NICHT-SENTENTIALE INFINITIVE* Hubert Haider, Univ

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NICHT-SENTENTIALE INFINITIVE*
Hubert Haider, Univ.Wien
O.EINLEITUNG
Bech (1955) hat nachgewiesen, daß es zwei Arten von Infinitivkomplementen gibt, nämlich satzwertige und nicht-satzwertige. Infinitive ohne "zu"
sind stets nicht-satzwertig
(Acl-Konstruktionen, Komplemente von Modal-
verben). Bei Infinitiven mit "zu" findet man Verben, die stets einen satzwertiges Infinitivkomplement aufweisen, solche deren Infinitivkomplement
stets nicht-satzwertig ist (Anhebungsverben), und interessanterweise auch
solche, die beide Formen
des Infinitivkomplements
zulassen. Gegenstand
dieser Studie sind nur letzeren. ' Es zeigt sich aber auch, daß es Infinitive ohne "zu" gibt, die zwei unterschiedliche Komplementstrukturen aufweisen.
Im ersten Abschnitt werden die wichtigsten syntaktischen Eigenschaften
der sententialen und nichtsententialen Infinitive kurz vorgestellt. Abschnitt 2 entwickelt einige theoretische Fragestellungen in Anlehnung an
bestehende Analysen. Als Antwort wird in Abschnitt 3 eine Analyse skizziert, die versucht, einen Zusammenhang zwischen nicht-sententialen Infinitiven und den infiniten Verbformen, die im Kontext von Auxiliaren auftreten, erzustellen und daraus deren syntaktisches Verhalten herzuleiten.
Abschnitt 4 greift wiederum theoretische Fragestellungen auf. Es geht um
die allgemeinen grammatischen Faktoren, die bestimmen, welche Infinitivkomplemente nicht-sentential sein müssen. Abschnitt 5 schließlich geht der
Frage nach, welcher Unterschied zwischen Deutsch und Niederländisch dafür
verantwortlich ist, daß im Niederländischen im Unterschied zum Deutschen
nichtextrapDnierte Infinitivkomplemente obligat nicht-sentential sind. Die
Ergebnisse der Analysen werden in Abschnitt 6 zusammengefaßt.
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1.DATENÜBERBLICK
Die folgenden Phänomene bieten sich als Diagnosekriterien für das Vorliegen
eines nichtsententialen Infinitivkomplements
an (vgl. Evers
(1975,1984),
Grewendorf (1964,1986), Tappe (1982)).
(1) a) Pronominalvoranstellung
b) Extraponierbarkeit
c) Satzumstellung
d) Trennbarkeit der Verbkette
e) Skopus der Negation
f) vorfeldfähige Verbkette
g) 'langes' Passiv
Mit diesen Kriterien läßt sich zeigen, daß manche Verben, alternative Komplementstrukturen aufweisen. Wir beginnen mit den Infinitiven mit "zu".
1.1 Pronominalumstellung
Unbetonte Pronomina treten im Deutschen bevorzugt an die Spitze von S, d.h.
an die sogenannte Wackernagelposition, die sich unmittelbar nach der Satzeinleitungspartikel oder dem Finitum befindet.
(2) a)*weil es mich der Max abzugeben bat
b) weil es der Max abzugeben versprach
Läge in (2b) die T-Struktur (3) vor, so wäre die Voranstellung des Pronomens aus dem Infinitivkomplement in (2b) genausowenig möglich wie in (2a)
und die einzige Variante wäre (4).
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(3) weil der Max [5'PRO es ihr pünktlich abzugeben] versprach
(4) weil der Max es pünktlich abzugeben versprach
Tatsächlich verhält sich das Komplementpronamen in (2b) so, als ob ein
einfacher Satz vorläge, wie z.B. (5).
(5) weil es der Max pünktlich abgab
Da die Pronominalumstellung
die Satzgrenze nicht überschreitet, kann in
(2b) das Komplement nicht sentential sein.
1.2. Extraposition
Sententiale Konstituenten sind extraponierbar. Wenn die Voranstellung des
Komplementpronomens in (2b) voraussetzt, daß keine interne Satzgrenze vorliegt, so kann das Komplement nicht extraponiert werden.
(6)a) *weil es (ihr) der Max versprach, pünktlich abzugeben
b)
weil (ihr) der Max versprach, es pünktlich abzugeben
Wenn (2b) mit der Struktur (3) auftritt, dann kann extraponiert werden, was
(6b) ergibt.
1.3. Satzumstellung
Sententiale Objekte können ebenso wie nominale Objekte vor dem Subjekt auftreten. Ebenso wie bei der Extraposition erwartet man diese Stellungsmöglichkeit nicht, wenn ein nicht-sententialer Infinitiv vorliegt.
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(7)a)
weil es pünktlich aufzugeben ihr der Max versprach
b ) * weil pünktlich aufzugeben es ihr der Max versprach
In (7a) befindet sich der umgestellte Satz vor dem vorangestellten Pronomen
"ihr". Ist aber wie in (7b) das Komplementpronomen vorangestellt, so kann
das Komplement selbst nicht mehr vorangestellt werden.
1.4. Trennbarkeit der Verbkette
Bei sententialen Infinitiven gehören die Verben zwei verschiedenen sententialen Konstituenten an. Das Infinitivkomplement kann daher durch einen adverbiellen Einschub vom Matrixverb getrennt sein. Ist
hingegen das Infini-
tivkomplement nichtsentential, dan verhält sich die Verbkette wie eine Konstituente (Verbalkomplex) und kann nicht getrennt werden.
(8)a)* weil es ihr der Max pünktlich abzugeben feierlich versprach
b)
weil ihr der Max es pünktlich abzugeben feierlich versprach
Die Ungrammatikalität von (Ba) erklärt sich daraus, daß Pronominalvoranstellung mit dem Fehlen einer internen Satzgrenze zusammengeht.
1.5. Skopus der Negation
Satzgrenzen beschränken den Negationsskopus. (9a) ist daher nicht synononym
mit (9b), da die Negation verschiedene Verben in ihrem Skopus hat.
(9)a) daß Cleo nicht wagt, ihn zu stören
b) daß Cleo wagt, ihn nicht zu stören
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(10) aber ist ambig, d.h. er kann sowohl mit (9a) als auch mit (9b) paraphrasiert werden. Wenn in (10) keine interne Satzgrenze vorliegt, so liegen
beide Verben im Skopus der Negation.
(10) daß ihn Cleo nicht zu stören wagt
Ambigen Skopus findet man auch bei den Fusionsformen der Negation:
(11)a) Er hat gewagt, nichts zu sagen
b) Er hat nicht gewagt, etwas zu sagen
c) Er hat nichts zu sagen gewagt
So wie (10) ist auch (11c) ambig und kann sowohl durch (11a) wie durch
(11b) paraphrasiert werden.
1.6. Vorfeldfähige Verbkette
Gehören zwei Verben unterschiedlichen Konstituenten an, so können sie nicht
im Vorfeld stehen. Die Tatsache, daß es Verbketten mit "zu"-Infinitiv im
Vorfeld gibt, ist Evidenz dafür, daß sich diese wie eine Konstituente verhalten (vgl. 1.4).
(12)a)
Zu stören gewagt hat ihn Cleo nicht
b ) * Zu stören gebeten hat ihn sie Cleo nicht
Verben, bei deren Komplement man Pronominalvoranstellung
findet, bilden
eine vorfeldfähige Verbalkette (Verbalkomplex). Die Verben, bei denen man
die Voranstellung des Komplementpronomens an die Spitze des Matrixsatzes
nicht findet, bilden auch keinen vorfeldfähigen Verbalkomplex.
