[ A LT E H A U S T I E R R A S S E N ] Thüringer Wald Ziege Toggenburger Ziege Ziegen Die Kuh des kleinen Mannes Nach dem Ersten Weltkrieg wurden in Deutschland noch 4,5 Millionen Ziegen gehalten. Mit dem Aufschwung der Landwirtschaft in den 1950er-Jahren, der gesteigerten Milchproduktion durch Kühe und der zunehmenden Kaufkraft der Verbraucher verlor die Ziegenhaltung jedoch an Bedeutung. Z iegen gehören zu den ältesten Haustieren. Sie wurden vor etwa 10.000 Jahren domestiziert und sind inzwischen fast weltweit verbreitet. Insgesamt wird der Bestand auf etwa 575 Millionen Tiere geschätzt. In vielen Ländern der Erde haben die Tiere auch heute noch eine unmittelbare Funktion zur Ernährung der Menschen. Da sie auch heißes Klima vertragen, werden Ziegen besonders in trockenen Gebieten gehalten. Oft suchen sie sich ihr Futter selber. Ziegen sind anspruchslos und können bei einem spärlichen Futterangebot überleben. In den 18 du und das tier südlichen Ländern dienen sie der oft armen Bevölkerung in erster Linie zur Fleischgewinnung, aber auch Milch und Häute oder Fell werden genutzt. In Deutschland hingegen stand immer die Milchgewinnung im Vordergrund. Gezüchtet wurde auf Milchleistung, Kurzhaarigkeit und Hornlosigkeit. Die hornlosen Tiere sind jedoch sehr häufig Zwitter und im Allgemeinen unfruchtbar. Diese Tiere haben keine oder nur eine winzig kleine Gebärmutter, werden nicht tragend, bekommen kein Junges und geben daher auch keine Milch. Vor allem in Notzeiten hat vielerorts auch die nicht landwirtschaftliche Bevölkerung Ziegen gehalten. Die Ziege wurde daher auch als „Kuh des kleinen Mannes“ bezeichnet. Heute leben hierzulande nur noch etwa 170.000 Ziegen. Besonders häufig werden die Tiere in Bio-Betrieben zur Milcherzeugung gehalten. Eine Industrialisierung der Haltung und eine extreme Züchtung auf Hochleistung wie bei anderen Nutztieren hat es bei den Ziegen bisher nicht gegeben. So sind sie nicht wie andere Tierarten von haltungs- oder zuchtbedingten Krankheiten betroffen. Seit einigen Jahren gibt es allerdings 5/2009 dudt05_09_18_19_AlteHaustierrassen.indd 18 30.09.2009 13:26:39 Uhr SERIE: Die moderne Landwirtschaft fördert die Zucht und Haltung von Hochleistungsrassen. Nur noch wenige Rassen bilden heute das Gros der in der Landwirtschaft gehaltenen Nutztiere. Viele alte Rassen hingegen sind vom Aussterben bedroht. Jede Woche verschwindet nach Angaben der Gesellschaft zur Erhaltung bedrohter Haustierrassen (GEH) weltweit eine unwiederbringlich. Neben dem Verlust von regionalem Kulturgut geht damit die große Gefahr der genetischen Verarmung einher. Walliser Schwarzhalsziege Bunte Holländische Ziege Thüringer Wald Ziege Die Thüringer Wald Ziege wird neben den Edelziegen noch als eigene Rasse in Deutschland gezüchtet. Charakteristisch für diese Ziege sind die schokoladenbraune Farbe, die weiße Gesichtszeichnung und die weiß gezeichneten Stehohren. Meistens sind die Tiere hornlos. Sie sind an das raue Klima des Thüringer Waldes, hohe Niederschläge und strenge Winter angepasst. Trotzdem haben sie eine hohe Fruchtbarkeit, Mehrlingsgeburten kommen oft vor. Die Milchleistung dieser Ziegen ist mit 700 bis 1.000 Kilogramm Milch im Jahr ebenfalls sehr hoch. Der Bestand der Thüringer Wald