8 Felder, Wellen, Leitungen

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Prof. Dr. M. Schubert
FH Regensburg
8 Felder, Wellen, Leitungen
8.1 Unterschied Nieder und- Hochfrequenz-Schaltungstechnik
Dieses Kapitel verlässt die klassische Schaltungstechnik und begibt sich auf das Feld der
Hochfrequenztechnik. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass Leitungslängen größer
werden, als ca. ¼ der übertragenen Wellenlänge. Damit ist die Spannung entlang der Leitung
nicht mehr konstant.
8.2 Freie elektromagnetische Welle:
c0 =
c=
1
ε 0 µ0
1
εµ
=
= 2,997 924 58 108 m/s ≅ 3 108 m/s Lichtgeschwindigkeit im Vakuum
c0
ε r µr
Lichtgeschwindigkeit (Phasengeschwindigkeit) in Stoffen
Z0 =
µ0
= 376,730 396 2 Ω ≅ 376,730 396 2 Ω Wellenwiderstand des Vakuums
ε0
Z=
µr
µ
µ
= Z0
≅ 377Ω r Wellenwiderstand in Stoffen bei freier Ausbreitung
ε
εr
εr
r r r
S = E × H Pointing Vektor, zeigt Energiefluss-Dichte und -Richtung
Tabelle 8.2-1: Permeabilitätszahlen µr für µ = µr µ0 in H/m=Vs/Am
diamagnetisch: µr<1
Kupfer: µr=0,999 990 4
Wasser: µr=0,999 990 97
Vakuum
µr=1
µ0 = 1,256 637 061 44 10-6 H/m
ferromagnetisch
Eisen: µr=50 ... 500
Baustahl: µr=800 ... 2000
Tabelle 8.2-2: Dielektrizitätskonstanten εr für ε = εr ε0 in F/m=As/Vm
εr<1
Vakuum
εr=1
ε0 = 8,854 187 82 10-12 F/m
- Seite 8-1 -
εr>1
Glas: εr=3...15
Gummi: εr=2,5...3,5
Wasser: εr=81
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8.3 Leitergebundene elektromagnetische Wellen
8.3.1 Resistiv belastete Übertragungsleitungen
Pointing-Vektor: Energie fließt im Dielektrikum um den Leiter, nicht im Leiter!
Leitungslänge = l [m]
Kapazitätsbelag einer Leitung:
Induktivitätsbelag einer Leitung:
C' = C/l [F/m] (gleiche Dimension wie ε)
L' = L/l [H/m] (gleiche Dimension wie µ)
Mit
1
: Phasengeschwindigkeit auf einer Leitung
C ' L'
c=
Z0 =
L'
: Wellenwiderstand einer Leitung
C'
Leitung: Durchmesser: d, Länge l, Permeabilität µ:
Eigeninduktivitätsbelag einer geraden Einfachleitung
L' =
µ  l 3
 ln − 
2π  d 4 
Induktivitätsbelag der geraden Doppelleitung mit a = Abstand der Leitermittelpunkte
L' =
µ  2a 1 
+ 
 ln
2π  d 4 
Bild 8.3.1-1:
Eine
Leitung
wird
in
Teilstücke der Länge ∆x
unterteilt, denen die Kapazität
Cx=C'∆x und die Induktivität
Lx=L'∆x zugeordnet wird.
Lx=L'∆x
Lx=L'∆x
Lx=L'∆x
Lx=L'∆x
Cx=C'∆x Cx=C'∆x Cx=C'∆x Cx=C'∆x
∆x
∆x
∆x
∆x
Gemäß Bild 8.3.1-1 wird eine Leitung in Teilstücke der Länge ∆x unterteilt, denen die
Kapazität Cx=C'∆x und die Induktivität Lx=L'∆x zugeordnet wird. Zur Modellierung eines
Teilstückes kann das T-Modell gemäß Bild 8.3.1-2(a) oder das π-Modell gemäß Bild
8.3.1-3(a) verwendet werden. Modelle einer Gesamtleitung aus 4 Teilstücken zeigen die
Bilder 8.3-2(b) für das T-Modell und 8.3-3(b) für das π-Modell.
