Aus dem Zentrum für Innere Medizin der Universität zu Köln Klinik III für Innere Medizin Direktor: Universitätsprofessor Dr. med. E. Erdmann Einfluss der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) auf kardiale Manifestationen der HIV-Infektion Eine echokardiographische Untersuchung Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt von Mario Werner aus Köln Promoviert am 24. Februar 2010 I gedruckt mit der Genehmigung der medizinischen Fakultät der Universität zu Köln im Jahre 2010 Druck: copy team cologne Gmbh, Köln II Dekanin/Dekan: Universitätsprofessor Dr. med. J. Klosterkötter 1. Berichterstatterin/Berichterstatter: Privatdozent Dr. med. S. H. Rosenkranz 2. Berichterstatterin/Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. rer nat. Dr. h.c. H.Pfister Erklärung Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des Manuskriptes habe ich Unterstützungsleistungen von folgenden Personen erhalten: Privatdozent Dr. med. S. Rosenkranz Universitätsprofessor Dr. med. G. Fätkenheuer Professor Dr. med. H.-M. Steffen Weitere Personen waren an der geistigen Herstellung der vorliegenden Arbeit nicht beteiligt. Insbesondere habe ich nicht die Hilfe eines Promotionsberaters in Anspruch genommen. Dritte haben von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen. Die Arbeit wurde von mir bisher weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und ist auch noch nicht veröffentlicht. Köln, den 28.07.2009 (Mario Werner) III Die echokardiographischen Untersuchungen wurden von meinem verehrten Dr.Vater Herrn Privatdozent Dr. med. Stephan Rosenkranz durchgeführt. Ein Großteil der Blutentnahmen wurde freundlicherweise von den Schwestern der infektiologischen Ambulanz im Haus 16 der Klinik I für Innere Medizin des Klinikums der Universität zu Köln bei den Routinelaborentnahmen mit durchgeführt. IV Widmungen Meinen Eltern und meinem Bruder gewidmet 1 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 Abkürzungsverzeichnis 2 1 Einleitung 4 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 HIV-Infektion und "Aquired Immunedeficiency Syndrome" (AIDS) Epidemiologie Hoch aktive antiretrovirale Therapie Kardiale Manifestation der HIV-Infektion Zielsetzung 4 5 5 8 10 2 Material und Methoden 11 2.1.1 Patientenkollektiv 2.1.2 Echokardiographische Untersuchung 2.2.1 Durchführung der Echokardiographie 2.2.2 Morphologische Befunde 2.2.3 Funktionelle Messgrößen 2.3 Laborparameter 2.4 Statistische Auswertung 3 11 14 14 15 16 16 17 Ergebnisse 3.1 Charakteristika der untersuchten Patienten 18 3.2 Opportunistische Infektionen bzw. Begleiterkrankungen der Patienten in der Prä-HAART- bzw. HAART-Ära 20 3.3 Häufigkeit HIV-assoziierter kardialer Erkrankungen in der Prä-HAARTbzw. HAART-Ära 22 3.4 Einfluss der HAART auf die Gesamtsterblichkeit im untersuchten Patientenkollektiv 26 4 Diskussion 27 5 Zusammenfassung 34 7 Literaturverzeichnis 36 8 Lebenslauf 46 2 Abkürzungsverzeichnis Abk Abkürzung AIDS AZT Acquired Immune Deficiency Syndrome / Erworbenes Immundefektsyndrom Azidothymidin CD4 Cluster Of Differentiation (4) CDC Centers for Disease Control CK Creatin-Kinase CK-MB Creatin-Kinase Myokardtyp CMV Cytomegalivirus C-Peptid Connecting Peptide CRP C-reaktives Protein CWDoppler DCM Continous Wave Doppler FI Fusionsinhibitoren FS Fractional Shortening (Verkürzungsfraktion) gp120 Glykoproteinkomplex 120 HAART HbA1c Hoch aktive antiretrovirale Therapie / highly active antiretroviral therapy Hämoglobulin A1c HDL High Density Lipoprotein HIV Humanes Immundefizienz-Virus LAS Lymphadenopathiesyndrom LDL Low Density Lipoprotein LPa Lipoprotein a LVD Linksventrikuläre Dilatation M-Mode Motion mode NNRTI nicht-nukleosidale Reverse-Transkriptase-Inhibitoren NRTI nukleosidanaloge bzw. nukleotidanaloge Reverse-TranskriptaseInhibitoren N terminal pro B natriuretic peptide NT-Pro BNP PCP Dilatative Cardiomyopahtie Pneumocystis carinii-Pneumonie PE Perikarderguss PI Proteaseinhibitoren PWDoppler Pulsed waved doppler 3 RNA Ribonukleinsäure SD Systolische Dysfunktion SPSS Statistical package for the social sciences TNFalpha Tumor Nekrose Faktor alpha UNAIDS Gemeinsames Programm der Vereinten Nationen für HIV / AIDS 4 1 1.1 Einleitung HIV-Infektion und "Aquired Immunedeficiency Syndrome" (AIDS) Seit der Entdeckung des HI-Virus Anfang der 80er Jahre sind mehr als zwei Jahrzehnte vergangen. Nachdem 1981 erstmals das Immundefektsyndrom AIDS (acquired immune deficiency syndrome) beschrieben wurde, konnte 1983 von französischen Forschern das HI-Virus isoliert werden. Was damals noch als sicheres Todesurteil galt, hat heutzutage dank einer rasanten medizinischen Entwicklung in der HIV-Forschung den Ruf des unwiderruflich Fatalen verloren. Die Einführung von „Highly Active Antiretroviral Therapy“ (HAART) Mitte der 90er Jahre hat zu dieser positiven Entwicklung maßgeblich beigetragen. Durch die verbesserte Therapie konnte einerseits eine Senkung der Morbidität und Mortalität und andererseits eine verbesserte Lebensqualität und – dauer erreicht werden. Eine Heilung der HIV-Infektion ist jedoch bis heute nicht möglich[25, 26, 76]. Die Infektion mit HIV geht mit einer Schwächung der zellvermittelten Immunantwort einher. Der Verlauf der HIV-Infektion erstreckt sich über mehrere Jahre und kann klinisch in verschiedene Phasen eingeteilt werden. In der akuten Phase bis zu 6 Wochen nach der Infektion zeigen sich Symptome wie Fieber, Exanthem, Splenomegalie und Lymphknotenschwellungen [39]. Häufig verläuft diese Phase jedoch auch asymptomatisch bzw. unspezifisch. Es folgt eine symptomfreie Latenzphase über Monate bis zu 10 Jahren. Das Lymphadenopathiesyndrom (LAS) kündigt den Ausbruch der Erkrankung an. Es handelt sich dabei um persistierende, multifokale Lymphknotenschwellungen. Im Endstadium des Immunschwächesyndroms versagt die zelluläre Immunabwehr und es kommt zu HIV-assoziierten Malignomen und opportunistischen Infektionen. Ohne Therapie liegt die Überlebenszeit in dieser Phase bei etwa 0,5 – 2 Jahren. Zur klinischen Einteilung existieren zwei Klassifikationssysteme: Das Walter-Reed-System, welches heute keine Bedeutung mehr hat, und das der amerikanischen Gesundheitsbehörde „Centers for Disease Control“ (CDC), die eine Stadieneinteilung in A (asymtomatisch), B (symptomatisch) und C (AIDS-definierende Erkrankung) zulässt. In der CDC-Klassifikation wird auch die Anzahl der CD4-Lymphozyten berücksichtigt, wobei eine CD4-Lymphozyten-Zahl über 500/µl zur Kategorie 1, CD4-Lymphozyten zwischen 200 – 499/µl zur Kategorie 2 und Patienten mit weniger als CD4-Lymphozyten 200/µl zur Kategorie 3 zählen. 