Ziege wird auf etwa 850 weibliche Tiere geschätzt, die weit verstreut in vielen kleinen Betrieben leben. Die Rasse war bereits zu DDR–Zeiten gefährdet. Auch durch finanzielle Förderung der Zucht von staatlicher Seite versucht man die Bestände zu vergrößern. Toggenburger Ziege Diese Ziege stammt aus der Schweiz, wurde aber wegen ihrer Anpassungsfähigkeit und Robustheit in viele Länder exportiert und wird beispielsweise in Deutschland, den USA und Großbritannien gehalten. Aus der Toggenburger Ziege ging die Thüringer Wald Ziege hervor, insbesondere deshalb, weil man in Hitler-Deutschland keine „ausländische“ Ziegenrasse haben wollte. Die Toggenburger Ziege ist hellbraun bis grau mit weißen Beinen und Streifen am Kopf. Es gibt sie mit langem und kurzem Fell. Die Milchleistung liegt bei 700 bis 800 Kilogramm im Jahr. Bunte Holländische Ziege Besonders in den Niederlanden, Belgien und Norddeutschland findet man diese mit schwarzen oder braunen Flecken gescheckte, ansonsten weiße Ziege. Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts aus niederländischen Landziegen, Schweizer Rassen und der Deutschen Weißen Edelziege gezüchtet. In den Niederlanden wird seit 1980 versucht, die Rasse als Herdbuchzucht zu erhalten. Noch hat der Bestand etwa 1.000 Tiere. Die widerstandsfähigen Ziegen liefern 600 bis 900 Kilogramm Milch im Jahr. Walliser Schwarzhalsziege Nicht mit anderen Rassen zu verwechseln ist die langhaarige Schwarzhalsziege, deren Vorderhälfte schwarz und hintere Hälfte weiß ist. Sie soll um 930 n. Chr. aus Afrika in die Schweiz gekommen sein. Zwar ist die Milchleistung mit 600 Kilogramm im Jahr eher gering, aber die Fleischleistung ist relativ gut, sodass es sich bei der Schwarzhalsziege um eine Zweinutzungsrasse handelt. In Deutschland werden etwa 300 Tiere gehalten. F R I G GA W I R T H S FOTOS: WWW.WALDHAEUSL.COM, GREENPEACE/SABINE VIELMO, WIKIPEDIA, JUNIORS eine steigende Nachfrage nach Produkten aus Ziegenmilch, die durch die gegenwärtige Produktion in Deutschland nicht befriedigt werden kann. So existieren bereits Pläne, große Anlagen mit mehreren tausend Milchziegen zu errichten (s. S. 46). Als Folge der Intensivhaltung sind auch bei diesen Tieren gesundheitliche Beeinträchtigungen zu befürchten. Zwei Ziegenrassen mit der höchsten Milchleistung sind in Deutschland vorherrschend: die Weiße und die Bunte Deutsche Edelziege. In der Rasse Bunte Deutsche Edelziege werden seit einigen Jahren verschiedene Ziegenrassen wie Erzgebirgsziege, Schwarzwaldziege oder Frankenziege zusammengefasst, die früher jeweils als eigene Rasse mit eigenem Herdbuch gezüchtet wurden und jetzt nur noch als Linien der Rasse Bunte Deutsche Edelziege unterschieden werden. Zur Landschaftspflege werden Ziegen ebenfalls eingesetzt. Sie sind sehr widerstandsfähig, und die Haltung ist unter extensiven Bedingungen möglich. Meistens werden dazu alte, regionale Rassen eingesetzt. Wie bei anderen Nutztieren haben sich auch bei Ziegen in vielen Regionen eigene Landrassen entwickelt. Um die Vielfalt an Ziegenrassen zu erhalten und vor dem Aussterben zu bewahren, setzen sich Liebhaber für die Weiterzucht dieser alten Rassen ein. du und das tier 5/2009 19 dudt05_09_18_19_AlteHaustierrassen.indd 19 30.09.2009 13:26:42 Uhr