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(a)
(b)
Lx/2
Lx/2
Lx/2
Cx
Lx
Cx
Lx
Cx
Lx
Cx
Lx/2
Cx
Bild 8.3.1-2: (a) T-Modell eines Leitungselementes ∆x, (b) Leitungsmodell mit T-Elementen.
(a)
(b)
Lx
Cx/2
Lx
Cx/2
Cx/2
Lx
Cx
Lx
Cx
Lx
Cx/2
Cx
Bild 8.3.1-3: (a) π-Modell eines Leitungselementes ∆x, (b) Leitungsmodell mit π-Elementen.
Das sogenannte „Lossy Transmission Line Lumped Line Segment“ gemäß Bild 8.3.1-5
berücksichtigt zudem resistive Leiterverluste mittels einem Längswiderstand Rx=R'∆x und
dielektrische Verluste mit einem Leitwert Gx=G'∆x zwischen den Leitern.
(a)
(b)
Lx
Lx
Rx
Cx
Gx
Lx
Rx
Cx
Gx
Lx
Rx
Cx
Gx
Rx
Cx
Gx
Bild 8.3.1-4: (a) „Lossy Transmission Line Lumped Line Segment“ in Spice. R' ist der
Ohmsche Leitungswiderstand und G' modelliert die dielektrischen Verluste pro
Leitungslänge. (b) Leitungsmodell mit 3 Elementen.
Spielen weder Kupferverluste im Leiter noch dielektrische Verluste eine nennenswerte Rolle,
dann kann mit R'=G'=0 das in Bild 8.3.1-5 gezeigte Verhaltensmodell der verlustlosen
Leitung verwendet werden. In diesem Modell tritt keine Dispersion auf, das heißt
Wellenformationen werden unverändert übertragen, auch scharfe Impulse verändern ihre
Impulsform nicht.
Bild 8.3.1-5: Modell einer verlustlosen
Übertragungsleitung. Mit leichten
Umformungen aus Spice (->Bild 8.1)
übernommenes „Transmission Line
Model“ (Tname 1 2 3 4 Z0=... TD=...)
1
I1
U1 I2(t-τ)
2
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I2
Z0
U2(t-τ)
Z0
U1(t-τ)
3
I1(t-τ) U2
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Es gibt eine Hin- und Rücklaufende Welle, die sich überlagern aber sonst nicht stören.
Erreicht eine Welle eine Impedanzänderung, dann wird sie reflektiert mit dem
Reflexionsfaktor
r=
Z 0,neu − Z 0,alt
Z 0,neu + Z 0,alt
Am Ende einer homogenen Leitung wird also die hinlaufende Wellenform reflektiert mit
r2 =
Z L − Z0
Z L + Z0
und am Anfang einer homogenen Leitung wird die rücklaufende Wellenform reflektiert mit
r1 =
Z gen − Z 0
Z gen + Z 0
,
wobei Zgen und ZL Generator- und Last-Impedanz bezeichnen.
Erfährt also eine vorwärts Welle mit der Amplitude Af eine Impedanzänderung von Z0a auf
Z0b, dann entsteht eine rücklaufende Welle gleicher Impulsform mit der Amplitude Ar=r·Af
während die Impulsform in Vorwärtsrichtung mit der Amplitude Af(1-r) weiterläuft oder von
der Lastimpedanz aufgenommen wird.
Im Gleichgewichtszustand hat die gesamte Leitung eine konstante Spannung. An Leitungsenden oder bei Impedanzänderungen werden die Reflexionsgesetze auf die Spannungsänderungen angewendet.