5 Patienten im Stadium A sind im HIV-Antikörpertest positiv, zeigen aber keine klinische Symptomatik. Im Stadium B leiden die HIV-positiven Patienten an Krankheiten, die mit HIV assoziiert sind, jedoch noch nicht zu den AIDS-definierenden Erkrankungen zählen. Zu diesen Krankheiten zählen die Lymphadenopathie, oropharyngeale CandidaInfektionen, zervikale Dysplasien, Herpes Zoster oder auch die orale Haarleukoplakie. Im Stadium C treten dann HIV-assozierte Malignome und opportunistische Infektionen auf. 1.2 Epidemiologie Nach den Schätzungen von UNAIDS im Dezember-Bericht 2006 gibt es derzeit weltweit 39,5 Millionen HIV-positive Menschen. Davon sind ca. 37,2 Millionen Erwachsene und etwa 2,3 Millionen Kinder unter 15 Jahren. Die Zahl der Neuinfektionen im Jahre 2006 beläuft sich auf 4,3 Millionen, davon 3,8 Millionen Erwachsene und 530 000 Kinder unter 15 Jahren, weitere 2,9 Millionen Menschen sind 2006 an AIDS oder deren Folgen gestorben. Allein in Deutschland lebten nach Angaben des Robert-Koch-Institutes Ende 2005 etwa 49.000 HIV-infizierte Menschen [85]. Davon wiederum 39.500 Männer, 9.500 Frauen und 300 Kinder. Die Zahl der HIV-Neuinfektionen belief sich im Jahr 2005 auf etwa 2.600 Menschen, wiederum 750 starben. Seit Beginn der AIDS-Epidemie sind etwa 25 Millionen Menschen an HIV/AIDS gestorben [97]. Die Therapierate hat sich in einigen Regionen verbessert. Heute ist die antiretrovirale Behandlung nicht mehr ein Privileg der reichen Industrieländer. Mittlerweile werden mehr als 80% der behandlungbedürftigen Patienten in Ländern wie Brasilien, Kuba oder Argentinien therapiert. Hingegen liegt die Behandlungsrate in Afrika nur kaum über 10%. Die Letalität der HIV-Erkrankung ist dort im Vergleich mit anderen Infektionserkrankungen hoch. Innerhalb von 15 Jahren starben in Afrika etwa 2/3 der Infizierten an den Folgen der Erkrankung [84]. 1.3 Hoch aktive antiretrovirale Therapie Seit 1996 ist die hoch aktive antiretrovirale Therapie (HAART) verfügbar, die einen Meilenstein in der Therapie der HIV-Infektion darstellt. Es konnte eine deutliche Verlangsamung des Krankheitsverlaufes und eine Senkung der Morbidität und Letalität erreicht werden (Abb. 1). 6 A Inzidenz (pro 100 Pers.-Jahre) 100 T od AIDS % u nter HA AR T 30 25 80 20 60 15 40 10 20 5 0 0 9/94- 3/953/95 9/95 9/95- 3/96- 9/963/96 9/96 3/97 3/97- 9/97- 3/98- 9/989/97 3/98 9/98 3/99 Anteil der HAART-behandelten Pat. (%) 35 3/99- >9/99 9/99 Kalender Period e B A N T E I L 20 17.1 15 15.1 18.1 15.7 Gesamtsterblichkeit HIV-assoziiert Nicht-HIV-assoziiert / - 12.7 d. P A T I E N T E N % 10 10.7 5.4 5.1 5 3.9 0 2.0 2.4 2.0 1.5 1994 1995 1996 1997 3.1 2.1 1998 Abbildung 1 Einfluss der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) auf die Morbidität und Mortalität bei HIV-Patienten. A) Inzidenz des Auftretens von AIDS und Sterblichkeit in Korrelation zu dem Anteil HAART -behandelter Patienten in den Jahren 1994-2000 (nach EuroSIDA November 2002).B) Gesamtsterblichkeit und Todesursachen von HIV-infizierten Individuen in San Francisco (1994-1998) während Einführung der HAART (nach Louie et al., 2002) 7 Zu den Vorläufern dieser hoch effizienten Therapie gehörte seit 1988 die AZTMonotherapie (Retrovir) und seit Anfang der 90er Jahre die Kombination zweier Nukleosidanaloga. Die HAART verlangsamt die Krankheitsprogression über eine Hemmung der Virusreplikation, was das Auftreten HIV-bedingter Symptome zurückdrängt und zu einer Immunrekonstitution führt. Frühestens nach 4 Wochen ist ein Absinken der HIVRNA unter die Nachweisgrenze als ein Therapieerfolg zu werten. Sie lässt sich mit Hilfe dieser Therapie um etwa 1-2 log10 senken. Ein ausbleibender oder nur geringer Abfall der Viruslast innerhalb von 6 Monaten ist als ungenügender Therapieerfolg zu werten. Die Gefahr in einer lang geführten und möglicherweise zu früh beginnenden HAART-Behandlung liegt in der Tendenz des HI-Virus, resistente Virusmutanten zu selektieren, was ein häufiges Umstellen des Therapieregimes mit fortwährender Behandlungsdauer erforderlich macht. Somit stellt sich stets die Frage nach der Behandlungsindikation und dem optimalen Behandlungsbeginn. Richtungsweisend sind hier symptomatische Patienten und CD4-Zellzahlen < 350/µl, aufgrund einer erhöhten Morbidität und Mortalität sollte ein Absinken unter CD4-Zellzahl-Werte <200/µl unbedingt vermieden werden. Auch die Höhe der Viruslast stellt ein entscheidenden Richtwert für die Behandlungsindikation dar [3]. Insgesamt werden derzeit 4 Wirkstoffklassen kombiniert eingesetzt, • nukleosidanaloge bzw. nukleotidanaloge Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI), • nicht-nukleosidale Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI), • Proteaseinhibitoren (PI) und • Fusionsinhibitoren (FI) Nach derzeitiger Studienlage stellt die Dreierkombination bei therapienaiven Patienten das beste Behandlungsregime dar. Ein Ansprechen der Therapie zeigt sich in einer Verbesserung der Immunitätslage, einer ausbleibenden bzw. verzögerten Entstehung AIDS-definierender Erkrankungen, einer Abnahme der Viruslast und in einer höheren Lebenserwartung [3]. 8 Kombiniert werden nach derzeitigem Therapieregime • Proteaseinhibitoren (PI) mit zwei nukleosidanalogen Reverse-TranskriptaseInhibitoren (NRTI), • Nicht-nukleosidanaloge Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) mit zwei nukleosidanalogen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) und • Drei nukleosidanalogen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI). Die vielen Nebenwirkungen der HAART setzen neben der Entwicklung von Virusmutanten und einer daraus folgenden Therapieresistenz Grenzen. Der Einsatz in der Kombination mit Proteaseinhibitoren ist zwar sehr effizient, jedoch treten vor allem bei dieser Medikamentengruppe nachteilige Nebenwirkungen, darunter metabolische Störungen wie Lipodystrophie und Insulinresistenz auf. Auch die anderen Medikamentengruppen der HAART sind nebenwirkungsreich. So können die nukleosidanalogen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren die Mitochondrien schädigen und zu einer gestörten Leberfunktion, einer Hyperlipidämie, Hyperlaktatämie bis hin zur Laktatazidose und zur Schädigung von Nervenzellen führen. 1.4 Kardiale Manifestationen Schon bald wurde klar, dass im Rahmen der HIV-Infektion neben einer Störung der zellvermittelten Immunantwort auch Veränderungen an weiteren Organsystemen wie Lunge, Gehirn, Haut, Gastrointestinaltrakt und Herz-Kreislaufsystem auftreten. Anfang der 80er Jahre wurden HIV-assoziierte kardiale Manifestationen erstmals beschrieben. In unterschiedlicher Häufigkeit trat eine kardiale Beteiligung beim erworbenen Immundefektsyndrom auf. In klinischen Studien wurde mit verschiedenen Untersuchungsmethoden je nach Patientenauswahl bei 15-65 % der Infizierten eine kardiale Beteiligung gefunden [4, 14, 20, 24, 44, 48, 50, 55, 59, 70]. Gleichermaßen sind bei HIV-infizierten Kindern kardiale Dysfunktionen beschrieben worden [52, 67, 91]. Unabhängig vom Vorliegen opportunistischer Infektionen fand sich meist eine höhere Prävalenz kardialer Erkrankungen in den fortgeschrittenen Krankheitsstadien [4, 14, 44, 55]. Histologisch konnte man in autoptischen Studien lymphozytäre Infiltrationen des Myokards mit und ohne Muskelfasernekrosen [87], unspezifische 9 Perikarditiden [17] und