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1.7. Tanges / Passiv
Eine Voraussetzung für Passivierung ist, daß das Objekt, das die Subjektsmarkierung erhält, vom passivierten Verb regiert wird. Deshalb ist die
Grenze
einer Satzkonstituente
eine Grenze für Passivierung, wie
(13b)
zeigt.
(13)a)
Er wurde den Wagen zu reparieren gebeten
b)*
Der Wagen wurde ihn zu reparieren gebeten
o)
Der Wagen wurde zu reparieren versprochen
d)*
Der Wagen wurde versprochen, schleunigst zu reparieren
e)*
Der Wagen wurde zu reparieren schon oft versprochen
Verben mit fakultativ nicht-sententialem Infinitiv erlauben marginal eine
Passivierung
aus dem Komplement
heraus. Diese Möglichkeit
allerdings bei der sententialen Variante wie
verschwindet
(13d, Extraposition) oder
(13e, Einschub) zeigen.
Diese kurze Vorstellung der für nicht-sentiale Infinitive typischen Eigenschaften zeigt, daß es bei den Infinitiven mit "zu" Verben gibt, die neben
einem sententialen Komplement fakultativ auch mit nicht-sententialem auftreten können. Bech (1955: § 88,§ 125) und nach ihm auch Tappe (1982) charakterisiert die Klasse der Verben mit alternativer Komplementstruktur des
Infinitivs wie folgt: Es sind Verben, die Subjektkantrolle
ausüben und
keine eigenen nominalen Objekte besitzen.
Infinitive ohne "zu" sind nach den diskutierten Kriterien (1) als nicht-
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sentential zu bewerten. Beispiele für die oben diskutierten Eigenschaften
sind in (14) angeführt:
(14)a) daß ihn der Max schlafen ließ/sah
(cf. 1.1.)
b)* daß der Max ließ/sah, ihn schlafen
(cf. 1.2.)
c)* daß ihn schlafen der Max ließ/sah
(cf. 1.3.)
d)* daß der Max ihn schlafen oft ließ/sah
(cf. 1.4.)
e) daß ihn der Max nicht schlafen ließ/sah (cf. 1.5.)
(nicht lassen / nicht schlafen)
f) schlafen lassen/sehen hat ihn Max nicht (cf. 1.6.)
g) daß Max liegen gelassen wurde
(cf. 1.7.)
Daß man die syntaktischen Eigenschaften der Infinitive ahne "zu" mit dem
Hinweis auf ihre nichtsententiale Struktur noch nicht ausreichend gewürdigt
hat, darauf verweist Grewendorf (1984,1986), wenn er im Anschluß an Bech
(1955) feststellt, daß die Voranstellung eines pronominalen Objekts nicht
möglich ist (vgl. 15a), wenn der Subjektsakkusativ des Acl-Komplements
vorhanden ist. Für den Fall, daß dieser pronominal ist, ist dies das
einzige aus dem Komplement voranstellbare Pronomen (vgl. 15c).
(15)a)* daß ihm der Max den Paul helfen läßt
b) daß ihm der Max (von Paul) helfen läßt
c) daß ihn der Max ihm helfen läßt
Dieses Phänomen ist Evidenz dafür, daß nicht-sentential nicht gleichgesetzt
werden kann mit mono-sentential. Obwohl die Infinitive ohne "zu" als Komplemente keinerlei sententiale Eigenschaften zu besitzen scheinen, gibt es
darunter welche, die selektiv die Pronominalvoranstellung blockieren, eine
Eigenschaft, die mit der Satzgrenze im Zusammenhang steht.
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Die sententlolen Eigenschaften (1.2,1.3) sind Eigenschaften einer S'-Konstituente, die Pronominalvoranstellung betrifft eine S-Konstitutente. Das
mit (15a) illustrierte Phänomen scheint Evidenz dafür zu sein, daß es neben
monosententialen Konstruktionen (15b) auch solche mit eingebetteter S-Konstituente gibt. Diese kann aber zumindest in der Oberflächenstruktur das
Verb nicht enthalten, da auch diese Konstruktionen alle Eigenschaften eines
Verbkomplexes
aufweisen,
Untrennbarkeit
(16a),
ambiger
Negationsskopus
(16b) und vorfeldfähige Verbkette (16c).
(16)a)* daß Max ihn den Vorfall nicht zugeben damals ließ
b)
daß Max ihn den Vorfall nicht zugeben ließ
c)
Zugeben lassen hat Max ihn den Vorfall nicht
Über der Feststellung, daß es bei beiden Arten von Infinitivkomplementen,
nämlich denen mit und denen ohne "zu", alternative
Komplementstrukturen
gibt, darf man Jedoch einen grundlegenden Unterschied nicht vergessen: Bei
den Infinitiven mit "zu" ist die Alternation vom Matrixverb bedingt, bei
denen ohne "zu" aber vom Kamplementveit). Ist das Komplementverb
nämlich
ergativ, so ist Pronominalumstellung nicht blockiert.
(17)a)
b)
daß ihm der Max den Honig auf den Anzug tropfen läßt
daß ihm der Max einen Stein auf die Zehen fallen läßt
c ) * öa^ ihm der Max den Honig die Haare verkleben ließ
d ) * daß ihm der Max einen Stein die Zehen zerquetschen läßt
Wenn, wie in (1?c,d), das eingebettete Verb transitiv ist, so ist eine
Pronominalumstellung nur dann möglich, wenn das Acl-Subjekt fehlt:
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(1B)a)
b)
daß ihm der Max die Haare verkleben ließ
daß ihm der Max die Zehen zerquetschen ließ
Daran erkennt man, daß die Ursache für die Alternation in der Komplementstruktur in der Argumentstruktur des infiniten Verbs zu suchen ist. Das
Vorliegen eines designierten Arguments (s.Haider 1985a) spielt eine entscheidende Rolle.
Die in diesem Abschnitt
vorgestellten Daten werfen einige
theoretische
Fragen auf, denen ich mich in den folgenden Abschnitten widme. Deshalb
fasse ich sie hier kurz zusammen:
1. Wie kommt es zu den alternativen Komplementstrukturen bei Infinitivkomplementen?
2. Weshalb gibt es nur bei machen Infinitiven mit "zu" fakultativ eine
alternative monosententiale Struktur?
3. Wie kommt es, daß die alternativen Strukturen bei Infinitiven mit "zu"
vom Matrixverb gesteuert werden, bei denen ohne "zu" aber vom Komplementverb?
4. Weshalb tritt bei Infinitiven ohne "zu" ein Passiveffekt auf, nicht aber
bei denen mit "zu"?
5. Wie kommt es dazu, daß bei Infinitiven ohne "zu" in gewissen Fällen nur
das Subjektspronomen nicht aber das Objektspronomen voranstellbar ist?
6. Wie ergibt sich der Zusammenhang zwischen unbeschränkter Voranstellbarkeit eines Pronomens und Passiveffekt?
7. Was ist die grammatische Ursache dafür, daß die nichtsentiale Variante
bei Kontroll-Infinitiven im Deutschen fakultativ aber im Niederländischen obligatorisch ist?
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2.ZUR GRAMMATISCHEN ANALYSE NICHT-SENTENTIALER INFINITIVE
Der erste, der sich des Problems in einem generativen Rahmen angenommen
hat, war Evers (1975). Er schlägt vor, die nicht-sententialen Infinitive
als abgeleitete Strukturen zu deuten: Ein Prozeß von V-Anhebung adjungiert
das Komplementverb an das Matrixverb. Damit einher geht eine Reduktion der
Satzstruktur des Komplements. Die zugrundeliegende Struktur (1a) wird über
(1b) auf (1c) abbgebildet:
(1)a)
b)
c)
vk.