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8.3.2 Kapazitiv belastete Übertragungsleitungen
Übertragungsleitungen die CMOS-Eingänge treiben sind kapazitiv belastet. Der Leitungsausgang bildet dann mit der Lastkapazität einen RC-Tiefpass.
Wird dieser RC-Tiefpass mit einem idealen Sprung gespeist, ist die Sprungantwort als RC(Ent-)Ladefunktion einfach zu berechnen. Nach einer Reflexion treibt diese Kurve den
nächsten RC-Tiefpass, läuft über die Leitung und wird wiederum reflektiert, etc. Welche
Kurvenformen sind zu erwarten?
Bei Leitungen wird oft mit RC-Gliedern gearbeitet, wie aus den Leitungsmodellen oben
ersichtlich ist. Im Folgenden untersuchen wir daher einige sequentielle RC-Ladevorgänge.
(a)
R1
U1
C1
1
R2
U2
(b)
C2
U1
U
U2
τ1
t
4τ1
Bild 8.3.2-1: (a) Zwei RC-Tiefpässe in Serie, (b) Ausgangsspannungen.
Tabelle 8.3.2-1: Verhalten von RC-Tiefpässen bei verschiedenen Anregungen.
Dirac-Stoß
1
δ (t )
verzögerter Dirac-Impuls
e − sT
δ (t − T )
Einheitssprung bei t=0 (ist das
Integral des Dirac-Stoßes)
1
s
1 − sT
e
s
1
1 + sτ
ρ (t )
Einheitssprung bei t=T
Impulsantwort
(Übertragungsfunktion) RC-Tiefpass, τ=RC
Sprungantwort nach RC-Tiefpass,
τ=RC
Sprungantwort nach 2 RC-Tiefpässen, für alle: τ=τi=RiCi, i=1,2.
ρ (t − T )
1
τ
1
1
⋅
1 + sτ s
n
Sprungantwort nach n RC-Tiefpässen, für alle: τ=τi=RiCi, i=1...n.
 1  1

 ⋅
 1 + sτ  s
Sprungantwort nach 2 RC-Tiefpässen mit τ1=R1C1 ≠ τ2=R2C2.
1
1
1
⋅
⋅
1 + sτ 1 1 + sτ 2 s
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eτ
−t
1− e τ
2
 1  1

 ⋅
 1 + sτ  s
−t
t
τ
2
−t
eτ
t
−
t n−1
eτ
n
τ (n − 1)!
1
1−
τ1 − τ 2
−t
 τ− t

τ2
1
τ 1e − τ 2e 


u
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Bild 8.3.2-2:
Spice-Simulation:
Sprungantworten von 4
RC-Tiefpässen gemäß
Bild 8.3.2-1
in Serie. Alle
haben
eine
Zeitkonstante
von 1 ns.
Bild 8.3.2-3:
Spice-Simulation:
Sprungantworten von 2
RC-Tiefpässen
gemäß
Bild 8.3.2-1 in Serie. Der
erste hat eine
Zeitkonstante von τ1=1ns und
der zweite von τ2=3ns.
Wird ein RC-Tiefpass mit der konstanten Ein- und Ausgangsspannung U0 zum Zeitpunkt t0
am Eingang mit einem Spannungssprung ∆U beaufschlagt, dann folgt der Ausgang diesem
gemäß
Uout(t>t0) = ∆U·(1-e-t/τ) + U0,
Speist nicht ein Sprung sondern eine exponentielle Ladekurve einen RC-Tiefpass, dann wird
Anfang des Sprunges runder und die (Ent-)Ladefunktion wird etwas flacher. Bei
Übertragungsleitungen hat man an deren Enden exakt diese Lade- und Entladefunktionen, die
allerdings um die Leitungsverzögerung gegeneinander verzögert sind.
Bei sehr großen unterschieden in den Zeitkonstanten sieht man im Ergebnis praktisch nur
noch die größere Zeitkonstante.
