Christen und Muslime im Ev Kirchenkreis Münster

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Christen und Muslime
Im Evangelischen Kirchenkreis Münster
Eine Handreichung
Vorwort
Das Zusammenleben von Christen und Muslimen gehört mehr und mehr zum Alltag. Je nach Stadt und Region ist dieser Alltagscharakter am Arbeitsplatz, im Kindergarten, in der Schule im Krankenhaus und im öffentlichen Leben mehr oder weniger intensiv zu spüren. Die Begegnung von Christen und Muslimen führt
wie die Pluralisierung der Gesellschaft insgesamt zu sehr unterschiedlichen Reaktionen bei allen Beteiligten
von großen, geradezu euphorischen Hoffnungen angesichts möglicher Chancen gegenseitiger Bereicherung
bis hin zu verdeckter oder offener Feindseligkeit. Im Alltag gehören Selbstverständlichkeit und Konflikthaltigkeit zusammen.
Die christlichen Kirchen sind in die Vielfalt wechselseitiger Begegnung auf unterschiedlichsten Ebenen einbezogen und bemühen sich, darin ihrem Auftrag, Kirche Jesu Christi zu sein, zu entsprechen. Dazu ist zweierlei nötig:
− die bewusste und intensive Wahrnehmung muslimischer Menschen, ihrer Gruppierungen und Verbände mit ihren Bedürfnissen und Interessen einschließlich der weltweiten Verbindungen, in die sie
eingebunden sind,
− eine interne Verständigung darüber, wie eine dem Evangelium gemäße Praxis der Begegnung von
Christen und Muslimen aussehen soll, die sowohl im konkreten Fall vor Ort wie auch im weltweiten
ökumenischen und multireligiösen Kontext Bestand haben kann.
Die Kirchenkreise des Gestaltungsraums 1 (Münster, Steinfurt- Coesfeld- Borken und Teckelenburg) haben
eine gemeinsame Projektgruppe gebildet, die im Rahmen eines breit angelegten synodalen Prozesses Leitlinien für das Zusammenleben mit Muslimen erarbeitet haben. Die Synode des Ev. Kirchenkreises Münster
hat diese Leitlinien mit breiter Mehrheit (2 Gegenstimmen, 1 Enthaltung) angenommen. Die Synoden in
Steinfurt- Coesfeld- Borken und Tecklenburg werden zu einem späteren Zeitpunkt die Vorlage beraten.
Zur Diskussion und Meinungsbildung gibt der Ev. Kirchenkreis Münster in Abstimmung mit dem Gestaltungsraum 1 und dem zuständigen Dezernenten im Landeskirchenamt, Herrn Gerhard Duncker, diese Handreichung an die Öffentlichkeit. Für die intensiven Vorarbeiten sei an dieser Stelle noch einmal herzlich gedankt:
der Vorsitzenden der Projektgruppe, Frau Pfarrerin Beate Heßler, Gemeindedienst für Mission und Ökumene, Herrn Thomas Dreessen vom Institut für Kirche und Gesellschaft, Frau Pfarrerin Alexandra Hippchen,
Synodalbeauftragte des Evangelischen Kirchenkreises Münster für Islamfragen, und allen Mitgliedern der
Projektgruppe (vgl. Namensverzeichnis).
Den Leitlinien wird die Einbringungsrede von Frau Pfarrerin Heßler vorangestellt. Als weiteres Material füge
ich den Leitlinien ein Positionspapier mit dem Titel „Religiöse Orientierung in gesellschaftspolitischer und
kirchenpraktischer Perspektive“ hinzu, das, wie der Einführungsvortrag zur Fachtagung am 17. 5. 2003 in die
Beratungen der Projektgruppe und der Synode eingegangen ist. Die Mitgliederliste der Projektgruppe beschließt diese Broschüre.
Wir hoffen, mit unseren Bemühungen zu einem wahrhaftigen, friedlichen und freien Miteinander von Christen
und Muslimen beizutragen.
Superintendent
Dr. Dieter Beese
Im Juli 2003
1
Einbringung
der Leitlinien für das Zusammenleben mit Muslimen
Liebe Synodale,
vor Ihnen liegen die Leitlinien zur Begegnung von Christen und Muslimen, deren Diskussion heute den Abschluss eines 1 ½ jährigen Arbeitsprozesses bildet.
Im November 2001 hat die Synode den Arbeitskreis berufen, der als Projektgruppe mit dem Ziel der Erstellung einer Handreichung das Verhältnis von evangelischer Kirche zu ihren muslimischen Nachbarn beleuchten sollte.
Diese Handreichung haben sie im vergangenen Jahr erhalten - mit etlichen Zahlen und Statistiken, mit der
Beschreibung vom Ist- Zustand und von den Möglichkeiten christlich- muslimischer Begegnung, aber auch
mit den theologisch bedenkenswerten Fragen im religiösen Mit- und Nebeneinander - dies in aller Offenheit
und unter Berücksichtigung der Spannweite theologischer Positionen.
Wir haben Ihnen diese Handreichung mit der Bitte mitgegeben, sich in Presbyterien, Gruppen und Ausschüssen damit zu befassen und uns Ihren Diskussionsbeitrag dazu wissen zu lassen.
Die - das muss ich dazu sagen - wenigen Beschlüsse und schriftlichen Reaktionen, die Protokolle der Arbeitsgruppen der letztjährigen Synode sowie der Pfarrkonferenz zum Thema im Januar waren die Grundlage
der zweiten Arbeitsphase in der Projektgruppe.
Wir haben uns mit den Zielsetzungen und Rahmenbedingungen auseinandergesetzt, die im Evangelischen
Kirchenkreis Münster das Verhältnis von Christen und Muslimen bestimmen und danken allen, die uns mit
ihren Einbringungen und Textvorlagen dazu das Material geliefert haben. Dazu zählen insbesondere die
Vertreterinnen und Vertreter der Seelsorge in den Krankenhäusern und in der Justizvollzugsanstalt, das
Schulreferat und die Fachberatung für Kindertageseinrichtungen.
Im Gespräch mit dem Superintendenten und im Rahmen einer Fachtagung haben wir uns mit den daraus
entstandenen praktischen Anregungen für die Handlungsfelder im Evangelischen Kirchenkreis auseinandergesetzt und Leitlinien für die theologische Grundlegung unseres Handelns entwickelt. Das daraus entstandene Papier liegt Ihnen nun in Gestalt der Leitlinien vor.
Einige Elemente der Handreichung vom vergangenen Jahr haben wir darin auch wieder aufgenommen, so
auch die Statistik zu den vorliegenden Zahlen im Münsterland. Wenn diese Leitlinien beschlossen werden
und in Druck gehen, sollen diese Zahlen noch einmal aktualisiert und in eine bessere Tabellenform gebracht
werden, da lagen uns bei der Vorbereitung für heute noch keine vernünftigen Vorlagen vor.
Ich gehe noch einmal die einzelnen Kapitel der Leitlinien durch:
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Nach den Vorbemerkungen werden im Teil B „Theologische Voraussetzungen” das Bekenntnis, das
Zeugnis und der Auftrag evangelischer Kirche reflektiert, die dem Dialog mit Menschen anderer Religionen Raum geben und ihn in begründeter Weise gestalten.
−
Der Teil C enthält die praktischen Orientierungen im Blick auf die Situation in den Kindergärten und
Schulen, in Krankenhaus- und Notfall-Seelsorge und Kirchengemeinden.
−
Besonders gründlich haben wir uns mit dem Miteinander von Christen und Muslimen im Gebet beschäftigt. Unter Absatz C 5 finden Sie die entsprechenden Anmerkungen zum Öffentlichen Gebet
aus besonderem Anlass.
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Die Abschnitte D und F sind der Handreichung vom vergangenen Jahr entnommen und werden
noch einmal in der schon beschriebenen Art und Weise überarbeitet.
