffen? Auf der Maßnahmenebene ist insbesondere im „Agrarland Schleswig-Holstein“ der enge Zusammenhang von Bodenqualität und Landbewirtschaftung zu berücksichtigen. Eine der Grundlagen für eine standortangepasste Landbewirtschaftung sind Informationen, die über Verbreitung, Aufbau, Beschaffenheit, Zustand und Entwicklung des Bodens Auskunft geben. Diese Daten werden vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) ermittelt und u.a. auch hinsichtlich klimarelevanter Aussagen bewertet. Bewertungskarten u.a. hinsichtlich Wasserhaushalt, Nährstoffhaushalt und natürlicher Ertragsfähigkeit liegen bereits vor. Damit können für Schleswig-Holstein regionale Aussagen zu Böden mit geringer und hoher Wasserspeicherfähigkeit und deren Empfindlichkeit gegenüber dem Klimawandel abgeleitet werden und auch das Nährstoffrückhaltevermögen mit erwarteten Niederschlagsänderungen verknüpft werden. 23 24 22 Grundwasser Welche Erkenntnisse liegen zu erwartbaren Klimafolgen vor? Der Klimawandel kann durch Erhöhung der Jahresdurchschnittstemperaturen, Veränderungen der Niederschlagsverteilung (Zunahme der Winterniederschläge, Abnahme der Sommerniederschläge bei gleichzeitig stärkerer Neigung zu Extremereignissen) oder durch den Anstieg des Meerspiegels (Verlagerung der Süß-Salzwassergrenze) Einfluss auf Menge und chemischen Zustand des Grundwassers haben. Auswirkungen des Klimawandels auf das Grundwasser sind derzeit noch nicht zweifelsfrei nachweisbar, da das Grundwasser vielfältigen sich überlagernden Einflüssen unterliegt. Es gibt derzeit keine eindeutigen Hinweise auf klimabedingte Veränderungen von Grundwasserständen an Landesmessstellen, auch ergeben sich aus den hydrochemischen Untersuchungen des Grundwassers bislang keine Hinweise auf klimabedingte Veränderungen. 25 Welche Herausforderungen bestehen, welche Maßnahmen sind denkbar? Die derzeitige geologisch/hydrogeologische Grundlagenermittlung muss fortgesetzt werden, um zunächst das grundsätzliche Systemverständnis (status quo) zu verbessern. Das landesweite Monitoring der chemischen und mengenmäßigen Entwicklung des Grundwassers stellt dabei eine wichtige Datengrundlage dar. Die Messnetze werden turnusmäßig überprüft und an neue Erkenntnisse angepasst. Es wird davon ausgegangen, dass langfristige klimatische Veränderungen des Grundwassers mit diesem Instrumentarium hinreichend erfasst werden können. Für die Einschätzung der Klimaauswirkungen auf das Grundwasser ist die kontinuierliche Erarbeitung hydrogeologischer Fachgrundlagen fortzusetzen. Dabei bildet auch die Erarbeitung hydrogeologischer (3-D) Modelle sowie numerischer Grundwassermodelle einen wichtigen Arbeitsschwerpunkt. Die Ergebnisse dienen einem besseren Verständnis der Systemzusammenhänge und sind Fachgrundlagen für Prognoseund Szenarienmodelle. Derzeit konzentrieren sich die Modellbetrachtungen auf wasserwirtschaftlich stark beanspruchte Modellregionen. 26 Ein verstärkter Eintrag von Schadstoffen aus dem Bodenbereich in das Grundwasser durch eine erhöhte Grundwasserneubil­dung könnte die Umstellung landwirtschaftlicher Flächennutzung auf Fruchtfolgen mit Winterdeckung oder eine konsequente Winterbegrünung erforderlich machen. Die Verminderung der Niederschlagshöhe im Sommerhalbjahr könnte einen erhöhten Wasserbedarf, z.B. zur Beregnung landwirtschaftlicher Kulturen zur Folge haben. Inwiefern die im Winterhalbjahr erhöhte Niederschlagsmenge ausreicht, um den höheren Sommerbedarf auszugleichen, ist derzeit nicht bekannt. Wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen für Grundwasserentnahmen sind Grundlage einer Steuerung der Grundwasserbewirtschaftung. Somit kann über diese Instrumente auch auf klimatisch bedingte Veränderungen reagiert werden. Sich ändernde bzw. stärker schwankende Grundwasserstände könnten Auswirkungen auf grundwassernah errichtete Bauwerke haben, so dass ggf. Wasserhaltungsmaßnahmen erforderlich werden. Mögliche Veränderungen durch den Klimawandel (Ostsee und Nordsee) Physikalisch-meteorologisch • Meeresspiegelanstieg (Überflutungen) • Änderungen der Häufigkeit und Intensität von Extremereignissen (Sturmfluten, Hochwasser, Überflutungen) • Zunahme Küstenerosion (an Steil- und Flachküsten mit Steilküstenabbrüchen und Sandverluste an Badestränden, Änderung und Rückgang Uferlinie) • veränderte Strömungsdynamik und Sedimenttransport (Sandtransport) • veränderte Sedimentationsprozesse (Versandungen) • Gefährdung Grundwasser (Versalzen) • Höhere Wassertemperaturen (Oberfläche) • Änderungen der Bewölkung und Sonneneinstrahlung • Zunahme der Niederschläge (im Winter) • Zunahme der Trübung durch Partikel • Abnahme des Salzgehaltes • Veränderte Zirkulation durch Änderungen in den salinen und thermischen Schichtungen • Verstärkte Eutrophierung (Nährstoffpulse im Winter, Landnutzungsänderungen) • verminderte Gewässerqualität (WRRL, MSRL, Badequalität) • Änderungen im Strandanwurf (qualitativ und quantitativ) • Zunahme Sauerstoffmangel im Tiefenwasser mit Vergrößerung der anoxischen Zonen • pH-Wert Veränderungen Biologisch • vermehrtes Wachstum von Bakterien (pathogene Keime, toxische Cyanobakterien) • vermehrtes Auftreten von Algenblüten (Phytoplankton) • verfrühtes Einsetzen der Planktonentwicklung, • Zunahme kurzlebiger Großalgen Abnahme mehrjähriger Formen • Verbesserte Lebensbedingungen für nichtheimische Arten (Neobiota) • Reduzierte Artenvielfalt durch Abnahme heimischer Arten • Änderungen in der Artenzusammensetzung • Abwandern kälteliebender Arten – Zunahme wärmeliebender Arten (Fische, Makrozoobenthos, Plankton) 27 28 Die im Landesvergleich größte Bedeutung könnten Änderungen der Grundwasserverhältnisse in küstennahen Bereichen, insbesondere für die Süßwasserlinsen der Nordseeinseln haben. Welche Aktivitäten auf Landesebene sind bereits konzipiert oder sogar ergriffen? Im Hinblick auf den erwähnten Aspekt einer potenziellen Zunahme der Grundwasserneubildung und dem damit verbundenen verstärkten Eintrag von Schadstoffen ins Grundwasser werden im Rahmen der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie Möglichkeiten zur Minderung flächenhafter Nährstoffeinträge bei der landwirtschaftlichen Flächennutzung entwickelt und erprobt. dem Schwerpunkt Grundwasser ist. Es sollen geowissenschaftliche Daten als Planungsgrundlagen für die