Diskussionspapier

Werbung
Realtime Advertising –
ein Diskussionspapier für Werbetreibende, Medien und Mittler
Ob „Zweite Digitale Revolution“ oder nur Marketing-Evolution: Realtime Advertising (RTA) wird
den digitalen Werbemarkt in den kommenden fünf Jahren in all seinen Facetten und Disziplinen
nachhaltig verändern. Die parallele Digitalisierung einst analoger Mediengattungen sowie die
voranschreitende Verschmelzung der Digital Media mit der Werbemittelkreation sowie der
Dialogwerbung erhöhen sowohl Bedeutung als auch Komplexität dieser Entwicklung. Die junge
Branche wird erstmals seit ihrem Bestehen mit einem Fortschritt konfrontiert, der ein
grundsätzliches Umdenken erzwingt – eine Situation, die „traditionellen“ Industrien wohl
bekannt sein dürfte.
Als größte Interessenvertretung der digitalen Wirtschaft möchte der Bundesverband Digitale
Wirtschaft (BVDW) e.V. den automatisierten Handel digitaler Medien aktiv begleiten und
entwicklungshemmende Barrieren aus dem Weg schaffen. Dafür hat sich im BVDW das Lab
Realtime Advertising gegründet, ein interdisziplinäres Gremium zusammengesetzt aus
Mitgliedern des Online-Vermarkterkreises (OVK), der Fachgruppe Online-Mediaagenturen
(FOMA) sowie der Fachgruppe Performance Marketing. Im Lab kommen die verschiedenen
Marktakteure zusammen, um die Facetten des automatisierten Handels digitaler Medien zu
diskutieren und die marktadäquate Entwicklung des in Deutschland zu unterstützen.
Das Diskussionspapier dient der weiteren Auseinandersetzung inner- und außerhalb der
Initiative des BVDW. Die beiden Autoren Oliver Busch und Birger Bardowicks erklären aus ihrer
Sicht den Ursprung und die Funktionsweise sowie zukünftige Entwicklungen und Chancen für
Marktakteure und richten sich gleichermaßen an Entscheider auf Seiten der Werbungtreibenden
und digitalen Medien sowie auch Agenturen und Vermarktern als Berater und Mittler. Es soll zur
internen Diskussion und Entwicklung zukunftsorientierter Strategien für das RealtimeAdvertising-Zeitalter dienen.
Inhaltsübersicht
I) Markt
1. Die Entwicklung von Realtime Advertising
2. Problemstellungen des Werbemarkts
3. Prognose zur Marktentwicklung
II) Definition
III) Funktionsweise
1. Buy Side & Sell Side
2. Vier zukünftige Entwicklungen
3. Handlungsempfehlung für Werbetreibende
4. Handlungsempfehlung für Medien
IV) Schlussfolgerung
V) Abkürzungsverzeichnis
I)
Markt
1. Die Entwicklung von Realtime Advertising
Der Durchbruch von Realtime Advertising findet gerade jetzt statt und verändert den
Mediaeinkauf grundlegend. Trotz der aktuell noch eher geringen monetären Bedeutung ist
der „Hype“ um diese Entwicklung gerechtfertigt. Auch wenn es manch einem so erscheinen
mag, kommt das Thema nicht aus heiterem Himmel. Das Zusammenspiel mehrerer
technologischen Fortschritte innerhalb der letzten fünf Jahre entwickelte eine veränderliche
Kraft, die wir jetzt einerseits noch gar nicht vollends überblicken und die andererseits
einmal schleichend und dann wieder rasant daherkommt.
