Onkologischer Arbeitskreis Mittelhessen e.V. Erbliche Krebserkrankungen Zu den häufigsten erblichen Krebserkrankungen gehören erblicher Brust- und Eierstockkrebs sowie erblicher Darmkrebs. Erblicher Brust- und Eierstockkrebs Jede 8. bis 10. Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs (Mamma-Karzinom), wobei die meisten Erkrankungen im höheren Alter auftreten. Erbliche Faktoren spielen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Brustkrebs. So haben 25 % (jede vierte) der an Brustkrebs Erkrankten Familienangehörige, die ebenfalls an Brustkrebs erkrankt sind. Dabei bedeutet das Auftreten von Brust- und Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom) in der Familie, auch bei mehreren Familienangehörigen, nicht von vornherein, dass eine erbliche Brust- und Eierstockkrebserkrankung vorliegt. Klarheit kann hier nur in einem genetischen Beratungsgespräch erlangt werden. Oft tragen diese ausführlichen Gespräche auch zur Beruhigung der Ratsuchenden bei. Mindestens 5 % der Brustkrebserkrankungen sind jedoch klar erblich bedingt. Sie beruhen auf einer Mutation in einem der sog. Brustkrebsgene, die von einer Generation an die nächste weitergegeben werden kann. In etwa der Hälfte der Fälle liegen Mutationen in den Genen BRCA1 und BRCA2 vor. Eine genetische Beratung ist bei folgenden Konstellationen in einer Familie sinnvoll: • Zwei an Brustkrebs Erkrankte, davon eine unter 50 Jahren • Drei oder mehr an Brustkrebs Erkrankte, unabhängig vom Alter • Eine unter 30 Jahren an Brustkrebs Erkrankte • Eine unter 40 Jahren an beidseitigem Brustkrebs Erkrankte • Mindestens eine an Brustkrebs und eine an Eierstockkrebs Erkrankte • Zwei oder mehr an Eierstockkrebs Erkrankte • Mann mit Brustkrebs Erblicher Darmkrebs Dickdarm- und Enddarmkrebs (kolorektale Karzinome) machen etwa ein Drittel aller Krebserkrankungen aus. An Darmkrebs erkranken besonders Menschen in höherem Lebensalter. Wenn in einer Familie jüngere Menschen an Darmkrebs erkranken, liegt der Verdacht auf eine erbliche Form dieser Erkrankung nahe. Man geht heutzutage davon aus, dass etwa 5-10 % der Darmkrebserkrankungen erblich sind. Dabei unterscheidet man verschiedene Krankheitsbilder: • das erbliche kolorektale Karzinom ohne Polyposis (HNPCC) • die familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) HNPCC Das erbliche kolorektale Karzinom ohne Polyposis (HNPCC) stellt die häufigste erbliche Darmkrebsform dar. Verdacht auf HNPCC besteht, wenn mehrere Familienangehörige an Dickdarmkrebs und/oder an Gebärmutterschleimhautkrebs (Endometrium-Karzinom), Dünndarmkrebs, Nierenbecken- oder Harnleiterkrebs erkrankt sind. Ebenfalls verdächtig ist das Auftreten einer dieser Tumoren vor dem 45. Lebensjahr oder wenn ein Patient gleichzeitig oder nacheinander an zwei oder mehreren dieser Tumoren erkrankt. Ursächlich für HNPCC sind Veränderungen (Mutationen) in den sog. DNA-Reparatur-Genen, die von einer Generation an die nächste weitergegeben werden können. Das Erkrankungsrisiko für das Auftreten eines kolorektalen Karzinoms bis zum 80. Lebensjahr beträgt bei Menschen mit genetischer Prädisposition für HNPCC etwa 80 %. 1/2 Onkologischer Arbeitskreis Mittelhessen e.V. FAP Die familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) macht etwa 1 % aller kolorektalen Karzinomerkrankungen aus. Die Betroffenen entwickeln hunderte bis tausende kleiner Polypen im Darm. Grundsätzlich kann jedes dieser zunächst gutartigen Adenome zu einem bösartigen Tumor heranwachsen. Die FAP wird durch Veränderungen (Mutationen) im APCGen verursacht. Eine solche FAP-Keimbahnmutation kann von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. Für Menschen mit einer genetischen Prädisposition für FAP besteht praktisch ein hundertprozentiges Erkrankungsrisiko. Humangenetische Beratung Wenn Sie befürchten, dass in Ihrer Familie eine erbliche Veranlagung für Brust- und Eierstockkrebs oder Darmkrebs vorliegt, sollten Sie eine genetische Beratung in Anspruch nehmen. Die Bestimmung des individuellen genetischen Risikos und die Beantwortung der Frage, ob ein erblicher Krebs in der Familie vorliegt, kann nur nach einer ausführlichen Stammbaumanalyse geklärt werden und erfordert humangenetisches Fachwissen. Bei der Stammbaumanalyse müssen die folgenden Faktoren unbedingt erfasst werden: • Vollständiger Stammbaum über mindestens drei Generationen • Diagnose aller Tumoren für alle betroffenen Angehörigen • Alter bei Erstdiagnose für alle Tumorpatienten in der Familie • Alter und Geschlecht für alle betroffenen und nicht betroffenen Familienangehörigen Molekulargenetische Diagnostik Wenn sich der Verdacht auf erblichen Brust- und Eierstockkrebs bzw. HNPCC oder FAP erhärtet, kann eine molekulargenetische Diagnostik sinnvoll sein. Vor Durchführung einer molekulargenetischen Diagnostik werden Sie über die Möglichkeiten und Grenzen der eingesetzten Untersuchungsverfahren, mögliche Ergebnisse und deren Konsequenzen aufgeklärt. Früherkennung Spezielle Früherkennungsprogramme und ggf. andere vorbeugende Maßnahmen (z.B. bei erblichem Brustkrebs: medikamentöse Prävention, prophylaktische Operationen) für Personen aus Hochrisikofamilien bzw. mit nachgewiesener pathogener Mutation in einem der derzeit bekannten Krebsgene werden im Beratungsgespräch selbstverständlich auch angesprochen. Verfasser: Dr. Simone Sauter FÄ für Humangenetik Centrum für Humangenetik Linden Kurt-Schumacher-Straße 11 35440 Linden Telefon: 0 6403 / 68 400 Telefax: 0 6403 / 68 402 eMail: [email protected] eSite: http://www.humangenetisches-centrum.de 2/2