Entwicklung von eventuellen Anpassungsstrategien an die Auswirkungen des Klimawandels in den küstennahen Regionen erarbeitet werden. Die durchgeführten Untersuchungen konzentrieren sich derzeit auf die Insel Föhr. Als Ergebnis der Vielzahl unterschiedlicher Untersuchungsmethoden können mögliche Folgen von Grundwasserveränderungen, wie z.B. Grundwasserversalzungen sicherer bewertet werden. Ein erhöhter „Konkurrenzdruck“ für das Grundwasser, z.B. in Folge eines intensivierten Anbaus energetisch nutzbarer Pflanzen in Addition mit klimabedingten hydraulischen und hydrochemischen Veränderungen der Grundwassersituation, ist zu vermeiden. Der Arbeitsbereich Hydrogeologie des Geologischen Dienstes Schleswig-Holstein ist Projektpartner im INTERREG IV-Projekt CLIWAT www.cliwat.eu dessen Ziel die Erkundung möglicher Einflüsse des Klimawandels auf den Wasserhaushalt mit 29 30 Meeresökologie Welche Erkenntnisse liegen zu erwartbaren Klimafolgen vor? Ostsee Mithilfe von 3D Ökosystemmodellen und regionalen Datensätzen modellieren Wissenschaftler aus dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde Klimaszenarien für die Ostsee. Die Projektionen wurden für verschiedene Klimagasemis­sionsszenarien (A1B und B1) für den Zeitraum von 2000 bis 2100 erstellt. Die Ergebnisse zeigen eine erwartete Erwärmung des Oberflächenwassers um 0,5 bis 2,5 °C mit einer Abnahme der Salinität um 1.5 bis 2 g pro kg und einer stark reduzierten Seeeisbedeckung im Winter (Gräwe und Burchard 2010). Die Saison in der Cyanobakterienblüten vorherrschen verlängert sich und die Sauerstoffmangelsituationen im Tiefenwasser der zentralen Ostsee könnten sich etwas weniger stark ausbilden (Neumann 2010). Eine umfassende Darstellung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse in der regionalen Klimaforschung im Bereich der Ostsee findet sich im Buch „Assessment of Change for the Baltic Sea Basin“ des BACC Autorenteams von 2008. Nach den Ergebnissen verschiedener Modellläufe erhöht sich die durchschnittliche Jahreslufttemperatur im gesamten 31 Ostseebereich um 3-5°C. So verlängert sich die Dauer der Vegetationsperiode (>5°C) im südlichen Bereichen der Ostsee um 30-90 Tage. Außer in den südlichsten Regionen der Ostsee nimmt mit der Erwärmung im Sommer auch der Niederschlag zu. Die meisten regionalen Modelle projizieren trockenere Sommer und feuchtere Winter in den südlichen Ostseeregionen (Meinke et al. 2010). Nordsee Seit 1998 beschäftigt sich eine wattenmeerweite (trilaterale) Arbeitsgruppe (CPSL) mit dem Meeresspiegelanstieg und anderen Folgen der Klimaveränderung. Die AG hat Szenarien für den Meeresspiegelanstieg erarbeitet und die Folgen abgeschätzt. Für das realistischste Szenario (25 cm Meeresspiegelanstieg bis zum Jahre 2050) gilt: • signifikante Änderungen im Ökosystem Wattenmeer (Geomorphologie und Biologie) werden nicht erwartet, 32 Für das so genannte Worst-Case Szenario (50 cm Meeresspiegelanstieg bis zum Jahre 2050) gilt: • die Kapazität des Wattenmeeres, Änderungen im System durch Materialumlagerungen auszugleichen, könnte überschritten werden, • die tidalen Einzugsgebiete könnten dadurch anfangen, sich in Richtung von Küstenlagunen (mit mehr ständigen Wasserflächen) zu entwickeln, • diese geomorphologische Entwicklung würde die Lebensbedingungen der Flora und Fauna beeinflussen. Die Arbeitsgemeinschaft erwartet, dass sich zwischen dem realistischsten und dem „Worst-Case” Szenario eine Grenze der Belastbarkeit befindet, deren Überschreitung zu erheblichen Schäden am Ökosystem Wattenmeer führt. Eine Reihe von Auswirkungen der Erwärmung des Nordseewassers und der Klimaveränderung sind bereits zu beobachten wie z.B. eine frühere Setzzeit bei Seehunden, früherer Brutbeginn bei Vögeln, verstärkte Ausbreitung der Pazifischen Auster und anderer wärmeliebender Arten, Rückgang der heimischen Miesmuschelbestände. Mögliche Folgen für Nord- und Ostsee • Höhere und pulsartige Nährstoffeinträge (besonders im Winter) • Vermehrte Algen- und Cyanobakterienblüten • Verminderte Badewasserqualität (pathogene Keime, Quallen, Algenblüten, Trübstoffe) • Dauerhafte Überflutung und Vernässung von Strandabschnitten • Schäden an Schutzdeichen, Hafen- und Verkehrsinfrastruktur, Küstenbauwerken, Werften, Uferpromenaden Wanderwegen, Strandzugängen und Treppen • Sand- bzw. Uferabtrag an Badestränden und Campingplätzen • Beeinträchtigung von Fischlaichplätzen, Miesmuschelbänken, Seegras- und Blasentangbeständen • Verlängerung der Tourismussaison mit neuen touristischen Angebot im Bereich Sport und Freizeit • Hohe Kosten für Küstenschutzmaßnahmen (Sturmfluten, Hochwasser, Überschwemmungen) • Abnahme der Salinität (Salzgehalt, hier im Meerwasser) kann zu horizontalen und vertikalen Änderungen der Artenverteilung und letztendlich zur Abnahme der Artenanzahl führen • Störung im Nahrungsnetz, (Verhungern von Fischlarven, reduzierte Reproduktion, geringere Fangerträge Welche Herausforderungen bestehen, welche Maßnahmen sind denkbar? Ostsee Der Klimawandel kann die Auswirkungen des Nährstoffüberangebotes weiter verschärfen, da es durch Zunahme des Niederschlags insbesondere im Winter zu pulsartigen Belastungsspitzen in der Ostsee kommen kann. Um die Eutrophierung mit ihren Auswirkungen zu reduzieren, laufen derzeit mehrere Forschungsvorhaben und Anwendungsprojekte. Vorrangiges Ziel ist es, die Nährstoffe zu reduzieren bzw. zurückzuhalten, bevor sie in die Ostsee gelangen (Dränagemanagement). Dazu werden effiziente Maßnahmen zur Stickstoffminderung und zur Nutzung aquatischer Biomasse entwickelt und getestet. 33 34 Küstenschutz Welche Erkenntnisse liegen zu erwartbaren Klimafolgen vor? Der Weltklimarat IPCC hat 2007 Projektionen zum Meeresspiegelanstieg in diesem Jahrhundert erstellt. Demnach könnte der globale mittlere Meeresspiegel 2100 um 0,2 bis 0,6 m höher liegen als gegen Ende des letzten Jahrhunderts. Beschleunigtes Abschmelzen der Landeiskappe auf Grönland könnte diese Werte noch um maximal 0,2 m erhöhen. Neuere Untersuchungen liefern jedoch Hinweise, dass die IPCC-Projektionen möglicherweise zu niedrig sind; die aktuellen Anstiegswerte liegen zwischen 0,5 und 1,4 m bis 2100. Zum Vergleich: im letzten Jahrhundert stieg der Meeresspiegel an unseren Küsten in etwa um 0,15 m an. Ein vorsorglicher Küstenschutz hat sich somit nicht nur auf deutlich höhere Wasserstände, sondern auch auf größere Unsicherheiten (was kommt da wirklich auf uns zu?) einzustellen. Der Meeresspiegelanstieg betrifft sowohl auf Mittel- als auch auf Extremwasserstände an den Küsten Schleswig-Holsteins führen. Bereits heute müssen etwa ein Viertel der Landfläche und die Inseln durch Deiche und andere Anlagen vor Sturmfluten und Landabbruch geschützt werden. Der Klimawandel macht erhöhte Anstrengungen im Küstenschutz erforderlich. 