Die Schlussbemerkung aufnehmend hoffen wir als Projektgruppe darauf, dass diese Leitlinien Ihnen bei
Ihrer Arbeit Orientierung und Hilfe bieten.
2
Ich bedanke mich bei allen die uns in den vergangenen 1 ½ Jahren Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen waren und insbesondere danke ich dem Arbeitskreis, der ohne nennenswerte Ermüdungserscheinungen beharrlich und engagiert, tiefgehend und für mich oftmals sehr lehrreich diskutiert, gestritten, gelesen, abgewogen und formuliert hat.
Danke.
Pfarrerin
Beate Heßler
Beschluss der Synode am 26. 6. 03:
Die Synode befürwortet die Handreichung über das Zusammenleben mit Muslimen im Evangelischen Kirchenkreis Münster.
Die Abschnitte A bis C werden als Leitlinien angenommen. Die Punkte D bis F verstehen sich als zusätzliche
Informationen über den aktuellen Sachstand.
(Bei 3 Enthaltungen und 2 Gegenstimmen mit überwältigender Mehrheit angenommen)
3
Leitlinien
für das Zusammenleben mit Muslimen
A. Vorbemerkung
Der 11. September 2001 und der dritte Golfkrieg 2003 haben über außen-, wirtschafts- und kulturpolitische
Fragen hinaus auch das Verhältnis von Christentum und Islam weltweit neu in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückt. Es scheint uns an der Zeit zu sein, die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen des Zusammenlebens von Christen und Muslimen auch in unserer Region aus der Sicht der Evangelischen Kirchenkreises Münster zu klären. Im Evangelischen Kirchenkreis Münster stellt das Zusammenleben von
Christen und Muslimen bisher kein wirklich bedrängendes und existentielles Problem dar, zumal der Anteil
der Muslime an der Gesamtbevölkerung noch sehr gering ist. Die Zahlen sprechen da eine klare Sprache.
Gleichwohl gibt es aber wichtige Begegnungsorte und Erfahrungen, wie Krankenhaus, Tagesstätten für Kinder, Schule und Justizvollzugsanstalt, die für Diskussion und Praxis des Zusammenlebens von Christen und
Muslimen heute und in Zukunft von Bedeutung sind.
1. Es gibt innerhalb der evangelischen Kirche keine „Normaltheologie“ für das Verhältnis von Christentum und Islam. Eine solche theologische Vorgabe würde auch dem Pluralismus einer offenen Volkskirche und evangelischem Selbstverständnis widersprechen. Die theologische Diskussion lebt von
ihrer Vielstimmigkeit. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist auch eine verbindliche Regelung für das
christliche- muslimische Verhältnis seitens der kirchenleitenden Gremien (noch) nicht erfolgt.
2. Gleichwohl stehen einige Entscheidungen an, die für das Verhalten kirchlicher Amtsträger und Einrichtungen von Bedeutung sind. Welche Formen gemeinsamen religiösen Handelns sind möglich?
Wie wirkt sich die Teilnahme muslimischer Menschen an kirchlichen Veranstaltungen und ihre Anwesenheit in kirchlichen Einrichtungen aus? Derartige Entscheidungen setzen einen innerkirchlichen
Minimalkonsens über die Leitlinien voraus, die im Zusammenleben von Christen und Muslimen seitens der Evangelischen Kirche gelten sollen.
3. Kirchliche Veröffentlichungen wie beispielsweise die Handreichung der EKD „Zusammenleben mit
Muslimen in Deutschland. Gestaltung der christlichen Begegnung mit Muslimen“ (2000) geben bereits wichtige Orientierungshilfen, wie im Rahmen der geltenden Kirchenordnungen und unter Beachtung der allgemeinen kirchlichen Bestimmungen das Zusammenleben von Christen und Muslimen wahrgenommen, verstanden und gestaltet werden kann.
Die folgenden Ausführungen wollen dazu dienen, denen, die in der konkreten Verantwortung vor Ort stehen, und denen, die sich für die Haltung und Praxis der Gemeinden, Einrichtungen und Dienste unseres Kirchenkreises interessieren, Leitlinien an die Hand zu
geben, um ihnen ihre Meinungsbildung und ihre Entscheidungen für die Praxis zu erleichtern.
B. Theologische Voraussetzungen
I. Evangelische Kirche – Gemeinschaft der Gläubigen
Die evangelische Kirche ist eine Gemeinschaft von Menschen, die im Glauben an Jesus Christus leben. Ihr
Glaube gründet sich auf das Zeugnis der Bibel und findet seinen Ausdruck in den schriftlichen Bekenntnissen, die uns mit den Müttern und Vätern im Glauben verbinden, sowie in dem lebendigen Bekenntnis der
Christen heute. In diese Gemeinschaft sind alle Menschen eingeladen; wer glaubt und getauft ist, gehört
tatsächlich dazu. Sichtbar und erkennbar wird diese Gemeinschaft in der öffentlichen Verkündigung des
Evangeliums, der Feier des Abendmahls und der Taufe. Der Glaube wird in der Liebe tätig.
1. Zu den zentralen Aussagen unseres Glaubens zählt die Überzeugung, dass Gott sich in Jesus
Christus selbst zum Heil der Welt dahingegeben hat und allen, die an ihn glauben, durch seinen hei4
ligen Geist Anteil an seinem schöpferischen, rettenden und vollendenden Werk gibt. Diese frohe
Botschaft gilt aller Welt. Deshalb sind alle Menschen dazu berufen, auf dieses lebendige Wort Gottes mit Glauben zu antworten. Alle Welt hat von Gott das Leben, deshalb soll sie Gott danken. Alle
Welt wird in Gott heil, deshalb soll sie Gott loben. Alle Welt wird in Gott vollendet, deshalb soll sie
Gott die Ehre geben.
2. Gott schafft und erhält die Menschen inmitten seiner ganzen Schöpfung, auch wenn sie nicht an ihn
glauben oder wenn sie ihn anders verehren als es seiner Offenbarung in Jesus Christus entspricht.
Christen und Nichtchristen, Religiöse und Nichtreligiöse leben in der einen Welt zusammen, je nach
den gesellschaftlichen und historischen Umständen in unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen und
Beziehungen. Sie vertreten unterschiedliche Erkenntnisse und Interessen, die in Teilen gemeinsam
sind, in anderen Teilen aber auch im Widerspruch zueinander stehen. Die Berufung der Christen ist
unter allen sich wandelnden Verhältnissen dieselbe. Christen sind berufen zu einem Leben im Glauben an Christus und in der Liebe zum Nächsten, unabhängig von dessen Herkunft oder Zugehörigkeit.
3. Indem Christen ihrem Glauben und ihrer Liebe Gestalt geben, suchen sie die Begegnung mit ihren
Mitmenschen auf allen Ebenen des menschlichen Miteinanders: Arbeit und Freizeit, Glück und
Trauer, Gesundheit und Krankheit, um mit ihnen in der einen Welt Gottes zu leben, zu lernen, zu arbeiten und zu feiern, um sie als Mitgeschöpfe zu erleben und ihnen Zeugen des Evangeliums zu
sein. Aber auch die anders Gläubigen sind den Christen Zeugen der Gegenwart Gottes: Das Volk Israel hat durch die Menschen in Ninive gelernt, zu Gott umzukehren. Die Menschen aller Völker haben ihre Vorstellungen vom Dasein Gottes des Schöpfers und von seinem Gebot. Christen sollen die
Gotteserkenntnis anders Gläubiger wahrnehmen und ihr Bemühen um ein rechtschaffenes Leben
achten (Paulus im Römerbrief). Sie selbst aber erfahren Freiheit und Bindung ihres Lebens ausschließlich im Evangelium von Jesus Christus.
