Tiere wecken Emotionen und Lebenslust

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Tiere wecken Emotionen und
Das REHAB Basel ist ein Zentrum für
Querschnittgelähmte und Hirnverletzte.
Seit eineinhalb Jahren bietet die Klinik
eine tiergestützte Therapie mit Kleintieren an. Jetzt liess das Zentrum seine Anlage von Kleintiere Schweiz zertifizieren, und das mit grossem Erfolg.
T
Bilder: Stephanie Federle (2), Hitzigraphy/REHAB Basel (2)
iere als Therapeuten. Das ist nichts Neues. Überraschend ist es jedoch, wenn
Hühner, Ziegen, Kaninchen oder sogar
Minipigs für eine Therapie miteinbezogen
werden – wie im Zentrum für Querschnittgelähmte und Hirnverletzte REHAB Basel. Im
Juni letzten Jahres hat die Klinik ihren Therapie-Tiergarten mit Kleintieren eröffnet.
Schon etwas länger bietet das Zentrum auch
Therapien mit Grosstieren wie Pferden an.
Und dies bereits mit ersten Erfolgen: Eine
Wachkomapatientin mit Spasmen an den
Händen konnte, während sie in ihrer Therapie
Meerschweinchen streichelte, ihre verkrampften Finger etwas lösen. Ausserdem wirken
die Tiere positiv auf die Motivation der Patienten. Eine Frau im Rollstuhl, die vorher die
Therapie verweigerte, machte auf einmal mit,
als sie mit den Tieren arbeiten durfte.
Ohne Wertung und Vorurteile
Tiere wirken entspannend, wecken Neugier
und fördern das Selbstvertrauen und die Lebenslust – davon sind die Verantwortlichen
der REHAB Basel überzeugt. Die Tiere sollen
die Patienten auf ihrem Weg zurück ins Leben
unterstützen. «Eine Begegnung zwischen
Mensch und Tier läuft ohne Vorurteile und
Wertung ab», sagt Karin Hediger, welche die
tiergestützte Therapie wissenschaftlich begleitet. Tiere ermöglichen vor allem auch die
Nähe und den Körperkontakt und ergänzen
die soziale Rehabilitation. Wichtig sei, dass
die Patienten eine Beziehung zum Tier aufbauen können. Deshalb wird oft mit den gleichen Tieren gearbeitet. Meistens haben diese
Menschen Schwierigkeiten, wieder eine Beziehung zu anderen Menschen aufzubauen.
Durch den ersten Beziehungsschritt zu den
Tieren kann sich vieles wieder öffnen.
Mittlerweile leben im Tiergarten Schafe,
Ziegen, Kaninchen, Hasen, Meerschweinchen,
Hühner, Vögel, Esel und Minipigs. Nicht alle
Tiere sind für Therapien geeignet. «Das hängt
extrem vom Charakter des Tieres ab», sagt
Karin Hediger. Die Meerschweinchen für die
Wachkomapatienten beispielsweise wurden
seit der Geburt auf die Therapiearbeit vorbereitet. Sie dürfen weder beissen noch kratzen
und müssen ruhig im Arm des Patienten liegen
können. Das Training nahm über ein Jahr in
Anspruch.
Die Tiere werden in alle drei Therapiebereiche, Logopädie, Physio- und Ergotherapie,
miteinbezogen. «Unser Ziel ist es, die Wahrnehmung zu fördern, und zwar in allen Be-
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reichen», sagt Hediger. Dabei helfen auch
einfache Ausführungen wie Futter zubereiten,
füttern, streicheln und beobachten.
Speziell ist, dass die tiergestützte Therapie
in ein Forschungsprojekt eingebunden ist.