marantische Endokarditiden [87] mit unklarer Ätiologie nachweisen. Zahlreiche Erreger opportunistischer Infektionen konnten auch im Myokardgewebe als Auslöser einer chronischen Myokarditis nachgewiesen werden [99]: Bakterien (Streptokokken der Gruppe A, Staphylokokken, Enterokokken, Borrelia Burgdorferi, Corynebakterium diphteriae, Mykobakterien, Treponema pallidum), Protozoen (Toxoplasmen, Trypanosoma cruzi), Parasiten (Trichinen, Echinokokken), kardiotrope Viren (Coxsackie B1-B5, Coxsackie A, Herpesviren, Influenza-, Adeno-, und Echoviren) und Pilze. Auch das HI-Virus selbst könnte durch gp120-, tat- sowie Zytokin-bedingte Apoptose eine myokardiale Schädigung verursachen [32]. Bei 1-5% der HIV-infizierten findet sich eine dilatative Kardiomyopathie. Dies ist am ehehesten durch Autoimmunreaktionen (alpha-Myosin-Antikörper), Ernährungsmangelzustände und die Einnahme kardiotoxischer Substanzen [74] zu erklären. In einer klinischen Studie von Roy et al. [88] hatten jedoch nur 30% der HIV-infizierten Patienten mit myokardialer Schädigung klinische Zeichen einer akuten oder chronischen Herzinsuffizienz. Der Perikarderguss zählte vor Einführung der HAART zu den häufigsten kardialen Manifestationen und wurde in klinischen Studien mit einer Inzidenz von 11% pro Jahr beschrieben [45]. Das Spektrum reichte hier von akuten und chronischen Perikarditiden bis hin zur Perikarditis constrictiva und der akut verlaufenden Perikardtamponade, wobei jedoch die Mehrzahl asymptomatisch verlief [89]. Drei mögliche Ursachen des Perikardergusses kommen hier in Frage: Das HIVirus selbst, opportunistische Erreger und HIV assoziierte Neoplasien (KaposiSarkome und Lymphome [92]). Auch die infektiösen Herzklappenerkrankungen stellen eine kardiale Manifestation dar. Staphylococcus aureus stellt bei HIV-infizierten Patienten mit bis zu 75% bei der bakteriellen Endokarditis den häufigsten Erreger dar [22]. Bei Patienten mit intravenösem Drogenabusus treten vor allem mykotische Endokarditiden auf. Die valideste nicht invasive Untersuchungsmethode zur Detektion kardialer Manifestation der HIV-Infektion ist die Echokardiographie. Mit Ihrer Hilfe können die Struktur des Myokards (Wanddicke, Echogenität) und der Herzklappen, die Größe der Herzhöhlen (systolisch/diastolisch), die myokardiale Funktion sowie die 10 Klappenfunktion und das Vorliegen eines Perikardergusses zuverlässig beurteilt werden. 1.5 Zielsetzung Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den Einfluss der HAART auf die Inzidenz bzw. Prävalenz kardialer Manifestationen der HIV-Infektion zu untersuchen. Dazu wurden jeweils in der Prä-HAART- und HAART-Ära HIV-infizierte Individuen mittels Echokardiographie prospektiv hinsichtlich Häufigkeit kardialer Erkrankungen untersucht. Dabei wurde zwischen mutmaßlich HIV-assoziierten und nicht HIVassoziierten myokardialen Schädigungen unterschieden. 11 2 Material und Methoden 2.1 Patientenkollektiv In der Zeit von Februar 1987 bis Februar 1990 und von März 2004 bis November 2005 wurden insgesamt 404 konsekutive HIV-infizierte Patienten (359 Männer, 45 Frauen) aus dem ambulanten und stationären Bereich der Klinik I für Innere Medizin der Universität zu Köln in die Studie zur Untersuchung kardialer Veränderungen unter der HIV-Infektion eingeschlossen. Das Gesamtkollektiv dieser prospektiv durchgeführten Studie besteht aus Gruppen: Gruppe 1 (prä-HAART-Ära) erhielt keine HAART (da noch nicht verfügbar), Gruppe 2 erhielt über mindestens 2 Monate eine HAART(HAART-Ära). Die Beteiligung an der Studie geschah auf freiwilliger Basis nach ausführlicher Aufklärung der Patienten. Beiden Gruppen wurde als Klassifikationsschema die CDC-Einteilung zugrunde gelegt, welche die HIVErkrankung in drei klinische Kategorien (A bis C) und drei Zellzahlbereiche (1 bis 3) unterteilt. Die Kategorie A definiert das asymptomatische Stadium der HIV-Infektion, Kategorie C Patienten mit AIDS und Kategorie B alle anderen Patienten, die nicht mehr asymptomatisch sind, aber auch keine AIDS-definierenden Erkrankungen haben. 12 Tabelle 1: Klinische Kategorien der CDC Klassifikation Kategorie A Kategorie C Asymptomatische HIV-Infektion • AIDS-definierende Erkrankungen Akute, symptomatische (primäre) HIV-Infektion • • Candidose von Bronchien, Trachea oder Lungen Persistierende generalisierte LymPhadenopathie • Candidose, ösophageal • CMV-Infektionen (außer Leber, Milz, Kategorie B Lymphknoten) Krankheitssymptome oder Erkrankungen, • CMV-Retinitis (mit Visusverlust) die nicht in die Kategorie C fallen, dennoch aber • Enzephalopathie, HIV-bedingt der HIV-Infektion ursächlich • Herpes-simplex-Infektionen: chronische zuzuordnen sind oder auf eine Störung der Ulzera (>1Monat bestehend; oder zellulären Immunabwehr hinweisen. Hierzu zählen: Bronchitis, Pneumonie, Ösophagitis) • Bazilläre Angiomatose • Entzündungen des kleinen Beckens, besonders bei • Komplikationen extrapulmonal eines • Tuben- oder Ovarialabszesses. • Herpes zoster bei Befall Histoplasmose, disseminiert oder Isopsoriasis, chronisch, intestinal, > 1Monat bestehend mehrerer • Kaposi-Sarkom Dermatome oder nach Rezidiven in einem • Kokzidioidmykose, disseminiert oder Dermatom extrapulmonal • Idiopathische thrombozytopene Purpura • Kryptokokkose, extrapulmonal • Konstitutionelle Symptome wie • Kryptosporidiose, chronisch, intestinal, > 1 Fieber über 38.5 Grad oder eine >1 Monat bestehende Diarrhoe • Listeriose • Orale Haarleukoplakie (OHL) • Oropharyngeale Candidose • Vulvovaginale Candidose, die entweder chronisch (>1 Monat) oder nur schlecht • • Lymphom, Burkitt • Lymphom, immunoblastisches • Lymphom, primär zerebral • Mycobacterium avium complex oder M. dansasii, disseminiert oder extrapulmonal • Mycobacterium, andere oder nicht therapierbar sind identifizierte Spezies disseminiert oder Zervikale Dysplasien oder Carcinoma in extrapulmonal situ • Monat bestehend Periphere Neuropathie • Pneumocystis-Pneumonie • Pneumonien, bakteriell rezidivierend (>2 innerhalb eines Jahres) • Progressive multifokale Leukenzephalopathie • Salmonellen-Septikämie, rezidivierend • Tuberkulose • Toxoplasmose, zerebral • Wasting-Syndrom • Zervix-Karzinom, invasiv 13 Gruppe 1 – Patienten der Prä-HAART-Ära 129 der insgesamt 202 Patienten aus der Prä-HAART-Ära waren in ambulanter Betreuung, die übrigen 73 befanden sich in stationärer Betreuung. Das Alter der 202 Patienten lag zwischen 21 und 72 Jahren (Median 37, 188 Männer, 14 Frauen), 115 Patienten nahmen während des Beobachtungszeitraumes Zidovudin (AZT) in einer Dosierung zwischen 600-1200 mg/die ein die übrigen 87 Patienten erhielten dieses Medikament nicht. Echokardiographische Auffälligkeiten wie Perikarderguss, linksventrikuläre Dilatation oder eingeschränkte Pumpfunktion wurden parallel zum immunologischen Status dokumentiert. Daher erfolgte die Bestimmung der gemessenen Laborparameter stets parallel zu der echokardiographischen Untersuchung. Je nach körperlichem Untersuchungsbefund erfolgte zum