Es sind zwei Entwicklungsfelder, die diesen Fortschritt begründen und in den vergangenen
Jahren enorme Leistungssprünge erzielt haben: Marketingautomatisierung und
Datenverarbeitung. Um den mittlerweile möglichen, hohen Automatisierungsgrad zu
erreichen, war eine Ausgangsvoraussetzung die der flächendeckenden Verbreitung des
Breitbandinternets. Breitbandanschlüsse sind mittlerweile in den meisten europäischen
Ländern und natürlich auch in Deutschland Standard. Ein weiterer Meilenstein auf dem
Weg zur heutigen Automatisierung des Werbehandels im Realtime Advertising war der
Einzug einer Auktionsmechanik in das Online-Marketing. Und auch eine Entwicklung, die
konkret auf dem Werbemarkt stattfand, ebnete dem Realtime Advertising den Weg: das
Aufkommen automatisierter Marktplätze für Displaywerbung. Die bloße Automatisierung
alleine bot jedoch nicht die Basis für eine weitreichende Veränderung. Erst mit „Big Data“
kam die Möglichkeit hinzu, granulare Media-Entscheidungen auf Basis von Fakten zu
treffen. Eine der wichtigsten Voraussetzung war die zunehmende Vergünstigung von
Speicherplatz als physischem Medium. Damit ging einher, dass mittlerweile immer
höhere Rechenleistungen erzielt werden können, die weiterhin stetig größer werden. Und
weil nach Programmierern und Börsenprofis mittlerweile zunehmend Mathematiker und
Quantenphysiker das Innovationstempo im Marketing zu bestimmen scheinen, fanden
komplexe statistische Modelle und künstliche Intelligenz ihren Weg in die digitale Werbung
– und mit ihnen ein neues Anforderungsprofil für Experten auf der Einkaufs- und
Verkaufsseite. Maschinelles Lernen ermöglicht es, Gesetzmäßigkeiten in komplexen
Systemen zu erkennen und aus Einzelfällen statistisch signifikante Gesetzmäßigkeiten zu
bilden. Neben dem Abarbeiten komplexer Regelwerke für jeden einzelnen Werbekontakt in
Millisekunden entstand so die Fähigkeit, absehbare Effekte zugleich valide zu
prognostizieren und darauf in Echtzeit zu reagieren.
Die technologische Entwicklung schreitet voran, völlig unabhängig davon, ob einzelne
Marktteilnehmer sie für sich adaptieren oder zunächst ignorieren. Manchem Marketer im
europäischen oder amerikanischen Ausland mag es so erscheinen, als warteten die Akteure
hierzulande darauf, dass diese Entwicklungen am deutschen Markt vorbeiziehen. Doch
auch hier ist jedem bewusst, dass die derzeit vielfach noch analogen und groben Methoden
zur Steuerung digitaler Werbung beachtliche Effizienzreserven offenlassen, die aber für
eine gesunde Wertschöpfungskette zu heben sind. Signifikante Effizienzgewinne aus der
Automatisierung von Arbeitsabläufen sind ein attraktiver Nebeneffekt, der alleine eine
intensive Auseinandersetzung mit der Technologie rechtfertigt, Dass auch zukünftig
Kontakte im Tausenderpaket gebucht werden, obwohl Datenlage und Erfahrungswerte ein
weit differenzierteres Bild über deren Wert und die nötige Ansprache liefern, ist ebenso
wenig vorstellbar wie der langfristige Verbleib des Fax als primäres Abwicklungsmedium.
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Letztendlich ist es der Werbetreibende, der die Realisierung des technisch Möglichen zum
Durchsetzen eines Wettbewerbsvorteils einfordert. Und es ist der Anbieter, hier das digitale
Medium, der aus einem differenzierteren, fortschrittlicheren Angebot Marktanteile zu
dessen Gunsten verschiebt. Sofern die digitale Werbebranche den Prinzipien der
Marktwirtschaft folgt, werden digitale Werbeplätze in den kommenden Jahren einzeln,
automatisiert und in Echtzeit buchbar werden. Noch fraglich ist, ob und zu welchem Anteil
dies nach einem Gebotsprinzip erfolgen wird oder ob sich Automatisierung und persönliche
Verhandlung in Kombination für weite Teile des qualitativ höheren Inventars durchsetzen
werden.
2. Problemstellungen des Werbemarkts
Dass (R-)Evolution selten optional stattfindet, ist nicht zu jedermanns Freude und Gunsten.
