Schwerpunkt Schwerpunkt Klima – Fazit und Perspektiven nach Paris Von Jörg Matschullat, Freiberg A uf der 21. UN-Klimakonferenz in Paris (Conference of the Parties, COP 21) Ende 2015 haben sich die Staaten darauf verständigt, die Erderwärmung auf „deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen“1. Mit diesem Satz beginnt Mojib Latif (Geomar Kiel) seinen Beitrag, in dem er die Frage stellt, wo wir denn nun nach dem Pariser Abkommen stehen. Diese Einigung kommt spät, vor allem, wenn man die sehr ehrgeizige Zielstellung mit dem wirklichen Verhalten der Weltbevölkerung in den letzten Jahren und Jahrzehnten versucht zu verbinden. Latif präsentiert die Entwicklung des anthropogenen Klimawandels und den aktuellen Wissensstand in Kurzform, zeigt, dass eine Begrenzung auf +1,5 Grad Celsius wohl kaum zu verwirklichen ist – und macht dennoch Hoffnung, indem er den Leserinnen und Lesern die Erfolge der globalen Dekarbonisierung der wenigen letzten Jahre vor Augen führt. Martin Kaiser und Christin Büttner (Greenpeace Deutschland) unterstützen diese hoffnungsfrohe These von Mojib Latif und weisen auf die großen Veränderungen im weltweiten Bewusstsein hin – und besonders auf die zahlreichen Aktivitäten der Zivilgesellschaft. Auch betonen sie, welch außergewöhnlich positives Ergebnis das Pariser Abkommen erreicht hat, angesichts der aktuell viel drängender erscheinenden Herausforderungen von Krieg, Massenmigration und Not. Sie erklären dieses Ergebnis auch mit der Anerkenntnis einer notwendigen weltweiten technologischen Energiewende – in der Tat ein Novum auf der internationalen politischen Bühne. Hierzu weisen sie besonders Deutschland und Europa Verantwortung und eine Führungsrolle zu. Denn wir können es uns am ehesten (finanziell) leisten, mutig andere Randbedingungen auszuprobieren. FORUM GEOÖKOL. 27 (2), 2016 Ein konkretes Beispiel dafür, wie reagiert und auch pro-aktiv agiert werden kann, diskutieren Jörg Matschullat und Stephanie Hänsel (TU Bergakademie Freiberg). Dort wird das BMBFgestützte Klimaanpassungsprojekt REGKLAM in den Fokus gestellt – als Beispiel zahlreicher ähnlicher Initiativen (KLIMZUG) in Deutschland. Denn bei näherer Betrachtung geht doch einiges: Wasserwirtschaft, Land- und Forstwirtschaft, Tourismus, Stadt- und Raumplanung sowie das produzierende Gewerbe – auf allen Gebieten lassen sich deutlich nachhaltigere Lösungen finden, die effektiver Mitigation und Anpassung dienen. Dass solcher Wandel wiederum vielfach auch mit hohen Ausgaben verbunden ist, dürfte nahezu selbsterklärend sein. Bianka Kretschmer (Climate Analytics Berlin) diskutiert diese Kosten. Wie finanziert man diesen Wandel? Die Herausforderung erscheint unmittelbar handhabbarer, wenn man sich vergegenwärtigt, mit welchen Kosten Klimawandel-bezogene Ereignisse und Veränderungen verbunden sind. Zugleich gilt es sich bewusst zu machen, dass es beim Thema Klimawandel nicht mehr um nationale Egoismen gehen kann und dass reale Kosten, die zum Beispiel in diversen Ländern Asiens oder Afrikas als Folge von Klimawandel auftreten, gemeinsam und solidarisch zu tragen sind. Hier lohnt es sich, auch ältere Literatur wie den Stern-Report (2006) noch einmal zur Hand zu nehmen. Die reicheren Nationen haben in Paris Zugeständnisse gemacht – man wird sie an ihren Taten messen. Doch auch relativ bescheiden investierende Bürger können sich aktiv beteiligen, zum Beispiel an der globalen Divestment-Kampagne, und in Summe erheblichen Druck auf Unternehmen ausüben, die sich den notwendigen Veränderungen gegenüber resistent zeigen. Sollte es noch immer an Motivation fehlen, um Konsequenzen aus unserem bisherigen Tun zu ziehen (es ist ja noch immer gut gegangen), dann hilft der Beitrag von Eberhard