35 Für die Küstensicherung (Schutz vor Landabbruch) ist eine differenzierte Betrachtung nötig. Grundsätzlich nimmt der Küstenabbruch mit erhöhten Anstiegsraten und zunehmender Sturmflutaktivitäten zu. In der Konsequenz muss spätestens in einigen Jahrzehnten mit verstärktem Küstenabbruch gerechnet werden – dann auch an Stellen, die heute stabil sind. Hinsichtlich dieser Herausforderung ist es wichtig, rechtzeitig Überlegungen über mögliche Anpassungsstrategien anzustellen. Hinsichtlich des flächenhaften Küstenschutzes (Sicherung der Stabilität des Wattenmeeres) wird auf die bereits dargestellten Ergebnisse der trilateralen Expertengruppe hingewiesen, wonach ein Meeresspiegelanstieg nur unterhalb eines Schwellenwertes noch durch Umlagerungen ausgeglichen werden kann. Bei stärkeren Meeresspiegelanstiegsraten, die nach den neuesten Projektionen zumindest langfristig nicht mehr auszuschließen sind, würden die Wattflächen signifikant abnehmen und sich damit auch erhebliche Auswirkungen für den Küstenschutz ergeben. Durch die größeren Wassertiefen könnten höhere Wellen das Deichvorland und die Deiche erreichen. Die Deichvorländer sind vermutlich in der Lage, einen Meeresspiegelanstieg von bis zu 1,5 cm pro Jahr durch vermehrte Akkumulation auszugleichen. 36 Hinsichtlich künftiger Sturmflutwasserstände ist zunächst festzuhalten, dass Sturmfluten auf den jeweiligen mittleren Wasserspiegel aufsetzen. Folglich nehmen die Sturmflutwasserstände in etwa entsprechend dem mittleren Meeresspiegelanstieg (siehe oben) zu. Sturmfluten entstehen während auflandiger Starkwindereignisse, die das Wasser vor der Küstenlinie aufstauen und dort zu einem sog. Windstau führen. Die Höhe des Windstaus ist abhängig von der Windstärke, -richtung und -dauer sowie der Küstentopographie (Wassertiefe, Exposition zur Windrichtung, Buchteneffekt). Entsprechend fällt der Windstau lokal stark unterschiedlich aus und sind Projektionen für die Küsten Schleswig-Holsteins schwierig zu erstellen. Das Helmholtz Zentrum Geesthacht (ehemals GKSS) hat auf Basis der IPCCSzenarien A2 und B2 für die Nordseeküste und Tideelbe Modellrechnungen zu künftigen Sturmflutwasserständen veröffentlicht (Woth et al., 2006, Grossmann et al., 2006). Demnach könnten die Sturmflutwasserstände (einschl. des mittleren Meeresspiegelanstieges) am Ende dieses Jahrhunderts im Vergleich zum Ende des letzten Jahrhunderts an der Nordseeküste SchleswigHolsteins um 0,3 m bis maximal etwa 1,1 m ansteigen, in der Tideelbe um maximal etwa 1,3 m (St. Pauli). Die Aussagen sind allerdings mit großen Unsicherheiten behaftet. Für die deutsche Ostseeküste wurden bisher keine Sturmflutszenarien veröffentlicht. Die Beobachtungen aus der Vergangenheit lassen keine Aussagen zur künftigen Entwicklung zu. Im Rahmen der Forschungsprojekte RADOST (nähere Erläuterungen siehe weiter unten) und KLIWAS werden regionalisierte Untersuchungen an der Ostseeküste durchgeführt. Die mittleren und maximalen Seegangsverhältnisse sind, wie der Windstau, von den Windverhältnissen und der Küstentopographie geprägt. Auch hier gilt, dass die Erstellung von (lokal gültigen) Projektionen sehr schwierig ist. Im EU-Forschungsvorhaben STOWASUS 2100 wurden mögliche Änderungen des Seegangsklimas bei einer angenommenen Verdoppelung des CO2Gehaltes in der Atmosphäre (vergleichbar mit dem IPCC-Szenario A2) untersucht. Die Modellergebnisse zeigen für die Nordsee eine etwa 5%ige Zunahme der mittleren signifikanten Wellenhöhen und eine noch geringere Zunahme der maximalen Wellenhöhen. Beide Änderungen liegen jedoch deutlich innerhalb der natürlichen Streubreite des 20. Jahrhunderts, so dass hieraus keine eindeutige Entwicklung abzuleiten ist. Auch hierzu wurden für den deutschen Ostseebereich im Rahmen der Forschungsprojekte RADOST und KLIWAS regionalisierte Untersuchungen durchgeführt. Welche Herausforderungen bestehen, welche Maßnahmen sind denkbar? Trotz aller bestehender Erkenntnisse und auch schon eingeleiteter Maßnahmen (siehe nachfolgender Abschnitt) müssen weitere Anstrengungen unternommen werden, die Folgen und Auswirkungen des Klimawandels im Küstenbereich detaillierter zu erfassen bzw. abzuschätzen, um die bestehenden Strategien und Maßnahmenkonzepte (siehe unten) für Küstenregionen fort zu entwickeln. Welche Aktivitäten auf Landesebene sind bereits konzipiert oder sogar ergriffen? In Anerkennung der übergeordneten Bedeutung eines funktionierenden Küstenschutzes, auch in Zeiten des Klimawandels, haben der Bund und die Küstenländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein 2009 einen Sonderrahmenplan: „Maßnahmen des Küstenschutzes infolge des Klimawandels“ aufgelegt. Bis 2025 werden 37 insgesamt 494 Mio. e zusätzlich für den Küstenschutz bereit gestellt. An dieser Summe beteiligt sich der Bund mit 380 Mio. e; den Rest übernehmen die Länder. Mit diesen Mitteln werden die Küstenländer ihre Küstenschutz-Anpassungsstrategien für den Klimawandel umsetzen. In Schleswig-Holstein werden die zusätzlichen Mittel auch dazu genutzt, ein neues Konzept für Deichverstärkungen – wie in der Abbildung dargestellt – umzusetzen: 1. Nach dem im Generalplan Küstenschutz SchleswigHolstein des Jahres 2001 beschriebenen Verfahren wird regelmäßig – etwa alle zehn Jahre – die Sicherheit der Landesschutzdeiche überprüft. 2. Bei festgestellter Unterbemessung (Abb. a) wird zunächst eine Neubemessung nach dem bisherigen Verfahren (einschl. Klimazuschlag von 0,5 m) und für das Regelprofil mit variabler Neigung der Deichaußenböschung durchgeführt (Abb. b). 3. Das somit ermittelte Deichbestick (Höhe und Neigungen) wird in einem zusätzlichen Schritt angepasst, in dem die Breite der Deichkrone von 2,5 auf 5 m verbreitert wird und die Außenböschung eine einheitlich flache Neigung erhält (Abb. c). 