/\
VK. V
I
V
Der Übergang zur monosententialen Struktur (1c) ergibt sich durch Tilgung
der ihres Kern beraubten VP und anschließend der VP-losen S-Konstituente.
Evers formulierte diese Ableitung im Rahmen der Standaixitheorie. In der
rezenten Version der generativen Grammatik (CHOMSKY 1981) scheint eine derartige Derivation aus mehreren Gründen nicht mehr zulässig zu sein: Der
Hauptgrund ist ein Strukturerhaltungsprinzip, das Projektionsprinzip, das
verlangt, das die lexikalisch determinierten Eigenschaften auf Jeder Strukturebene erhalten bleiben. Zu diesen gehören auch die Subkategorisierungseigenschaften. Wenn ein Verb für ein sententiales Komplement subkategorisiert ist, so muß das auf Jeder Ebene, d.h. auch in der Oberflächenstruktur, vorhanden sein. Dadurch ist der Übergang von einer bi-sententialen zu
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einer mono-sententialen
Struktur ausgeschlossen.
Zum zweiten
ist nicht
klar, ob und wie V-Anhebung als Instanz des allgemeinen Tranformationsschemas 'move-ot ' formuliert werden könnte. Wenn man die Evers'sehe Analyse
aber vor dem Hintergrund der Jüngeren Literatur betrachtet,die mit dem Begriff der Restrukturierung operiert (vgl. Zubizaretta 1982, Manzini 1963),
so steht einer Integration seiner Hypothese in den Rahmen des Rektions-und
Bindungsmodells nichts entgegen. Da ich das Konzept der Restrukturierung
aber für ein zu mächtiges, weil zu wenig beschränktes, Beschreibungsinstrument halte, werde ich versuchen, eine Analyse anzugeben, die ohne sie auskommt.
Brewendorf (1964,1986) hat die Bechsche Beobachtung über die beschränkte
Pronominalumstellung
(Bech
1983: §
137-138) in diese Diskussion einge-
bracht, und daraus den Schluß gezogen, daß es V-fiaising mit und ohne Verlust der S-Konstituente geben müsse. Seine Lösung besteht aus einer Kombination von V-Anhebung und Restrukturierung. Er entkoppelt die beiden Prozeße. V-Anhebung operiert bei allen nicht-sententialen Infinitivkonstruktionen, doch nicht bei allen wird die S-Konstituente aufgelöst, d.h. Restrukturierung operiert nur über einer Teilmenge der V-Anhebungskonstruktionen.
Dieser Vorschlag ist deskriptiv adäquat, doch fehlt
ihm Erklärungs-
kraft, solange man nicht präzis angeben kann, was die grammatischen Ursachen sind, aus denen hervorgeht, wann nur V-Anhebung stattfindet und wann
beide Prozesse eintreten. Für Brewendorf (1984) sind Restrukturierungskonstruktionen lexikalisch gesteuert: Manche Verben erlauben die Restrukturierung ihres Infinitivkomplements. V-Anhebung bei nfinitiven ohne "zu"
aber ist ein allgemeiner syntaktischer Prozeß, dessen Ursache nicht geklärt
ist.
Diese Lösungsstrategie läßt einige der oben genannten Fragen unbe-
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antwortet und die Antworten, die Sie bietet, sind besonders in einem Punkt
unbefriedigend: Die Generalisierung, die Bech mit dem Begriff der Kohärenz
zu erfassen versuchte, geht verloren. Die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden nicht-sententialen Infinitivkomplementen (mit und ohne 'zu') erscheinen
zufällig.
Beide Vorschläge, der von Evers und der von Grewendorf,
haben gemein-
sam, daß sie von einer sententialen T-Struktur ausgehen. Diese Voraussetzung werde ich im Folgenden in Frage stellen. Die von mir gewählte Strategie kehrt die Perspektive um. Ausgehend von der Oberflächen-Struktur kann
man sich fragen, welche Infinitivformen im Verbalkomplex eines Satzes auftreten können und welche dort basisgeneriert werden können. Es ist leicht
zu zeigen, daß alle drei Typen nicht finiter Verbalformen basisgeneriert
auftreten können:
(2)a)
In
[VK
[VK
... V(K) ... ] V]
b)
[ [gesucht] werden]
(PII)
c)
[ [zu suchen] sein]
(zu-INF)
d)
[ [suchen] werden]
(INF)
(2a) ist die linksrekursive Struktur des Verbalkomplexes
(Höhle
angedeutet
1978). Wie (2b~d) zeigen sollen, treten alle drei nicht finiten
Verbalformen in Kombination mit Auxiliaren auf. Wenn wir davon ausgehen,
daß Auxiliare keine sententialen Komplemente besitzen
dies keiner besonderen Begündung,^
- für (2b,d) bedarf
und für (2c) finden sich die Argumente
in (Haider 1984) - so sind die Infinitivformen basisgeneriert.
An diesem Punkt stelle ich mir die Frage, unter welchen Umständen anstelle eines Auxiliars in (2) ein Vollverb auftreten kann. Wenn sich diese
Umstände zur Deckung bringen lassen mit den syntaktischen Eigenschaften der
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nicht-sententialen Infinitivkomplemente, so zeichnet sich eine Lösung ab,
die ohne Restrukturierung auskommt.
Die Antwort zielt in folgende Richtung: ir wollen die Generalisierung
beibehalten, daß ein Verbalkomplex in der basisgenerierten Form die Projektion eines einzigen Verbs ist und daher nur ein einziges Vollverb enthält. Zwei Verben können daher nur dann basisgeneriert in VK auftreten,
wenn sich eines wie ein Auxiliar verhält. Damit haben wir unsere ursprüngliche Frage umformuliert. Sie lautet nun: Was ändert sich an einem Verb,
wenn es sich wie ein Auxiliar verhalten soll?
Der wesentliche lexikalische Unterschied zwischen einem Auxiliar- und
einem Vollverb liegt in der Argumentstruktur: Vollverben haben eine spezifizierte Argumentstruktur, d.h. die Angabe der thematischen Rollen ihrer
Argumente. Auxiliare haben keine spezifizierte Argumentstruktur. Dies kann
heißen, daß sie entweder überhaupt keine haben oder daß diese keine B-Rollen enthält. Für unsere Frage bedeutet dies, daß es nur eine 6-Struktur im
Verbalkomplex
gibt. Wenn wir diese Überlegung
nun auf die Kambination
zweier Vollverben übertragen, so bedeutet das auxiliare Vorkommen eines
Vollverbs, daß dieses seine B-Rollen verliert. Da es in einem VK nur eine
singulare 8-struktur geben konn, möeeen die 0-Gtrukturen unifiziert werden.Der Ausformulierung dieser Hypothese dient Abschnitt 3.
