Schmitte Boniswil - Fit für die nächsten 20 Jahre Nutzungskonzept - Aktenauflage Gemeindeversammlung 28. Oktober 2016 / Thomas B. Frei Zusammenfassung Nach dem Entscheid des Souveräns, die Schmitte Boniswil nicht aus dem Substanzschutz zu entlassen, ist es dem Gemeinderat ein Anliegen, das Gebäude zu pflegen und einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Das Gebäude wurde 1865 erbaut und von mehreren Schmiedemeistern genutzt. Die im Laufe der Zeit veränderte und „modernisierte“ Inneneinrichtung legt nahe, dass nebst den klassischen Schmiedearbeiten, Schlosser- und auch Wagnerarbeiten ausgeführt wurden. Das circa 150jährige Gebäude ist für Boniswil ein wichtiges baugeschichtliches Zeugnis aus der Zeit der Mechanisierung und Frühindustrialisierung und lässt verschiedenste Rückschlüsse auf die Dorfstruktur der jüngsten Vergangenheit zu. Das vorliegende Konzept sieht vor, die Originaleinrichtung der Schmitte mit den Veränderungen des 20. Jahrhunderts zu erhalten und hinter Glas, quasi in einer raumgrossen Vitrine, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vor der Vitrinenwand könnten zwei Bänke eingebaut werden und den Buspassagieren als witterungsgeschützte Wartehalle zur Verfügung stehen. Ein einfache Videoüberwachung garantiert die Sicherheit. 1. Ausgangslage An der Gemeindeversammlung vom 2. Dezember 2015 hat die Bevölkerung von Boniswil beschlossen, die Schmitte Boniswil nicht aus dem Substanzschutz zu entlassen. Dies entgegen dem Vorschlag von Gemeinderat und Planungskommission Revision BNO. Der Gemeinderat akzeptiert selbstverständlich diesen Beschluss des Souveräns und schlägt vor, die Schmitte einer kleinen Renovation zu unterziehen und der Bevölkerung zugänglich zu machen. Zu diesem Zweck hat er Thomas Frei, frei - kultur & mehr im April 2016 beauftragt, eine Nutzungsstudie zu verfassen. 2. Kurzer Abriss zur Geschichte der Schmitte 2.1. Bau und Nutzung Die Erben Johannes Humbel, alt Seckelmeisters bauten 1865 die Schmitte an der Seengerstrasse auf der Höhe der Einmündung Mättlistrasse. Johannes Humbel junior absolvierte eine Lehre als Schmied in Reinach und betrieb danach die Dorfschmiede. In der Folge wurde das Gebäude weder umgebaut noch vergrössert. In den Nachbardörfern Seengen und Hallwil bestehen oder bestanden ebenfalls Dorfschmieden ähnlicher Grösse. Es kann davon ausgegangen werden, dass Schmied Humbel praktisch ausschliesslich Kundschaft aus dem Dorf bediente. Hans Humbel arbeitete in vierter Generation in der Schmitte bis in die 1970er Jahre. Nach Durchsicht der vorhandenen Werkstatteinrichtungen und Werkzeuge, kann davon Th. Frei: Schmitte Boniswil Seite 1 von 6 ausgegangen werden, dass er nicht ausschliesslich Schmiedearbeiten verrichtet. Eine Kreissäge mit grossem Tisch (zum Sägen von Brettern und Balken) an der Aussenmauer, Drehbank und Biegewerkzeug sowie Wagner-Werkzeuge lassen darauf schliessen, dass er in allen Bereichen der Metallbearbeitung tätig und seine Kundschaft entsprechend breitgefächert war. Er hat auch für andere Betriebe (z.Bsp. Hans Lühti, Metallbau) in Boniswil Halbfertigprodukte hergestellt. Zudem soll er für den Saalbau Klappstühle hergestellt haben. Im Laufe der Zeit ist die Schmitte mit einer Transmissionsanlage mit Elektromotor ausgestattet worden. Durch Umhängen der Riemen konnten alle Maschinen (Kreissäge im Freien bis Schleifstein im OG) mechanisch betrieben werden. Diese Anlage ist praktisch vollständig erhalten. Mit wenig Aufwand kann sie zu Schauzwecken wieder in Betrieb genommen werden. In jüngster Zeit hat der Hufschmied Marcel Meier die Schmitte kurz benutzt. Dabei wurde ein neuer Kaminhut über der Esse eingebaut. Wegen Platzmangel und zu schlechten klimatischen Bedingungen (zu kalt, zu feucht) hat er die Werkstatt wieder aufgegeben. 1990 erwarb die Gemeinde Boniswil für CHF 40’000.