Kirchturm und Minarett Christen begegnen Muslimen Vorwort Als erster Papst in der Geschichte hat Johannes Paul II. in Damaskus eine Moschee betreten und dort gebetet. “Meine lieben moslemischen Brüder”, sagte der Papst. Damit setzte er zum wiederholten Mal einen starken Impuls für einen Dialog mit den Muslimen. Wir hoffen, dass diese kurze Handreichung für die Begegnung und den Umgang mit muslimischen Mitbürgern eine Anregung sein kann. Auch im Bereich unserer Diözese leben viele muslimische Schwestern und Brüder aus sehr verschiedenen Ländern. Dabei ergeben sich immer wieder Kontakte mit uns Christen, etwa im Kindergarten, in der Schule, am Arbeitsplatz, im Wohnbereich, in der Freizeit. Bei diesen Begegnungen treten so manches Mal Unsicherheiten auf, weil uns die Sitten und Gebräuche, vor allem aber die Religion der Muslime fremd sind. Einen kleinen Beitrag zur Erleichterung des Dialogs möchte die vom Sachausschuss “Ökumene” des Diözesanrats der Katholiken erstellte Handreichung “Kirchturm und Minarett” leisten. Als Zielgruppe denken wir vor allem an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pfarrgemeinden, an Pfarrgemeinderäte, an Erzieherinnen, an Lehrer und Ausländerbeiräte. In Kurzform wird in dieser Handreichung auf wichtige Glaubensaus sagen des Islam hingewiesen. Für die Begegnung mit Muslimen werden praktische Tipps gegeben. Für den, der sich ausführlicher mit dem Thema befassen will, können die Literaturangaben eine kleine Hilfe sein. Augsburg, im Juni 2001 Helmut Mangold Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Augsburg Ludwig Magg Leiter des Sachausschusses “Ökumene” Situationsbeschreibung und Auftrag der Kirche Zur Situation Ais in Zeiten eines rasanten wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland aus dem Ausland Arbeitskräfte angeworben wurden, dachte kaum jemand daran, dass Menschen zu uns kommen würden mit allen grundmenschlichen Bedürfnissen, mit Familien und Verwandten, mit Geschichte und Tradition und auch mit ihrer (anderen) Religion. Zwischenzeitlich haben sie sich - teilweise bereits in dritter Generation - bei uns eingelebt und sehen das Land ihrer Väter oftmals nur noch als Urlaubsland. Interreligiöser Dialog - Verpflichtung der Kirche Das Zusammenleben mit Muslimen stellt unsere Gesellschaft vor wichtige Aufgaben. Aber für Christen geht es um mehr. Denn die Kirche hat einen Auftrag, den Dialog mit Anhängern anderer religiöser Traditionen zu pflegen und zu fördern. Was aber bedeutet nun “interreligiöser Dialog”? Interreligiöser Dialog zeichnet sich auf verschiedenen Ebenen ab: • Dialog auf der Ebene des Lebens, “indem die Menschen Freud und Leid, ihre menschlichen Probleme und Beschwernisse miteinander teilen”. • Dialog auf der Ebene der theologischen Auseinandersetzung und des Glaubenszeugnisses. Dazu bedarf es fundierter Kenntnisse der eigenen religiösen Tradition; unabdingbar sind auch Kenntnisse der anderen Religion. Dabei ist zu beachten, dass es im Islam eine Reihe verschiedener Richtungen gibt. • Dialog der religiösen Erfahrung: “Menschen, die in ihrer eigenen religiösen Tradition verwurzelt sind, [teilen] ihren spirituellen Reichtum” (Arinze). Kurzbeschreibung des Islam Was ist Islam? Die drei “Buchreligionen” Judentum, Christe ntum und Islam berufen sich auf Abraham als gemeinsamen Stammvater Das stellt eine wichtige Grundlage für den Dialog dar. Nach muslimischem Selbstverständnis hat Gott (“Allah”) die Welt erschaffen und führt seine großartige Schöpfung nach seinem Willen. In diesem Schöpfungsverständnis gibt es nichts Näherliegendes, als dass der Mensch sich dem alles ordnenden Willen Gottes ganz und gar ergibt. Ergebung, Hingabe an den Willen Gottes - nichts anderes bedeutet “Islam”. Weil der Mensch aber zum Bösen neigt, gelingt es ihm nicht, nach dem Willen Gottes zu leben. Daher sandte Allah zu allen Zeiten Propheten, durch die er immer wieder seinen Willen kundtat. In dieser Reihe der Propheten