38 Durch die Abflachung und Verbreiterung der Deichkrone wird bereits heute eine zusätzliche Sicherheit gegenüber dem bisherigen Regelprofil für Deichverstärkungen geschaffen, da der Wellenauflauf mit flacheren Deichaußenböschungen generell abnimmt. Der größte Vorteil ist jedoch, dass eine sog. Baureserve für spätere Nachverstärkungen geschaffen wird. Falls der Meeresspiegel stärker als bisher angenommen ansteigt (>> 0,5 m), haben nachfolgende Generationen nämlich die Möglichkeit, mit relativ geringem Aufwand dem Deich eine sog. Deichkappe aufzusetzen (Abb. d). Das alte Regelprofil mit unterschiedlichen Deichaußenböschungen würde dadurch wiederhergestellt. Mit dieser Maßnahme kann – zusätzlich zum bisherigen Klimazuschlag von 0,5 m – einem Meeresspiegelanstieg von bis zu einem Meter begegnet werden. Die Bandbreite der aktuellen Meeresspiegelprojektionen bis 2100 (0,5 bis 1,4 m) wird somit durch das mehrstufige Verfahren voll abgedeckt. Die zusätzlichen Kosten für die Abflachung und Verbreiterung liegen zwischen 10 und 20 % einer regulären Verstärkungsmaßnahme, das spätere Aufsetzen einer Deichkappe schätzungsweise bei lediglich 10 %. Entsprechend verringern sich die Kosten für die nächsten Generationen, die den anthropogenen Klimawandel auch nicht zu verantworten haben. a Zu verstärkender Deich b Deichverstärkung nach Generalplan Küstenschutz 2001 (mit Klimazuschlag von 50 cm) Zu verstärkender Deich c Deichprofil mit Baureserve Deichverstärkung nach Generalplan Küstenschutz 2001 (mit Klimazuschlag von 50 cm) Zu verstärkender Deich d Baureserve für zusätzlichen Meeresspiegelanstieg Deichprofil mit Baureserve Deichverstärkung nach Generalplan Küstenschutz 2001 (mit Klimazuschlag von 50 cm) Zu verstärkender Deich 39 40 Landwirtschaft Welche Erkenntnisse liegen zu erwartbaren Klimafolgen vor? Die Landwirtschaft ist einer der Hauptbetroffenen des Klimawandels. Dabei sind die Produktionssysteme je nach Nutzungsdauer unterschiedlich betroffen: • Anbau einjähriger Kulturpflanzen (z.B. Weizen, Raps) erlaubt kurzfristige Anpassungsstrategien; • Anbau mehr- bzw. langjähriger Kulturpflanzen (z.B. Obstgehölze, Baumschulpflanzen) und Anpassungen bei den Tierhaltungsverfahren benötigen mittel- bis langfristige Strategien. Durch den Klimawandel werden sich vor allem die pflanzenbaulichen Produktionssysteme verändern, u.a. durch die Modifikationen bei der Anbauwürdigkeit von Kulturarten und Sorten. Die Ertragsbildung landwirtschaftlicher Nutzpflanzen kann durch den Klimawandel sowohl positiv als auch negativ beeinflusst werden. Beispielsweise ist bei Getreide ein Anstieg der Erträge aufgrund höherer Temperaturen und höherer CO2-Konzentration bei ausreichendem Wasserbedarf möglich, ebenso kann aber auch eine mit zunehmender Temperatur verkürzte Kornfüllungsphase zu Ertragseinbußen führen. 41 Die Auswirkungen des Klimawandels werden mit Verschiebungen in den Artenspektren von Wildkräutern, Krankheitserreger und Schädlingen einhergehen: • Auftreten neuer Krankheiten und Schädlinge, z.B. bei den tierischen Schaderregern werden Wärme liebende Insekten wie Maiszünsler, Kartoffelkäfer, Blattläuse zunehmen; • Zunahme schwer bekämpfbarer Wurzelunkräuter und -ungräser sowie Herbstkeimer sowie invasiver Pflanzen. Im Obstbau wird als Folge des früher einsetzenden Blühtermins eine höhere Empfindlichkeit bei Spätfrösten, mithin höhere Kosten für die Frostschutzberegnung, erwartet. Des Weiteren kann durch eine schnellere Abreife der Früchte eine Veränderung der Qualität der Ernteprodukte eintreten. Durch zunehmende extreme Witterungsereignisse (z.B. Hagel, Vorsommer- bzw. Frühjahrstrockenheit, Starkregen und Sturm) steigt das Ertragsrisiko. Mit steigendem Trockenstress, besonders auf sandigen 42 Standorten mit geringem Wasserspeichervermögen, gewinnen dort Wasser sparende Bodenbearbeitung und Bestandesführung an Bedeutung. Die genannten Extremereignisse führen zu einer erschwerten Anwendung und Bemessung von Betriebsmitteln (z.B. Dünge- und Pflanzenschutzmitteln), deren Wirksamkeit sich z.B. durch stärkeren Abbau infolge zunehmender UV-Strahlung deutlich verändern könnte. Die Leistungsfähigkeit der Nutztiere wird sich bei höheren Temperaturen ändern, was auch Modifikationen beim Bau von Stallanlagen nach sich zieht. Besonders bei geschlossenen Lüftungssystemen in der Schweine- und Geflügelhaltung sind durch Einbau von Kühlvorrichtungen höhere Kosten zu erwarten. In der Tierhaltung ist mit dem Auftreten neuer Krankheitserreger zu rechnen, z.B. hat sich das Ausbreitungsgebiet der Blauzungenkrankenkrankheit (Übertragung durch Vektoren, sog. Gnitzen) ständig nach Norden verschoben, da die Ausbreitung und Aktivität der Vektoren temperaturabhängig ist. Kriterien für eine Klimasensibilitätsanalyse Für das Nordwestdeutsche Tiefland wurden 15 Hochrisiko-Arten identifiziert. 8 Kriterien wurden für die Klimasensibilitätsanalyse ausgewertet: • Biotopbindung • (thermisch)ökologische Amplitude • Migrationsfähigkeit • Arealgröße • Aktuelle Bestandssituation • Vorkommen in klimawandelsensiblen Zonen • Vermehrungsrate • Rote-Liste-Status Welche Herausforderungen bestehen, welche Maßnahmen sind denkbar? Landwirtschaftliche Beratung und Agrar-UmweltMaßnahmen, wie sie bisher im Rahmen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und von NATURA 2000 angeboten werden, sollten weiter geführt und ggfs. ausgedehnt werden. Des Weiteren gilt es, neue Prognose- und Steuerungsmodelle zu etablieren, sowohl das landwirtschaftliche Versuchswesen als auch die Pflanzenschutzstrategien und die Züchtungsziele im Pflanzenbau (inkl. Obstbau) an die neuen Herausforderungen anzupassen. Auch Weiterentwicklungen von standortangepassten regionalen Bodenbewirtschaftungssystemen sowie des Stallbaus bezüglich Emissionsminderung und Energieeffizienz sind zu intensivieren. 