Nachweis einer opportunistischen Infektion eine weiterführende Diagnostik. Das Vorhandensein kardialer Symptome wie Luftnot, Palpitationen, Angina Pectoris, subjektiv empfundene Rhythmusstörungen oder Ödeme wurden entsprechend der Angaben des Patienten bzw. der klinischen Untersuchung dokumentiert. Gruppe 2 – Patienten der HAART-Ära 193 der insgesamt 202 Patienten aus der HAART-Ära befanden sich in ambulanter Behandlung, die übrigen 9 Patienten wurden stationär behandelt. Das Alter der 202 Patienten lag zwischen 25 und 77 Jahren (Median 44, 171 Männer, 31 Frauen). Jeder Patient hatte zum Zeitpunkt der Untersuchung über einen Zeitraum von mindestens 2 Monaten eine HAART eingenommen. Zusätzlich zur echokardiographischen Untersuchung wurde eine umfassende kardiologisch orientierte Blutuntersuchung durchgeführt, der Blutdruck gemessen sowie ein kardiologisch orientierter AnamneseBogen dokumentiert Anamnestisch wurden als kardiale Risikofaktoren folgende Parameter dokumentiert: Arterielle Hypertonie, Nikotinabusus (in Pack-Years), Diabetes mellitus, familiäre Disposition und Hyperlipoproteinämie. Desweiteren wurden die aktuellen Beschwerden, kardiale Vorerkrankungen, Angina-PectorisBeschwerden, Luftnot, Nykturie und periphere Beinödeme anamnestisch erfragt. Die echokardiographische Untersuchung erfolgte analog der in Gruppe 1 beschriebenen Vorgaben. 14 2.2 Echokardiographische Untersuchung 2.2.1Durchführung der Echokardiographie Die echokardiographische Untersuchung erfolgte in Linksseitenlage mit ca. 30° erhöhtem Oberkörper und umfasste apikale 4- und 2-Kammer-Schnittebenen sowie parasternale Ableitungen in der langen und kurzen Achse. Das Kontraktionsverhalten wurde visuell auf regionale oder globale Wandbewegungsstörungen untersucht. In Atemmittellage wurden M-Mode Registrierungen nach Selektion eines einzelnen Schallstrahls aus dem zweidimensionalen Bild in der parasternalen Längsachse registriert und mittels Videoprinter in maximaler zeitlicher Auflösung dokumentiert. Klappenvitien wurden mit Hilfe der Doppleruntersuchung erfasst. Registrierung und manuelle Auswertung der enddiastolischen bzw. endsystolischen Ventrikeldimensionen und Wanddicken sowie der Verkürzungsfraktion erfolgten gemäß den Empfehlungen der „American Society of Echocardiography“. Die echokardiographischen Befunde wurden je nach Ergebnis in „unauffällig“, „mutmaßlich HIV-assoziiert“ oder „andere kardiale Auffälligkeiten“ aufgeschlüsselt. Die echokardiographischen Untersuchungen erfolgten mit Geräten der Firma GE Vingmed Ultrasound, Horten- Norwegen, Gerätetypen: CFM 800 und Vivid FiVe. Alle Bilddaten wurden digitalisiert und mit dem Programm EchoPAC, GE Medical Systems, Vivid FiVe, Milwaukee, U. S. A., Softwareversion 6.3 ausgewertet. 15 2.2.2 Morphologische Befunde Tabelle 2: Übersicht über morphologische Parameter der echokardiographischen Untersuchung (Größe der Herzhöhlen, Dichte der Herzwände) LVEDD: Linksventrikulärer enddiastolischer Durchmesser (mm) LVESD: Linksventrikulärer endsystolischer Durchmesser (mm) LVPWD: Posteriore Wand des linken Ventrikels, enddiastolisch LVPWS: posteriore Wand des linken Ventrikels, systolisch IVSED: Kammerseptum, enddiastolisch IVSES: Kammerseptum, systolisch RA: Durchmesser des rechten Vorhofs RV: Durchmesser des rechten Ventrikels LA: Durchmesser des linken Vorhofs Zur morphologischen Beshreibung des Herzen wurde die Größe der Herzhöhlen sowie die Dicke der Herzwände vermessen (Tabelle 2). Die rechten Herzhöhlen wurden im apikalen 4-Kammer-Blick im 2D-Bild vermessen. Die quantitative Messung der linken Herzhöhle im sogenannten M-Mode. In der parasternalen langen Achse wurde der Cursor (definierter, einzelner Ultraschallstrahl) in Höhe der Chordae tendinae gelegt und hier der sogenannte MMode abgeleitet. Hierbei handelt es sich um das eindimensionale Bild, das entsteht, wenn man in einer definierten Schnittebene des zweidimensionalen Bildes die Bewegung des Herzmuskels über die Zeit ableitet. Zudem wurden die Klappenmorphologie, pathologische Veränderungen der kardialen Kontraktilität wie Hypo- oder Akinesie, endokarditische morphologische Befunde, Vegetationen sowie das Vorhandensein eines Perikardergusses dokumentiert. Je nach Größe und Ausmaß wurden Perikardergüsse in „klein“ (≤2mm), „mäßig“ (≤3-6mm) oder „groß“ (>7mm) eingestuft. Bei der Beschreibung wurden maximale (systolische) und minimale (diastolische) Separation von Epi- und Perikard angegeben und ebenfalls in den Dokumentationsbogen übertragen. 16 2.2.3 Funktionelle Messsgrößen Verkürzungsfraktion (FS) Als einfach zu erhebender Parameter der globalen systolischen Funktion wurde die Verkürzungsfraktion (engl.: fractional shortening, FS) in der parasternalen langen und kurzen Achse gemessen und als Mittelwert aus beiden Werten angegeben. Der Wert der Verkürzungsfraktion ist bei normaler Pumpfunktion 25 %. Zu Beginn des QRSKomplexes des simultan abgeleiteten Monitor-EKGs wurden die enddiastolische Septumdicke (IVSD), der linksventrikuläre enddiastolische Diameter (LVEDD) und die enddiastolische Dicke der Posterolateralwand (LVPWD) nach der "leading edge"Methode bestimmt. Auch die endsystolische Septumdicke (IVSS), der linksventrikuläre endsystolische Diameter (LVESD) und die Dicke der Posterolateralwand (LVPWS) wurden vermessen. Die Verkürzungsfraktion (FS) wurde aus den oben beschriebenen Parametern des linken Ventrikels nach der Formel (LVEDD – LVESD) / LVEDD berechnet. Doppler- und Klappenuntersuchungen Zur besseren quantitativen Beurteilung von Klappenvitien mit Erfassung der Blutströmungsgeschwindigkeiten wurden eine Farbdoppler- und CW-Doppler- (Continous Wave Doppler) bzw. PW-Doppler (Pulsed Wave Doppler) Messung durchgeführt. Mit Hilfe des PW-Dopplers ist eine hohe Auflösung möglich. 2.3 Laborparameter Als Laborparameter wurden im Labor des Institutes für klinische Chemie die CD4Zellzahl und die CD4/CD8-Ratio gemessen. Folgende Blutparameter wurden zum Zeitpunkt der echokardiographischen Untersuchung zusätzlich zum Routinelabor bestimmt: NT-ProBNP, Troponin T, CK, CK-MB, CRP, Cholesterin, HDL, LDL, Triglyceride, Lipoprotein a, Homocystein, HbA1 C, Insulin, Glukose, C-Peptid. 2.4 Statistische Auswertung Die statistische Auswertung erfolgte mit Hilfe der Programme Excel2002, Word 2002 und SPSS. Eine statistische Signifikanz wurde angenommen bei p<0.05. 17 3 Ergebnisse 3.1 Charakteristika der untersuchten Patienten Die untersuchten Patienten aus der Prä-HAART- sowie der HAART-Ära wurden hinsichtlich der CDC-Klassifikation, Risikofaktoren der HIV- Infektionen, CD4Zellzahl sowie dem Vorhandensein kardiovaskulärer Risikofaktoren klassifiziert. In Gruppe 1 (Prä-HAART) befanden sich 30,7% der Patienten im CDC-Stadium A, 33,7% im Stadium B und 35,6% im Stadium C. In Gruppe 2 (HAART) befanden sich 18,3% im CDC- Stadium A, 34,7% im Stadium B und 47% im Stadium C (Tab. 3). Tabelle 3 CDC-Stadium der Patienten aus der Prä-HAART- und HAART-Ära CDCStadium PräHAART HAART Anzahl (%) Anzahl (%) A 62 30,7% 37 18,3% B 68 33,7% 70 34,7% 72 35,7% 202 100% 95 47% 202 100% C Gesamt Die Risikofaktoren der HIV- Infektion für die Gruppen 1 und 2 sind in Tabelle 4 aufgeführt. Bei dem überwiegenden Teil der Patienten handelte es sich um Homosexuelle: 62,3% (Gruppe 1) bzw. 53,5% (Gruppe 2) wiesen als Risikofaktor eine Homosexualität auf. Bei 18,3% (Gruppe 1) bzw. 20,3% (Gruppe 2) war die Ursache der HIV-Infektion unbekannt. Seltenere Ursachen waren intravenöser Drogenabusus, HIVpositiver Partner sowie Bluttransfusionen. 