Doch das Wertschöpfungspotenzial des Realtime Advertisings schafft Motivation genug, das
Heft in die Hand zu nehmen und die Entwicklung vorteilhaft für sich bzw. seine Kunden zu
nutzen. Denn eine gemeinsame heilige Kuh haben aktuell alle Marktteilnehmer: dass die
Optimierbarkeit digitaler Werbung für viele an ihre Grenzen stößt, Preisschrauben
überdreht
scheinen
und
konventionelle
Wege
und
Methoden
kaum
noch
Effizienzsteigerungspotenzial bieten. Was ist damit genau gemeint? Schauen wir dazu auf
die Details.
Bei Medien, also Medienhäusern und ihren Vermarktern, ist es bereits ein geflügeltes
Wort: „Der Offline-Dollar wird zum Online-Cent.“ Permanenter Rabattdruck, der auf den
Werbeeinnahmen seit der Durchsetzung des Internets als neuem Medium lastet, stellt eine
enorme Herausforderung dar. Die Premiumkarte ist längst umfassend ausgereizt und sogar
schon ausgespielt. Wie lassen sich Einnahmen noch steigern? „Einfach weiter so mehr
machen“, wird schwerlich funktionieren. Die Internetnutzerschaft wächst nur noch
strukturell mit dem Generationenwandel. Die stationäre Nutzung verschiebt sich rasant
zum mobilen Internetzugang, dessen Vermarktbarkeit vielfach noch als schwierig gilt. Mehr
Werbeplätze zu schaffen und bei sinkenden Anzeigenpreisen zu vermarkten, ist keine
Option, zumal der Beleuchtungskegel einer intensiven Qualitätsdiskussion für die Medien
in eine gegenteilige Richtung weist. Also müssen es die Medien schaffen, mehr WerbeEuros pro Werbeplatz zu erlösen. Dafür müssen sie die Bereitschaft beim Werbetreibenden
wecken, einen höheren Preis für den Werbeplatz zu bezahlen. Und diese Steigerung der
Bereitschaft ist einzig durch eine argumentier- und nachweisbare Effizienzsteigerung
erreichbar.
Auch Werbetreibende stehen unter einem enormen Kostendruck und müssen quer durch
alle Branchen und Unternehmensgrößen Werbegelder einsparen. Aktionäre, Unternehmen
und
Führungskräfte
fordern
Umsatzsteigerungen
und
Kostensenkungen
bzw.
Effizienzsteigerungen meist im zweistelligen Prozentbereich ein. Eine Erfüllung derartiger
Zielvorgaben auf beiden Seiten des Marktes erfordert eine signifikant höhere
Wertschöpfung. Um diese auf dem hierzulande hohen Qualitätsniveau erreichen zu können,
erhalten die Marketer mit Realtime Advertising nun eine Art „Elektronenrastermikroskop“,
um tiefer und granularer in ihre Werbemaßnahmen schauen zu können. Welchen Anteil
klassisch gebuchter Werbekontakte hätten Mediaplaner erworben, wenn sie Zeit und
Möglichkeit gehabt hätten, alle zur Verfügung stehenden Informationen just zu diesem
Zeitpunkt in die Entscheidung einzubeziehen? Die Schätzungen schwanken zwischen 5 und
maximal 20 Prozent. Mit anderen Worten: Die Selektion der richtigen 20 Prozent an
Werbeplätzen auf 100 Prozent des Budgets ergäbe eine fünfmal höhere Budgeteffizienz.
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Sicherlich wäre es übertrieben zu behaupten, dass Anwender diesen Effekt auf dem
derzeitigen Erfahrungsstatus mit der neuen Technik tatsächlich bereits realisieren könnten.
Doch bereits das Bewusstsein über ein derart hohes Potenzial zur Entwicklung von
Wettbewerbsvorteilen rechtfertigt Investitionen in die Entwicklungen alternativer
strategischer Ansätze und den Aufbau markenspezifischer Erfahrungswerte.
Diese granulare Betrachtung erfolgt im Realtime Advertising – wie der Name schon
verspricht – nicht nach der bislang üblichen Prä- und Post-Mechanik, sondern permanent.