43 44 Biologische Vielfalt Welche Erkenntnisse liegen zu erwartbaren Klimafolgen vor? Der Klimawandel bildet einen zusätzlichen Stressfaktor für Arten und Lebensräume an Land, in Gewässern und in den Meeresökosystemen (siehe obiger Abschnitt). Er wird eher weniger die allein entscheidende Ursache für Veränderungen in der Landschaft sein. Bereits bestehende Probleme, z. B. durch die aktuelle Land-, Gewässer- und Meeresnutzung, werden verstärkt. Die Artenzusammensetzung und die Dominanzverhältnisse innerhalb der Ökosysteme werden sich ändern: • Der Anteil von Arten mit nördlicher und mit atlantischer Verbreitung wird potenziell abnehmen, • Arten des mediterranen Floren- und Faunenkreises breiten sich dagegen aus, • eng eingenischte, spezialisierte Arten werden potenziell benachteiligt, • Generalisten werden potenziell profitieren. Arten mit einem hohen Ausbreitungspotenzial aufgrund großer Reproduktionsfähigkeit und Mobilität werden sich besser an Veränderungen anpassen können als Arten, deren Ausbreitungsfähigkeit gering ist. Potenziell besonders gefährdet sind: • Arten aus kleinen, verinselten Populationen, • kleine Populationen ohne aktiven Genaustausch mit anderen Populationen. 45 Neben natürlich einwandernden Arten könnten vom Menschen eingeschleppte Arten (Neobiota) profitieren. Arten, deren Lebensräume derzeit noch begrenzt sind, könnten durch die klimatischen Veränderungen neue Standorte besiedeln. Dabei können einheimische Arten verdrängt werden. Die zu erwartende Trockenperiode während der Sommermonate wird entscheidenden Einfluss auf die Lebensräume haben. Das Trockenfallen der obersten Bodenschichten wird vor allem in Feuchtökosystemen Auswirkungen haben: • zeitweiliger Verlust von Lebensräumen, z. B. von kleinen stehenden Gewässern oder Fließgewässern, • stärkere Mineralisierung des organischen Oberbodens, was Lebensräume beeinträchtigt, daneben aber auch zur Freisetzung von Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor, aber auch zur Emission von Kohlendioxid führt. Für die wassergeprägten Lebensräume auf Moor wurden die Emissionen vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) in 2008 abgeschätzt. Danach emittieren diese Lebensräume in Schleswig Holstein rd. 2,3 Mio. t CO2eq pro Jahr 1. 1 JENSEN et al.(2010): Bilanzierung der Klimawirkung von Moorböden in SchleswigHolstein. – TELMA Bd. 40, Seite 215-228 46 Biologische Vielfalt: Allgemein anerkannte Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt: • Vernetzung und Dynamik der Habitate von Arten und Lebensräumen (Habitatverbundfunktion) • Errichtung bzw. Ergänzung und Vergrößerung von Schutzgebietssystemen mit abgestuften Nutzungsintensitäten und Pufferzonen • Förderung von Landschaftselementen außerhalb von Schutzgebieten als Trittsteine • Maßnahmen zur Verbesserung des Landschafts wasserhaushaltes • Integriertes Management von Aktivitäten, die den nicht klimatisch bedingten Stress auf die Ökosysteme und Arten reduzieren und die Systeme damit stabilisieren. Die temperaturbedingt verlängerte Vegetationsperiode und die damit verbundene höhere Biomasseproduktion führen zu einem vermehrten Wasserverbrauch und -verlust (PG-Abschlussbericht, 2007). Vom Bundesamt für Naturschutz (BfN)2 wurden verschiedene Artengruppen auf ihre Gefährdung hin untersucht und in drei verschiedene Risikogruppen eingeteilt. Dabei sind vor allem die Weichtiere, Schmetterlinge und Libellen mit einem erhöhten Anteil als Hochrisiko-Arten betroffen. Besonders Tagfalter sind sehr gut als Indikatoren für den Klimawandel geeignet, daneben auch Vögel aufgrund ihres gut dokumentierten Brut- und Zugverhaltens. Vögel und Säugetiere sind generell eher weniger durch den Klimawandel betroffen. Die Verletzlichkeit ist besonders hoch, wenn es sich um stark gefährdete Arten handelt (Rote-Liste-Arten). Bei den dazugehörigen Lebensräumen handelt es sich meist um Moore, gefolgt von Wäldern, Trockenrasen, Heidegebieten und Quellen. Auch Gewässerufer und Küstenlebensräume sind stark klimasensibel. Eine vergleichbare Sensibilitätsanalyse wurde für NATURA 2000-Gebiete bzw. Lebensraumtypen durchgeführt2. Schutzgebiete einschließlich der NATURA 2000-Gebiete bedürfen eines besonderen Schutzes. In Schleswig-Holstein ist bereits in 2007 geprüft worden3, ob sich die derzeitigen Schutzziele auch unter den zu erwartenden Klimaänderungen erreichen lassen. Ergebnis ist, dass Maßnahmen zu entwickeln sind, die das natürliche Anpassungspotential schützen oder entwickeln. Welche Herausforderungen bestehen, welche Maßnahmen sind denkbar? Eine wesentliche Aufgabe des Gewässer-, Klima-, Bodenund Naturschutzes wird sein, empfindliche Lebensräume zu schützen. Dieses gilt vor allem für feuchtegeprägte Lebensräume wie Moore und Auen sowie mineralische Böden mit hohen Grundwasserständen, v.a. unter Dauergrünland. Sie stellen nicht nur eine wichtige CO2Quelle dar, wenn sie entwässert oder umgebrochen werden; sie müssen als Lebensraum für Pflanzen und Tiere vor den negativen Veränderungen durch den Klimawandel geschützt werden.4 Bereits 2007 wurden mögliche Auswirkungen von einer Projektgruppe des 3 H.-J. Augst/LANU 32: Flexibilität unserer Schutzgebiete im Klimawandel – eine Strategie für Schleswig-Holstein. Flintbek, 25.05.2007 4 Wälter, T. : Klimawandel und Naturschutz – zwischen Aktionismus und Anpassung. 2 Auswirkungen des rezenten Klimawandels auf die Fauna in Deutschland, BfN-Heft 98, 2010 LANU Jahresbericht 2006/2007 47 MLUR und des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) ausgearbeitet und in einer „wenn-dann-Liste“ festgehalten. Von der Abteilung Naturschutz des LLUR wurden hinsichtlich der Folgen durch den Klimawandel Handlungsoptionen erarbeitet5. Diese Empfehlungen wurden auch im Rahmen des „Norddeutschen Fachbündnis“ (SH, NI, MV, BB) diskutiert. Da es sich dabei um die moorreichen Bundesländer handelt, haben diese Bundesländer (um Bayern ergänzt) inzwischen landesweite Moorschutzprogramme aufgelegt. Auch der Schutz des Dauergrünlandes steht im Focus des Natur- und Klimaschutzes. Bisherige Schutzbemühungen haben allerdings bisher noch keine nachhaltige Wirkung entfaltet. Derzeit arbeiten Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Niedersachsen, Bayern und SchleswigHolstein an einem gemeinsamen Positionspapier zum Schutz der Moore. Ein wichtiger Bestandteil des Positionspapieres sind unterschiedliche Instrumente und Verfahren, um v.a. den Landschaftswasserhaushalt zu regenerieren, die komplexen Ökosysteme zu stabilisieren und somit eine Anpassung zu erleichtern. 