II. Evangelische Kirche – Kirche in der Einen Welt
Entwicklungen am eigenen Ort, in der eigenen Region und im eigenen Land sind in ihrer Besonderheit zu
würdigen. Das gilt für die Gültigkeit bewährter Tradition und für die Erwartungen der Mehrheit der Menschen,
die dort leben, ebenso wie für das Erfordernis der Anpassung an neue Situationen und für das für alle gleiche Recht auf Glück und Selbstbestimmung. Lokale und regionale Entscheidungen sind jedoch immer in
globalem Zusammenhang zu sehen. Die evangelische Kirche steht mit ihrer Mission immer in einem ökumenischen Kontext.
1. Ökumenische Gemeinschaft ist eine Wesens- und Lebensäußerung der evangelischen Kirche. Interreligiöser Dialog ist unverzichtbar für das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Religionen.
Mit Recht hat Hans Küng (Projekt Weltethos) den Frieden zwischen den Religionen zu den notwendigen Voraussetzungen für den Weltfrieden gezählt. Ökumenische Gemeinschaft ist im Glauben an
Jesus Christus gegründet und verbindet uns mit allen christlichen Kirchen weltweit. Interreligiöser
Dialog ist in der Differenz zwischen dem christlichen Glauben und seiner Bestreitung durch andere
Religionen und Weltanschauungen begründet und schließt eigene Chancen und Herausforderungen
ein: Vorurteile und Feindbilder widersprechen unserem Selbstverständnis und sollen abgebaut werden; vorschnelle Harmonisierung nährt Zweifel an der Wahrhaftigkeit der Begegnung und an der
Klarheit des eigenen Auftrags. Deshalb verfolgt interreligiöser Dialog das Ziel, wechselseitiges Verstehen und gegenseitige Achtung zu fördern sowie Gemeinsamkeiten zu erkennen und zu pflegen.
2. „Frieden gabst du schon, Frieden muss noch werden.“ Für Christen unter muslimischer Dominanz in
weiten Teilen der Welt ist die schwere Spannung dieser Formulierung eines neuen geistlichen Liedes Inhalt tagtäglicher Erfahrung. Ökumenische Verbundenheit und multireligiöse Offenheit gehen
nicht einfach zusammen. Die Situation des Martyriums christlicher Gemeinden in weiten Teilen der
muslimisch dominierten Welt darf im Bemühen um Dialog und Verständigung hier nicht ausgeblendet werden.
3. Evangelische Orientierung ergibt sich allerdings nicht aus einem „Wie du mir – so ich dir“. Sie vertraut vielmehr auf die Verheißung: „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ Verständigung und wechselseitige Wertschätzung sind möglich in
dem Maße, in dem Menschen anderen Glaubens sich gegenseitig ihr Anderssein zubilligen. Deshalb
ist Toleranz unverzichtbar. Auf der Grundlage gegenseitiger Toleranz (Duldsamkeit) ist die Entstehung von Vertrauen möglich.
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Die Kirche verfügt nicht über die Wahrheit. Aber die evangelische Kirche steht dafür ein,
dass sich die Wahrheit erschließt als Gottes Liebe am Kreuz Christi, die Menschen durch
Gottes Geist in dieses Heilsgeschehen einbezieht. Das gilt es zu bezeugen. Dafür ist die
evangelische Kirche da.
III. Evangelische Kirche – Ort der Begegnung mit dem Evangelium
Christen begegnen anders Gläubigen nicht im Besitz einer vermeintlich überlegenen Religion oder Kultur, aber sie vertrauen darauf, dass Gott, der Vater Jesu Christi, sich jederzeit sein Volk aus allen Völkern sammelt, wie er es verheißen hat. In einer zunehmend
multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft kommt es für die evangelischen Christen
und ihre Kirche darauf an, die Klarheit und Wahrheit ihres Glaubens mit der weiten Liebe
zu den Menschen zu verbinden. Sie sollen sich weder von Ängsten und Vorurteilen leiten
lassen, noch ihr Licht unter den Scheffel stellen.
1. Die Begegnung von Christen und Muslimen ist mit schweren historischen Hypotheken belastet und
angesichts der Globalisierungsprobleme durchaus prekär, weil bisweilen vorschnell Islam und Christentum mit bestimmten politischen Interessen und kulturellen Formen in eins gesetzt werden. Das
mittlerweile jahrzehntelange Zusammenleben von Christen und Muslimen in unserem Land hat aber
inzwischen auch viele gute Erfahrungen ermöglicht von der Kollegialität am Arbeitsplatz bis hin zur
Entstehung von christlich- muslimischen Ehen und Familien.
2. Die Überzeugungskraft der Alten Kirche auf ihrem Weg von einer innerjüdischen Sondergruppe zu
einer viele Menschen gewinnenden großen Glaubensgemeinschaft bestand in dem Miteinander von
klarer, konturierter Glaubensüberzeugung, die auch mit Widerspruch umzugehen wusste, der Zuwendung zu den Menschen in deren Lebenssituationen und einer verbindlichen sozialen Gestalt.
Das Spektrum kirchlichen Handelns reichte von den Werken der Barmherzigkeit über die Lehre des
Evangeliums und die Pflege der Gemeinschaft bis zum Vollzug der Taufe als dem Beginn eines
christlichen Lebens. Gewissensdruck und der Versuch, mit verbaler, psychischer oder physischer
Gewalt zu missionieren hat den inneren und äußeren Verfall der Christenheit zur Folge gehabt.
Christen stehen demgegenüber im Dienst der Wahrheit, die frei macht, und der Liebe, die in alle
Wahrheit leitet.
3. Unsere Gemeinden, Einrichtungen und Dienste sollen dementsprechend Orte sein, an denen Menschen Erfahrungen mit dem evangelischen Glauben machen können: Jeder und jede ist willkommen, der mit uns leben und lernen, lachen und weinen, arbeiten und feiern will. Unser Dienst wird
umso glaubwürdiger sein, je klarer und erkennbarer in diesem Zusammenleben der Grund unseres
Glaubens wird sowie der Geist, der uns erfüllt und leitet. Ebenso sollen sie auch Orte sein, die offen
sind für den Dialog, in dem Menschen voneinander lernen.
IV. Evangelische Kirche – profilierter Partner in öffentlicher Verantwortung
Die evangelische Kirche leistet mittelbar durch ihren Dienst auch einen Beitrag zum friedlichen und freien Zusammenleben in einer offenen Gesellschaft. Der Beitrag der evangelischen Kirche zu einem friedlichen und freien interreligiösen und interkulturellen Zusammenleben unterscheidet sich allerdings von den Beiträgen des Staates und von denen
anders orientierter Gruppierungen, auch wenn es immer um dieselben Menschen geht.
Botschaft und Praxis kirchlicher Einrichtungen und Dienste müssen als evangelische Botschaft und Praxis erkennbar sein. Andernfalls wäre der Beitrag der Kirche überflüssig und
könnte genau so gut oder besser auch von Anderen wahrgenommen werden. Wir sind den
Menschen das Evangelium schuldig.
1. Staatliche Einrichtungen (also auch solche des Kreises und der Kommunen) haben einen allgemeinen, umfassenden Auftrag und sind unter Berücksichtigung der historischen und regionalen Verhältnisse zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet. Sie sollen darauf achten, dass Konzeption, Mitarbeit und Praxis allen gesellschaftlichen Strömungen und Auffassungen Raum geben, sofern diese
nicht den guten Sitten und den geltenden Gesetzen widersprechen. In die staatliche Verantwortung
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fällt auch die Gewährung der positiven und negativen Religionsfreiheit für alle, auch für einander widersprechende Richtungen. In staatlichen Einrichtungen kann jeder nach seiner Facon selig werden.
2. Evangelische Einrichtungen und Dienste (sowohl eigene als auch solche innerhalb öffentlicher Institutionen) und Gemeinden zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie nicht religiös- weltanschaulich
neutral sind sondern die ausdrückliche (wenn auch nicht die ausschließliche) Zielsetzung haben,
Menschen Erfahrungen und Erkenntnisse zu ermöglichen, die sie veranlassen könnten, sich dem
evangelischen Glauben zuzuwenden und sich ggf. taufen zu lassen. Sie sind dafür verantwortlich,
dass Muslime ohne Gewissenszwang dem Evangelium begegnen können.