Schon Jetzt sei darauf hingewiesen, daß die Unifikation der A-Strukturen
dadurch einer Restriktion unterworfen ist, daß das unifizierte Format eine
mögliches Format einer A-Struktur sein muß, d.h. der A-Struktur eines einfachen Verbs. Es wird sich herausstellen, daß diese Beschränkung von zentraler Bedeutung für die Syntax nicht-sententialer Infinitive ist. Beispielsweise kann ein Verb nur ein einziges transitives Subjekt enthalten
(designiertes Argument nach Haider 19B5a,b). Daraus folgt, daß die Unifikation der A-Strukturen zweier Verben mit transitivem Subjekt nur unter
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Verlust eines der beiden möglich ist. Das folgende Beispiel illustriert den
in Abschnitt 1 diskutierten Zusammenhang zwischen Pronominalumstellung und
Passiv-Effekt:
(3) a ) * daß ihr der Max den Paul helfen läßt
b)
daß ihr der Max (von Paul) helfen läßt
Das was wir in (3b) als Passiv-Effekt empfinden, ist nichts anderes als der
Umstand, daß in der mono-sententialen Struktur, d.h. der Struktur mit basisgeneriertem VK, die B-Rolle des designierten Arguments des Infinitivs
unterdrückt wird, und zwar aufgrund der oben genannten Beschränkung: "Lassen" besitzt selbst ein designiertes Argument und kann seine A-Struktur nur
Unifizieren, wenn
das DA des Infinitivs unterdrückt wird. Derselbe Effekt
tritt aus anderen Gründen auch beim Passiv auf (s. Haider 1986a). Dort
blockiert das Partizip das designierte Argument. Wenn, wie in (3a) das designierte Argument, in diesem Fall das Acl-Subjekt, vorhanden ist, dann
kann keine Unifikation stattgefunden haben und folglich auch keine monosententiale Struktur vorliegen. Dann aber ist auch die Pronominalumstellung
des Objekts durch die S-Grenze des Komplements blockiert. Die Tatsache, daß
es Verben ohne designiertes Argument gibt, die sogenannten ergativen Verben
(s.Haider 1985c), liefert eine interessante Prognose für das Verhalten von
ergativen Verben in Acl-Kontexten: Ergative Subjekte blockieren Pronominalumstellung nicht.
(4) daß ihm der Max den Stein auf die Zehen fallen läßt
Wird 'fallen' in (4) mit 'lassen' unifiziert, so ergibt sich das Format
eines dreistelligen Verbs: DA - DO - 10.
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Die folgende Tabelle bietet eine Zusammenstellung der möglichen Belegungen
von VK mit Beispielen für Auxiliarverben und ihrer Vollverb-Substitute:
(S)a)
PII - Aux: haben, sein, werden
V: kriegen, erhalten, bekommen (s.Haider 1986a)
b) zu-INF - Aux: haben, sein
V: Anhebungsverben (z.b. scheinen, etc.)
Subjektkontrollverben ohne nominale Komplemente
c)
INF - Aux: werden, Modalverben
V: Acl-Verben mit DA-losen Komplementverb
Auch die Einschränkung in (5b) folgt teilweise aus der Formatbeschränkung.
Die Details werden im nächsten Abschnitt behandelt, doch erkennt man schon
unter den Jetzt diskutierten Voraussetzungen, daß ein Auxiliaräquivalent
eines Vollverbs nur dann vorliegt, wenn dieses keine nominalen Komplemente
besitzt, da auch Auxiliare keine haben.
Ein Problem bleibt auch unter der Unifikationshypothese bestehen, weil es
von dieser unabhängig ist. Es ist die Tatsache, daß unabhängig davon, ob
ein Infinitivkomplement ohne 'zu' in monosententialer Form oder mit S-Konr
plement vorliegt, das Komplementverb mit dem Matrixverb einen Verbalkomplex
bildet. Diesem Problem widme ich mich im übernächsten Abschnitt.
Zusammenfassend dürfen wir festhalten, daß die in Abschnitt 1 diskutierten
Eigenschaften der Infinitive als Evidenz dafür genommen werden dürfen, daß
sie entweder die Struktur (6a) oder (6b) aufweisen.
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(6) a) nur VK
b) VK und S
Die Eigenschaften, die in 1.4 - 1.6 diskutiert wurden, folgen aus der Tatsache, daß sowohl in (6a) wie in (6b) die Verben einen VK bilden. Die Gemeinsamkeiten in 1.2 und 1.3 stammen daher, daß für Extraposition und Satzumstellung eine S'-Konstituente erforderlich ist, die aber weder in (6a)
noch in (6b) vorliegt. Lediglich die Pronominalumstellung erlaubt eine Diskriminierung der beiden Strukturen in (6), da sie sensibel ist für eine SKonstituente.
3. DIE UNIFIKATIONSHYPOTHESE
Die Argumentstruktur eines funktionalen Elements, d.h. eines Elements, das
B-Rollen zuweist, besteht aus einer Menge von geordneten Paaren aus Kasusmerkmal und B-Rolle, wie in (1) angedeutet ist.
(i) { <f 1 ,e 1 >, <f 2 ,e 2 >, ... <f n ,e n > >
Es gibt ein strukturelles Kasusmerkmal und mehrere invariante Merkmale. Im
Deutschen erscheint das strukturelle Merkmal morphologisch je nach syntaktischer Umgebung als NOM, AKK, oder als O-Form, i.e. im Falle von PRO. Ein
strukturelles Merkmal kann designiert sein. Tritt in einem Lexikoneintrag
- 89 mehr als ein strukturelles Merkmal auf, so muß es ein designiertes geben.
Die invarianten Merkmale treten morphologisch als spezifische, invariante
Kasusformen auf. Invariant sind im Deutschen DAT, GEN und adverbiale Kasus.
Details dazu finden sich in Haider (1985a, 1985b).
Betrachten wir nun ein konkretes Beispiel:
(2)a) versuchen: { <fi,B1>, <f2,82> }
Dieses Verb hat eine A-Struktur mit zwei B-Rollen, die beide mit einem
strukturellen Merkmal gekoppelt sind. In (3) wird die erste B-Rolle, da designiert, der NP zugewiesen, deren Kasusmerkmal extern realisiert ist. Im
finiten Satz ist das die NOM-NP. Die verbleibende B-Rolle wird der AKK-markierten NP zugewiesen, da AKK die interne Realisierung eines strukturellen
Merkmals ist.
(3) Er versucht es noch einmal
Die Subkategorisierung eines Verbs bestimmt, ob der Träger einer B-Rolle
nominal
oder sentential
ist.
Im Fall
von
'versuchen' kann das
zweite
Argument auch sentential sein.
(4) Er versucht [sie zu überreden]
Das sententiale Objekt in (4) trägt dieselbe thematische Rolle wie das nominale in (3). Wenn die 8-Rollen-Zuweisung
so wie in (3) funktionieren
soll, muß auch der Satzkonstituente ein Kasusmerkmal zugewiesen werden,
dessen morphologische Realisierung mangels eines geeigneten Trägerelements
keinen phonetisch erkennbaren Effekt bewirkt. Wie steht es nun mit der BVerteilung im Falle einer monosententialen Struktur, wie z.B. in (5)?
- 90 -
(5) daß ihn Max zu überreden versucht
In (5) gibt es Keinen Träger für die ObJekts-6-Rolle des Matrixverbs,
weder eine NP noch S. Da (5) grammatisch ist, und das B-Kriterium, das verlangt, daß es zu Jeder B-Rolle genau einen Träger gibt und v.v., offenbar
nicht verletzt ist, muß man sich fragen, ob die fragliche B-Rolle in (5)
überhaupt vorhanden ist. Wenn in der sententialen Struktur der Objektsatz
der Träger ist, in der monosententialen Variante wir aber statt des Satzes
nur das Verb im Infinitiv vorfinden, muß eine befriedigende Lösung eine
Auskunft darüber geben, wie die Präsenz des Verbs den Ausfall der B-Rolle
bewirkt. Dies soll die Unifikationshypothese leisten:
(6) Unifikation: Die Argumentstrukturen der im Verbalkomplex enthaltenen
Verben werden zur Argumentstruktur des Verbalkomplexes unifiziert und
dessen Head-Verb zugeordnet
Ein Beispiel soll zuerst eine ungefähre Vorstellung vermitteln, ehe wir das
Unifikationsprinzip formalisieren. Betrachten wir nochmals den Satz (5).