Faust 7 Schwerpunkt (Munich Re) die aktuelle Herausforderung einzuordnen. Er spannt den Bogen noch weiter und fokussiert nicht allein auf das Thema Klimawandel, sondern bezieht (zu Recht) die massiven Veränderungen, die unsere Zeit zu einem „Anthropozän“ gemacht haben, mit ein. Rückversicherungsunternehmen sind sehr nüchterne Betrachter der Wirklichkeit. Sie beobachten sehr genau die tatsächlich entstehenden dynamischen Kosten von Prozessen, die durch globa- len Wandel ausgelöst werden: Extremwitterung und -ereignisse ebenso wie Migrationsbewegungen und Kriege. Es gibt wenig Zweifel, dass bereits heute weltweit steigende Kosten auch durch Klimawandel-bedingte Veränderungen zu verzeichnen sind. Und wie im Beitrag von Bianka Kretschmer lässt sich unschwer erkennen, dass Kostenvermeidung eine gute Strategie ist zur Klimaanpassung. Doch Kostenvermeidung ist im Gesamtsystem unrealistisch, wenn Werte und Entschädigungskosten steigen. Eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zeigt, dass es klüger wäre, entsprechende Gelder in Mitigation zu investieren – und den erklärten Zielen des Pariser Abkommens nahe zu kommen. Machbar wäre es. 1http://unfccc.int/resource/docs/2015/cop21 /eng/l09.pdf Wo stehen wir nach dem Klimavertrag von Paris? Auf der 21. UN-Klimakonferenz in Paris (Conference of the Parties, COP 21) Ende 2015 haben sich die Staaten darauf verständigt, die Erderwärmung auf „deutlich unter 2°C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen“(1). Man hofft, dass sich dann zum Beispiel irreversible, das heißt unumkehrbare Prozesse vermeiden lassen, wie etwa das unwiderrufliche Abschmelzen des grönländischen Eisschilds mit einem global gemittelten Meeresspiegelanstieg von sieben Meter. Es gibt allerdings bezogen auf die Lage der Schwellenwerte, bei deren Überschreitung derartige Änderungen einsetzen, eine große Unsicherheit in der Forschung. Aus diesem Grund ist stets die geringste noch mögliche Erwärmung als politisches Ziel zu formulieren. Das hat man mit dem Pariser Abkommen getan, was zu begrüßen ist. Allerdings stellt die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2°C eine wahre Herkulesaufgabe dar, was schnelles Handeln erfordert. Von Mojib Latif, Kiel Bewertung des Klimavertrags D as Zustandekommen des Klimavertrags an sich ist erfreulich, weil sich alle Staaten zum Klimaschutz bekennen und sich darin einig sind, dass man die Anstrengungen diesbezüglich verstärken muss. Die Übereinkunft von Paris kommt sehr spät, wir haben kostbare Zeit verstreichen lassen. An vollmundigen Ankündigungen seitens der Weltpolitik hat es nicht gemangelt, es hat einen „gefühlten“ Klimaschutz gegeben. Jetzt muss die Zeit des Handels beginnen. Erinnern 8 wir uns: Bereits 1992 hat sich die Staatengemeinschaft in Rio de Janeiro in der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen(2) verpflichtet, eine „gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems“ zu verhindern. Übersetzt heißt dies, die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C zu begrenzen. Ein Vierteljahrhundert später feiert man einen Vertrag, der genau das festschreibt. Der Vertrag von Paris beruht auf Selbstverpflichtungen der einzelnen Länder, nur deswegen haben ihm alle Staaten zugestimmt. Die Selbstverpflichtungen wür- den bei selbst optimistischer Extrapolation der nationalen Politiken dazu führen, dass sich die Erde um knapp 3°C erwärmt. Die Risiken in Folge dieser für die Menschheit in Ausmaß und Geschwindigkeit einmaligen Erderwärmung wären unkalkulierbar. Es bleibt also noch viel auf der weltpolitischen Ebene zu tun. Der Vertrag von Paris kann nur der Anfang eines Prozesses sein. Nach der Konferenz ist vor der Konferenz! FORUM GEOÖKOL. 27 (2), 2016