18 Tabelle 4 Risikofaktoren der HIVInfektion der untersuchten Patienten in der Prä-HAART- und in der HAART-Ära. HIVRisikofaktor Unbekannt PräHAART HAART Anzahl/% Anzahl/% 37 18,3% Heterosex./ Promiskuität Homosex. 41 20,3% 26 12,8% 126 62,3% 108 53,5% 19 9,4% Endemie Intravenöser Drogenabusus 24 12% 6 3% HIV+ Partner 9 5% 0 0% Bluttransfusion 6 3% 2 1% 202 100% 202 100% Gesamt Erwartungsgemäß zeigte sich, dass die CD4-Zellzahl in der HAART-Ära (Gruppe 2) mit einem Median von 410 /µl höher war als in der Prä-HAART-Ära (Gruppe 1) mit einem Median von 175/µl (Tab. 5). Die CD4/CD8-Ratio in Gruppe 2 betrug 0,4 (0,012,4). Tabelle 5 CD4-Zellzahl und CD4/CD8Ratio der untersuchten Patienten in der HAART-Ära PräHAART HAART gesamt gesamt Median Median (Range) (Range) CD4-Zellzahl 175/µl 410/µl (0-1000/µl) (100-1510/µl) CD4/CD8n.b. 0,4 Ratio (0,1-2,4) 19 Die Prävalenz kardiovaskulärer Risikofaktoren wurde nur im Kollektiv der HAARTÄra systematisch erfasst (Tab. 6). 33 Patienten (16,3%) wiesen eine arterielle Hypertonie auf, 77 Patienten (38,1%) eine Hyperlipoproteinämie, 122 Patienten (60,4%) waren Raucher, 78% (38,6%) wiesen eine familiäre Disposition auf und 12 Patienten (5,9%) waren Diabetiker. Tabelle 6 Kardiale Risikofaktoren aller Patienten aus der Prä-HAARTund HAART-Ära, *12 unbekannt Risikofaktor Prä-HAART Anzahl (%) Arterielle Hypertonie HLP n.b. Nikotin n.b. Familiäre Disposition n.b. Diabetes n.b. Gesamt n.b. HAART Anzahl (%) 33 (16,3%) 77 (38,1%) 122 (60,4%) 78 (38,6%) 12 (5,9%) 202* (100%) 3.2 Opportunistische Infektionen bzw. Begleiterkrankungen der Patienten in der Prä-HAART- bzw. HAART-Ära Charakteristischerweise kommt es im Rahmen der HIV-Infektion zur Ausbildung opportunistischer Infektionen, anderer Begleiterkrankungen bzw. AIDS-definierender Erkrankungen. Daher wurde zunächst das Vorhandensein solcher Erkrankungen bei den Patienten der Prä-HAART- und HAART-Ära verglichen. Es zeigte sich, dass in Gruppe 1 (Prä-HAART-Ära) ein Großteil der Patienten an opportunistischen Infektionen wie CMV-Infektionen, Toxoplasmose, Pneumocystis carinii-Pneumonie (PCP) bzw. Mykobakteriosen oder anderen aktiven Begleiterkrankungen der HIV- Infektion, wie malignes Lymphom oder Myokarditis litt (Abb. 3). 20 9,9% (20/202) 10% CMV Toxoplasmose PCP 7,9% (16/202) 8% 6,9% (14/202) Mykobakteriose Malignes Lymphom Myokarditis 5,4% (11/202) 5% 3,5% (7/202) 3% 1% (2/202) 0% 0% Prä-HAART 0% 0% 0% 0% 0,5% (1/202) HAART Abbildung 3 Aktive Begleiterkrankungen der HIV-Infektion aller Patienten aus der PräHAART- und HAART-Ära Demgegenüber zeigten sich in Gruppe 2 (HAART-Ära) praktisch keine aktiven Begleiterkrankungen der HIV-Infektion mehr. Lediglich bei 2 von 202 Patienten (1%) war ein malignes Lymphom aufgetreten, und bei einem von 202 Patienten (0,5%) bestand eine Myokarditis. Auch andere Begleiterkrankungen der HIV-Infektionen traten in der HAART-Ära nur mit großer Seltenheit auf (Tab. 7). 21 Tabelle 7 Andere Begleiterkrankungen der untersuchten Patienten aus der HAART-Ära Andere Begleiterkrankungen der untersuchten Patienten aus der HAART-Ära n/202 (%) Pneumonie 2 (1%) HHV8-Virämie 1 (0,5%) Ischäm.Herzerkr. 3 (1,5%) Cholezystolithiasis 2 (1%) Hepatitis B 1 (0,5%) Chron. Hepatitis B 1 (0,5%) Morbus Crohn 2 (1%) Myokarditis 1 (0,5%) Colitis Ulcerosa 1 (0,5%) Chronische Hepatitis C 2 (1%) MRSA Auge 1 (0,5%) Zoster Ophtalmicus 1 (0,5%) Lungen-Sarkoidose 1 (0,5%) gastrointest. Erk. 1 (0,5%) 3.3 Häufigkeit HIV-assoziierter kardialer Erkrankungen in der Prä-HAARTbzw. HAART-Ära Im untersuchten Patientenkollektiv ließ sich in der Prä-HAART-Ära (Gruppe 1) bei 40 von 202 Patienten (19,8%) eine mutmaßlich HIV-assoziierte kardiale Erkrankung nachweisen. Demgegenüber traten HIV-assoziierte kardiale Erkrankungen in der HAART-Ära (Gruppe 2) lediglich bei 3 von 202 Patienten (1,4%) auf und stellten somit eine Rarität dar (Abb. 4A). Häufigster pathologischer Befund in der Prä-HAART-Ära war der Perikarderguss, seltener traten linksventrikuläre Dilatation und systolische Dysfunktion auf (Abb. 4B). 22 A Anteil der Patienten mit HIVassoziierter kardialer Erkrankung (%) 25% 20% 19,8% (40/202) 15% 10% 5% 1,4% (3/202) 0% prä-H AART H AART Anteil der Patienten mit HIVassoziierter kardialer Erkrankung in der prä-HAART und HAART-Ära (%) B 20% 17,4% (35/ 202) P rä -H AAR T H AAR T 15% 10% 5% 0% (0/202) 1% 0,5% (1/202) (2/202) 2% (4/202) 0,5% (1/202) 0% PE L V D +S D PE+LVD Abbildung 4 A Prävalenz der kardialen Manifestation der HIV- Erkrankung in der Prä-HAART- und HAART-Ära B Kardiale Manifestation der HIV-Erkrankung, aufgeschlüsselt in Perikarderguss (PE), linksventrikuläre Dilatation (LVD) + Systolische Dysfunktion (SD) und Perikarderguss + Linksventrikuläre Dilatation (PE + LVD) Mutmaßlich nicht HIV-assoziierte kardiale Erkrankungen traten in beiden Gruppen gleich häufig auf: 7,9% in Gruppe 1 und 8,9% in Gruppe 2 (Tab. 8). 23 Tabelle 8 Kardiale Erkrankung aller Patienten aus der Prä-HAART- und HAART-Ära, aufgeschlüsselt in HIVassoziierte und nicht-HIVassoziierte Erkrankung. Kardiale Beteiligung Nicht-HIVassoziiert HIVassoziiert Gesamt PräHAART Anzahl 16 7,9% 40 19,8% 56 27,7% HAART Anzahl 18 8,9% 3 1,5% 21 10,4% Alle drei Patienten mit HIV-assoziierter kardialer Erkrankung in der HAART-Ära (Gruppe 2) befanden sich im CDC-Stadium C (Tab. 9). Demgegenüber befanden sich von den Patienten der Prä-HAART-Ära (Gruppe 1) 7,5% im Stadium CDC-A, 22,5% im Stadium CDC-B und 70% im Stadium CDC-C. Tabelle 9 CDC-Stadien der Patienten mit HIV-assoziierter kardialer Erkrankung in der Prä-HAART- und HAART-Ära Patienten HIV-ass. Kard. Beteiligung CDCStadium A B C Gesamt Gruppe 1 PräHAART Gruppe 2 HAART Anzahl (%) 3 7,5% 9 22,5% 28 70% 40 100% Anzahl (%) 0 0% 0 0% 3 100% 3 100% 24 Von den Patienten mit HIV- assoziierter kardialer Erkrankung lag die CD4-Zellzahl in der HAART-Ära mit 290/µl deutlich höher als in der Prä-HAART-Ära mit 73/µl (Tab. 10). Tabelle 10 CD4-Zellzahl (Median und Range) der Patienten mit HIVassoziierter kardialer Erkrankung in der Prä-HAART- und HAART-Ära Gruppen HIV-ass. Kard. Erkrankung CD4Zellzahl PräHAART Median (Range) 73/µl (0-560/µl) HAART Median (Range) 290/µl (60-320/µl) Jedoch war die CD4-Zellzahl insgesamt bei Patienten mit HIV-assoziierter kardialer Erkrankung deutlich niedriger als bei jenen ohne HIV-assoziierte kardiale Erkrankung. Übereinstimmend wiesen Patienten mit HIV-assoziierter kardialer Erkrankung während