Dieses wird von Dennis C. Turner begleitet,
einem Experten auf dem Gebiet der tiergestützten Therapie. Die Forschungsarbeit dauert noch drei weitere Jahre an, deshalb liegen
zurzeit noch keine Resultate vor. Im Zentrum
der Forschung steht die Frage, welchen Einfluss die tiergestützte Therapie auf den Rehabilitationsverlauf der Patienten hat. Erste
Hinweise gibt es jedoch schon: «Wenn Tiere
während einer Therapie anwesend sind, zeigen die Patienten viel mehr positive Emotionen», sagt Hediger.
Parcours mit Minipigs
Bei den Patienten besonders beliebt sind die
beiden Minipigs Frederick und Piggeldy. Neben dem Füttern können die Patienten mit
den Tieren auch einen Parcours absolvieren.
«Dabei müssen die Patienten einen Plan aufstellen und den Parcours selbstständig auslegen. Die Herausforderung ist dann, die Minipigs dazu zu bewegen, über die Hindernisse
zu steigen», sagt Hediger. Im REHAB wird
Die Therapie mit einem Minipig motiviert viele Patienten. Die Meerschweinchen sind vor allem bei
das von Kleintiere Schweiz zertifiziert wurde. Expertin Ursula Götz (kleines Bild links) bespricht die
TIERWELT / 43, 23. oktober 2014
Lebenslust
kein Tier dazu gezwungen. «Wenn es
keine Lust hat, dann muss es nicht, Tiere
sind schliesslich keine Maschinen», sagt
Nicole Furrer, Leiterin des Therapie-Tiergartens. Für die Tiere sei die Therapie sehr
anstrengend. «Wir achten darauf, dass sie
nicht länger als 30 Minuten beansprucht
werden und immer genügend Ruhepausen
haben», sagt sie.
Die tiergestützte Therapie ist immer noch
im Wachstum. Viele der Therapeuten im Zentrum sind begeistert vom neuen Angebot und
wenden es gerne an. Der Tiergarten besteht
aus modernen, grosszügigen Gehegen. Der
den Wachkomapatienten im Einsatz. Alle Tiere leben im Therapie-Tiergarten des REHAB Basel,
vorbildliche Hühnerhaltung mit Nicole Furrer, Leiterin des Therapie-Tiergartens (kleines Bild rechts).
TIERWELT / 43, 23. oktober 2014
gesamte Bau von 1,7 Millionen Franken konnte nur durch eine grosszügige Spende der
Eckenstein-Geigy-Stiftung realisiert werden.
Eine Augenweide ist die geschwungene Vogel-Voliere, die einem Kunstwerk gleicht. «Da
möchte man gerne ein Vogel sein», sagt Heinz
Hochuli, Experte für die Ziervögel von Kleintiere Schweiz. Zur Zertifizierung der Anlage
kam es, weil Toni von Arb, Leiter Zertifizierung, vom Therapie-Tiergarten so begeistert
war. Er konnte schliesslich die Verantwortlichen des REHAB Basel überzeugen, ihre
Gehege zertifizieren zu lassen.
Eine Zertifizierung bedeutet, dass die
Kleintiere vorbildlich gehalten und betreut
werden und die Stallungen und Aussengehege mehr bieten als das gesetzliche Minimum.
Erst kürzlich wurde im REHAB diese Zertifizierung durchgeführt, mit grossem Erfolg.
Bei der Bewertung wurde vor allem auf eine
vorbildlich tiergerechte Haltung Wert gelegt.
Es musste aber auch Fachwissen über die gehaltenen Arten und Rassen vorhanden sein.
Die Experten von Kleintiere Schweiz waren vollends zufrieden, es gab absolut nichts
zu beanstanden. Erwähnt wurde insbesondere die grosszügige Fläche, welche den Tieren
zur Verfügung steht. Beim Geflügel lobte
Expertin Ursula Götz den Wintergarten und
den grossen Teich im Gehege.
So stand der Übergabe der offiziellen Plaketten von Kleintiere Schweiz nichts mehr
im Wege und die Leiterin des Tiergartens,
Nicole Furrer, konnte es kaum erwarten, die
Auszeichnung an den Ställen zu befestigen.
Stephanie Federle
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