3. Die Evangelische Kirche widersetzt sich aufgrund ihrer Glaubensüberzeugung und ihres Herkommens jeder Harmonie- oder Einheitsideologie. Von einer juristisch und doktrinär geformten Einheitsreligion hat sie sich bewusst gelöst. Sie ist aber mit allen, die glauben und getauft sind, eins im
Glauben allein an Christus. Für diesen Glauben steht sie ein, und aufgrund dieses Glaubens gibt sie
sich eine verlässliche soziale Gestalt. Ihrer Bereitschaft zum Respekt vor der Differenz entspricht
auch die Zustimmung zur eigenverantwortlichen Bildung muslimischer Einrichtungen und Dienste
(wie religiöser Betreuung in Krankenhäusern, Gefängnissen und Militär, muslimischem Religionsunterricht). Die finanzielle, personelle und inhaltliche Verantwortung dafür liegt bei diesen Religionsgemeinschaften selbst.
C. Praktische Orientierungen
Auftrag und Verheißung des Dienstes der Evangelischen Kirche im Bereich des Evangelischen Kirchenkreises Münster, wie sie in der Vorbemerkung (Teil A) und den theologischen Voraussetzungen (Teil B) dargelegt worden sind, konkretisieren sich in den Gemeinden, Einrichtungen und Diensten folgendermaßen:
I. Evangelische Kindertageseinrichtungen
1. In unterschiedlicher Größenordnung (zwischen 0 und 30%) besuchen muslimische Kinder evangelische Kindertageseinrichtungen. Diese werden dadurch zu einem besonderen Ort der Begegnung
und bieten Raum für gegenseitiges Lernen.
2. Evangelische Tageseinrichtungen
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nehmen grundsätzlich muslimische Kinder entsprechend den jeweiligen Aufnahmekriterien auf
sind offen dafür, Kinder und Familien anderer Kulturen und Religionen kennen zu lernen
initiieren Begegnungen mit muslimischen Familien und deren Beteiligung am Alltag der Kindertageseinrichtung
ermöglichen gleichberechtigte Chancen zur Integration für alle Familien und Kinder
pflegen einen respektvollen Umgang mit dem Anderssein als Merkmal achtungsvollen Miteinanders
nehmen Unterschiede ernst und wirken Vorurteilen sowie Fremde ablehnenden Haltungen entgegen
informieren in kindgemäßer Form über unterschiedliche Lebensgewohnheiten, Kulturen und Religionen und fördern das gegenseitige Entdecken
nehmen Rücksicht auf Speisevorschriften und Essgewohnheiten der muslimischen Kinder thematisieren in der Arbeit mit Kindern religiöse Gemeinsamkeiten und Unterschiede
laden zu Gottesdiensten ein. Kinder und Familien werden bei spezifisch christlichen Vollzügen
weder ignoriert oder ausgegrenzt noch vereinnahmt
nehmen ihre Verantwortung für den interreligiösen Dialog wahr.
3. Träger und Fachberatung tragen Verantwortung für die angemessene Schulung und Fortbildung der
Erzieherinnen und Erzieher zur Umsetzung dieser Leitlinien.
II. Schulfeiern und Schulgottesdienste
Die Schule ist ein zentraler gesellschaftlicher Ort, an dem Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen zusammenleben. Sie ist somit auch ein zentraler Ort für das Zusammenleben und gemeinsame Lernen
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von Christen und Muslimen. Dieses Zusammenleben findet seinen Ausdruck auch in Formen des gemeinsamen Feierns, wie es in Feiern anlässlich von Begrüßungs- und Entlassfeiern sowie zu anderen Anlässen
praktiziert wird.
1. Schulfeiern sind Veranstaltungen der Schule, zu der die Schule unterschiedliche gesellschaftliche
Gruppen, religiöse Gemeinschaften und die Kirchen um Mitwirkung bitten oder deren Mitwirkung ermöglichen kann.
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Bei der Vorbereitung und Gestaltung von interreligiösen Schulfeiern ist es sinnvoll, den Rat und
die Kompetenz muslimischer Eltern ein zu beziehen.
Soweit möglich sollte ein Imam zur Mitarbeit gewonnen werden.
Soweit erforderlich sollten Informationen, Briefe und Texte in der Muttersprache der Beteiligten
zur Verfügung stehen.
Pfarrerinnen und Pfarrer tragen keine Amtstracht.
Bei Schulfeiern öffentlich miteinander zu beten (Gebet in der Gegenwart des Anderen) ist Ausdruck der Verbundenheit in der Verehrung Gottes und der gegenseitigen Achtung.
Um die gegenseitige Wahrnehmung religiöser Traditionen zu vertiefen, ist eine Berücksichtigung
des muslimischen Festkalenders sinnvoll.
Schulfeiern finden in einem von der Schule bestimmten Raum statt.
2. Schulgottesdienste sind öffentliche kirchliche Veranstaltungen. Zu ihnen lädt die evangelische Kirche, bzw. bei ökumenischen Gottesdiensten in der Regel die evangelische gemeinsam mit der römisch- katholischen Kirche ein. Dies kann regelmäßig oder aus besonderem Anlass geschehen.
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Schulgottesdienste sind, wie alle anderen Gottesdienste auch, öffentlich. Muslime sind herzlich
eingeladen.
Bei der Gottesdienstgestaltung ist, wie bei jedem Gottesdienst, auf die Zusammensetzung und
die Situation der versammelten Gemeinde Rücksicht zu nehmen.
In Schulgottesdiensten kann auch ein Grußwort durch einen muslimischen Vertreter gesprochen
werden, sofern er dabei nicht ein muslimisches Gebet oder eine Koranrezitation oder eine andere explizit religiös- liturgische Handlung vornimmt.
Schulgottesdienste finden in der Regel in der Kirche statt.
Pfarrerinnen und Pfarrer tragen in der Regel Talar.
3. Das Schulreferat des Evangelischen Kirchenkreises Münster wird gebeten, die Gestaltung von interreligiösen Schulfeiern und die Vorbereitung und Durchführung von Schulgottesdiensten in Anwesenheit muslimischer Gäste zum Thema einer Fortbildungsveranstaltung zu machen.
III. Seelsorge in Krankenhaus und Notfallseelsorge
Im Krankenhausalltag kommt es zu verschiedenen Situationen der Begegnung zwischen Christen und Muslimen. Sowohl im Rahmen der Pflege und medizinischen Behandlung als auch im seelsorglichen Zusammenhang erwachsen Bedürfnisse von muslimischen Patienten und Patientinnen, die berücksichtigt werden
sollen.
1. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, muslimische Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen in die Praxis der seelsorglichen Begegnung einzubeziehen. Um entsprechende Namen und
Telefonnummern zur Verfügung zu haben, werden die Moscheegemeinden um die Benennung solcher Ansprechpartner gebeten. In einem Anschreiben an die Moscheegemeinden soll darauf hingewiesen werden, dass es sich dabei nicht unbedingt um Theologen handeln muss und dass es sinnvoll sein könnte, auch Frauen als Gesprächspartnerinnen ins Krankenhaus bitten zu können. Im Hintergrund steht dabei das Bedürfnis muslimischer Patienten nach Begleitung im vertrauten religiösen
Kontext: Diese Begleitung wird nicht mehr selbstverständlich durch Familienangehörige wahrgenommen, noch kann sie durch christliche Seelsorger und Seelsorgerinnen angemessen übernommen werden. Mitunter ist auch keine Familie mehr vorhanden, die die notwendigen Besuche durchführen könnte. Hier ist ein stellvertretendes Handeln von muslimischen Gemeindegliedern wünschenswert.
2. Das Evangelische Krankenhaus wird um die Einrichtung eines Gebetsraums für muslimische Patienten und Patientinnen gebeten. Neben dem christlichen Andachtsraum ist ein geschützter Raum
wünschenswert, der den muslimischen Gläubigen Raum und Gelegenheit gibt, ihren religiösen
Pflichten und Bedürfnissen nachzukommen.