der Prä-HAART-Ära auch deutlich häufiger aktive Begleiterkrankungen Infektion auf als in der HAART-Ära (Tab. 11). Tabelle 11 Aktive Begleiterkrankungen der HIV-Infektion der Patienten mit HIV-assoziierter kardialer Erkrankung aus der Prä-HAART- und HAART-Ära Gruppe Gruppe 1 2 Begleiterkrankung (PräHAART) (HAART) (Anzahl (Anzahl %) %) 1 1 Malignes Lymphom (2,5%) (33,3%) 1 Pleuraempyem 0 (2,5%) 4 Mykobakteriose 0 (10%) 2 CMV 0 (5%) 6 PCP 0 (15%) 1 B.Burgdorfferi 0 (2,5%) 1 Myokarditis 0 (33,3%) 15 2 Gesamt Aktive der HIV- 25 3.4 Einfluss der HAART auf die Gesamtsterblichkeit im untersuchten Patientenkollektiv Seit Einführung der HAART ist die Sterblichkeit von HIV-infizierten Patienten weltweit deutlich zurückgegangen. Dementsprechend zeigte sich hinsichtlich der Gesamtmortalität auch in dem hier untersuchten Kollektiv ein deutlicher Unterschied zwischen den Patienten der Prä-HAART- und der HAART-Ära (Abb. 5). K u m u l a t i v e s Ü b e r l e b e n 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 0 3 6 9 12 15 18 21 24 Zeit (Monate) Abb 5 Kumulatives Überleben der Patienten in der Prä-HAART- und HAART-Ära im Vergleich(grün: Prä-HAART-Gruppe, blau: HAART-Gruppe) Innerhalb von 24 Monaten waren in der Prä-HAART-Ära von den eingeschlossenen 202 Patienten fast die Hälfte verstorben (39,1 %), während von den 202 Patienten der HAART- Ära lediglich 8 Patienten (3,9%) verstarben. Während die häufigste Todesursache in der Prä-HAART-Ära opportunistische Infektionen oder Malignome waren, traten diese Komplikationen in der HAART-Ära nur noch selten auf. Da HIV-assoziierte kardiale Erkrankungen während der HAART-Ära eine Rarität darstellten (insgesamt nur 3 von 202 Patienten), waren diese Erkrankungen für die Gesamtsterblichkeit nicht relevant. Während der Prä-HAART-Ära zeigte sich eine deutliche Abhängigkeit der Gesamtsterblichkeit vom Vorhandensein kardialer Manifestationen der HIV-Infektion. So wiesen Patienten mit normalem echokardio- 26 graphischen Befund eine deutlich bessere Prognose auf als solche mit pathologischem echokardiographischem (Abb. 6). Patienten, die während Verlaufsuntersuchungen einen pathologischen echokardiographischen Befund entwickelten, lagen hinsichtlich des Sterblichkeitsrisikos dazwischen. A 1.0 K u m u l a t i v e s Ü b e r l e b e n 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 0 10 20 30 40 50 Zeit (Monate) Abb. 6 Kumulatives Überleben der jeweiligen Patientenkollektive jeweils ohne pathologisches Echo (blauer Graph) und mit pathologischem Echo (grüner Graph) in der Prä-HAART-Ära (A) Zusammenfassend zeigt die vorliegende Arbeit, dass HIV-assoziierte kardiale Erkrankungen in der HAART-Ära nur noch eine Rarität darstellen, während sie vor Einführung der HAART häufig zu beobachten waren und zudem mit einer schlechten Prognose behaftet waren. 27 4 Diskussion Die vorliegende Arbeit zeigt eine deutliche Abnahme HIV-assoziierter kardialer Erkrankungen seit Einführung der HAART. Waren in der Prä-HAART-Ära noch 40 von 202 (19,8 %) Patienten betroffen, so ließ sich bei den untersuchten Patienten der HAART-Ära nur noch in 3 von 202 (1,5%) Fällen eine HIV-assoziierte kardiale Erkrankung beobachten. Ebenso konnte in der HAART-Gruppe ein deutlicher Rückgang von opportunistischen Infektionen und HIV-assoziierten Begleiterkrankungen verzeichnet werden. Die CD4-Zellzahl war erwartungsgemäß in der HAART-Ära mit einem Median von 410/µl signifikant höher als in der PräHAART-Ära (175/µl im Median). Die Patienten der HAART-Ära leben deutlich länger, so dass die Folgen der chronischen HIV-Erkrankung häufiger in den Fokus rücken. Als häufige kardiale Manifestation ist der Perkarderguss mit insgesamt 39 Patienten in der Gruppe aus der Prä-HAART-Ära der determinierende Faktor für HIV-assoziierte kardiale Erkrankungen. Demgegenüber trat eine linksventrikuläre Dilatation oder eine systolische Dysfunktion sowohl in der HAART- als auch in der Prä-HAART-Ära nur selten auf. Die Häufigkeit kardialer Manifestationen der HIV-Infektion in der vorliegenden Arbeit ist vergleichbar mit Daten anderer Untersucher. Nach Neumann et al besteht bei chronischer HIV-Erkrankung generell ein Risiko von 5-15% eine kardiale Manifestation zu erleiden [73]. In unserer Arbeit kam es in der Prä-HAART-Ära bei 19,8 % der Patienten zu einer HIV-assoziierten kardialen Erkrankung, während dies in der HAART-Ära auf nur 1,5 % der Patienten zutraf. Pugliese et al fanden in einer retrospektiven Studie an 1042 HIV-Patienten ebenfalls eine deutliche Reduktion kardialer Manifestationen seit Einführung der HAART. So ließ sich eine 51,8%ige kardiale Beteiligung ohne und eine 18,6%ige kardiale Beteiligung mit HAART [80] beobachten. Hier kam es im direkten Vergleich vor allem zu einer signifikanten Abnahme von Perikarditiden, Ischämien, dilatativer Kardiomyopathie und Rhythmusstörungen, wohingegen bei der Myokarditis oder Endokarditis keine signifikante Reduktion zu verzeichnen war. Die im Vergleich zu den Daten in der vorliegenden Arbeit diskutierten Raten kardialer Manifestationen sowohl in der Prä-HAART- als auch in der HAART-Ära erklären sich möglicherweise dadurch, dass in der Arbeit von Pugliese et al. zusätzlich nach Rhythmusstörungen gefahndet wurde, die in der vorliegenden Arbeit nicht erfasst wurden. 28 Es ist davon auszugehen, dass Patienten unter der HIV-Infektion ohne HAART in größerem Ausmaß von bakteriellen, viralen oder mykotischen opportunistischen Infektionen betroffen sind und somit kardiale Begleiterkrankungen wie Kardiomyopathie, Endokarditis und Myokarditis/Perikarditis häufig mit diesen Infektionen assoziiert sind [2]. Es konnte gezeigt werden, dass HAART eine Reduktion der Viruslast auf unterhalb der Nachweisgrenze im Plasma und gleichzeitig einen Anstieg der CD4-Zellzahl bewirkt [43]. Auch in der vorliegenden Arbeit ist eine Assoziation der HAART mit der CD4-Zellzahl offensichtlich. In der Prä-HAARTGruppe befanden sich von 40 Patienten mit allgemeiner kardialer Erstmanifestation 28 (70%) im Stadium C, in der HAART -Gruppe alle 3 Patienten (100%). Levy et al fanden in einer Studie ebenfalls den Zusammenhang zwischen pathologischen echokardiographischen Befunden und erniedrigten CD4-Zellzahlen [59]. Eine ähnliche Studie von Himmelman et al verglich hospitalisierte mit ambulanten Patienten, wobei die Hospitalisierten eine deutlich erhöhte Prävalenz an kardialen Manifestationen aufwiesen als die Ambulanten [50] Auch im Vergleich der Begleiterkrankungen, die als Verursacher der kardialen Manifestation in Betracht kommen, wird die Wirkung der HAART deutlich. Traten in der Prä-HAART-Ära noch eine große Anzahl an HIVassoziierten Begleiterkrankungen auf, war dies in der HAART-Ära praktisch nicht mehr der Fall. Dilatative Kardiomyopathie In der vorliegenden Arbeit kam es bei den Patienten der Prä-HAART-Ära bei insgesamt 5 Patienten (2,5 %) zu einer dilatativen Kardiomyopathie, in der HAART-Ära bei 3 Patienten (1,5 %). Dieser Unterschied war