Maximale Spannung im Netz zuverlässig abschätzen

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Smart Grid & Energieautomation
Maximale Spannung im Netz
zuverlässig abschätzen
Adam Slupinski, Uwe Prause, Martin Maximini
Die zunehmende Durchdringung der Niederspannungsnetze mit Photovoltaikanlagen macht es
für die Netzbetreiber immer schwieriger, alle Anschlussgesuche der Anlagenbetreiber mit
konventionellen Mitteln zu überprüfen. Mit einer neuen Lösung von ABB auf Basis eines
effizienten, dreistufigen Prozesses lässt sich dieser Herausforderung schnell und wirtschaftlich
begegnen.
In Deutschland werden immer mehr Photovoltaikanlagen
(PV-Anlagen) ans Netz angeschlossen. Der Zubau, der
überwiegend in den Niederspannungsnetzen
stattfindet, stellt die
Dr.-Ing. Adam Slupinski leitet das Fachgebiet Spannungsregelung für Verteilnetze in der Abteilung
Netzbetreiber vor immer
Elektrische Systemberatung bei der ABB AG in
größere HerausforderunMannheim.
[email protected]
gen, wenn es darum
geht, das AnschlussgeDipl.-Ing. Uwe Prause ist Principal Engineer in der
such der AnlagenbetreiGruppe Verteilnetze in der Abteilung Elektrische
Systemberatung bei der ABB AG in Mannheim.
ber zu überprüfen. Eine
[email protected]
detaillierte ÜberprüDr.-Ing. Martin Maximini leitet die Gruppe Verteilfung aller Anschlussgenetze und Smart Grids in der Abteilung Elektrische
suche auf Erfüllung der
Systemberatung bei der ABB AG in Mannheim.
VDE-Anwendungsregel
[email protected]
4105 [1] ist in den we-
20
nigsten Fällen mit überschaubarem Aufwand möglich.
Um dies zu vereinfachen, hat die Elektrische Systemberatung von ABB [2] einen dreistufigen Bewertungsprozess
entwickelt. Dieser unterstützt Betreiber von stationsweise gespeisten Netzen strategisch bei der zunehmenden
Durchdringung der Netze mit PV-Anlagen. Die Ausgestaltung des Ansatzes erfolgte im Rahmen des vom BMWi
geförderten Projekts Smart Area. An ersten Praxistests
beteiligten sich bisher die Stadtwerke Saarbrücken, die
Stadtwerke Duisburg Netzgesellschaft sowie die Stadtwerke Aachen.
Mehrstufiger Bewertungsprozess
Aufgrund der zahlreichen zu betrachtenden Niederspannungsnetze ist der Bewertungsprozess mehrstufig gegliedert. Es kommen nur Netze in die nächste Prozessphase,
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Netzes mit PV-Anlagen. Bis zu einer
bestimmten kritischen Durchdringung
vermaschtes ON
des Netzes kann einem AnschlussgeMS
such ohne weitere Netzberechnung
stattgegeben werden [3].
∆uref
PTR, ref
Erweist sich ein Netz in dieser Klassi(Netz ohne
fizierungsphase
als potenziell am Ende
Transformator)
PTR
seiner Aufnahmekapazität, wird in der
zweiten Prozessstufe auf Grundlage
von Messungen in der Ortsnetzstation
und einem vorab über eine Netzberechnung bestimmten „Fingerabdruck“ des
uNS, ONS
∑PPV, ref
Netzes die maximale Spannung im Netz
beobachtet. In der sogenannten BeobBild 1. Einfachstes Modell für stationsweise gespeiste, in sich vermaschte Netze
achtungsphase rüstet man die Ortsnetzstation mit Messtechnik aus. Diese hier
erfassten Messwerte werden mit dem „Fingerabdruck“ des
wenn sie als kritisch bewertet wurden. Der Prozess glieNetzes verglichen. Aus den Abweichungen lassen sich
dert sich wie folgt:
mögliche Spannungsbandverletzungen ableiten. Weitere
1. Stufe: Klassifizierung der Ortsnetze;
aufwendige Messungen im Niederspannungsnetz sind
2. Stufe: Beobachtung in der Ortsnetzstation;
nicht nötig.
3. Stufe: Installation eines regelbaren OrtsnetztransforErst wenn ein Netz in dieser Phase an die vom Netzbemators.
treiber vorgegebene maximal zulässige Spannungsgrenze
In der ersten Stufe werden die Netze anhand einfach zu
gelangt, folgt in der nächsten Stufe eine Ausrüstung der
bestimmender Netzstrukturmerkmale klassifiziert, wie
betreffenden Ortsnetzstation mit einem Spannungsregler
der Anzahl der Wohneinheiten und Hausanschlüsse, des
oder einem regelbaren Ortsnetztransformator.
Ortsnetzradius und der aktuellen Durchdringung des
NS
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ONS
Bild 2. Beispielnetz
PV-Anlage
mit exemplarischer
Verteilung der PVAnlagen
Verfahren zur Spannungsbeobachtung
Das Verfahren von ABB zur Beobachtung der kritischen
Spannung im stationsweise gespeisten, in sich vermaschten Netz basiert auf dem Vergleich der Messung in der
Ortsnetzstation und der zuvor bestimmten maximalen
Spannungsanhebung im Niederspannungsnetz in Abhängigkeit des Leistungsflusses über den Ortsnetztransformator (Bild 1).