Die Argumentstruktur der beteiligten Verben ist in (7) angegeben:
(?)a) versuchen { <f.8i>. <f,B*> }
b) überreden { <f.B|t>, <f,B1> }
Die S-Struktur von (5) ist in (B) angedeutet:
- 91 (8)
S
/
\
\
Zihn Max
VK
/ \
VK
V
/
\
zu-V
versucht
/
überreden
Als Ergebnis der Unifikation könnte die abgeleitete Argumentstruktur des
gesamten Verbalkomplexes so ähnlich wie in (9) zusammengesetzt sein:
(9) { <f_l8i>, <-P,Bj>, ... }
In (8) gibt es zwei lexikalische Argumente, folglich muß es zumindest zwei
B-Rollen geben, was für (9) zutrifft. Die Frage ist allerdings, was mit den
restlichen
8-Rollen der beteiligten Verben geschehen ist oder soll. Ihr
Verbleib läßt sich wie folgt klären: Das Element 'zu' blockiert das Kasusmerkmal des Subjekts des Infinitivs (S.Haider 1984) und damit auch die 8Rolle. Das Verschwinden der ObJekts-8-Rolle des Matrixverbs ist eine Folge
der Substitution
dieses Teils der A-Struktur durch die A-Struktur des
Komplementverbs. Das ist der eigentliche Unifikationsprozeß:
(10)a) versuchen { <f.Bi>. <f,8*> }
b) überreden { <f18K>, <f,B1> }
c) zu überreden { <zu.B[,>. <f,8i> }
d) [y« zu überreden versuchen]
{ < f i B i > , <f,Bj> } B { <zutOy>. <f,8!> }
e) Substitution: { < f . 8 i > . { <zu,8 K >, <f,8 1 ? } }
f) Unifikation:
{ <f.Bi>. <f,81> }
- 92 -
Die durch Unifikation erzielte A-Struktur (10f) konkretisiert die in (9)
geforderte Struktur. Wichtig ist, daß die durch 'zu' blockierte B-Rolle an
der Unifikation nicht teilnimmt. Da die A-Struktur als eine Menge von geordneten Paaren bestehend aus Kasusmerkmal und B-Rolle definiert ist, gehört die durch 'zu' blockierte B-Rolle nicht mehr zur A-Struktur des Verbs,
und nimmt daher an der Unifikation nicht teil. Die A-Struktur bildet die
Schnittstelle zwischen den lexikalisch gespeicherten thematischen Funktionen und der syntaktischen Struktur. Dadurch, daß die Kasusmerkmale einer
NP zugewiesen werden, identifizieren sie diese als Träger der thematischen
Funktion, die mit dem Merkmal gepaart ist. Das Element 'zu' blockiert eine
B-Rolle dadurch, daß es sie seines Kasusmerkmals beraubt und dadurch eine
Verbindung mit einer NP verhindert. Die B-Rolle steht daher nicht mehr zur
Verfügung. Die ist eine intuitive Charakterisierung der formalen Eigenschaft, kein Element der A-Struktur mehr zu sein. Die durch 'zu' blockierte
B-Rolle kann zwar
keiner NP zugeordnet werden, ist aber interpretierbar.
(11)a) daß er (von niemandem) zu überreden war
b) daß Max ihn (*von niemandem) zu überreden versuchte
Der Unterschied zwische (11a) und (11b) zeigt, daß die B-Rolle des Subjekts
von 'überreden' in (11b) bereits mit einer Interpretation belegt sein muß,
da sie nicht mit einer Agensphrase aufgegriffen werden kann. Der Unterschied sollte aus einem Unterschied zwischen den Matrixverben folgen. In
(11b) liegt dieselbe Interpretation vor wie beim sententialen Komplement
mit Kontrolle (vgl. (4)). Es muß also auch in der monosententialen Struktur
ein Äquivalent der Kontrollbeziehung bisententialer Strukturen geben.
- 93 In Haider (1964) wird dafür argumentiert, daß die Blockierungswirkung von
'zu' durch Koindizierung mit INFL aufgehoben wird, wodurch die B-Rolle der
mit INFL koindizierten NP-Leerstelle, i.e. PRO, zugeordnet werden kann.
(13)
INFLi - PROi - zuj - V ±
PRO erhält über Kontrolle den Referenzindex seines kontrollierenden Elements zugewiesen und fungiert dann deswegen als Träger der B-Rolle des
Subjekts, weil es qua Subjekt mit INFL koindiziert ist, was seinerseits mit
'zu' koindiziert ist. Diese Zuweisung ist aber, auch ohne PRO möglich.
(14)
INFLi - Subjekts-NPi - zud - VL
Im finiten Satz ist die SubJekts-NP ebenfalls mit INFL koindiziert. Der
einzige Unterschied zwischen (13) und (14) ist der, daß das Subjekt in (13)
ein Leerelement ist, das in (14) aber eine lexikalische NP. In (13) wird
die Referenzzuweisung
über Kontrolle
hergestellt,
in
(14) besitzt
das
Subjekt inhärente Referenz.
Die Tatsache, daß in (14) kein nominaler Träger für die mit 'zu' assoziierte 8-Rolle
existiert, braucht nicht zu irritieren. Das Beispiel des
'pro-drop'-Phänomens
Identifikation
der
zeigt,
daß
ein
Subjekts-B-Rolle
koindiziertes
ausreicht.
INFL-Element
'Zu' ist
ein
zur
solches
Element.
Aus der Unifikationshypothese lassen sich die am Schluß von Abschnitt 1 erwähnten Beschränkungen für nicht-sentiale Infinitive erklären: INFL ist nur
mit dem Subjekt koindiziert. Daraus
folgt die erste Eigenschaft mono-
sententialer Strukturen. Sie treten nur mit Subjekt-Kontroll-Verben auf.
Die zweite Eigenschaft, das Fehlen nominaler Objekte, hat wie in Abschnitt
- 94 2 angedeutet wurde, seine Ursache in der 'Auxiliarisierung' des Matrixverbs." Unifikation ist nur dann möglich, wenn gewährleistet ist, daß die
unifizierte Struktur das Format eines einfachen funktionalen Elements bewahrt. Dies ist genau dann der Fall, wenn das Matrixverb keine ObJekts-6Rollen bereithält. Diese werden in der unifizierten Struktur vom eingebetteten Verb beigesteuert. Nur so ist
sichergestellt,
daß die Unifi-
kationsmöglichkeit unabhängig ist von der A-Struktur des Komplementverbs.
Für diesen auxiliarisierten Zustand wurde in (Haider 1986a) der Terminus
'parasitäres Verb' vorgeschlagen. Unifikation ist, wie es scheint, nur mit
parasitären Verben möglich. Dies läßt sich wie folgt deuten: Verben sutrkategorisieren ihre Komplemente, und man muß sich daher fragen, wann ein
Verb mit sententialem Komplement und wann es mit VK anstelle eines Komplements auftritt. Die Antwort ist, daß parasitäre Verben eines Vollverbs bedürfen. Neben den Verben, die nur parasitär auftreten, wie z.B. 'lassen',
gibt es
Vollverben mit der syntaktischen Option, sie
an der Auxiliar-
stelle zu generieren. Diese Option besteht genau dann, wenn Unifikation
möglich ist.
Kehren wir noch einmal zum Beispiel (11) zurück: Der nterschied zwischen
'versuchen' und 'sein' ist der, daß das Auxiliar keine Subjekts-B-Rolle besitzt und daher die von 'zu' blockierte 8-Rolle nicht kontrollieren kann.