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3. Im Rahmen der Fortbildung von Ärzten und Pflegepersonal, der Ausbildung in der Krankenpflege
und der Zurüstung zur ehrenamtlichen Mitarbeit im Krankenhaus (Grüne Damen) sollen die Herausforderungen in der Begegnung mit Muslimen im Krankenhaus in besonderer Weise thematisiert werden. Insbesondere ist es notwendig, die Bedeutung von Krankheit, Leid und Tod - jedoch auch die
Relevanz von religiösen Verpflichtungen zu vermitteln. Daneben müssen mögliche Konfliktsituationen (wenn zum Beispiel die im muslimischen Familienzusammenhang selbstverständlichen Besuche
mit dem alltäglichen Arbeitsablauf auf der Station kollidieren) erörtert werden. Die Seelsorgerinnen
und Seelsorger in den Krankenhäusern sollen um die Erarbeitung entsprechender Angebote gebeten werden.
IV. Kirchengemeinden
1. Die Gemeinden sind gebeten, im Rahmen von Gruppen, Frauenhilfen, Gremien, Presbyterien, Arbeitskreisen und Kirchlichem Unterricht das Thema Islam aufzugreifen. Im Kreiskirchenamt liegt eine
Liste von Referentinnen und Referenten vor, die zu solchen Veranstaltungen eingeladen werden
können. Der Dialog mit Muslimen und die Möglichkeit des gegenseitigen Befragens sind ein besonderes Qualitätsmerkmal solcher Informationsveranstaltungen. Die Islambeauftragte wird gebeten,
Namen von möglichen Ansprechpartnern und Ansprechpartnerinnen aus den Moscheegemeinden
zu sammeln, die auf Anfrage für Gespräche zur Verfügung stehen.
2. Um ein Kennen Lernen der benachbarten religiösen Stätten und Gebräuche zu ermöglichen, wird
auf die Möglichkeit gegenseitiger Besuche hingewiesen. Nach Möglichkeit soll auf Einladungen in
die Moschee mit Gegeneinladungen in die eigenen Kirchräume reagiert werden. Anlässlich der Beendigung des Ramadan ist es eine freundliche Geste, wenn der benachbarten Moscheegemeinde
Glückwünsche ausgesprochen werden.
3. Wenn Kontakt zu Muslimen gewachsen ist, ist es ein gutes Zeichen der Gastfreundschaft, diese anlässlich von christlichen Feiertagen (Weihnachtsgottesdienste, Osterfrühstück) als Gäste einzuladen.
V. Öffentliche Gebete aus besonderem Anlass
Öffentliche Gebete aus besonderem Anlass können zu Tagen der offenen Moschee, gemeinsamen Trauerfeiern oder anlässlich anderer besonderer öffentlicher Ereignisse stattfinden. Sie bringen zum Ausdruck,
dass Menschen unterschiedlichen Glaubens im Gebet vor Gott aussprechen, was sie bewegt. Miteinander in
Gegenwart des Anderen zu beten ist ein Zeichen menschlicher Verbundenheit vor Gott.
1. Muslime können nur als Muslime, Christen nur als Christen beten. Teilnehmerinnen und Teilnehmer
eines Gebets müssen darum entscheiden können, inwiefern sie die Gebete der Anderen mittragen
oder aber nur anwesend mithören können. Darum macht es Sinn, in einer Einführung in die gemeinsame Veranstaltung darauf hinzuweisen, dass wir als Christen und Muslime im Gebet nebeneinander und beieinander stehen, einander respektieren und vertrauen, ohne einander zu vereinnahmen.
2. In der Überschrift eines solchen öffentlichen Gebets sind die Formulierungen „Gemeinsamer Gottesdienst” oder „Gemeinsames Gebet“ nicht angemessen. Gebet und Gottesdienst geschehen im
christlichen Verständnis im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes: Ein solches
Verständnis ist für Christen unabdingbar, für Muslime jedoch unzumutbar. Die Formulierung „Öffentliches Gebet aus Anlass von...” bietet sich an, da sie den Grund des Zusammenseins benennt
und Raum dafür lässt, dass Gebete mehrerer Religionen gesprochen werden können.
3. Es ist darauf zu achten, dass autorisierte Übersetzungen der gesprochenen Texte für alle Beteiligten vorliegen.
VI. Zusammenleben im Alltag
1. Für die Wahrnehmung von Mitverantwortung für einen Stadtteil kann Kontaktpflege mit muslimischen Vereinen ratsam sein. Zusammenarbeit mit Personen und Organisationen, die ebenfalls Akteure im sozialen Geschehen sind (Ausländerbeirat, Konsulate u.a.) kann zu vermehrtem gemeinsamen Engagement führen.
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2. Die diakonischen Angebote der Kirchengemeinden (Kleiderkammern u.a.) sollen auch muslimischen Familien zur Verfügung stehen. Die Jugendarbeit, insbesondere die Angebote der Offenen
Tür, sollen auch von muslimischen Jugendlichen genutzt werden können. Sowohl im Bereich der diakonischen Arbeit insgesamt als auch in der offenen Jugendarbeit ist es sinnvoll, die kulturellen und
religiösen Unterschiede im Zusammenleben zu benennen und in Fortbildungen und Veranstaltungen
zu thematisieren.
3. Im Konfliktfall ist es mitunter notwendig, Mediatoren zu benennen, die vermitteln können. Hierzu eignen sich insbesondere Personen, die als „Grenzgänger” mit intensiven Kenntnissen beider Lebenszusammenhänge bekannt sind und diese Erfahrungen einbringen können.
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Religiöse Orientierung
in gesellschaftspolitischer
und kirchenpraktischer Perspektive
Von Superintendent Dr. Dieter Beese
Religion und Frieden – eine aktuelle Herausforderung
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf das World- Trade- Centre in New York und auf
das Pentagon in Washington durch muslimische Extremisten unter der Führung von Bin Laden steht das
Thema „Religion und Gewalt“ einmal mehr auf der Tagesordnung. In der westlichen Welt gilt insbesondere
dem Islam diesbezüglich besondere Aufmerksamkeit. Bereits Hans Küng hat mit seinem „Projekt Weltethos“
in den siebziger Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass der Weltfriede nicht an den Religionen vorbei,
ohne oder gegen sie verwirklicht werden kann. Fraglich ist allerdings, ob es Frieden zwischen den Religionen geben kann, abgesehen von vermeintlich nicht religiösen Weltanschauungen und Ideologien und abgesehen von den politischen und kulturellen Bedingungen, unter denen Religionen ihre konkrete Gestalt gewinnen.
(1) Unter bestimmten Bedingungen besteht ein erhöhtes Risiko, dass Religionen und Weltanschauungen
den Frieden nicht fördern, bewahren und erneuern, sondern ihn gefährden. Sie übernehmen in solchen
Fällen die Funktion einer Ideologie und rechtfertigen Diskriminierung, Ausgrenzung und die Anwendung
illegitimer Gewalt (violentia). Zugleich delegitimieren sie im Namen höher Einsicht und Moral alle Bemühungen um die Gleichberechtigung aller Menschen unabhängig von Überzeugung, Glaube und Geschlechtszugehörigkeit sowie den Bestand und die Wirksamkeit der legitimen öffentlichen Gewalten (potestas). Das Leben der Menschen in einem islamischen Gottesstaat unterscheidet sich aber offensichtlich in nichts von einem Leben unter irgend einer anderen politisch- weltanschaulichen oder politisch- religiösen Diktatur, nur die Formen und Begründungsinhalte der als unantastbar ausgegebenen geistigen
und sozialen Normen sind anders.