Planung, Wirkungskontrolle und Optimierung verschmelzen potenziell zu einer Einheit, da
Erkenntnisse umgehend operationalisiert werden. Ein Vergleich kann die Vorteile
verdeutlichen: So haben jene Autofahrer einen deutlich geringeren Benzinverbrauch, die
während der Fahrt ihren aktuellen Verbrauch ständig auf einer Anzeige ablesen können, als
solche, die ihn lediglich nach dem Tanken errechnen.
Für einen im digitalen Segment bereits weit entwickelten, qualitätsorientierten Markt wie
den deutschen bietet Realtime Advertising nun die Möglichkeit, zu einer höheren
Wertschöpfung durch technischen Fortschritt – und darauf aufbauend zu einem Win-WinWin für Werbetreibende, Medien und Mittler.
3. Prognose zur Marktentwicklung
Längst ist klar, dass es sich bei Realtime Advertising nicht um einen Hype, sondern um
einen lang anhaltenden Wandel in der digitalen Wertschöpfung handelt. Die USA, UK und
die Niederlande sind mit einem Realtime Advertising-Anteil von 10 bis 15 Prozent schon
deutlich weiterentwickelt als Deutschland. IDC1 prognostiziert, dass Realtime Advertising
im Jahr 2015 auch im weniger werbenetzwerkaffinen Deutschland 20 Prozent an den
Gesamtausgaben
für
Display
Advertising
ausmachen
werde. 2
Gemäß
dem
3
Marktforschungsunternehmen Forrester wird der gesamte westeuropäische Display-Markt bis
2015 7 Milliarden EUR erreichen. Der Mobile-Bereich soll nochmals 2 Milliarden EUR
beisteuern.
Wie valide diese Prognosen sind, vermag derzeit niemand zu sagen. Dass der Marktanteil
automatisierter Werbung in Realtime perspektivisch wahrscheinlicher bei vier Fünfteln als bei
einem Fünftel liegen wird, bezweifeln die Wenigsten. Wie diese Automatisierung ausgestaltet
sein wird, ob zum Beispiel nach Gebotsprinzipien oder Festpreisen, beginnen die
Marktteilnehmer aktuell aktiv herauszufinden und zu gestalten. Die zeitliche Komponente
scheint – vor allem im deutschen Markt – die zweite Unbekannte zu sein, da die inhaltliche und
konzeptionelle Auseinandersetzung mit den gegebenen technischen Möglichkeiten und der
Aufbau individueller Erfahrungen den Takt bestimmen. Die viel gerühmte deutsche
Gründlichkeit sorgt hier derzeit für eine Verzögerung, auf die erfahrungsgemäß ein
intensiveres und nachhaltigeres Wachstum folgen kann.
II) Definition Realtime Advertising
Realtime Advertising bezeichnet die automatisierte Aussteuerung digitaler Werbung auf Basis
einzelner Werbekontaktchancen in Echtzeit. Die verfügbaren Werbeplätze werden über
1
http://www.idc.de
http://www.ukaop.org.uk/news/real-time-bidding-uk-fastest-growth3078.html
3
http://www.forrester.com
2
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sogenannte Demand Side-Plattformen (DSP) auf Basis von Erfahrungswerten und spezifischen
Eigenschaften bewertet. Letztere können bei der Buchung von Werbemitteln bereitgestellt
werden, um den Einkauf der Werbemittel zu optimieren. Werbeträger benötigen wiederum
Supply Side-Plattformen (SSP, alternativ auch Sell Side-Plattformen genannt), um
Werbekontaktchancen zur Verfügung zu stellen sowie spezifische Daten, präferierte Kunden
und Abrechnungsmodelle zu verwalten.4
Realtime Advertising zeichnet sich mehr durch Granularität der Entscheidungen als durch
dynamisches Pricing aus. Erfahrungen werden in Echtzeit gewonnen und ebenfalls in Echtzeit
für die Optimierung verwendet. Das zum Einsatz kommende Werbemittel (Creative) wird in
Echtzeit erstellt und ausgespielt.