5 Klimawandel in Schleswig-Holstein - Folgen und Handlungsoptionen für den Naturschutz. Bericht der Abteilung 3 Naturschutz und Landschaftspflege, LANU 2007 48 Um eine Anpassung an den Klimawandel zu erleichtern, sind zusätzlich Maßnahmen zum Biotopverbund bzw. Biotopkomplexen mit Ausweich-Lebensräumen, Vertragsnaturschutz, Biotopgestaltende Maßnahmen oder spezielle Artenschutzmaßnahmen erforderlich. Dabei hat neben dem Grünlandschutz die naturnahe Waldbildung und Waldflächenarrondierung eine besondere Bedeutung. Indikatoren Die Bewertung wurde nach folgenden Kriterien durchgeführt: • Regenerierbarkeit • Horizontale und vertikale Verbreitung • Flächenrückgang • Einfluss von Neophyten • Qualitative Gefährdung • Abhängigkeit von Grund- oder Oberflächenwasser • Risiken einer Landnutzungsänderung • Erhaltungszustand • Artenbezogene Gefährdungs- oder Risikoanalyse Welche Aktivitäten auf Landesebene sind bereits konzipiert oder sogar ergriffen? Vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) werden diverse Teiluntersuchungen zu Klimawandelfolgen für die biologische Vielfalt finanziert und betreut (s. Liste im Anhang). Bereits abgeschlossen ist das BfN-Projekt „Schutzgebiete im Klimawandel“ (www.pik-potsdam.de/ infothek/klimawandel-und-schutzgebiete). Das BfN-Projekt zu den „Auswirkungen des Klimawandels auf Fauna, Flora und Lebensräume sowie Anpassungsstrategien des Naturschutzes“ läuft noch bis Mitte 2011. Das LLUR ist in dieses Projekt eingebunden (www.bayceer.uni-bayreuth. de/KLINAT-FFH/). Vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) formulierte Empfehlungen: • Schutzgebiete erhalten und erweitern • Biotopverbund ermöglichen • Gebietsmanagement auf Klimawandel abstellen • Optimierung des Landschaftswasserhaushaltes • Förderung von Kohlenstoffsenken • Schutz der Knicks als Verbundstrukturen und als Erosionsschutzelement • Artenhilfsprogramme • Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung 49 50 Forstwirtschaft Welche Erkenntnisse liegen zu erwartbaren Klimafolgen vor? Wälder sind in Hinblick auf Anpassungsstrategien an den Klimawandel Opfer und Helfer zugleich. Als langlebige und von ihren Standorts- und Umweltfaktoren besonders abhängige Ökosysteme leiden sie besonders unter den Folgen des Klimawandels: • • • • • • Höhere Temperaturen besonders im Sommer führen zu Hitze- und Wasserstress. Dürreperioden können die Vitalität der Bäume erheblich beeinträchtigen. Starkregenfälle besonders im Winter stehen nicht als nachhaltig pflanzenverfügbare Wasserreserve zur Verfügung. Starke Stürme können die Existenz ganzer Waldgebiete bedrohen. Sekundärschädlinge wie z. B. Borkenkäfer können sich in durch Klimaänderungen geschwächten Beständen leichter ausbreiten und profitieren u.U. auch direkt von geänderten Klimabedingungen. Die Waldbrandgefahr, die in Schleswig-Holstein bisher relativ gering ist, wird zunehmen. 51 In ihrer Funktion als „Helfer“ gegen den Klimawandel binden Wälder bedeutende Mengen CO2 (rd. 16 t/CO2/ ha/a), die damit langfristig der Atmosphäre entzogen werden. Wird Holz genutzt, so wird in langlebigen Holzprodukten CO2 weiter gebunden. Wird Holz für energetische Zwecke verwendet, so übersteigt die CO2-Freisetzung nicht die Menge, die während des Wachstums des Baumes gebunden wurde. Unter Klimaschutzgesichtspunkten kommt im waldarmen Schleswig-Holstein damit nicht nur der Walderhaltung, 52 sondern auch der langfristig angestrebten Neuwaldbildung hohe Bedeutung zu. Gestaltung: zuckerguss Werbeagentur Verschiedene Baumarten reagieren unterschiedlich auf die Folgen des Klimawandels: • Die Fichte als an kühlere und feuchtere Standorte angepasste Baumart mit hohen Ansprüchen an die Wasserversorgung in der Vegetationszeit ist vom Klimawandel am stärksten betroffen. • Die Buche als häufigster Laubbaum wird voraus sichtlich mit höherer Anpassungsfähigkeit reagieren, jedoch vor allem in den trockeneren und wechsel- feuchten Randbereichen ihrer Standorte verstärkt an Grenzen stoßen. • Eichen, Kiefern (besonders im Südosten des Landes) und z. B. auch die Douglasie hingegen kommen mit zunehmender Sommertrockenheit besser zurecht. Welche Herausforderungen bestehen, welche Maßnahmen sind denkbar? Schleswig-Holstein ist im Jahr 2011 über einen Staatsvertrag der Nordwestdeutschen Forstliche Versuchsanstalt, die bisher von den Ländern Niedersachsen, Hessen und Sachsen-Anhalt getragen wurde, als Vollmitglied beigetreten. Hierdurch bietet sich zukünftig die Chance, mit dem Klimawandel und Anpassungsstrategien verbundene forstliche Fragestellungen wissenschaftlich fundiert und praxisbezogen aufzuarbeiten und entsprechende Empfehlungen zu erarbeiten. Vorläufige Empfehlungen richten sich auf folgende Handlungsfelder: • Festhalten an der praktizierten naturnahen Forstwirtschaft; • Stabilisierung der vorhandenen Waldbestände (Einzelbaumstabilität, ggf. gestaffelte Durchforstungen oder Niederdurchforstungen, Förderung von Mischbaumarten); • Senkung und Verteilung von Risiken (Ausnutzung standortgerechter individuenreicher Naturverjüngungen, ausreichende Zahl von Zukunftsbäumen in den Beständen, differenzierte Nutzung nach Zielstärken (Zieldurchmessern), Waldschutz; • Standortgerechter Waldumbau Für die Erarbeitung und Umsetzung von Anpassungsstrategien der schleswig-holsteinischen Wälder an den Klimawandel werden ausreichende finanzielle Mittel benötigt. Auf Bundesebene sind erste Schritte für die Einrichtung eines Wald-KlimaFonds erfolgt, der aus Veräußerungserlösen von Emissionshandelszertifikaten gespeist werden soll. Die Bundesländer müssen an diesem Fonds ausreichend partizipieren, um den Folgen des Klimawandels für die Wälder begegnen zu können. 