Wie entscheidend das syntaktische Verhalten von 'zu' ist, zeigt sich indirekt bei der Analyse der Infinitive ohne 'zu'.
Der Passiveffekt ist eine direkte Konsequenz der Unifikationshypothese.
Alle Acl-Verben können als parasitäre Verben mit nur einem eigenen Argument, einem designierten, auftreten. Bei der Unifikation kann daher das DA
des abhängigen Verbs nicht übernommen werden, da es kein Format mit zwei DA
gibt. Im unifizierten Format steht dieses Argument daher syntaktisch nicht
zu Verfügung.
- 95 -
(15) daß sich Max (von ihr) überreden läßt
Wie in allen Fällen von unterdrücktem, syntaktisch nicht identifizierbarem
DA, kann es durch eine Agensphrase wiederaufgenommen werden. Der wesentliche Unterschied zwischen (11b) und (15) ist die Absenz von 'zu'. In (11b)
ist es die Blockadewirkung von 'zu', die die B-Rolle für Kontrolle identifizierbar macht.
Wie schon am Ende von Abschnitt 2, Ex. (4), erwähnt wurde, gibt es einen
Unterschied zwischen ergativen und nicht-ergativen Komplementen, der direkt
aus der Unifikationshypothese folgt. Ergative Verben haben keine transitiven Subjekte, i.e. keine designierten Argumente, und können daher ohne
Verlust eines Arguments mit 'lassen' unifizieren, was in (16) exemplarisch
vorgeführt wird.
(16)a) (Jemandem bei etwas) helfen : { <f1B_i>, <fD,8j> }
b) (Jemandem auf etwas) fallen : { <f,8i>, <fD,Bj> }
c) lassen: { <f.B^>. e }
d) helfen lassen: { <fi8k>, <fo.öj> }
e) fallen lassen: { <f.8K>. <f,Bi>, <fD,Bj> }
In (16e) konnten die A-Strukturen von (16b) und (16c) unifiziert werden,
ohne eine Formatbeschränkung zu verletzen. Die unifizierte Struktur gleicht
der eines dreistelligen Verbs. In (16) hingegen ging das DA von (16a) verloren. Dieses kann durch eine Agensphrase wieder aufgenommen werden, was
bei ergativen Verben nicht möglich ist:
(1?)a)
daß Max ihr von Paul helfen läßt
b)* daß Max ihr (vom Stein) auf die Zehen fallen läßt
- 96 -
In (17b) erkennt man die Resistenz ergativer Verben gegen Argumentreduktion
wieder, die man auch beim Passiv beobachtet. Da in (17b) kein Kontext einer
Argumentreduktion vorliegt, kann das Subjekt nicht durch eine Agens-PP ersetzt werden.
Wenn in (16d) nicht unifiziert wird, dann sind alle Argumente vorhanden und
es kommt zur bekannten Blockierung der Pronominalumstellung:
(18)a)* daß ihr Max Paul dabei helfen läßt
b)
daß ihr Max von Paul dabei helfen läßt
c)
daß ihr Max einen Stein auf die Zehen fallen läßt
Der Unterschied in der Pronominalumstellung zwischen (1Ba) und (18b) ist
das Indiz schlechthin, daß ein Unterschied in der Struktur vorliegen muß.
Am Ende von Abschnitt 2 wurde für (19) die Struktur (20) in Erwägung gezogen:
(19) daß Max Paul ihr helfen läßt
(20)
S
<^\
\
\
VK
S
/
"
V
VK
V
/
\
VK
V
/
zu-Vj
I
1
et
Im Unterschied zu einem unifizierten Verbalkomplex, der
basisgeneriert
- 97 ist, steht der VK in (20) aber in einer Koindizierungsrelation mit einer
Leerstelle eines Verbs im Komplementsatz, so als ob er durch V-Anhebung
deriviert worden wäre. Um diese Struktur zu motivieren muß man die V-Anhebung motivieren. Dies ist Gegenstand des nächsten Abschnitts. (20) wirft
noch ein anderes Problem auf. Die S-Grenze sollte jede Pronominalumstellung
in den Matrixsatz verhindern. Merkwürdigerweise trifft das aber für das
Acl-Subjekt nicht zu, wie Bech (1955 § 138) vermerkt. Es hat die Stellungsmöglichkeiten eines Matrixelements. Dies gilt nicht nur für pronominale NPs
sondern auch für nominale.
(21)a) wenn die Argumente jemand für sich sprechen läßt
b) wenn sein Geld Jemand für sich arbeiten läßt
Soll man daraus schließen, daß das Acl-Subjekt ein Element der Matrix ist ?
Unmittelbare Gegenvidenz für diese Annahme liefert die StellungsaltematiDn
n
der Pronomens 'es': °
(22)a)
daß Max es Hans lesen läßt
b)* daß es Max Hans lesen läßt
In (22a) befindet sich das Pronomen vor dem Acl-Subjekt und sollte, wenn
dieses ein Matrixelement ist, sich auch selbst im Matrix-S befinden und
somit auch an dessen Spitze auftreten können, was aber, wie (22b) belegt,
nicht möglich ist. Der Ausweg aus diesem Dilemma findet sich leicht, wenn
man die unausgesprochene Annahme überprüft, daß in (22a) das Objektspronomen an der Wackernagelposition stehe. Es deutet nämlich alles darauf hin,
daß Acl-Komplemente keine Pronominalumstellung erlauben und 'es' eine Ausnahme bildet.
- 98 -
(23)a)* daß Max ihn (=AcI-ObJ.) Maria suchen läßt
b ) * daß Max ihr Paul helfen läßt
c)* daß Max sichj MariaA beruhigen ließ
(24)a) daß ihn (=AcI-Obj.) Max suchen wird/läßt
b) daß ihr Max helfen wird/läßt
c) daß sich Maria beruhigen wird/läßt
Die Gegenüberstellung von (23) und (24) verdeutlicht, daß der relevante
FaKtor das S-Komplement in (23) ist. Beispielsweise hat die Pronominalumstellung Keinen Einfluß auf das Bindungsverhalten eines Reflexivums. Aber
in AcI-KonstruKtionen wird ein Reflexivum "an der Spitze des Komplements"
(Reis 1976) stets mit Bezug auf das MatrixsubJeKt interpretiert. Dies gilt
aber nicht für vorangestellte Pronomina, denn (25) ist genau so ungrammatisch wie (23c):
(25)* daß Maxj^ sichi Maria beruhigen ließ
Alle diese Beispiele zeigen, daß einzig mit dem Pronomen 'es' eine Serialisierung möglich ist, in der das ObjeKtspronomen dem AcI-SubjeKt vorangeht. Dieses Stellungsmuster ist daher als Ausnahme zu bewerten und Kann
nicht als Evidenz für Pronominalvoranstellung gewertet werden, da diese ja
ohne Unterschied
Reflexiv- und
Personalpronomina
erfaßt.
charaKter von 'es' gilt auch für Infinititve mit 'zu':
Der Ausnahme-
- 99 -
(26)a)
daß Max es ihr zu lesen versprach
b}* daß Max ihn ihr zu lesen versprach
c)
daß er ihr ihn zu lesen versprach
d)
daß er es ihr versprach
e ) * daß er ihr es/ihn versprach
In (26a) geht das Komplementobjekt dem Matrixobjekt voran. Dies ist nur in
monosententialen Infinitiven möglich, doch diese treten nur auf wenn das
Matrixverb kein nominales Objekt besitzt, was in (26a) aber der Fall ist.