III) Funktionsweise
1. Buy Side & Sell Side
Wie funktioniert Realtime Advertising? Früher gab es auf dem Online-Werbemarkt viele
intransparente Zwischenhändler, die für ihre Leistungen kleine bis größere Summen von
den eingesetzten Werbegeldern abzweigten. Proprietäre Optimierungstechnologien, die die
gegenläufigen Ziele von Werbetreibenden und Medien optimieren wollten, begründeten
eine Dekade lang ein Schlaraffenland für Ad-Networks. Im Realtime Advertising
überwiegen heute Lösungen, die Position beziehen. Ein entsprechender Trend zur
Spezialisierung für eine Seite des Marktes lässt sich – mit wenigen namhaften Ausnahmen
– bei der Neuausrichtung von Technologie- und Dienstleistungsanbietern erkennen. Die
Wertschöpfungskette wird dabei nicht länger. Werbetreibende und Medien erhalten im
Zuge des Fortschritts mit Demand-Side-Plattform (DSP) und Supply-Side-Plattform (SSP)
lediglich eine technologische Unterstützung sowie optional hinzuschaltbare Tools und
Dienstleistungen. Auf Seiten der Vermarkter und Agenturen verbreitet sich zunehmend die
fokussierte Betrachtungsweise für technische Neuerungen im Kerngeschäft. Demzufolge
wäre Realtime Advertising kein zusätzlicher Absatzkanal – sondern die technische
Reformierung der bestehenden Struktur.
Die Einkaufsseite: Eine Demand-Side-Plattform (DSP) befähigt den Einkäufer, also den
Werbetreibenden, jeden Werbeplatz einzeln zu analysieren sowie einzeln zu einem Preis
einzukaufen, der höchstens der maximalen Bewertung entspricht. Das heißt, noch vor dem
Kauf wird die verfügbare Werbekontaktchance valide bewertet und dann maximal zu
diesem Wert eingekauft. Dieses Prinzip gilt nicht allein für die dynamische Preisfindung des
„Biddings“, sondern gleichfalls für wertgemäß selektierte Werbeplätze, die vorab fix
vereinbarten Preisen unterliegen.
So brechen schlechte Zeiten für margenhungrige Intermediäre an: Die DSPs bringen
Technologie, Transparenz und Learnings auf die Kundenseite. Eine „echte“ DSP ist ein
Entscheidungssystem, das modular um alle erforderlichen Targetings, Tools und
Inventarzugänge ergänzbar ist.
Die Verkaufsseite: Sell-Side-Plattformen bzw. Supply-Side-Plattformen (SSP) werden von
Medien eingesetzt, um Varianzen ihrer Vertriebslogik differenzierter abzubilden,
Werbeplätze mittels Selektierbarkeit durch eigene und fremde Daten aufzuwerten sowie
aufwendige Prozesse zu verschlanken. Medienhäuser und Online-Medien können
Auktionsverfahren nutzen, private Marktplätze für den automatisierten Anzeigenhandel
4
Vgl. BVDW-Pressemeldung vom 15. März 2013.
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aufbauen oder beides in verfeinerten Vermarktungsstrategien kombinieren. Die direkte
technologische Anbindung der SSP mit den größten DSP führt prinzipiell bereits zu höherer
Effizienz in der Abwicklung. Das Inventar soll bei geringerem Aufwand zum besten Preis im
Sinne des Mediums verkauft werden und der Ertrag aus der Website-Vermarktung bei
erfolgreicher Konzeption und Umsetzung durch höhere Tausender-Kontakt-Preise gesteigert
werden. Bestehende Beschränkungen und Regeln pro Kunde, Agentur, Format oder
Werbeplatz
können
dabei
meist
abgebildet
und
weiter
verfeinert
werden.