(2) Für die betroffenen Opfer ist es letztendlich gleichgültig, ob sie aus sozialen Gründen (ökonomistischer
Liberalismus), aus ethnischen Gründen (Rassismus), aus Gründen der Geschlechtszugehörigkeit (Sexismus), aus Gründen nationaler Zugehörigkeit (Nationalismus), aus Gründen vermeintlich minderen Lebenswertes (Biologismus) aus Gründen der Klassenzugehörigkeit (Kommunismus) oder aus religiösen
Gründen ins Elend gestürzt werden.
(3) Weltanschauungen und Religionen sind gleichermaßen geeignet und anfällig für derartige Fehlentwicklungen. Mal kommen sie im Gewand der Wissenschaft daher, mal treten sie mit moralischem Anspruch
auf, mal erscheinen sie eher rational, ein anderes Mal religiös. Auf den Gebrauch als Ideologie gibt es
keinen Monopolanspruch. Gleichzeitig gilt: Ohne sie, ohne so etwas wie Gesamtauffassungen über den
Sinn und Zweck des Lebens in individueller und in umfassender Hinsicht kommen wir nicht aus, weil sich
ohne sie auch die Ansprüche der Opfer auf Schutz und Schonung, auf Respekt und Rücksichtnahme
nicht rechtfertigen lassen. Auch das Ethos der Menschenrechte bedarf eines geistigen Horizonts, vor
dem seine Legitimität plausibel und seine Praxis gerechtfertigt ist. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen
mit dem Nationalsozialismus hat der Grundgesetzgeber diesem Sachverhalt durch einen unbestimmten
theologischen Vorbehalt in der Präambel Rechnung getragen („in Verantwortung vor Gott und den Menschen“).
Religiös- weltanschauliche Neutralität – weder Äquidistanz noch Indifferenz
Ist es richtig, Religionen und Weltanschauungen im Interesse der Kriminal- und Gewaltprävention und einem
friedlichen Zusammenleben in einem freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat „gleich“ zu betrachten
und zu behandeln? Mit den Begriffen „Weltanschauung“ oder „Religion“ scheint eine allen gemeinsame Sache bezeichnet zu sein. Ob das aber unabhängig
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von dem jeweils eigenen Selbstverständnis weltanschaulicher und religiöser Gruppen und Körperschaften
von deren jeweiliger sozialer Gestaltungsform in ihrem besonderen historischen und politischen Kontext,
von deren individueller und kollektiver Praxis innerhalb einer konkreten Gesellschaft möglich ist,
dürfte mehr als fraglich sein. Der demokratische Rechtsstaat wird sich um seiner weltanschaulichen Neutralität im Sinne einer wertegegründeten öffentlichen Ordnung nicht prinzipiell in gleicher Distanz zu allen religiösen und weltanschaulichen Positionen bewegen können sondern muss um seiner selbst willen die konstitutiven Verfassungswerte positiv verdeutlichen und ein dementsprechend konstruktives Verhältnis zu allen Kräften pflegen, die der Stärkung der verfassungsinhärenten Werte zu dienen bereit sind.
(1) Charles de Montesquieu, der große Theoretiker der Gewaltenteilung, hat in seinem berühmten Werk
„Vom Geist der Gesetze“ (1748), dem Islam eine besondere Nähe zu despotischen, den christlichen
demgegenüber zu gemäßigteren Herrschaftsformen zugeschrieben: dem Katholizismus zur Monarchie
und dem Protestantismus zur Republik. Die Affinität von Christentum und Demokratie ist weder historisch noch systematisch von der Hand zu weisen. Eine bloße Äquidistanz des demokratischen Rechtsstaats gegenüber allen denkbaren Religionen und Weltanschauungen wäre von daher unsachgemäß,
zumal auch das Bundesverfassungsgericht die Auffassung geltend macht, dass die Grundwertentscheidungen, die sich im Grundgesetz niedergeschlagen haben, tief im christlichen Ethos verwurzelt sind.
(2) Unlösbar mit dem freiheitlich- demokratischen Ethos verknüpft ist die Vorstellung von der autonomen
einzelnen Person, deren unveräußerliche Würde nicht angetastet werden darf, so sehr mit Recht vielfältige soziale Verbindlichkeiten geltend zu machen sind. Historisch sind die politischen Demokratien tief in
der spannungsreichen Synthese von Christentum und Humanismus verwurzelt, auch wenn die politische
Demokratie sich gegen die verfasste Religion (in Europa, nicht in Amerika!) durchsetzen musste. Die
christliche Religion hat in der Begegnung mit der Moderne, der sie teils kritisch gegenüber gestanden
hat und steht und deren Teil sie auch geworden ist, einen schmerzhaften Lernprozess durchgemacht.
Sie hat wesentliche Beiträge zur Humanisierung des aufgeklärten Absolutismus geleistet. Ihre eigenen
inhumanen Potentiale treten jedoch sofort hervor, sobald die Rahmenbedingungen religiöse Radikalisierungen zulassen (historisch: Konfessionskriege, aktuell: Nordirland, Bosnien, Kosovo, christlicher Fundamentalismus).
(3) Phasen öffentlicher Humanität von längerer Dauer gibt es dort, wo Rationalität und Religiosität in einem
geordneten, kritisch- konstruktiven Verhältnis zueinander stehen und sich dieses Verhältnis in der individuellen Entwicklung von Personen, der Arbeitsweise von Institutionen und Organisationen und der Verfassung und Verfasstheit der öffentlichen Ordnung zeigt. Die qualifizierte Unterscheidung von politischer
Ordnung hier und Religion oder Weltanschauung dort, sowie eine partnerschaftlich geregelte positive
Beziehung beider zu einander sind die unabdingbare Voraussetzung für öffentliche Sicherheit und gesellschaftlichen Frieden. Unter anderen als feudalen und vormodernen Bedingungen wie etwa in Arabien, dem Kaukasus oder Pakistan, könnte der Islam eigene Traditionen entdecken und mobilisieren, die
ihm einen konstruktiven Zugang zum Ethos der Menschenrechte eröffnen.
Migration und Integration – Identität und Verständigung
Die großen internationalen Migrationsbewegungen der Nachkriegsjahrzehnte, verursacht durch politischsoziale Konflikte, und die große Dynamik der weltweiten Wirtschaftsentwicklung haben dazu geführt, dass in
der westlichen Welt, auch in Deutschland, der Anteil der Muslime an der Bevölkerung eine nennenswerte
Größenordnung erreicht hat (zur Zeit etwa 3,5 Mio Menschen in Deutschland).
−
Regionale Unterschiede sind dabei von großer Bedeutung. In Ballungsräumen wie im Ruhrgebiet
sieht beispielsweise die Situation anders aus als im Münsterland.
−
Es ist auch etwas anderes, ob man schöngeistig- literarisch, kulturpolitsch- programmatisch oder alltagserfahrungsgesättigt und problemorientiert über die Möglichkeiten und Grenzen des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher religiöser Orientierung
spricht.
Die Integration der Vertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland und die Auswirkungen der Integration z.
B. auf die ehemals konfessionell homogenen sozialen Milieus könnten eine gute Vergleichsmöglichkeit für
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die aktuellen Herausforderungen sein. Diese sind allerdings von anderer Qualität, weil Sprachlichkeit und
kulturelle Zugehörigkeit nicht wie in der unmittelbaren Nachkriegszeit vorausgesetzt werden können.
(1) Integration ist die Überlebensbedingung einer sich multikulturell, multiethnisch und multireligiös ausdifferenzierenden Gesellschaft. Handfeste Interessen im Alltagsleben, unverrückbare Grundauffassungen
vom Begriff des Menschen und seiner Bestimmung sowie Grundauffassungen von unverzichtbaren Voraussetzungen des sozialen Lebens und der Bedeutung kultureller, nationaler, familialer und religiöser
Identität stehen in der Begegnung von Humanismus, Christentum und Islam auf allen Ebenen aktuell zur
Debatte. Die Zumutung, in einen Lernprozess einzutreten, der religiösen, kulturellen und nationalen Unbedingtheitsvorstellungen den Abschied gibt, ist für alle Beteiligten unabdingbar. Man sollte sie nicht als
Ausdruck vermeintlicher westlicher Arroganz und Überheblichkeit diffamieren. Sie sind vielmehr als das
Resultat der mit einem hohen Blutzoll erkauften Einsicht zu würdigen, dass Gesamtentwürfe des
menschlichen Lebens nur gebrochen und vermittelt mit anderen Überzeugungen unter einem für alle
gültigen Recht in den gesellschaftlichen Prozess eingebracht werden können.
