Antibiotikatherapie in der Zahnmedizin Wolfgang Pfister und Bettina Löffler Institut für Medizinische Mikrobiologie Universitätsklinikum Jena Wintersemester 2016/17 Entdeckung der ersten breit eingesetzten antimikrobiellen Chemotherapeutika 1928 entdeckt Alexander Fleming (1881 - 1955) die Wirkung des Penicillins. 1941 kommt es zur ersten klinischen Anwendung. Abb. rechts: Gerhard Domagk (1895 - 1964) entwickelt 1935 das erste Sulfonamid (Prontosil®) in den Bayer-Werken in Wuppertal-Elberfeld Nobelpreis 1945 für die Entdeckung und Reindarstellung des Penicillins Vielen Dank für Angriffspunkte der Antibiotika bei Bakterien Vielen Dank für Zellwanddefekte eines Bakteriums durch Penicillin Vielen Dank für Wechselbeziehungen bei antimikrobieller Chemotherapie Vielen Dank für Faktoren, die die Wirksamkeit eines Antibiotikums beeinflussen • Wirkungsspektrum und Resistenzentwicklung antibakterielle Wirkung andere - immunmodulatorische Wirkungen • pharmakodynamische und –kinetische Parameter • Art und Lokalisation der Infektion • Biologische Verhältnisse am Infektionsort • Immunstatus des Patienten Immunmodulatorische Wirkungen bei Antibiotika • Beispiel Clindamycin: Anreicherung von Clindamycin in PMNL und Makrophagen Migrationsfähigkeit Phagozytoserate • Beispiel Doxycyclin-Hyclat: subinhibitorische Dosen hemmen die Aktivierung zellständiger Matrix-Metall-Proteinasen Resistenz • Natürliche Resistenz (Grundlage für Wirkspektrum eines AB) • Erworbene Resistenz Chromosomenmutation - Selektion resistenter Bakterien Übertragbare Resistenz Aufnahme von DNA durch Transformation Transduktion Konjugation (Resistenzplasmide) Mechanismen genetischer Änderungen in Bakterien Vielen Dank für Resistenzmechanismen 1. Inaktivierende Enzyme: z.B. Betalaktamasen spalten Betalaktamring von Betalaktamantibiotika; deshalb Betalaktamaseinhibitoren (Clavulansäure) 2. Veränderte Zielmoleküle: Tetrazykline, Lincosamide, Fluorchinolone 3. Veränderte Permeabilität der Zellwand: Tetrazykline 4. Verstärkte Ausschleusung aus Zelle (Effluxpumpen): Tetrazykline 5. Alternative Stoffwechselwege: Folsäureantagonisten Entwicklung resistenter Mutanten während einer Antibiotika-Therapie Vielen Dank für Resistenzbestimmung 1. Dilutionsteste 2. Etest 3. Agardiffusionstest 4. Nachweis von Resistenzgenen Resistenzbestimmung Agardiffusionstest Resistenzbestimmung Agardilution Wachstumskontrolle Mit Zusatz von Antibiotikum E-Test zur Resistenzbestimmung bei Anaerobiern Resistenzbestimmung von P. gingivalis gegen Moxifloxacin Nachweis von Resistenzgenen (z.B. tet-Gen) durch PCR Antibiotika in der Zahnmedizin Betalaktamantibiotika Penicillin Amoxicillin, Ampicillin Amoxicillin/Clavulansäure Lincosamide Clindamycin Tetracycline Doxycyclin, Minocyclin Nitroimidazole Metronidazol Fluorchinolone Ciprofloxacin, Moxifloxacin Betalaktamantibiotika Penicillin, Amoxicillin, Ampicillin, Amoxicillin/Clavulansäure Wirkspektrum: grampositive Bakterien (Streptokokken, Staphylokokken, Aktinomyzeten), anaerobe Bakterien Amoxicillin: Erweiterung des Spektrums auf gramnegative Bakterien (Enterobakterien), Standard-AB zur Endokarditisprophylaxe NW: echte Allergie (1-10%), pseudoallergische Reaktionen, Durchfälle Amoxicillin OH CH O H C N S NH2 N O Clavulansäure H H O C H H N O CH2OH COOH H CH3 CH3 COOH Clindamycin CH3 CH3 HC N C C5H7 O Cl NH CH OH O OH S-CH3 CH2Cl Lincosamide Clindamycin Wirkspektrum: grampositive Bakterien (Streptokokken, Staphylokokken, Aktinomyzeten), anaerobe Bakterien gute Knochengängigkeit!, Erhöhung der Granulozytenmigration und Förderung der Phagozytose Alternative zur Endokarditisprophylaxe bei Peni-Allergie NW: Durchfälle (5-20%) gefürchtet ist die pseudomembranöse Enterokolitis (Selektion von Clostridium difficile, Bildung eines Enterotoxins blutige Durchfälle, erforden wiederum ABTherapie (Metronidazol, Vancomycin) Tetracycline OH O OH O OH O C NH2 OH H CH3 OH H H N CH3 CH3 Tetracycline Doxycyclin, (Minocyclin lokal) Wirkspektrum: grampositive Bakterien und gramnegative Bakterien mikroaerophile und kapnophile Bakterien (Eikenella, Aggregatibacter, Campylobacter), auch anaerobe Bakterien (Resistenzentwicklung) NW: gastrointestinale Störungen (Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle), Photodermatosen, bilden mit Calcium Chelate Ablagerungen von Tetra-Ca-OrthophosphatChelaten in Knochenwachstumszonen und Zahnschmelz beeinträchtigen Wachstum und führen zur Gelbverfärbung der Zähne mit erhöhter Kariesanfälligkeit Cave! Gravidität, Kinder bis zum 8.(12.) Lebensjahr Periostat 20 mg Kapsel • Doxycyclin-Hyclat , Einnahme 2 x d • genehmigt durch die United States Food & Drug Administration als wirtsmodulierendes Medikament zur adjunktiven Therapie bei Parodontitis (1997) • Wirkungsweise: Hemmung der Matrix-Metall-Proteinasen • 9-Monate-Ergebnisse: • Bei TT 4 - 6 mm wurden signifikant mehr Taschen nach 3, 6, und 9 Monaten um 2 bzw. um 3 mm reduziert als bei SRP allein. • Bei TT > 7 mm wurden signifikant mehr Taschen auf TT 5 mm reduziert als bei SRP allein Nitroimidazole Metronidazol Wirkspektrum: streng anaerobe Bakterien (Resistenzentwicklung bei intestinalen Anaerobiern beschrieben, noch nicht so stark bei oralen Anaerobiern) NW: Die Möglichkeit mutagener und kanzerogener Wirkung ist prinzipiell gegeben, beim Menschen allerdings noch nicht nachgewiesen, trotzdem nicht in Frühschwangerschaft und Stillperiode anwenden Metronidazol CH2CH2OH N O3N CH3 N Chinolone Ciprofloxacin, Moxifloxacin Wirkspektrum: vor allem gramnegative aerobe Bakterien (bei Moxi. auch grampositive und anaerobe Bakterien) NW: gastrointestinale Beschwerden (ca. 15%), Allergien, psychische Störungen (Unruhe, Schlafstörungen, psychotische Zustände), Verlängerung der QT-Zeit im EKG, bei Tieren Störung des Knorpelwachstums (deshalb bis jetzt nicht bei Kindern vor Abschluss des Längenwachstums eingesetzt), Leberschädigungen bei Moxifloxacin Indikationen für Antibiotikatherapie in der Zahnmedizin 1. Progresssive Formen der Parodontitis • nach Initialtherapie • wenn klinischer Erfolg der Initialtherapie unzureichend 2. Odontogene Infektionen mit Weichteilbeteiligung • immunsupprimierte Patienten • Ausbreitung der Infektion mit system. Beeinträchtigung 3. Spezielle Fragestellungen • Sinusperforation • replantierter Zahn • Osteomyelitis => Kieferchirurg • Dentitio difficilis mit Allgemeinerscheinungen • Periimplantitis Systemische Antibiotikatherapie bei Parodontitis Alle parodontalen Taschen und andere bakteriellen Nischen in der Mundhöhle werden erreicht. Deshalb ist systemische Gabe besonders bei den generalisierten Formen der Parodontitis angezeigt. Es ist meist sinnvoll, die Antibiotikatherapie durch eine zeitgleich durchgeführte supragingivale antiseptische Therapie (Chlorhexidindigluconat) zu unterstützen. Lokale Antibiotikaanwendung bei Parodontitis • sehr hohe Konzentrationen am Wirkungsort • keine Wirkung auf Mikroorganismen an anderen Stellen des Körpers => weniger Resistenzen • sehr sinnvoll bei Periimplantitis • u.U. auch zur Behandlung einzelner Resttaschen Präparate 1. Minocyclinhydrochlorid, Microspheres (Pulver) 1mg je Einzeldosis (Arestin®) 2. 14%iges Doxycyclin-Gel (Ligosan Slow Release®) 0,1 – 0,2%ige Chlorhexidinlösungen oder Periochip® (2,5 mg Chlorhexidingluconat) zur Plaquereduktion Ligosan Slow Release®