—- die Schmitte. Einen Beitrag aus dem Swisslosfonds von CHF 15’000 wies der Gemeinderat zurück, weil daran die Bedingung geknüpft war, die Schmitte unter Denkmalschutz zu stellen. In den Folge unternahm der Gemeinderat und Private mehrere Versuche die Schmitte in Stand zu stellen und mit einer Mischung aus Schauschmiede und Gewerbebetrieb zu beleben. Aufgrund der veranschlagten hohen Kosten, der unsicheren personellen Besetzung des Schmiedes und der Unsicherheiten bezüglich Verkehrsführung im Bereich Seengerstrasse / Mättelistrasse sind alle Vorhaben nicht weiterverfolgt worden. 2.2. Zustand Juni 2016 Die Bausubstanz ist grundsätzlich in Ordnung und stabil. Das Dach ist in den 1980er Jahren saniert worden. Das Mauerwerk ist in gutem Zustand. An vielen Stellen fehlt der Verputz oder er ist lose. Im Innern ist die Luftfeuchtigkeit sehr hoch. Zur Zeit ist die Schmitte verlassen. Die Fester im Erdgeschoss sind zugenagelt. EG und OG, sowie die Werkzeuge und Maschinen sind stark verschmutzt und teilweise stark korrodiert. Das Bauamt Boniswil nutzt die Schmitte als Lagerraum (Sandsäcke, ausgediente Büromöbel, Stampfmaschine, Rohre…) Zu den Details Aussen: Ziegel-Dach ok, saniert in den 1980er Jahren, Fenster mit Brettern vernagelt, Verputz an vielen Stellen lose und marode, Vordach aus Blech rostig, verbogen und visuell unbefriedigend, Säge mit Klapptisch rostig EG: ein Raum, Grundriss cirka 8 x 5 Meter, Eingangstüre morsch, sieben Fenster, Lehmboden gestampft; ganzer Raum feucht, schmutzig Inventar EG: - Lagerraum Bauamt (Büromöbel, Sandsäcke, Stampfer, Rohre….) - sehr schöner, grosser Amboss, Esse mit moderner Haube - Transmission mit Elektromotor Riemen - Werkbank mit Lagermöbel und Gestellen - Bohrmaschine, Blechschere, Drehbank, Schleifmaschine - circa 50 Stück Schmiede-Werkzeug mit Rost und Patina - diverse Halbfertigprodukte (Brieden, Deichselteile…) Treppe vom EG ins OG: Blockstufen steil, baufälllig, nicht publikumsfähig OG: Grundriss cirka 8 x 5 Meter, drei Fenster, Dachschräge nicht begehbar; Holzboden intakt aber nicht publikumsfähig, Einfachdach ohne Schindeln Th. Frei: Schmitte Boniswil Seite 2 von 6 Inventar OG: - diverse Gestelle und Kleinmöbel, mit Nägel, Schrauben u.ä. - Sauerstoffflasche gefüllt - Druckflasche mit verschraubtem Deckel und Ventilen: Karbidgasanlage zur Herstellung von Azetylengas, Flasche mit Rostlöchern - Schleifstein mechanisch, defekt - wenig Flachstahl und Rundeisen 3. Restaurierung / Konservierung / künftige Nutzungen Die Schmitte Boniswil ist somit ein beredtes Beispiel für die Mechanisierung und Frühindustrialisierung ursprünglicher Handwerksbetriebe. Zudem zeigt sie ein frühes und offensichtlich erfolgreiches Beispiel von Diversifizierung. Zusammen mit der alten Bausubstanz und den Geschichten, die sich dazu erzählen lassen, macht die Erhaltung der Schmitte aus lokalhistorischer Perspektive durchaus Sinn. Für einen Museumsbetrieb im klassischen Stil ist die Schmitte jedoch nicht geeignet. Wenn die Einrichtung im EG im hergebrachten Zustand erhalten werden soll und allenfalls ein Schmied am Arbeiten wäre, bleibt für das Publikum kein Platz. Ohne eine neue Aussentreppe, wäre das OG nicht sicher zugänglich zu machen. Auch das OG mit seinen rund 20 m2 begehbarer Fläche ist nicht sinnvoll als Wechselausstellungsraum zu gebrauchen. 3.1. Künftige Nutzung Mit vertretbarem Aufwand liesse sich folgende Nutzung realisieren: 1) Rund 3/4 des Raumes mit Amboss, Esse und Transmissionsanlage werden durch eine Glaswand abgetrennt. Das Publikum tritt durch die bestehende Türe in einen Vorraum und kann durch die Glaswand eine intakte, vollständig ausgerüstete Schmiede betrachten. Die Glaswand dient als Informationsträger und vermittelt die Geschichte der Schmitte und ihrer Betreiber in Wort und Bild. Per Knopfdruck könnten kurzzeitig, mit einer Zeitschaltuhr, Transmissionsanlage, Spotbeleuchtung und Audioinstallationen in Betrieb genommen werden. Die Ausstellung ist während der üblichen Öffnungszeiten nicht betreut. Die Betriebskosten können dadurch minimiert werden. Durch eine Servicetüre in der Glaswand, kann die Schmitte betreten werden (Unterhalt, Reinigung, Spezialführungen mit wenig Personen). 