steht auch Jesus. Zuletzt erhielt Muhammad den Koran, die vollkommene und in sich abgeschlossene Offenbarung. Der Glaube der Muslime Ein Muslim (Muslim = “der sich Gott völlig hingibt”) glaubt an Gott, seine heiligen Schriften, seine Propheten, seine Engel sowie das Jüngste Gericht und die Auferstehung. Gleich nach dem Tod erwartet gemäß dem Koran jeden Menschen eine Art Zwischengericht, bei dem er Rechenschaft über sein Leben ablegen muss. Wer dieses Zwischengericht besteht, erhält die Bestätigung, einst im Paradies Einlass zu finden. Die fünf wichtigsten Pfeiler des Islam, die wichtigsten Pflichten des Muslim - Das Glaubensbekenntnis - Das fünfmalige tägliche Pflichtgebet - Das vorgeschriebene Almosen Das Fasten im Monat Ramadan Die Wallfahrt nach Mekka Unterschiede zwischen Christen und Muslimen Der Glaube an den einen, einzigen Gott ist die Mitte und die Grundfeste des Islam. Der strenge Monotheismus findet seinen Ausdruck im Glaubensbekenntnis: Es gibt keinen Gott außer Gott. Vor allem gegen die Polytheisten, die mehrere Götter verehren, richtet sich dieser zentrale Lehrsatz. Aber auch den Christen wirft der Koran vor, die Verehrung Christi zu übertreiben. Jesus ist nach dem Koran wohl Prophet, Gesandter Gottes, Messias, das Wort Gottes, Geist von Gott, aber nie und niemals ist er der Sohn Gottes. Der Koran weist die Trinitätslehre des Christentums energisch zurück. Aber nicht nur zur Dreifaltigkeit Gottes, sondern auch zu Jesus Christus als Erlöser findet die islamische Koranauslegung keinen Zugang. Ein Erlösungstod Christi ist unvorstellbar, die Kreuzigung wird sogar gänzlich geleugnet. Der vielfach gemacht Vergleich: "Christen haben die Bibel, Muslime den Koran" ist vom Grundsatz her falsch. Was daran falsch ist, wurde einmal so formuliert: Im Christentum wurde Gott selbst Mensch, im Islam wurde Gottes Wille Buch. Gelegenheiten zur Begegnung mit Muslimen Begegnung im Alltag Christen und Muslime wohnen im Alltag nebeneinander und sind oft am gleichen Arbeitsplatz beschäftigt. Es ist darauf zu achten, dass aus einem Nebeneinander ein gutes menschliches Miteinander wird. Förderlich ist sicher ein guter menschlicher Kontakt. Erleichtert wird dieser Kontakt durch eine solide Information über das Herkunftsland, über Denkgewohnheiten und religiöse Bräuche von muslimischen Nachbarn. In Gesprächen mit Muslimen sollte auch darauf hingewiesen werden, dass in Deutschland die Religionsfreiheit zu den Grundrechten zählt. Dieses Grund-recht kommt allen zugute, also auch den Muslimen. Allerdings wird auch ein Hinweis angebracht sein, dass verschiedene Bestimmungen der Scharia (islamisches Rechtssystem) schwer mit dem deutschen Recht in Einklang zu bringen sind. Gemeinsame Andacht/Gebet Dies ist grundsätzlich problematisch. Voraussetzung dafür ist auf jeden Fall ein gutes gegenseitiges Kennen und Wissen. Es erfordert auf beiden Seiten große Sensibilität. Folgende Möglichkeiten sind denkbar: • Eine erste Annäherung: Muslime und Christen laden sich gegenseitig zum Besuch ihrer Gebete/Gottesdienste ein, um passiv die jeweilig anderen Formen kennen zu lernen. • Nach dem Modell, das Papst Johannes Paul II. in Assisi mit Vertretern anderer Religionen durchgeführt hat, können Gebete am gleichen Ort und zur gleichen Zeit gesprochen werden, jedoch nicht miteinander. • Manchmal werden interreligiöse Feiern gewünscht. Von beiden Seiten gibt es dazu große Vorbehalte, weshalb Abstand davon genommen werden sollte. Gelebte Nächstenliebe Im sozialen Bereich können und müssen Christen ihr menschliches und christliches Gesicht zeigen. Fs geht um beratende und helfende Begegnung, etwa bei Behördengängen, in Rechtsfragen, durch Hinweise auf Hilfsorganisationen, durch Sprach- und Hausaufgabenhilfe. Wichtig sind die Dienste der Sozialstationen. Dabei sind Sensibilität und Toleranz Grundvoraussetzungen für Hilfen. Besondere Sensibilität ist erforderlich, wenn Muslime, vor allem muslimische Frauen, einen