(2) Gesellschaftliche Integration in diesem prozesshaften Sinne kann nicht kulturelle Assimilation an eine
Normalkultur bedeuten, in der kulturelle oder religiöse Profile für sich genommen schon als Störfaktor
beargwöhnt werden. Individualität und Identität sind gerade erwünscht. Pluralität setzt den kompetenten
Umgang mit Differenz voraus: Es geht weder um die Integration muslimischer Gruppen und Personen in
eine deutsche Nationalkultur noch um eine Angleichung differenter religiöser Traditionen auf ein vermeintlich friedliches und verträgliches mittleres Maß. Es geht vielmehr um ein gemeinsames Hineinwachsen in das universal gültige und verbindliche Ethos der Menschenrechte, das für unterschiedliche
Begründungen und Gestaltungen religiöser und weltanschaulicher Provenienz offen ist. Für diese interkulturelle Offenheit gilt allerdings:
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Wer Identität und Verständigung zum Ausgleich bringen will, kann auf die Durchsetzung der universalen menschenrechtlichen Standards und die Respektierung entsprechender gleicher Rechte und
Pflichten keinesfalls verzichten. Relativierungen an diesem Punkt haben die Auslieferung von Opfern
verschiedenster Formen der Diskriminierung an ihre Peiniger zur Folge.
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Wer Identität und Verständigung zum Ausgleich bringen will, wird außerdem die historischen, rechtlichen und kulturellen Voraussetzungen und die gesellschaftlichen Mehrheitsverhältnisse der deutschen Gesellschaft genau beachten und nicht an den Menschen vorbei und über ihre Köpfe hinweg
normativ- abstrakte Paritäts- und Gleichheitsforderung durchsetzen, die de facto zur Wiedereinführung vordemokratischer Standards durch die Hintertür führen.
Der Zusammenhang zwischen politisch- ökonomischer Partizipation, Bildung und Erziehung und zeitnaher,
sachbezogener und verhältnismäßiger Sanktion bei Normenverstößen ist wie im gesamten Bereich der Sozialprävention unaufgebbar. Bei allen denkbaren Strategien auf der politischen (z. B. Wahlrecht), ökonomischen (z. B. Arbeitsmarktpolitik) kulturellen (z. B. muslimischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen im
Rahmen des gelten Staatskirchenrechts), und religiösen Ebene (religiös- weltanschaulicher Dialog, positive
und negative Religionsfreiheit) sind Wege anzustreben, die keine Abstriche von den Grundprinzipien der
Menschenrechtsidee mit ihren politisch- rechtlichen Konsequenzen zulassen oder akzeptieren, gleichwohl ist
aber allen Beteiligten Zeit und Raum zu geben, die dazu erforderlichen Schritte individuell, als Gruppe und
als Verband mit zu vollziehen und die Aufgabe kulturellen Lernens mit dem Ziel eines kompetenten Umgangs mit Differenz zu erfüllen.
Konsequenzen
für Theorie und Praxis der evangelischen Kirche
(Spätestens) das Attentat muslimischer Extremisten auf das World- Trade- Centre in New York und auf das
Pentagon in Washington hat weltweit die Frage nach der Rolle der Religion für das menschliche Zusammenleben und insbesondere nach dem Verhältnis von Christen und Muslimen neu und radikal aufgeworfen.
Zwei, jeweils gegenläufige Aspekte sind dabei von entscheidender Bedeutung.
(1) Die Lage von Christen in mehrheitlich islamischen Ländern ist teils prekär, teils lebensgefährlich bis hin
zu Mordanschlägen auf christliche Gemeinden. Dies lässt sich von Arabien bis nach Indonesien täglich
beobachten. Der terroristische Angriff auf Amerika fand in der islamischen Welt zwar nicht durchgängig,
aber doch verbreitet Beifall und wird von den Tätern und denen, die ihren Handlungen zustimmen, weithin ausdrücklich als Angriff auch auf das Christentum verstanden.
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(2) Muslime stehen in der Gefahr, kollektiv für die Gewalttaten radikalisierter Gruppen verantwortlich gemacht, stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden. Dies kann das durch die realen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse im Weltmaßstab ausgelöste Gefühl, von der westlichen, christlich geprägten Kultur
gedemütigt und erniedrigt zu werden, verstärken. Radikalisierungen verschärfen sich und tragen zu einer weiteren Instrumentalisierung der Religion durch fremde, z. B. politische Zielsetzungen, auf islamischer und auf christlicher Seite bei.
Konfessionalität und Humanität
Die Ausgrenzung von Menschen anderen Glaubens und ethnischer Zugehörigkeit sowie die Instrumentalisierung von Religion gehören zu den bitteren geschichtlichen Erfahrungen der evangelischen Christen in
Deutschland. Angesichts des Holocaust an den europäischen Juden, angesichts der Ideologisierung des
christlichen Glaubens durch die Deutschen Christen und angesichts der Politik der Entkonfessionalisierung
des öffentlichen Lebens in der Zeit des Nationalsozialismus ist deutlich: Die Freiheit und Identität der Kirche
steht und fällt mit dem Bekenntnis zu Jesus Christus. Toleranz und Wertschätzung im Umgang mit Menschen anderen Glaubens und die unbedingte Bindung der Kirche ausschließlich an das Evangelium stehen
nicht im Gegensatz zueinander, sondern eines hängt vom anderen ab: Die lautere Verkündigung des Evangeliums und die rechte Verwaltung der Sakramente sind die Voraussetzung für einen unbefangenen, respektvollen und wahrhaftigen Umgang mit dem Anderen.
Deshalb ist für die Begegnung von Christen und Muslimen beides ebenso notwendig wie möglich: Das klare
und eindeutige Bekenntnis der Christen zum dreieinigen Gott, und das offene Gespräch und die partnerschaftliche Begegnung und Zusammenarbeit in allen Fragen des Zusammenlebens.
Das bedeutet praktisch:
(1) Offenes gegenseitiges Kennenlernen und persönliche Begegnungen, Zusammenarbeit am Arbeitsplatz,
in der Nachbarschaft oder im öffentlichen Leben sind wünschenswert und förderungswürdig. Wo evangelische Gemeinden derartige Begegnungen fördern und herbei führen können, sollten sie dies tun.
Wechselseitige Gastfreundschaft in den Gemeindehäusern bis hin zur Teilnahme am evangelischen
Gottesdienst durch Muslime und am muslimischen Gebet durch evangelische Gemeindeglieder sollte
mehr und mehr üblich werden, um wechselseitige Vertrautheit und Wertschätzung zu stärken.
(2) Alle Glaubensaussagen und jedes liturgische Handeln in der evangelischen Kirche wird muslimischen
Gästen um so mehr gerecht, je klarer die evangelische Verkündigung und Gottesdienstgestaltung ist.
Die Würde des Anderen wird am besten gewahrt, indem der Andere als der Andere gewürdigt wird. Das
Andere als das Andere zu respektieren, dürfte für die Zukunft das entscheidende interkulturelle Lernziel
in evangelischer Perspektive sein. Religiöse Verbrüderung oder die Vermischung oder Verwischung liturgischer Formen dienen dagegen weder dem christlich- islamischen Dialog noch dem gesellschaftlichen Frieden.