2) optional: Im Vorraum (ab Eingang cirka 2 Meter) könnten links und rechts zwei Bänke platziert werden und den Buspassagieren der Haltestelle „Alte Schmiede“ einen geschützten Warteraum bieten. Über einen Druckknopf wird an der Aussenseite für den Buschauffeur ein kleines Signal aktiviert und das „Halt auf Verlangen“ eingeleitet. Um die Sicherheit und Sauberkeit von Warteraum und Ausstellung zu sichern, wird eine einfache Video-Überwachung mit 48 Stunden-Aufzeichnung installiert. Bei einem Vorkommnis hilft die Aufzeichnung, die allfälligen Täter zu identifizieren. 3.2. Massnahmen Für die Instandstellung des Ausstellungsraumes sind folgenden Massnahmen nötig a) b) c) d) Restaurierung oder Totalersatz der Fenster im EG, allenfalls mit Einbruchsicherung Eingangstüre restaurieren oder ersetzen Totalreinigung der Innenräume mit Bürste, Schleifpapier und Industriesauger tünchen der Wände innen mit Sumpfkalk Th. Frei: Schmitte Boniswil Seite 3 von 6 e) Reinigung und Konservierung aller Maschinen, Werkbänke und Werkzeuge f) optional: Funktionstüchtigkeit der Transmissionsanlage wiederherstellen g) Ergänzung der Ausstellung, insbesondere Schmiede-Werkzeuge aus Beständen des Vereins IG Hansjakob Suter Sammlung (Exponenten des Vereins haben die Bereitschaft dazu signalisiert) h) Einziehen einer Glaswand (Sicherheitsglas in Metallrahmen) mit Servicetüre i) Ausstellungsbeschriftung auf der Glaswand, Ausstellungsbeleuchtung, Szenografie (z.Bsp. bewegliche Pappfigur eines Schmiedes, Glut in der Esse), j) optional: Audio-Installation mit Knopf zum Auslösen (Arbeitsgeräusche, Erläuterungen…) k) Innentreppe richten und Handlauf montieren l) Videoüberwachung bei permanenter Öffnung Für den Vorraum und Warteraum Bushaltestelle a) b) c) d) e) Bänke Beleuchtung Halteknopf Abfalleimer Videoüberwachung mit Aufzeichnung gemäss Datenschutzgesetz Aussenbereich: f) g) h) i) j) optinal: Blechdach durch ein kleineres Glasdach ersetzen Verputz ausbessern, Neuanstrich Säge teilweise entrosten, reinigen, ölen kleine Beschriftungstafel aussen optional: Vorplatz planieren, frisch einkiesen 4. Umsetzung und Betrieb Nach der Bewilligung des Kredites durch die Gemeindeversammlung wird im Rahmen eines Freiwilligen-Programms (FW-Programm) unter Aufsicht und Mithilfe von Fachleuten die Schmitte so wieder hergerichtet, dass Ausstellung und Warteraum innerhalb eines Jahres realisiert werden können. Insbesondere für die zeitaufwendigen Reinigungsarbeiten wird ein befristetes FW Programm auf die Beine gestellt. Nach einem Aufruf in der Bevölkerung werden die FW mittels einer einfachen Vereinbarung (grobe Regelung der Arbeitseinsätze, Versicherung, Unterstützung…) zum Arbeiten in der Schmitte „angestellt“. Die FW werden von einem Freiwilligen-Manager betreut: Ansetzen der Arbeitszeiten, Raumsuche, Organisation der Arbeitswerkzeuge, Reinigungsmaterialien und Verbrauchsmaterialien, einfache Verpflegung während der Arbeitszeiten, Pflege der Kameradschaft… Exponenten des Vereins IG Hansjakob Suter stehen dem Vorhaben positiv gegenüber. Zwei Fachleute haben bereits ihre Unterstützung zugesagt. Denkbar wäre auch eine Einbeziehung von Asylsuchenden im Rahmen eines Integrationsprojektes. Fachleute begleiten und beraten die FW bei ihren Arbeiten gegen Entgelt soweit nötig. Für eindeutige Facharbeiten werden ebenfalls Fachpersonen verpflichtet und gemäss Aufwand entschädigt. Die zuletzt genannten Arbeiten werden vom Gemeinderat vergeben. Th. Frei: Schmitte Boniswil Seite 4 von 6 