nicht signifikant. Da die dilatative Kardiomyopathie mit einer Funktionsstörung und Erweiterung der Herzkammern einhergeht [23], lässt sich eine diffuse linksventrikuläre Hypokinesie oder ein erniedrigtes Fractional Shortening [82] beobachten. Unabhängig von dem zugrunde liegenden Mechanismus wurde in der vorliegenden Arbeit sowohl in der HAART-als auch in der Prä-HAART-Ära nur selten eine HIV-assoziierte DCM gefunden. Die Prävalenz der dilatativen Kardiomyopathie bei HIV-infizierten Patienten wurde in älteren Literaturquellen mit 10-30% angegeben [5, 50, 59]. In den meisten Studien ist 29 die Kardiomyopathie, die vor allem in den fortgeschrittenen Krankheitsstadien der HIV-Erkrankung auftritt, mit einer schlechten Prognose assoziiert [82, 8]. Anderson et al fand bei 52% verstorbener AIDS-Patienten eine fokale milde Myokarditis [5]. In einer Studie von Herskowitz et al konnte gezeigt werden, dass schwerwiegende symptaomatische Herzversagen einhergingen mit erniedrigten CD4-Zellzahlen, Myokarditis und einer persistenten Erhöhung von myokardialen Auto-Antikörpern [49]. Lipshultz et al. beschreiben in den späten Stadien der HIV-Infektion eine dilatative Kardiomyopathie, einhergehend mit reduzierten CD4-Zellzahlen [66]. Dabei zeigten sich in den Pathologie-Befunden endokardiale Fibrosen, murale Thromben, Myozytenhypertrophien sowie auch –degenerationen, oft mit Hinweisen einer vorher stattgehabten Myokarditis. Dabei blieb jedoch unklar, ob die Kardiomyopathie direkt mit der Anwesenheit des Virus korreliert, oder durch eine vorher stattgehabte Myokarditis getriggert wird. Als Auslöser der Myokarditis werden opportunistische und nicht-opportunistische Erreger diskutiert [99, 77], auch das HI-Virus selbst kommt in Frage [32]. Fiala et al vermuten eine myokardiale Schädigung über gp120 sowie zytokinbedingte Apoptose. Auch Barbaro et al konnten zeigen, dass Zytokine in der HIV-assoziierten kardialen Myopathie eine Rolle spielen könnten. So waren die Myokarditis und die dilatative Kardiomyopathie mit einer erhöhten Zytokin-Produktion assoziiert [9]. In einer Untersuchung von Barbaro et al [8] hatten von 952 asymptomatischen HIV-Patienten 76 (8%) eine dilatative Kardiomyopahtie, wovon wiederum 63 (83%) in der Myokardbiopsie eine Myokarditis aufwiesen. Vor der HAART-Ära lag die Inzidenz der DCM bzw. der Myokarditis bei 15.9 von 1000 [11].Das HI-Virus konnte bei 36 (57%) Patienten nachgewiesen werden. Begleitend fand sich häufig eine Co-Infektion mit Coxsackie-, Epstein-Barr- und Cytomegalieviren. Einige Autoren wiesen das HI-Virus in Myokardbiopsien nach [16, 18, 37, 42, 65, 86]. Die Pathologie der HIV-assoziierten Myokarditis und DCM ist bis heute nicht geklärt. Da Myozyten keinen CD4-Rezeptor besitzen, kann somit der übliche Andock- und Eintrittsmechnisumus nicht stattfinden. Über den genauen Eintrittsmechanismus des Virus herrscht derzeit Unklarheit [22]. Neben dem HI-Virus und kardiotoxischen Viren wurden auch Herzspezifische Autoantikörper (anti-alpha Myosin Autoantikörper) bei 30% der Patienten mit HIVassoziierter Kardiomyopathie gefunden [21]. Hier kann gemutmasst werden, dass kardiale Autoantikörper in der Pathogenese der HIV-assoziierten Kardiomyopathie eine 30 Rolle spielen. Eine nichtinflammatorische Nekrose kann als Folge der Zytokindysregulation angesehen werden. Hier scheinen TNFalpha und Katecholamine eine Rolle zu spielen [34, 49, 75] Auch mangelnde Ernährungszustände [53] und kardiotoxische Medikamente wie Pentamidin und Doxorubicin sowie immunvermittelte Phänomene kommen als Ursache der Kardiomyopathie in Betracht [74]. Enährungsdefizite, wie sie unter der HIV-Infektion durch Malabsorption oder Diarrhoen mit einhergehendem Mangel an Spurenelementen vorkommen, können, unabhängig von HAART, zu ventrikulären Funktionsstörungen führen [69]. In einigen Fällen war die dilatative Kardiomyopathie unter Supplementation von Selenium rückläufig. Einige retrovirale Substanzen wie Zidovudin werden selber als MitVerursacher einer Kardiomyopathie angesehen. So deutet eine Studie an Mäusen darauf hin, dass Zidovudin eine diffuse Destruktion von kardialen Mitochondrien bewirkt [60]. Als Folge kommt es aufgrund der mitochondrialen Dysfunktion zu Laktatazidosen mit weiteren Funktionsstörungen der kardialen diskutieren diesen Zusammenhang, in Myozyten. Verschiedene Autoren einer anderen Studie wurde dieser Zusammenhang jedoch widerlegt. Dieser Effekt konnte bei anderen NRTIs wie Didanosin und Zalcitabin nicht nachgewiesen werden [64, 9]. Perikarderguss In unserer Arbeit kam es in der Prä-HAART-Gruppe bei 39 Patienten (19,3%) zu einem Perikarderguss, in der HAART-Gruppe war lediglich ein Patient (0,5 %) betroffen. Diese Entität war somit die entscheidende Determinante für eine kardiale Beteiligung in unserer Studie und wies zugleich eine eindeutige, inverse Korrelation mit der HAART auf. In echokardiographischen Studien aus der Prä-HAART -Ära wurde eine Beteiligung des Perikards zwischen 10 bis 59% beschrieben, wobei der HIV-assoziierte Perikarderguss die häufigste Frequenz aufwies. Bei asymptomatischen AIDS-Patienten wurde eine Prävalenz von Perikardergüssen vor der HAART-Ära von 11% angegeben [45]. Heidenreich et al fanden zumeist asymptomatische Perikardergüsse, die keine hämodynamischen Konsequenzen hatten. Dennoch ist das Vohandensein ein Prädiktor für ein fortgeschrittenes Krankheitsstadium. In schwerwiegenden Verlaufsformen kann es dabei zu einer Herzbeuteltambonade kommen. Neoplasien wie das Kaposi-Sarkom oder Lymphome können causal Perikardergüsse hervorrufen. In einer prospektiven 31 klinischen echokardiographischen Studie von Silva-Cardoso et al an 181 Patienten hatten 41% einen asymptomatischen Perikarderguss, bei 13% war der Erguss mittelgradig bis schwerwiegend und ein Patient (0,55%) hatte eine akute Perikarditis [89]. Die Patienten zählten noch zur Prä-HAART -Ära. Darüber hinaus sind opportunistische Infektionen die häufigsten Ursachen eines HIVassoziierten Perikardergusses( Herpes Virus, Coxsackie Virus, Cytomegalie Virus, Nocardia, Toxoplasmen, Staphylococcus Aureus, Mycobacterium tuberkulosis, Mycobakterium kansasii, Mykobakterium avium-intracellulare, Epstein-Barr Virus, Chlamydien, Cryptokokken, Histoplasmen, Listerien). Bei einem Perikarderguss unklarer Genese ist eine HIV-Infektion auszuschließen [58]. Differentialdiagnostisch ist immer auch an eine Urämie, Radiatio, Trauma und Medikamente als nicht HIVassoziierte Ursache des Perikardergusses zu denken. In der echokardiographischen Diagnostik des Perikardergusses ist zu berücksichtigen, dass unter der Kombinationstherapie mit Proteaseinhibitoren eine perikardiale Lipodystrophie einen Perikarderguss vortäuschen kann [72]. HAART und Herzinfarktrisiko Neue Studien weisen auf eine erhöhte Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse unter HAART hin: So sind in den letzten Jahren auch die kardiovaskulären Folgen der HIV-Infektion unter der HAART in den Fokus gerückt [79].Im Zusamenhang mit den durch die verbesserte Therapie stehenden Überlebenszeiten offenbart sich zunehmend eine kardiovaskuläre Beteiligung bei HIV-Positiven [28].In einer retrospektiven Studie (Frankfurt HIVKohorten-Studie) von Rickerts et al zeigte sich eine 4fache Zunahme der Inzidenz pro Jahr für Myokardinfarkte bei HIV-Patienten nach Einführung der HAART [83] Als Nebenwirkung der HAART kann es zu Fettumverteilung in Form des Lipodystrophiesyndroms kommen. Auch das metabolische Syndrom mit ansteigenden Blutfettwerten (Triglyceride, Cholesterin) und einer Insulinresistenz scheint diese Entwicklung zu beeinflussen [79, 57, 78]. Vor allem die Proteaseinhibitoren scheinen ursächlich für einen gestörten Fett- und Glucosestoffwechsel zu sein [41]. Der Einfluss der HAART auf das Atherosklerose-Risiko war jedoch nicht Gegenstand dieser Untersuchung. 