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Bild 8.3.2-4:
Spice-Simulation:
Sprungantworten von 2
seriellen RC-Tiefpässen
gemäß Bild 8.3.2-1 mit
einer Zeitkonstanten von
je τ1=τ2=1ns und einem
Tiefpass mit einer Zeitkonstanten von τ2=2ns.
Näherungslösungen sind in vielen Fällen hilfreich. Haben zwei serielle Tiefpässe gemäß
Bild 8.3.2-1 sehr unterschiedliche Zeitkonstanten, dann entspricht die gesamte Zeitkonstante
näherungsweise der größeren. Bei etwa gleich großen Zeitkonstanten τ1≈τ2 kann man als
Näherungslösung τges≈τ1+τ2 annehmen. Bild 8.3.2-4 vergleicht die Sprungantwort zweier
serieller Tiefpässe gemäß Bild 8.3.2-1 mit τ1=τ2=1ns mit der Sprungantwort eines Tiefpasses
mit τ3=2ns. Letztere hat keinen Wendepunkt, also für t>1ns keinen Vorzeichenwechsel in der
Krümmung.
Handzeichnungen von RC-(Ent-)Ladekurven mit Zeitkonstante T: Nach der Zeit T hat
der Ausgang (1-e-1)·100%=63,2% der Höhe des Eingangssprunges nachvollzogen, nach einer
Zeitspanne von 2T sind es bereits (1-e-2)·100%=86,5%, nach 3T sind es·(1-e-3)·100%=95%
und nach 4T sind es (1-e-4)·100%=98%. In Handskizzen lassen wir die (Ent-)Ladekurve in der
Regel nach ca. 4T ihren Endwert erreichen.
Beispiele für das Verhalten verlustloser Übertragungsleitungen:
A.) Zgen = Z0:
1. Leitungsende mit Wellenwiderstand abgeschlossen:
ZL=Z0, r2=0
2. Leitungsende offen:
ZL=∞, r2=1
3. Leitungsende kurzgeschlossen:
ZL=0, r2=-1
B.) Zgen ≠ Z0: Hin- und Rücklaufende Wellen überlagern sich.
Ein Knoten, an dem eine Übertragungsleitung angeschlossen ist, „sieht“ den Wellenwiderstand dieser Leitung als Widerstand gegen die gewählte Referenzspannung
(typischerweise Masse). Dies ist bei der Berechnung von RC-(Ent-)Ladekurven zu
berücksichtigen.
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(a)
(a)
450 Ω
N1
R gen
100ps
T1
50 Ω
U gen
N2
100ps
T2
50 Ω
N3
100ps
T3
d q
N4
d q
ck2
ck1
50 Ω
100ps
C1
0,25pF
50Ω
200Ω
(b)
U0
2nF
80fF
(b)
U0
ck2
ck1
ck2
(c)
U0
ck2
ck1
Bild 8.3.2-5:
(a) Drei Übertragungsleitungen in Serie:
(b) Die Simulation zeigt die 4 relevanten
Knotenspannungen jeweils in analogem
und darunter in literalem Format, um die
voneinander unabhängige Aktivität der
Knoten
Bild 8.3.2-6: Spannungsverlauf auf einer
Taktleitung:
(a) Schaltung: 200Ω-Buffer treibt 50ΩLeitung,
(b) MixED-Simulation, vertikale Striche
in der literalen Darstellung unten zeigen
einen analogen Lösungspunkt. (c) SpiceSimulation mit Zeitschrittweite von einer
halben Leitungsverzögerung ∆t ≤ 50ps:
Spannungsspitzen geglättet. (SpiceSimulationen mit ∆t ≤ 1ps sind identisch
mit
der
MixED-Simulation
in
Bildteil (b).)
8.4 Literatur
[Kuc78]
[www]
Kuchling, Horst, Taschenbuch der Physik, Verlag Harry Deutsch, 1978.
Im Web unter „Signal Integrity“ oder kurz „SI“ suchen.
- Seite 8-8 -
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