5. Grobkostenschätzung Der vorliegende Bericht stützt sich für die Grobkostenschätzung auf frühere Schätzung. Für die Glaswand und die Maurerarbeiten aussen liegen konkrete Offerten vor. Restaurierung oder Ersatz 7 Fenster EG Restaurierung oder Ersatz Eingangstüre Ausbesserungen Fassade, Malerarbeiten Reinigungsmaterial, Miete Geräte Sumpfkalk innen (Material) Glaswand mit Metallrahmen und Servicetüre Szenografie Grossvitrine, Beschriftungen Sanierung Innentreppe Videoüberwachung Bänke Beleuchtung /Halt auf Verlangen Glas (Ersatz Blechdach) Honorare (Fachberatung, Projektleitung, FW Manager) 7’000 5’000 40’000 5’000 1’000 10’000 7’000 3’000 2’000 2’000 3’000 10’000 5’000 Total Verpflichtungskredit ./. Beitrag Swisslosfonds 100’000 30’000 Total Gemeindebeitrag 70’000 6. Finanzierung Die FW Arbeit generiert nur Materialkosten und einen Betreuungsaufwand. Die gesamte Reinigungsarbeit und Handlangerarbeit für die Unterstützung der Fachleute muss nicht ausfinanziert werden. Bei einem Swisslos Antrag kann aber genau diese Arbeit als Eigenleistung eingerechnet werden. Ein Bauunternehmen aus der Region hat eine kostengünstige Mitarbeit und Arbeitsausführung in Aussicht gestellt. Für das FW Projekt (kulturelles und soziales Projekt in der Gemeinde) und für Sanierung der Schmitte mit Errichtung einer Ausstellung ist die Chance gross, aus dem Swisslos-Fond einen Beitrag in der Grössenordnung von CHF 30’000 bis 40’000 zu bekommen. In der Regel übernimmt der Swisslosfonds die Hälfte der entstehenden Kosten. Der Swisslos Antrag muss vor dem Projektstart eingereicht werden. Der Regierungsrat entscheidet alle drei Monate über die Ausschüttungen (Eingabetermin beachten). Für die von der Gemeinde zu tragenden Kosten sind die gesetzlichen Grundlagen gegeben: Unterhalt der gemeindeeigenen Gebäude und Kulturförderung. 7. Folge- und Betriebskosten An Folge- und Betriebskosten ist, nebst dem ortsüblichen Gebäudeunterhalt mit folgendem Aufwand zu rechnen: Ausstellung: a) Unterhaltsreinigung, technischer Unterhalt (Ersatz Leuchtmittel, Ersatz Audiogeräte) b) optional: Druck eines Flyers / Ausstellungsführer c) optional: Erweiterung Audioinstallation d) keine Kosten für Führungen und Aufsicht; diese können bei Bedarf dem Verursacher verrechnet werden Warteraum / Aussenraum: a) Reinigung Th. Frei: Schmitte Boniswil Seite 5 von 6 b) Unterhalt Videoüberwachung c) Ersatz durch Abnutzung und Vandalenakte 8. Schlussbetrachtung und Link zu den Bildern Mit der vorgeschlagenen Lösung bekäme die Schmitte einen ihr gebührenden Platz im Dorf und wäre ein sehenswertes Zeugnis der jüngeren Dorfgeschichte. Die Schmitte regt an zum Nachdenken über unsere Herkunft und stiftet so Identität. Dennoch wäre der Zustand nicht für alle Ewigkeit zementiert: Museumskonzepte haben ein durchschnittliche Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren. Spätestens bei der übernächsten BNO Revision kann also Nutzung der Schmitte neu überdacht werden. Unter diesem Aspekt sollte auch der investierte Gemeindebeitrag beurteilt werden. Unter dem Link https://goo.gl/photos/zwajzkhhn9HuD1mf7 können Bilder zum Zustand der Schmitte im Frühjahr 2016 abgerufen werden. Im gleichen Ordner finden sich auch die Visualisierungen zu den oben beschriebenen Nutzungsmöglichkeiten. 9. Quellen: - Gemeindearchiv Boniswil: Unterlagen mit Plänen und Grobkostenschätzungen früherer Nutzungsstudien, Protokollauszüge - Nutzungsstudien Verein IG Hansjakob Suter; darin enthalten: Geschichtliche Fakten zur Schmitte und Dorfgeschichte von Daniel Humbel - Mündliche Auskünfte von Marcel Meier, Hans Holliger, Ruedi Holliger, Hans Feldmann und Daniel Humbel Angaben zum Konzept-Verfasser: frei - kultur & mehr Thomas B. Frei, Historiker Kappelen 20 5706 Boniswil www.kulturundmehr.ch [email protected] Boniswil, 28. Oktober 2016 Th. Frei: Schmitte Boniswil Seite 6 von 6