Derart
konzeptioniert
entspricht
Realtime
Advertising
nicht
etwa
einer
Restplatzvermarktung im Verkaufsstil von „Rudis Resterampe“, sondern befähigt
Vermarkter zu differenzierteren Vermarktungsansätzen sowohl für Premium- als auch für
Restplatzkontingente. Ebenso wie die Werbetreibenden gewinnt die Vermarktung durch die
Automatisierung beliebiger Regelwerke an Granularität in der Steuerung und damit an
Wertschöpfung. Granularität erhöht auch die Transparenz bei Vermarktung und
Vermarktungsoptionen: Neue Einsichten und Möglichkeiten führen so wiederum zu
verfeinerten Strategien. Die Optimierung erfolgt datengetrieben und die eigenen Daten
verbleiben bei Werbetreibenden und Medien. Entscheidend ist eine strategische
Auseinandersetzung mit den technischen Möglichkeiten und der Transformation in Richtung
zu einem optimierten Vermarktungsansatz im Zeitalter des Realtime Advertisings. Bei der
zwischenzeitlich verbreiteten Implementierung der SSP lediglich als weiteres
„Ad-Network für anonymisierte Restplätze“ wird die neue Technologie allenfalls
schwach erkennbare Bruchteile ihres Potenzials entfalten können. Auch wenn
Vorreiter unter den Vermarktern in Deutschland hier bereits Zufriedenheit mit den
Ergebnissen vermelden, dürfte sich die zeitliche Investition in Form einer ganzheitlich
strategischen Betrachtung bezahlt machen.
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2. Vier zukünftige Entwicklungen
Realtime Advertising steht in Deutschland am Anfang eines nachhaltigen Umbruchs, aber
vier große Entwicklungen sind in nachfolgender Darstellung schon heute absehbar.
Im gesamten Bereich der Digital-Media wird zukünftig automatisiert und in
Echtzeit gesteuert.
Aktuell werden vor allem Display-Standardwerbeformen über Realtime Advertising
gehandelt. Die technische Infrastruktur für Auktionen auf den Mobile-, Social- und VideoEbenen ist vorhanden, allerdings ist das gehandelte Inventar aktuell noch überschaubar.
Perspektivisch kann Realtime Advertising sinnvoll sowohl für Performanceziele als auch für
Brandingkampagnen eingesetzt werden. Darüber hinaus werden immer mehr Medien
digital: Zukünftig werden auch TV, Radio und Out-of-Home den digitalen Medien
zuzurechnen und nach Realtime Advertising-Prinzipien buchbar sein.
Realtime Advertising ist für Markenaufbau noch spannender als für Response.
Brand-Marketer bekommen mit Realtime Advertising leistungsstarke Steuerungswerkzeuge
für ein effektiveres Management der Kontaktstrecke von präzise identifizierten
Zielpersonen mit individuell auf die Person abgestimmten Botschaften in die Hand.
Marktforschung wird nicht obsolet, sondern gleichfalls vom Umbruch erfasst. An die Stelle
„der einen“ großen Studie treten zahlreiche, sehr dynamische Datenpunkte, die
automatisiert in Einklang gebracht Planung, Steuerung und Erfolgskontrolle umfassen.
Performance-Marketer bewegen sich mit Realtime Advertising auf einem spannenden, doch
im Grundprinzip bekannten Pfad. Sie tauschen die Karte mit einem weit subtileren GPSNavigationsgerät – um im Bild zu bleiben. Digitale Markenwerbung hingegen begibt sich
auf ein neues Terrain, auf dem statt der aus der Offline-Werbung übernommenen
Planungsmethoden gänzlich neue Optionen und Herangehensweisen entstehen.
Realtime
Advertising
ist
kein
Testfeld
mehr
für
“Early
Adopter“.
In den online hart umkämpften und von hoher Messbarkeit getriebenen Geschäftsfeldern
wie E-Commerce, Reisen oder auch Finanzen ist Realtime Advertising längst nicht mehr im
Testing. Im Allgemeinen gilt: Wenn Unternehmen im Onlinemarketing traditionell starken
Wettbewerbern gegenüberstehen, kann man davon ausgehen, dass die neue Technologie
dort bereits systematisch exploriert wurde/wird oder sich bereits in einem Regelbetrieb
befindet. Wie schon zu Beginn des Onlinemarketings und aller daraus hervorgegangenen
Kanäle erfolgt die Skalierung aus dem Erfahrungsaufbau heraus sowie aus dem eigenen
markt- und unternehmensspezifischen Ansatz.
Künstliche Intelligenz funktioniert (nur) mit menschlicher Kreativität und
Expertise.