Arzt aufsuchen oder in ein Krankenhaus aufgenommen werden. Muslimische Frauen bevorzugen manchmal die Behandlung durch eine Ärztin. Bei Untersuchungen durch einen Arzt ist die Anwesenheit einer oder mehrerer “Zeuginnen” ratsam. Auch die muslimischen Speisevorschriften müssen beachtet werden. Selbst für weniger bewusst praktizierende Muslime ist das Verbot von Schweinefleisch und Alkohol wichtig. Kindergarten, Kinderkrippe, Hort Diese Einrichtungen sind eine Nahtstelle, Anlaufstelle und Ort der Begegnung von Christen und Muslimen in der Gemeinde, nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Wichtig sind bei Wahrung der eigenen Identität, Toleranz und Offenheit für die andere Religion und Kultur. Bereich Schule Grundgesetz und Länderverfassungen geben Bildungsinhalte und Grundwerte vor, die im jüdisch-christlichen und humanistischen Erbe des Abendlandes verankert sind. Dies beleuchtet schlagartig die Frage, die noch nicht gelöst ist, wie Kinder und Jugendliche islamischen Glaubens in Anerkennung ihrer religiösen Orientierung angemessen unterrichtet werden können. Ein besonderes Problem stellt die Forderung nach islamischem Religionsunterricht in öffentlichen Schulen dar. Die zuständigen Kultusministerien der Länder sind auf der Suche nach islamischen Ansprechpartnern. Allein in Augsburg existieren mehr als zehn verschiedene Gruppierungen. Grundsätzlich befürwortet die katholische Kirche die Einrichtung eines deutschsprachigen islamischen Religionsunterrichts. Ehen zwischen christlichen und muslimischen Partnern Ein besonderes Problemfeld stellen Ehen zwischen Katholiken und Muslimen dar. Es muss aber zunehmend mit solchen Verbindungen gerechnet werden. Die religiösen und rechtlichen Auffassungen von Ehe sind ziemlich verschieden. Dem katholischen Partner muss die Tragweite einer solchen Eheschließung bewusst gemacht werden. Neben der Eheauffassung stellt eine besondere Schwierigkeit die Frage der Kindererziehung dar. Bei einem Umzug in ein islamisches Land ergeben sich für den katholischen Partner weitreichende Konsequenzen, vor allem für Frauen, die im Islam (vor allem auf Grund kultureller Traditionen) keineswegs gleichberechtigt sind. Islamisches Bestattungsritual Die meisten verstorbenen Muslime werden immer noch in ihre Heimat überführt und dort bestattet. Bei islamischen Bestattungen in Deutschland können rechtliche Probleme auftreten. Auf längere Sicht gesehen müssen hier sicher praktikable Lösungen gefunden werden. Wunsch nach dem Bau einer Moschee In immer mehr Orten wird von Muslimen der Wunsch zum Bau einer Moschee vorgetragen. Bei gegenseitigem Verständnis und Toleranz kann meist eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Religiös begründet ist keine bestimmte Form. Aus religiösen Gründen unabdingbar sind aber folgende Elemente: Waschmöglichkeit für rituelle Waschungen vor jedem Gebet, im Inneren die Gebetsnische in Richtung Mekka (Mihrab) und die Kanzel für die Predigt (Minbar). Dazu kommt der Gebetsruf vor dem Gebet (fünfmal täglich, je nach Sonnenstand zu unterschiedlichen Uhrzeiten). Ein Minarett hat den gleichen Stellenwert wie ein Glockenturm: Religiös nicht verpflichtend, aber aus Gründen der Tradition wird ein Minarett oftmals gewünscht. Der Gebetsruf ist, im Gegensatz zum Glockengeläut, religiöse Pflicht, nicht jedoch die Verstärkung durch Lautsprecher. Praktische Erfahrungen mit dem Bau einer Moschee haben beispielsweise in unserer Diözese Lauingen und Bobingen. Raumvergabe Muslimen Pfarrsäle o. ä. können/sollen zu bestimmten Anlässen zur Verfügung gestellt werden. werden. In Frage kommen etwa das Fest des Fastenbrechens am Ende des Fastenmonats Ramadan, aber auch familiäre Feierlichkeiten, die oftmals mit großem Aufwand und mit vielen Gästen gefeiert werden (Beschneidung, Eheschließung oder ähnliches). Kirchen und Gebetsräume können nicht zur Verfügung gestellt werden. Anhang Genauere Informationen zum Thema Islam sind auch erhältlich