Im ersten Schritt wird das Netz in dem Netzberechnungsprogramm Neplan nachgebildet. Dabei werden nur
die Einspeisungen ohne Lasten berücksichtigt. Damit
lässt sich die maximale Spannungsanhebung im Ortsnetz
(ohne Ortsnetztransformator) bei einem zugehörigen Leistungsfluss über den Ortsnetztransformator bestimmen.
Diese Werte dienen für spätere Betrachtungen als Referenzszenario oder auch als der bereits angesprochene
„Fingerabdruck“ des Netzes.
Um die Spannung (UNS, ONS) in der Ortsnetzstation sowie
den Leistungsfluss (P Tr) bestimmen zu können, wird die
betreffende Ortsnetzstation mit Messtechnik ausgestattet.
Aus den Referenzwerten lässt sich nun unter Berücksich-
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tigung des Referenzszenarios die aktuelle Spannung am
kritischen Punkt im Netz (UNS, krit) über den einfachen
Zusammenhang
U NS, krit = U NS, ONS + ∆U ref
PTr
Pref
abschätzen. Die Abschätzung erfolgt kontinuierlich in
einer weiterverarbeitenden Einheit in der Ortsnetzstation.
Mit dem Verfahren ist es bei dreiphasiger Messung durch
entsprechende Erweiterung der Berechnungsvorschrift
auch möglich, unsymmetrische Verhältnisse zu berücksichtigen.
ABB hat gemeinsam mit Partnern 35 Niederspannungsnetze für die Überprüfung des Verfahrens untersucht. Für
alle Netze (Bild 2) standen Neplan-Datensätze inklusive
der Nachbildung der Lasten zur Verfügung. Das Verfahren zur Spannungsbeobachtung erwies sich dabei als sehr
robust bezüglich einer gleichzeitigen Netzbelastung und
unsymmetrischer Verhältnisse. Zurzeit wird das Verfahren anhand von Referenzmessungen in exemplarischen
Niederspannungsnetzen validiert.
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Beratungslösung für Verteilnetzbetreiber
Die etz-Redaktion befragte Dr.
Britta Buchholz (Bild), Leiterin der
Abteilung Elek trische Systemberatung bei der ABB AG in Mannheim, zur Smart-Planning-Strategie.
An wen wenden Sie sich mit
der Beratungslösung Smart
Planning?
Dr. Britta Buchholz: In erster Linie richtet sich unser Ansatz an Verteilnetzbetreiber, die aufgrund von verteilten,
dezentralen Einspeisern Spannungsprobleme in ihren Netzen haben und die einen transparenten sowie standardisierten Lösungsweg suchen, um den Problemen möglichst
effizient zu begegnen.
Ermöglichen Sie dadurch mit kleinen Schritten den
Aufbau von Smart Grids?
Dr. Britta Buchholz: Genau. Der Netzbetreiber wird durch
diesen Prozess dazu geführt, an den richtigen Stellen im
Netz die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, also zielgerichtet zu investieren. In der Klassifizierungsphase werden mit
einigen wenigen Netzstrukturmerkmalen aus der Fülle von
Ortsnetzen diejenigen herausgefiltert, die potenziell Probleme bereiten könnten. In diesen wird dann in der nächsten Phase jedoch noch nicht direkt investiert, sondern mit
wirklich wenig Messtechnik die maximale Spannung beobachtet. Lediglich in den Netzen, in denen die beobachtete
Spannung kritisch wird, wird dann in der dritten Phase priorisiert investiert – zum Beispiel in einen regelbaren Ortsnetztranformator.
Was ist erforderlich um die noch vorherrschenden
Investitionshemmnisse abzubauen?
Dr. Britta Buchholz: Ganz klar: Die notwendigen Investitionen in neue Betriebsmittel, wie gerade den regelbaren
Ortsnetztransformator, müssen in den Netznutzungsentgelten direkt wirksam werden.
Ist geplant, diesen Service bzw. die
Beratungslösungen zu erweitern?
Dr. Britta Buchholz: Der Ansatz der Spannungsbeobachtung
ist prinzipiell natürlich auch auf lastgeprägte Netze anwendbar. Außerdem lassen sich über den Ansatz des Fingerabdrucks noch weitere unterlagerte Netzgrößen wie zum Beispiel die Netzverluste beobachten – beides wollen wir zusammen mit Kunden noch testen und dann am Markt anbieten.
Fazit
Literatur
Mit dem dreistufigen Bewertungsprozess können Netzbetreiber das Mengenproblem bei der Bewertung des zunehmenden Ausbaus dezentraler Energieerzeugung bewerkstelligen. Mit dem beschriebenen Verfahren zur Spannungsbeobachtung kann auf Messungen im Netz sowie aufwendige
Kommunikationstechnik verzichtet werden. Mit der beobachteten Spannung lässt sich zudem der Sollwert bei installierten regelbaren Ortsnetztransformatoren anpassen. (no)
[1] VDE-AR-N 4105 Anwendungsregel:2011-08 Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz – Technische Mindestanforderungen für Anschluss und Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz. Berlin · Offenbach: VDE VERLAG
[2] ABB AG, Mannheim: www.abb.de
[3] Maximini, M. et al.: Abschätzung der Spannungsanhebung in Niederspannungsnetzen ohne Netzberechnung –
Neue Prozesse bei der Stadtwerken Duisburg Netzgesellschaft mbH. ew, Heft 13, 2013
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