53 Derzeit laufende Projekte • BalticCOMPASS „Drainagemanagementprojekt in der Modellregion Ostholstein Schwentine“ • RADOST-Anwendungsprojekt (in Mecklenburg-Vorpommern): „Steuerung von Nährstoffeinträgen durch Retentionsbecken“ • DBU-gefördertes Projekt an der Christian-Albrechts-Universität Entwicklung Maßnahmenkatalog für dränierte Flächen • Erprobung eines reaktiven Grabens mit der CAU Untersuchung des Nährstoffabbaus in einem mit organischem Material verfüllten Grabens • BIOLUTION Weiterentwicklung der energetischen Nutzung von Biomasse und Biogaspflanzen sowie der Entwicklung neuer Methoden und Strategien zur Minderung der Eutrophierung in aquatischen Ökosystemen durch Düngereinsatz in der Landwirtschaft (Projektantrag CAU Kiel) 854 Welche übergreifenden Projekte laufen oder sind in Planung? RADOST (Regionale Anpassungsstrategien für die deutsche Ostseeküste) ist eines von sieben Projekten, die im Rahmen der Fördermaßnahme „Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten“ (KLIMZUG) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden. KLIMZUG unterstützt Modellregionen in Deutschland bei der Entwicklung von innovativen Ansätzen zur Klimaanpassung. Die RADOST Projektregion umfasst die gesamte süd-westliche Ostsee, die gesamte deutsche Küstenlinie sowie die Einzugsgebiete der in die Ostsee mündenden Flüsse. Dies beinhaltet die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und SchleswigHolstein. Neben der Christian-Albrechts-Universität Kiel (Geographisches Institut), der Firma Coastal Research & Management und dem Büro für Umwelt & Küste sind auch das (Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein LKN sowie das LLUR aktive Projektpartner. RADOST entwickelt in einem Netzwerk mit regionalen Akteuren aus Wirtschaft, Verwaltung und Verbänden gemeinsam Anpassungsstrategien für die deutsche Ostseeregion. Die Aufgabenstellung reicht von der Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen über die Strategieentwicklung im Dialog bis zu beispielhaften Umsetzungsmaßnahmen und der Etablierung dauerhafter Strukturen, die geeignet sind, die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen. Dabei geht es gleichermaßen darum, mit dem Wandel verbundene Entwicklungschancen optimal zu nutzen, sowie Schaden für Wirtschaft, Gesellschaft und Natur zu minimieren. Die Zusammenarbeit im Rahmen des RADOST-Projektes soll den Klimawandel in der Wahrnehmung und Entscheidungsfindung der regionalen Akteure verankern und durch die gestärkten und neu geschaffenen Kommunikationsstrukturen über die Projektlaufzeit hinaus fortwirken. In der Metropolregion Hamburg beschäftigt sich das Projekt KLIMZUG-Nord mit dem Klimawandel. Für Schleswig-Holstein sind die Kreise Dithmarschen, Pinneberg, Steinburg, Segeberg, Stormarn und Herzogtum-Lauenburg einbezogen. Neben dem urbanen Raum werden Landschaften entlang eines Klimagradienten untersucht: Moore, Heiden und Auengrünland. Für Schleswig-Holstein werden das Himmelmoor und das Hartshoper Moor untersucht. Neben den Mooren sind Heiden und Auengrünland als Kulturlandschaften von Bedeutung; sie sind zudem wichtig für die Kohlenstoff-Akkumulation. Durch den Klimawandel könnten Kompensationswanderungen von Arten erfolgen. Untersucht wird zudem, wie Moore durch den Klimawandel beeinflusst werden und unter welchen Bedingungen sie überhaupt noch als C-Senke wirken. 55 Beispiel im Bereich der Landwirtschaft zu lösende Fragenkomplexe Um nachhaltige, praxisorientierte und ökonomisch vertretbare Anpassungsstrategien sowie neue Landnutzungstechniken zu erarbeiten, sind u.a. folgende Fragenkomplexe zu klären: • Wissenslücken schließen, z.B.: • – Mögliche Folgen des Klimawandels auf die heimische Landwirtschaft • – und den Gartenbau mit ihren jeweiligen regionaltypischen Besonderheiten sind bislang kaum untersucht. • – Prognostizierte Klimawirkungen werden bislang zu einseitig mit • den heutigen Produktionsverfahren verknüpft, • die landwirtschaftliche Produktionstechnik unterliegt aber auch • weiterhin einem deutlichen Wandel, z.B. durch Anwendung • der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung (precision farming). • – Bedeutung von Agroforstsystemen unter schleswig-holsteinischen Bedingungen sind weitgehend unerforscht • – Tierhaltung: Wo liegen die Grenzen der Anpassungen in den Bereichen Zucht, Haltung und Fütterung? • Etablierung neuer Prognose- und Steuerungsmodelle; • Konzepte zur Anpassung des Versuchswesens; • Konzepte zur Anpassung der Züchtungsziele im Pflanzenbau (inkl. Obstbau) und langfristig auch in der Tierhaltung; • Konzepte zur Anpassung von Pflanzenschutzstrategien; • Weiterentwicklung standortangepasster regionaler Bodenbewirtschaftungs- systeme; • Wie können die verschiedenen Fachdisziplinen • (Naturschutz, Gewässerschutz, Landwirtschaft, Boden und Geologie) • zusammenarbeiten, um auf begrenzter Fläche möglichst große • Synergieeffekte zu erzielen (z. B. Kulissen für Grünlandumbruchverbot, • Vernässungsprojekte und Neuwaldbildung)? 856 Was sind die weiteren Arbeitsschritte auf dem Weg zu Landes-Anpassungsstrategien? Ein Ausblick! Wie im Eingangsabschnitt bereits dargestellt, ist die Erstellung einer Anpassungsstrategie für SchleswigHolstein als ein Prozess zu verstehen, der sich über mehrere Jahre hinziehen wird und die Einbindung einer Vielzahl von Akteuren erfordert. Dies hat verschiedene Gründe: • Eine schleswig-holsteinische Anpassungsstrategie muss sich einfügen in einen Gesamtrahmen auf Bundesebene. Hierzu existieren bereits die Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) sowie der Aktionsplan Anpassung. Daneben sind jedoch verschiedene einzelfachliche Konzeptentwicklungen, beispielsweise gesteuert von den Bund/LänderArbeitsgemeinschaften und z.T. in den obigen Abschnitten kurz erwähnt, in der Entwicklung. • Diese muss eine schleswig-holsteinische Anpassungsstrategie berücksichtigen. • Eine Anpassungsstrategie muss sich auf nähere Kenntnisse der zu erwartenden Klimaveränderungen, der damit verbundenen Vulnerabilitäten und der geeigneten Maßnahmenoptionen stützen. In vielen Bereichen herrscht hierzu noch Unwissenheit. Für eine Anpassungsstrategie erforderliche Erkenntnisse werden sich erst langsam verdichten, beispielsweise über die derzeit in Erarbeitung befindliche bundesweite Vulnerabilitätsstudie sowie verschiedene Forschungs- und Untersuchungsvorhaben bei Bund und Ländern. • Einzelne Anpassungsmaßnahmen können in die Interessen verschiedener Akteure nicht unerheblich eingreifen. Es ist daher unabdingbar, sich in einem Beteiligungsprozess auf die Notwendigkeit sowie bestmögliche Ausgestaltung und Umsetzung von Maßnahmen zu verständigen. • • Vor diesem Hintergrund verfolgt das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MLUR) nachfolgend skizzierten Erarbeitungsprozess für eine schleswig-holsteinische Anpassungsstrategie: 57 Schritt 1: Verbesserung der Daten- und Kenntnislage Schritt 2: Identifizierung von sektorspezifischen Vulnerabilitäten für Schleswig-Holstein Schritt 3: Schwerpunktsetzung für die in Schleswig-Holstein besonders relevanten Anpassungsbereiche Ermittlung von Klimafolgen, u.a. über ein Klimafolgenmonitoring Zunächst müssen