Das massenhafte Abarbeiten der von Menschen definierten Regelwerken auf Ebene des
einzelnen, anonymisierten Werbekontakts darf man künftig getrost automatisierten
Systemen anvertrauen. Auch die Berechnung statistischer Wahrscheinlichkeiten sowie das
Aufdecken von Mustern in komplexen Informationssystemen ist im digitalen Marketing
zukünftig Sache leistungsstarker Rechner. Für die Konzept- und Strategieentwicklung, die
Auswahl der Komponenten und deren kampagnenspezifischen Einsatz für Media und
Gestaltung werden jedoch weiterhin Menschen mit hoher Expertise benötigt. Das Realtime
Advertising liegt in Deutschland nicht technisch zurück, sondern in der kreativen
Anwendung des Machbaren: Aktuell tanzt eine gesamte Branche noch in einer kleinen Ecke
des Tanzparketts.
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3. Welche Handlungsempfehlungen für Werbetreibende lassen sich daraus
ableiten?
Die größte Aufgabe für Werbetreibende und Agenturen
Gewohnheiten zu brechen, denn das ist unabdingbare
Paradigmenwechsel.
wird es sein, mit alten
Voraussetzung für jeden
Einerseits erfordert die Geschwindigkeit des stattfindenden Umbruchs einen schnellen
Start des Erfahrungsaufbaus gepaart mit der Bereitschaft zum „Failing Forward“.
Fortbildung und Ressourcen mit ausreichend Zeit zur Fokussierung sind dazu essenzielle
Voraussetzungen. Das Warten auf konkret adaptierbare Musterfälle/Cases hingegen
bedeutet, zu warten, bis der Wettbewerb seine Erfahrungen hinreichend gemacht haben
wird und dann selbst eine Veröffentlichung nicht mehr scheut.
Andererseits erfordert die kanal- und abteilungsübergreifende Dimension des Umbruchs
eine umfassende strategische Auseinandersetzung mit den neuen Optionen sowie
auch Bedrohungen. Wie schon die Entwicklung von Internetstrategien zur
Jahrtausendwende
ist
Realtime
Advertising
ein
Geschäftsleitungsthema.
Abteilungsübergreifende, top-down-initiierte Projektteams sowie – bei Bedarf – externe
Expertise sind und bleiben unerlässlich.
4. Welche Handlungsempfehlungen für Medien lassen sich daraus ableiten?
Die Frage der strategischen Einordnung und organisatorischen Aufhängung ist für die
Medien- und Vermarkterseite noch entscheidender als für die Werbetreibenden. Ist
Realtime Advertising ein neuer Absatzkanal? Dann kann/wird der Yield-Manager (restlos
die Ressourcen erschöpfen wollend) die Gruppe der/seiner Restplatzvermarktungspartner
erweitern und ggf. eine oder mehrere Supply-Side-Plattformen neben seine Ad-Networks
stellen. Wie hierzulande üblich wird er die Platzierungsinformationen zum Schutz der
tradierten Vermarktungskanäle anonymisieren und damit ein differenziertes Pricing durch
qualitätsorientierte Werbetreibende von vornherein ausschließen. Das Ergebnis ist schon
vor dem Start absehbar. Derart aufgesetzt führt der stattfindende Fortschritt zu
Mehrkosten, jedoch nicht zu Mehrumsätzen.
Ist Realtime Advertising eine Möglichkeit, die derzeitigen Vermarktungswege und -regeln
abzubilden und mithilfe des Fortschritts zu verfeinern? Unter dieser Betrachtung wird
Technologie zur Unterstützung für die gesamte bestehende Struktur. Die
Vielgestaltigkeit von kunden-, agentur- und inventarspezifischer Logik wird automatisierbar
abgebildet. Die Stärken des persönlichen Verkaufs werden auf die Beratungsleistung
fokussiert und Ressourcen um automatisierbare Abläufe entlastet. Das Inventar wird durch
weiterführende Logik mithilfe von Daten und Erfahrungswerten granularer und somit
wertschöpfender an den Markt gebracht. Wiederum ist der Effekt absehbar und durch
Pioniere im In- und Ausland in erster Stufe nachweisbar: Der verfeinerte
Vermarktungsansatz schafft Mehrwert für den Kunden. Die spezifischer offerierte Selektion
der Werbeplätze – teils veredelt durch Daten des Werbeträgers, des Werbetreibenden oder
von Dritten – führt zu höherer Effizienz und damit zu höherer Zahlungsbereitschaft. Die
Folge sind signifikant realisierbare Preissteigerungen sowie Marktanteilsverschiebungen, da
fortschrittliche Buchungsmöglichkeiten für den Werbetreibenden (durch den Anbieter)
„belohnt“ werden.