Auf folgende Aspekte ist daher zu achten:
(1) Die grundsätzliche Betrachtungsperspektive lautet: Wie können wir der Öffentlichkeit und unseren muslimischen Gesprächspartnern möglichst klar und erkennbar als evangelische Kirche begegnen? Sie lautet nicht: Was lässt sich unter Verdunklung zentraler Glaubensaussagen und unter Umgehung klarer kirchenrechtlicher Bestimmungen gerade noch de facto praktizieren, um öffentlich den Eindruck von Gemeinsamkeit zu erwecken?
(2) Die Zweckbestimmung evangelischer Kirchengebäude sowie Wesen und Form evangelischer Gottesdienste sind klar und eindeutig bestimmt: In evangelischen Kirchen ist ausschließlich der dreieinige Gott
Adressat des öffentlichen Gebets. Die Anbetung Allahs durch einen muslimischen Geistlichen oder sogenannte „gemeinsame Gebete“ von Christen und Muslimen in einer evangelischen Kirche scheiden
damit aus. Gebete in der Gegenwart des Anderen außerhalb der Kirche sind dadurch nicht ausgeschlossen, jedoch sorgfältig vorzubereiten.
(3) Maßstab für unsere Gottesdienste ist die Klarheit der Verkündigung des Evangeliums sowohl im Inhalt
dessen, was öffentlich gesagt wird, als auch in der Form, in der dies Gestalt annimmt. Wir sind dem Auftrag der evangelischen Kirche verpflichtet und an die Regelungen gebunden, die zu achten wir als Inhaber unterschiedlicher Ämter in der Kirche öffentlich versprochen haben. Berechtigte Erwartungen an die
Erkennbarkeit und Verlässlichkeit des Handelns der evangelischen Kirche dürfen nicht enttäuscht werden.
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Theologische Bindung und religionstheoretische Reflexion
Für die theologische Argumentation ist auf folgende Gesichtspunkte zu verweisen:
(1) Der Begriff „Abrahamitische Religion“ ist eine religionsgeschichtliche, keine theologische Kategorie. Für
den christlichen Glauben ist Abraham bedeutsam, weil er im Licht des Evangeliums als Vorbild des
Glaubens erscheint. Es gilt nicht die Umkehrung: Der christliche Glaube habe Bedeutung, weil es eine
historische Beziehung zu Abraham gebe. Der christliche Glaube im evangelischen Verständnis nimmt
seine Nähe und Distanz gegenüber anderen Weltanschauungen und Religionen nicht über die religionsgeschichtliche und religionsphilosophische Bedeutung Abrahams sondern über die Rechtfertigungslehre
wahr. Insofern steht der Protestantismus der europäischen Aufklärung nicht ferner als einer abrahamitischen Religion.
(2) Schöpfung ist im christlichen Verständnis immer nur im Zusammenhang mit dem Wirken des Geistes
Gottes und dem Anbruch der Neuen Schöpfung in Christus zu verstehen. Dass außerchristliche Religionen etwas von der Schöpfermacht Gottes wissen, wie es Paulus im Römerbrief beschreibt, heißt gerade
nicht, dass Christen und Muslime dasselbe, sondern dass sie jeweils etwas Anderes meinen, wenn sie
von Gott, dem Schöpfer sprechen. Das säkulare Selbstbewusstsein des sich seiner Würde als Person
bewussten nichtreligiösen Zeitgenossen ist von derselben theologischen Dignität und Defizienz wie die
Verehrung einer Schöpfergottheit, deren Macht nicht durch die Selbsthingabe an die Verlorenen und
Gottlosen gebrochen und begrenzt ist.
(3) Das Friedensgebet von Assisi setzt das Kirchenverständnis des zweiten Vatikanischen Konzils voraus:
Die römisch- katholische Kirche mit dem Papst in der Mitte, um ihn herum in konzentrischen Kreisen abgestufter Nähe andere Kirchen, Glaubensgemeinschaften (darunter die evangelische Kirche), Religionen
und Weltanschauungen. Die Gegenwart des betenden Mitmenschen nicht christlicher religiöser Provenienz ist aus evangelischer Sicht Anlass zum Respekt und zur Dankbarkeit für das Wirken des heiligen
Geistes in der Schöpfung, ebenso wie die Begegnung mit Menschen, die auf der Suche nach Selbstbesinnung und dem Streben nach dem Wahren, Guten und Schönen verpflichtet sind. Ein gemeinsames
Gebet setzt gegenüber ähnlichen und verwandten religiösen und sittlichen Inhalten und Formen, die der
Menschheit gemeinsam sind, das gemeinsame Bekenntnis zu Gott als dem Vater Jesu Christi voraus.
(4) Der Begriff „monotheistische Religion“ ist ein allgemein religionswissenschaftlicher, kein theologischer
Begriff. Er trifft auf den christlichen Glauben zwar zu, muss aber präzise verstanden werden: Der christliche Gottesbegriff ist trinitarisch und gerade nicht rein monotheistisch wie im Judentum oder Islam. Die
Formel: Alle glauben an „einen“ Gott ist von daher nur sehr bedingt hilfreich. Die evangelische Kirche
bekennt sich zu dem einen Gott, von dem etwa das Apostolikum spricht, zu keinem anderen. Die Einheit
Gottes besteht nach christlichem Verständnis darin, dass Gott sich durch den Geist mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus identifiziert (sich eins macht). In diese umfassende Einheit des Heils
werden Menschen durch die Taufe auf den Namen Jesu einbezogen. Deshalb darf niemandem die Einladung zur Taufe vorenthalten werden, gleich welcher Weltanschaung oder Religion er angehört. Der
Begriff „Integration“ bekommt kirchlich so einen anderen Sinn. „Integriert“ ist, wer durch die Taufe Glied
am leibe Christi geworden ist.
Schlussbemerkung
Zur Wesensäußerung des christlichen Glaubens gehören die Liebe zum Nächsten bis hin zur Feindesliebe,
außerdem das Vertrauen darauf, dass Gott in Christus für das Heil der ganzen Welt gehandelt hat. Dem
entspricht in der Praxis das Bestreben nach Begegnung, Verständigung, Kennenlernen, Toleranz, Wertschätzung und Zusammenarbeit in Respekt vor dem Anderen und in dem Vertrauen, dass auch ihm Gottes
Heil zugedacht ist, unabhängig von der Frage, ob und wie religiös oder säkularisiert er ist.
Eine verantwortliche multireligiöse Praxis ist – ebenso wie eine verantwortliche Praxis im Umgang mit nichtreligiösen Weltanschauungen – ein Wesensmerkmal evangelischer Sozialethik. Im Gebrauch der Freiheit
des Evangeliums findet die Begegnung evangelischer Christen mit Menschen anderen Glaubens und anderer Weltanschauung ihren Grund und ihr Maß.
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Projektgruppe Christen und Muslime
Beate Heßler
Pfarrerin für Mission und Ökumene
Leitung der Projektgruppe Christen u. Muslime
Dr. Eckhard Nembach
Synodaler bis 16.02.2003, Presbyterium Markus- Kirchengemeinde
Christoph
Pfarrer der Epiphaniaskirche, Erlöser- Kirchengemeinde
Schmidt-Ehmcke
Stephan Duchow
Pfarrer i. E. bis 31.08.02 in der Gnadenkirche, ab 01.09.02 in der Kirchengemeinde Havixbeck
Alexandra Hippchen
Pfarrerin der ESG und Synodalbeauftragte für Islam ab 11/2002
Dr. Dorothea Demmer
Synodale
Vorsitzende im theologischen Ausschuss der Landessynode
Helga Stephany
Synodale
Mitglied der ACK
Sigrid Liebe
Gemeindeglied der Kirchengemeinde Hiltrup
Thomas Dreesen
Institut für Kirche und Gesellschaft Männerarbeit
Willi Bartkowsky
Pfarrer Synodalbeauftragter für Islam im KK Steinfurt
Kerstin Hemker
Pfarrerin Synodalbeauftragte f. Islam im KK Tecklenburg und Schulreferentin
Ulrich Zinke
Pfarrer an der ESPA
Synodalbeauftragter für Islamfragen bis 11/2002
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