Wieder ist diese Stellungsmöglichkeit auf 'es' beschränkt. Interessant ist
der Unterschied zwischen (26c) und (26e). Im einfachen Satz ist die Pronominalreihenfolge NOM-AKK-DAT, vgl. (26d). Die Grammatikalität von (26c)
ist eine Folge der intervenierenden Satzgrenze. Das Verhalten von 'es' laßt
sich am ehesten als PF-bedingt deuten, d.h. gesteuert durch Faktoren aus
der PF-Komponente der Grammatik, und nicht aus der syntaktischen Komponente. Bekanntlich ist 'es' ein atonisches Element und meidet akzentuierte
Positionen. Die Umstellung von 'es' scheint auf eine lokale stilistische
Transformation in der PF-Komponente zurückzuführen zu sein. Eine Antwort
bleibt auch diese Deutung schuldig: Es ist noch nicht geklärt, warum das
Pronomen 'es' nicht mit dem Matrix-DA den Platz tauschen kann, wenn dieses
unmittelbar vorangeht:
(27) (a) daß ihn Max es machen läßt
(b) *daß ihn es Max machen läßt
Offenbar respektiert
auch die PF-Umstellung die Satzgrenze. Wir dürfen
daher davon ausgehen daß die Voranstellung des pronominalen Acl-Subjekts
- 100 eine genuine Umstellung an die Matrix-W? ist. Weshalb aber ist diese nur
für das Acl-Subjekt möglich?
Die
Antwort
folgt
unmittelbar
aus
der Bindungstheorie:
stellung erfolgt innerhalb der regierenden Kategorie
gorie
aber
ist
über
den
Begriff
des
zugänglichen
WackernagelUm-
. Regierende KateSubjekts
definiert
(s.HAIDER 1986, Kap.3). Daraus folgt unmittelbar, daß nur Acl-Subjekte die
Matrix-WP einnehmen können, weil deren regierende Kategorie der Matrixsatz
ist:
(28)
S'
ymax
/
\
vmax
WP
Vmax
NPl
NP 2
VK
[v e]
Nehmen wir an, NP-j ist das Acl-Subjekt und NP 2 das interne Argument. Dann
ist NP-| das zugängliche Subjekt für NPg und die eingebettete V-max-Konstituente (= S) ist die regierende Kategorie für NP2. Für NP-j aber ist das
zugängliche Subjekt das Subjekt der Matrix. Folglich ist seine regierende
Kategorie die Matrix-V-max. Daher ist WP-Umstellung für NP-j möglich, für
NP2 aber nicht.
Als Ergebnis dieser Diskussion dürfen wir festhalten, daß es in Acl-Komplementen keine Wackemagel-Umstellung gibt, weil das Acl-Komplement keine
W-
besitzt, denn WP ist INFL-adJazent. Der Unterschied in der W?-Umstellung an
die Matrix-WP aber wird von der Theorie richtig behandelt.
- 101 -
4. DER DERIVIERTE VERBALKOMPLEX
Infinitivkonstruktienen ohne 'zu' bilden mit dem Matrixverb einen Verbalkomplex, unabhängig davon, ob sie monosentential sind oder ob ein S-Komplement vorliegt. Zusätzlich zu der in Abschnitt 1 diskutierten Evidenz sei
hier noch ein weiteres Phänomen erwähnt, die Umstellung des Finitums in VK.
(1) o) well er nicht kommen können wlrö
b) well er nicht wird kommen können
Das Finitum tritt statt am Ende von VK am Anfang auf. Das findet man auch
in Acl-Konstuktionen.
(2)a) daß ihn Max das Buch nicht lesen lassen hat
b) daß ihn Max das Buch nicht hat lesen lassen
Der VK monosententialer Infinitivkonstruktionen ist basisgeneriert, der von
sententialen ist abgeleitet. Diese Annahme erfordert eine Begründung, weshalb das infinite Verb nicht im Komplement-S verbleibt. Diese beziehe ich
aus Evers (1984) und Scherpenisse/Janßen (1984). Sie entwickeln die Hypothese, daß ein Verb in einer obligaten Abhängigkeitsbeziehung
zu INFL
steht.
(3)
(4)
Jedes Verb ist INFL-markiert
A ist INFL-markiert gdw. A von INFL oder von einem INFL-markierten
Element regiert wird.
- 102 -
Scherpenisse/Janßen (1984) und Fabb (1984), der eine ähnliche Hypothese
verfolgt, haben dafür den Terminus 'verbaler Kasus' vorgeschlagen. So wie
eine NP in einer Rektionsbeziehung zu einem funktionalen Element stehen
muß, so gibt es auch eine obligatorische Rektionsbeziehung zwischen INFL
und V. Unter dieser Annahme gibt es eine unmittelbare Parallele zwischen
NP-Verschiebung und V-Anhebung. NP-Verschiebung tritt dann ein, wenn eine
NP sich in einer Position befindet, die für Kasuszuweisung nicht zugänglich
ist. Ebenso tritt V-Anhebung dann ein, wenn ein Verb für INFL-Markierung
nicht zugänglich ist.
Der grundlegende Unterschied zwischen Infinitiven mit und ohne 'zu' besteht darin, daß die 'zu'-Infinitive S'-Konstituenten sind und somit INFL
enthalten. Infinitive ohne
'zu' sind S-Konstituenten
und enthalten INFL
nicht. Morphosyntaktisch korreliert dies mit der Präsenz oder Absenz von
'zu'. Die S-Konstituente ist zumindest im Deutschen qua V m a x eine Rektionsbarriere. Das in dieser Konstituente befindliche Verb ist nur dann INFLregierbar, wenn es die Konstituente verläßt. Dies ist das auslösende Moment
für V-Anhebung und damit für die Enstehung eines abgeleiteten VK.
Gehen wir die Möglichkeiten für (3) einzeln durch. 1. Das finite Verb
trägt die INFL-Merkmale, die es unter INFL-Markierung qerhält. 2. Ein Auxiliar INFL-markiert das infinite Hauptverb. 3.1m Infinitivkomplement
gnalisiert das Element
ohne
si-
'zu' die INFL-Markierung. 4. Infinitivkomplemente
'zu' sind Konstituenten ohne INFL. Das Verb kann innerhalb dieser
Konstituente nicht INFL-markiert werden. Eine Verletzung von (3) kann nur
dadurch vermieden werden, daß das Verb die Konstituente verläßt und so in
eine Domäne gelangt, in der INFL-Markierung möglich ist. Durch Verbanhebung
gerät das Verb in eine Rektionsbeziehung zum INFL-markierten Matrixverb.'"
- 103 -
Scherpenisse/Janßen (1984)
wenden diese Analyse auch auf Infinitive mit
'zu' an, um daraus eine Erklärung dafür zu gewinnen, daß nicht-extraponierte
Infinitivkomplemente
im
Niederländischen
obligat
restrukturiert
werden. Diese Strategie scheint mir zumindest aus zwei Gründen problematisch.
Der Hauptgrund
läßt sich an einem Unterschied
zwischen Deutsch und
Niederländisch erläutern. Im Deutschen ist Extraposition nicht unifizierbarer Komplemente nicht obligatorisch.
(5) daß sie Max [PRO noch ein wenig zu bleiben] bat
Die Grammatikalität von (5) impliziert, daß (3) erfüllt ist. Ein Infinitivkomplement mit 'zu' enthält folglich INFL. Das Gleiche müßte für Niederländisch gelten.