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IV) Schlussfolgerung
Realtime Advertising (RTA) ist ein neuer technologie- und datengetriebener Ansatz, der für die
digitale Werbung Effizienzreserven in signifikantem Umfang erschließen kann. Es ist kein neuer
Kanal im digitalen Marketing, sondern eine neue Technologie, die sich potenziell in
unterschiedlichen Umsetzungsformen durch weitere Teile der digitalen Wirtschaft ziehen wird.
Dabei ist Realtime Advertising die möglicherweise größte Veränderung für das Marketing seit
dem Internethype der Jahrtausendwende. Der Wandel zum Handel in Echtzeit ändert
gewohnte Herangehensweisen, Prozesse und Strukturen. Weil dem so ist, erfordert es ein
Umdenken in Dimensionen, wie sie Marketing und Werbung seit der Integration des Internets
in den Media- und Marketingmix nicht mehr erlebt haben.
In einem überschaubaren Zeithorizont – wir gehen von etwa fünf Jahren aus – wird zudem
wahrscheinlich alle digitale Werbung auch tatsächlich digital gehandelt, so beispielsweise TV
und digital Out-of-Home (O-o-H). Alle Komponenten stehen bereit. Der Aufbau von
Erfahrungswerten schafft jetzt noch Wettbewerbsvorteile, die Vernachlässigung des Themas
kann Unternehmen aber ins Abseits führen.
Die Integration der Technologie ins „Daily Business“ ist aber auch eine Standortfrage für
Deutschland. Das Land der Dichter, Denker und Ingenieure darf sich durch seine berühmte
deutsche Gründlichkeit nicht zur Langsamkeit verleiten lassen. Der internationale Wettbewerb
steht bereit und scharrt mit den Hufen – auf internationalem und auch auf dem heimischen
Parkett. Doch Neuerungen wurden in der Onlinebranche hierzulande bislang professionell,
gründlich und im Dialog angegangen. So ist es gelungen, den Markt in Deutschland schneller
zu entwickeln und den Anteil des Online-Marketings im Media-Mix schneller zu erhöhen als in
vergleichbaren Regionen. Jetzt befinden wir uns erneut an einem solchen Punkt und haben
begonnen, dabei dieselbe Gründlichkeit an den Tag legen, um ebenso große Erfolge
einzufahren. Der gestiegenen Geschwindigkeit der heutigen Welt werden wir bei der
Umsetzung Rechnung zu tragen haben.
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V) Abkürzungsverzeichnis
Adserver-Plattformen: Anbieter von physischer Serverkapazität sowie Software zur Auslieferung
und Erfolgsmessung von Internetwerbung
Advertiser (engl.): Werbetreibende(-r) bzw. werbetreibende Unternehmen und Agenturen
AGOF: Arbeitsgemeinschaft Online Forschung
DSP: Demand-Side-Plattform
FOMA: Fachgruppe Online-Mediaagenturen
OVK: Online-Vermarkterkreis
Medien: Kurzfassung für Medienhäuser und -unternehmen (engl.: Publisher)
RTA: Realtime Advertising
RTB: Realtime Bidding
SSP: Sell-Side-Plattform bzw. Supply-Side-Plattform
Autoren
Birger Bardowicks
Director Display Advertising, Mitglied der Geschäftsleitung uniquedigital GmbH
Oliver Busch
Managing Director, Spree7 GmbH und Leiter des Labs Realtime Advertising im BVDW
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