beim “Referat für Religions- und Weltanschauungsfragen”, Kappelberg 1,86150 Augsburg; Hauptabteilung schulischer Religionsunterricht: schulische Fragen, Hoher Weg 14, 86152 Augsburg sowie beim Islambeauftragten der Diözese Augsburg, Pfarrer Engelhard, Zeisestraße 20,89250 Senden. CIBEDO (Christlich-Islamische Begegnung - Dokumentationsstelle) ist Einrichtung der Deutschen Bischofskonferenz, an die man sich wenden kann. Anschrift: CIBEDO, Postfach 70427, 60078 Frankfurt/M. eine Literaturhinweise (Auswahl) • Amt für Soziale Dienste - Ausländerbeauftragter der Stadt Augsburg (Hg.), Muslime in Augsburg, Augsburg 1999. • Arinze, Francis, Begegnung mit Menschen andern Glaubens. Den interreligiösen Dialog verstehen und gestalten, München 1999 (ISBN 3-87996-339-1). Kurzkommentar: Kardinal F. Arinze ist seit 1985 Präsident des Päpstlichen Rats für den lnterreligiösen Dialog. In dem Buch legt er knapp die Stellung der katholischen Kirche zum interreligiösen Dialog allgemein und verständ lich auf den verschiedenen Ebenen dar. Notwendigkeit, Chancen, Möglichkeiten und Gefahren werden kurz und verständlich beschrieben. • Bischöfliches Seelsorgeamt Augsburg, Referat Weltanschauungsfragen (Hg.), Islam, Augsburg 1999. für Religions- und • Bsteh, Petrus, Christen begegnen Muslimen (Handreichung zur Pastoral Nr. 17), hg. v. Pastoralamt der Erzdiözese Wien, A-1010 Wien, Stephansplatz 6. • Ders., Muslime begegnen Christen (Handreichung zur Pastoral Nr. 20), hg. v. Pastoralamt der Erzdiözese Wien A-10 10 Wien, Stephansplatz 6. Kurzkommentar: Zwei Broschüren, die knapp und prägnant sich wechselseitig an Christen und Muslime zum gegenseitigen Verständnis richten. Mit ihrem jeweiligen Glauben und der entsprechenden Lebenspraxis, dabei auch auf das jeweilige Eheverständnis, Begräbnisriten u. ä. hinweisen. • Deutsche Bischofskonferenz (Hg.), Christen und Muslime in Deutschland. Eine pastorale Handreichung (Arbeitshilfe Nr. 106), Bonn 1993 (eine Neubearbeitung mit vielen praktischen Hinweisen soll im Laufe des Jahres 2001 erscheinen). • Deutscher Bundestag. Antwort auf eine große Anfrage: Islam in Deutschland (Drucksache 14/4530 v. 08.11.2000; Bezug: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 1320, 53003 Bonn). Kurzkommentar: Umfassende Darstellung, wie der Islam in Deutschland in Erscheinung tritt: Zahlen, Vereinigungen, lslamismus, rechtliche Klarstellungen, praktische Ansätze aber auch Problemanzeigen. • Erzbischöflisches Generalvikariat Köln (Hg.), Katholisch-islamische Ehen. Eine Handreichung, Köln (Bezug: Presseamt, Marzellenstr. 32, 50668 Köln). Kurzkommentar: Neben dem unterschiedlichen Eheverständnis wird vor allem die praktische Seite in den Blick genommen. Voraussetzungen, die Aufgabe des Seelsorgers werden benannt, Dispensformulare sind abgedruckt und auch Vorschläge zur liturgischen Gestaltung einer Eheschließung sind zu finden. • Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (Hg.), “Erste Schritte wagen”. Eine Handreichung für die Begegnung von Kirchengemeinden mit ihren muslimischen Nachbarn, München 2000. • Islam-Kommission der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (Hg.), über die Grenze gehen” - Ehen zwischen christlichen und muslimischen Partnern. Informationen für junge Menschen, München 1996. • Lutherisches Kirchenamt der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (Hg.),Was jeder vom Islam wissen muss, Gütersloh 1991 (neueste Ausgabe 2001). Kurzkommentar: Dargestellt werden die grundsätzlichen Lehren des Islam, auch Geschichte und aktuelle Bezüge. • Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland. Eine Handreichung der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 2000 (ISBN 3-579-02373-X.). Kurzkommentar: Vor allem der rechtliche Teil und der Teil “Bereiche des praktischen Zusammenlebens” (Kindergarten, Schule, Ehe, Krankenhaus, Gefängnis, Friedhof, Moscheen, Raumvergabe) ist hilfreich, weil praxis-orientiert beschrieben.