die z.T. bereits in den obigen Abschnitten skizzierten Klimafolgen über ein systematisches Klimafolgenmonitoring präzisiert und in ihrer weiteren zeitlichen Entwicklung erfasst werden. Hierfür soll – wenn irgend möglich – auf vorhandere Monitoring-Programme zurückgegriffen werden. Eine Studie des Umweltbundesamtes im Auftrag des MLUR hat hierzu eine erste Konzeptionierung für Schleswig-Holstein erarbeitet. Dort werden Vorschläge für Indikatoren unterbreitet, die aufgrund der am Landesamt vorliegenden oder allgemein zugänglichen Daten geeignet erscheinen. In den weiteren Entwicklungsschritten müssen die Eignung der vorgeschlagenen Indikatoren im Detail geprüft und aus geeigneten Indikatoren schrittweise ein Monitoringsystem aufgebaut werden. Die Anfälligkeit (Vulnerabilität) hängt vom Ausmaß der zu erwartenden Klimaänderungen ab, zugleich aber auch von der jeweiligen Empfindlichkeit (Sensitivität) gegenüber Klimaänderungen und den Reaktionsmöglichkeiten in Form von Anpassungsmaßnahmen. Die bundesweit zu ermittelnden Vulnerabilitäten müssen in einer speziellen Untersuchung auf die Landesebene konkretisiert werden. Hierbei sollte soweit wie möglich auf zum Teil bereits vorliegende Teilstudien in einzelnen Fachbereichen aufgebaut bzw. diese verdichtet werden. Ähnlich wie im Scoping bei der Umweltverträglichkeitsuntersuchung werden Bereiche identifiziert, für die besonders hohe Vulnerabilitäten für Schleswig-Holstein bestehen und ein zügigeres Handeln erforderlich ist. Anpassungs-(Teil-)Strategien werden bevorzugt in diesen Bereichen entwickelt. 12 Erstellung von kleinräumigen Klimaprojektionen Wie oben erläutert, werden die Möglichkeiten zu kleinräumigeren Klimaprojektionen über entsprechende Modelle derzeit schrittweise verbessert. Diese werden für verfeinerte Projektionen für Schleswig-Holstein genutzt. 58 59 Schritt 4: Entwicklung möglicher sektorspezifischer Anpassungsmaßnahmen Schritt 5: Erörterung und Auswahl von Anpassungsoptionen – Entwicklung eines konsistenten Umsetzungsplanes Schritt 6: Erfolgskontrolle Die verschiedenen Optionen zum Abbau von Vulnerabilitäten werden auf fachlicher Basis entwickelt. Die verschiedenen, zumindest technisch möglichen Anpassungsmaßnahmen werden nach einem Kriterienkatalog bewertet (z.B. nach Kosten, Machbarkeit, Akzeptanz, Flexibilität) und in einem Beteiligungsprozess erörtert. Die ausgewählten Optionen werden in einem Umsetzungsplan konkretisiert, der Finanzierung, Zeitplan und verantwortliche Akteure ausweist. Im Rahmen eines Umsetzungsmonitorings wird untersucht, ob die ergriffenen Maßnahmen tatsächlich zu den erwünschten Ergebnissen führen. Erforderlichenfalls werden Defizite aufgezeigt und weitere Anpassungsnotwendigkeiten spezifiziert. Auch für dieses Monitoring hat das erwähnte Gutachten des Umweltbundesamtes erste Hinweise geliefert. Auch das auf Bundesebene derzeit entwickelte Umsetzungsmonitoring für die DAS wird nach seiner Fertigstellung wichtige Hinweise geben können, beispielsweise in Bezug auf geeignete Indikatoren. 60 Diese Schrittfolge entspricht weitgehend einem Vorgehen, das inzwischen international zur Referenzmethodik bei der Erstellung von Anpassungsstrategien entwickelt ist. Einschlägig ist hier beispielsweise der Leitfaden der OECD1. Eine besondere Herausforderung stellt die Tatsache dar, dass immer mit Unsicherheiten umgegangen werden muss. Auch in fernerer Zukunft wird die exakte Weiterentwicklung des Klimas insbesondere bei kleinräumiger Betrachtung nie sicher vorausgesagt werden können. Dabei kann eine schlüssige Strategie nicht darin bestehen, mit Anpassungsmaßnahmen zu warten bis alle Unsicherheiten abgebaut sind (was nie der Fall sein wird), sondern durch geeignete Strategien mit den Unsicherheiten umzugehen. Hierzu zeichnet sich auch international ein gewisser Standard ab. Strategien zur Bewältigung von Unsicherheiten sind u.a.: Flexibilität: Zu bevorzugen sind solche Anpassungsmaßnahmen, die Flexibilitäten und Nachjustierungen erlauben. Beispiel: Die Verbreiterung der Deichkrone mit Baureserve erlaubt es, Deiche ggf. später kostengünstig weiter zu erhöhen. No-regret-Strategien: Zu bevorzugen sind solche Anpassungsstrategien, die auch dann Vorteile bieten, wenn sich die pessimistisch projizierten Szenarien nicht bewahrheiten sollten. Beispiel: Intakte Ökosysteme sind häufig nicht nur besser zu Anpassungen in der Lage, sondern sie entsprechen auch naturschutzfachlichen Zielsetzungen. Szenario-Technik: Bei Projektionen von Entwicklungen in die Zukunft sollten nicht nur ein Pfad, sondern verschiedene unterschiedliche Optionen betrachtet werden, um ein Gefühl für die Bandbreite der Zukunftsentwicklung zu erhalten. Beispiel: IPCC arbeitet mit verschiedenen Szenarien unter variablen Annahmen. Ensemble-Technik: Projektionen und Modellierungen sollten nicht nur von einem Modellansatz ausgehen. Vielmehr sollten die Ergebnisse verschiedener verfügbarer Modellierungsmethoden übereinander gelegt werden. Beispiel: Für Klimamodellierungen werden die vier Klimamodelle REMO, WETTREG, STAR und CLM parallel verwendet. 1OECD: Integrating Climate Change Adaptation into Development Co-operation, Paris 2009. 61 62 Abkürzungen: MLUR Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume EEA Europäische Umweltagentur IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change LLUR Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume INTERREG Gemeinschaftsinitiative des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) CLIWAT Climat & Water, a transnational project in the North Sea Region KLIMZUG Klimawandel in Regionen, Forschungsprojekte des BMBF BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung BACC BALTEX Assessment of Climate Change for the Baltic Sea Basin RADOST Regionale Anpassungsstrategien für die deutsche Ostseeküste KLIWAS Klima, Wasser, Schifffahrt, Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserstraßen und Schifffahrt - Entwicklung von Anpassungsoptionen BfN LKN UBA BMU SH NI MV BB FFH DAS Bundesamt für Naturschutz Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein Umweltbundesamt Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Schleswig-Holstein Niedersachsen Mecklenburg-Vorpommern Brandenburg Fauna-Flora-Habitat Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel 63 64