32 Neoplasien Eine weitere kardiale Manifestation, die in unserer Studie nicht untersucht wurde, dennoch Erwähnung finden sollte, sind kardiale Neoplasien. Zu den kardialen Neoplasien unter der HIV-Infektion gehören das Kaposi-Sarkom und maligne Lymphome [46, 47, 92, 100]. In Autopsien variierte das Vorkommen von KaposiSarkomen, die das Herz betreffen zwischen 12 % und 28 % [62, 90]. Der zweithäufigste Tumor, der das Herz betrifft ist das maligne Non-Hodgkin-Lymphom, meist von den BZellen ausgehend. Gewöhnlich haben die Patienten keine spezifischen Symptome, es kann aber zu einer raschen Progression mit Perikarderguss, Arrhythmien oder Herzbeuteltamponade und Herzversagen kommen [1]. Die Prognose ist äußerst schlecht, nur selten konnte unter Chemotherapie eine Remission beobachtet werden [28]. Überleben Bei den Überlebensraten zeigt sich in unserer Studie seit der HAART ein deutlicher Überlebensvorteil. Starben in der Prä-HAART - Ära in einem Beobachtungszeitraum von 24 Monaten noch nahezu die Hälfte der Patienten, so waren es in der HAART-Ära nur noch 3,9% (8). In einer Studie von Barbaro et al gab es bei linksventrikulärer Dysfunktion ein medianes Überleben bei AIDS-assoziierter Todesursache von101 Tage versus 472 mit normalem Echokardiogramm zum ähnlichen Zeitpunkt des Infektionsstadiums [10]. Nach Felker et al ist gerade die Kombination HIV und dilatative Kardiomyopathie im Vergleich zu einer DCM (dilatative Cardiomyopathie) anderer Genese mit der schlechteren Prognose assoziiert [31]. In einigen Studien steigen mit den Fortschritten in der HIV-Therapie und verlängerten Überlebensraten auch die kardialen Komplikationen. Insbesondere HIV-positive Patienten mit aktivem intravenösem Drogenkonsum oder mit fortgeschrittenem Krankheitsstadium tragen ein erhöhtes Risiko für kardiale Manifestationen [38]. Nach Schätzungen von Lewis et al variiert die Prävalenz zwischen 28 und 73% [63]. Als Ursache wird einerseits eine verlängerte Exposition des HI-Virus mit einhergehenden Co-Infektionen und auf der anderen Seite die Nebenwirkungen der HAART vermutet. Durch die verbesserte Therapie kommen mehr Patienten mittleren Alters in die Lebensstadien, in denen ohnehin schon ein größeres Risiko für kardiale Erkrankungen wächst bzw. besteht. 33 Obgleich HIV-assoziierte kardiale Erkrankungen unter HAART in der vorliegenden Arbeit nur noch selten zu finden waren, so bleibt festzuhalten, dass HAART die HIVErkrankung mit möglichen Begleiterkrankungen zu einer chronischen Erkrankung macht, die insbesondere kardiovaskuläre Nebenwirkungen hervorrufen kann. Zudem besteht ein chronischer Entzündungsreiz, der allein aufgrund der anhaltenden Dauer der Erkrankung mutmaßlich andere Organsysteme-wie auch das Herz- mit einbezieht. Somit besteht bei chronischer HIV-Erkrankung nach Neumann et al auch heute noch ein Risiko von 5%-15%, eine kardiale Manifestation zu erleiden [73] 34 5 Zusammenfassung Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) auf kardiale Manifestationen der HIV-Infektion untersucht. Nachdem HIV-assoziierte Herzerkrankungen in den 80er Jahren eine häufige Komplikation der HIV-Infektion mit schlechter Prognose darstellten, hat sich die Überlebensrate von HIV-infizierten Personen durch Einführung der HAART wesentlich verbessert. Ziel der Arbeit war es, die Inzidenz kardialer Manifestationen der HIV-Infektion während der Prä-HAART- und HAART-Ära und Ihren Einfluss auf die Prognose vergleichend zu untersuchen. Insgesamt wurden 404 HIV-infizierte Patienten eingeschlossen, die in zwei Gruppen unterteilt wurden: Patienten der Prä-HAART-Ära (1986 -1991) und Patienten der HAART-Ära (März 2004 – November 2005). Alle Patienten wurden eingehend mittels Echokardiographie untersucht. Insbesondere wurden das Vorhandensein eines Perikardergusses, einer linksventrikulären Dilatation (LVEDD >55mm) und einer eingeschränkten linksventrikulären Pumpfunktion (Fractional Shortening < 25%) erfasst. Zudem wurden laborchemische Tests über den Immunstatus durchgeführt, Begleiterkrankungen erfasst und die kumulativen Überlebensraten ermittelt. Erwartungsgemäß lag bei Patienten der HAART-Ära die mediane CD4-Zellzahl mit 410/µl signifikant höher als bei Patienten der Prä-HAART-Ära mit 175/µl (p<0,05). Eine HIV-assoziierte kardiale Erkrankung (Perikarderguss, linksventrikuläre Dilatation, systolische Dysfunktion) fand sich in der Prä-HAART-Ära bei 19,8% der Patienten (40/202), während HIV-assoziierte kardiale Erkrankungen in der HAART-Ära mit 1,5% (3/202) eine Rarität darstellten (p<0,05). Sowohl in der Prä-HAART- als auch in der HAART-Ära lag die CD4-Zellzahl bei Patienten mit kardialer Manifestation mit 73/µl bzw. 290/µl deutlich unter der medianen CD4-Zellzahl des jeweiligen Gesamtkollektivs. Zudem befanden sich 70% (Prä-HAART-Ära) bzw. 100% (HAARTÄra) der Patienten mit kardialer Manifestation im CDC-Stadium C. Während aus dem Gesamtkollektiv der Prä-HAART-Ära innerhalb eines Beobachtungszeitraums von 24 Monaten 39% der Patienten (80/202) verstorben waren, betrug die Gesamtmortalität nach 24 Monaten in der HAART-Ära lediglich 3,9% (8/202). In der Prä-HAART-Ära zeigte sich eine deutliche Abhängigkeit der Letalität vom Vorhandensein kardialer Manifestationen der HIV-Infektion, während diese in der HAART-Ära nicht für die Gesamtsterblichkeit relevant waren. 35 Zusammenfassend zeigt die vorliegende Arbeit, dass HIV-assoziierte kardiale Erkrankungen, deren Auftreten mit dem Immunstatus und dem Stadium der HIVInfektion korreliert, in der HAART-Ära nur noch eine Rarität darstellen, während sie vor Einführung der HAART als schwerwiegende Komplikationen zu betrachten waren, die mit einer schlechten Prognose assoziiert waren. 36 7 Literaturverzeichnis 1. Aboulafia DM, Bush R, Picozzi VJ. Cardiac tamponade due to primary pericardial lymphoma in a patient with AIDS. Chest 1994;106-4:1295-9. 2. Acierno LJ. Cardiac complications in acquired immunodeficiency syndrome (AIDS): a review. J Am Coll Cardiol 1989;13-5:1144-54. 3. Aids-Hilfe. (2004a)Behandlung gegen HIV. 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