Der zweite Grund ist ein Problem, das der diskutierten Hypothese aus dem
Niederländischen selbst erwächst. Wenn es so wäre, daß nicht-extraponierte
Infinitiv-Komplemente stets Verb-Raising unterworfen werden, so dürfte es
keine NP-internen Infinitivkomplemente geben, wie z.B. in (6):
(6)
[NP ne"t plan [de volgende dag samen te gaan vissen]]
viel in het water
(der Plan, am nächsten Tag zusammen fischen zu gehen,
fiel ins Wasser]
Wenn 'zu'-Infinitive im Satzkomplement nicht intern INFL-markiert wären,
müßte (6] ungrammatisch sein, da weder V-Anhebung vorliegt noch eine INFLMarkierung von außen möglich ist.
- 104 Es scheint daher notwendig, dem Unterschied zwischen Deutsch und Niederländisch
nachzugehen,
der die
Unifizierung
im Niederländischen
obligat
macht.
5. WARUM IST V-ANHEBUNG IM NIEDERLÄNDISCHEN OBLIGATORISCH?
Ein sententialer Infinitiv als Argument wird im Niederländischen entweder
extraponiert oder restrukturiert. Auffällig dabei ist, daß nicht alle Infinitivkomplemente restrukturierbar sind. Bei Objektkontrollverben findet
man nur Extraposition. Dies deckt sich mit der Tatsache, daß im Deutschen
ObJektkontrollverben Unifikation nicht erlauben. Während aber im Deutschen
das sententiale Komplement im Mittelfeld verbleiben kann (vgl.§4,(5)), muß
im Niederländischen extraponiert werden.
(1)a)
omdat Max haar verzecht nog een beetje te blijven
b ) * omdat Max haar nog een beetje te blijven verzocht
c ) # omdat Max haar nog een beetje verzocht te blijven
Nicht betroffen von dieser Restriktion sind NP-inteme 8'-Komplemente. Wenn
ein sententialer Infinitiv nur extraponiert oder NP-intern auftreten kann,
muß man sich fragen, was diesen beiden Kontexten gemeinsam ist. Die Antwort
ist: Es sind Positionen, die nicht regiert sind. Da die Rektionsrichtung im
Niederländischen ebenso wie im Deutschen regressiv ist, d.h. von rechts
nach links, befindet sich die Satzkonstituente in der NP und an der extraponierten Position rechts von einem potentiellen Regens. Die nächste Frage
ist nun, weshalb ein sententialer Infinitiv im Niederländischen im Unterschied zum Deutschen nicht an einer regierten Position stehen kann. Was wir
suchen müssen, ist eine Eigenschaft - nennen wir sie E - die mit Rektion
nicht verträglich ist.
- 105 In Haider (1986c) habe ich eine Hypothese angedeutet, die hier genauer
diskutiert werden soll. Diese Hypothese setzt zwei Prämissen voraus, die
ich hier nicht begründen werde, da ich dies an anderer Stell bereits getan
habe: 1.In V-zweit-Sprachen befinden sich die INFL-Merkmale an der COMPPosition
(Haider
1986d).
2. Im Deutschen
ist
Vmax
die
S-Konstituente
(Haider 1985b).
Wenn, wie im Niederländischen, VP die maximale V-Projektion ist, dann muß S
die Projektion eines anderen Elements sein. Das einzige Element, das sich
dafür anbietet, ist INFL (s.Chomsky 1986). Nun ist aber Niederländisch eine
V-zweit-Sprache,d.h. die INFL-Merkmale befinden sich in COMP. Die INFLProjektion ist daher ohne Head. Projektionen ohne Head aber sind durchlässig für Rektion
(s. Haider
1986c). Aus der Tatsache, daß die Comp-
Position für Rektion zugänglich ist (s.Kayne 1984), folgt auch, daß ihre
Schwesterposition, i.e. S, zugänglich ist. Diese Konstituente selbst ist
aber für Rektion undurchlässig, wenn sie den Head enthält. Genau dies ist
in einer V-zweit-Sprache nicht der Fall. Hier ist S durchlässig, wenn in
den nicht finiten Koplementen INFL in COMP bleibt. In den finiten Komplementen wird INFL auf das Verb übertragen und befindet sich in S.
Wenn nun S rektionsdurchlässig st, so bedeutet dies, daß das Matrixverb
oder das Matrix-INFL-Element den leeren Head der INFL-ProJektion des Komplements regiert. Damit ist die Voraussetzung für INFL-Markierung erfüllt
(s.§4 (4)). Der leere Head wird aber auch von den INFL-Merkmalen im eigenen
COMP INFL-markiert. Die plausible Annahme, daß INFL-Markierung eindeutig
ist, d.h. daß ein Element von genau einem Element INFL-markiert wird, liefert uns die gesuchte Eigenschaft E. Rektionsdurchlässige S-Konstituenten
müssen aus regierten Positionen entfernt werden. Dies kann man auf zweierlei Weise erzielen, Extraposition oder Restrukturierung.''
Wenn diese Analyse in die
richtige
Richtung
zielt,
dann
operieren
im
- 106 Deutschen und Niederländischen die gleichen Prinzipien. Infinitive ohne
'zu'/'te' werden obligatorisch restrukturiert. Die grammatische Ursache ist
die INFL-Markierung. Infinitive mit
'zu' sind restrukturierbar, wenn das
Matrixverb Subjektkontrolle ausübt und keine eigenen nominalen Komplemente
aufweist. Der einzige Unterschied betrifft nicht-restrukturierbare Infinitive. Diese können im Deutschen an der Basisposition bleiben, aber im
Niederländischen müssen sie extraponiert weder. Die Ursache ist ein von der
speziellen
Problematik
unabhängiger
Unterschied
zwischen
Deutsch
und
Niederländisch, ein unterschied in der V-Projektion, der seinerseits wieder
auf einen Unterschied im Kasussystem zurückgeht (s. Haider 1986b): Deutsch
hat ein morphologisches Kasussystem, Niederländisch aber nicht.
6. ERGEBNISSE
Am Ende von Abschnitt 1 habe ich die Probleme, zu deren Lösung diese Arbeit
beitragen soll, in Form von 7 Fragen aufgezählt. Der Einfachheit halber
wiederhole ich sie:
1. Wie kommt es zu den alternativen Komplementstrukturen bei Infinitivkomplementen?
A.1. Infinitive haben die Distribution von Komplementsätzen ('satzwertig')
wenn sie S'-Status haben. Um S'-Status zu haben bedarf es einer INFLProjektion und die geht einher mit der Präsenz von 'zu'. Infinitive ohne
'zu' sind S-Konstituenten. ^ Die 'alternative' Struktur ist die monosententiale. Das nicht-finite Verb bildet zusammen mit einem finiten
einen Verbalkomplex. Dies ist nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen
möglich. Diese Voraussetzungen spiegeln sich wider in den Eigenschaften
der monosententialen
Infinitivkonstruktionen.
Die
wichtigste
Voraus-
setzung ist die Einhaltung der Formatbeschränkung. Die A-Struktur des VK
ist kongruent mit der A-Struktur einfacher Verben.
- 107 2. Weshalb gibt es nur bei machen Infinitiven mit "zu" fakultativ eine
alternative monosententiale Struktur?
A.2.
Die
Formatbeschränkung
erfordert
eine
Auxiliarisierung
des über-
geordneten Verbs. Daraus resultiert die Eigenschaft, daß dieses Verb
keine
nominalen Komplemente
aufweist. Die Beschränkung
kontrolle ergibt sich aus dem Kontrolläquivalent
auf Subjekt-
in monosententialen
Konstruktionen.
3. Wie kommt es, daß die alternativen Strukturen bei Infinitiven mit "zu"
vom
Matrixverb
gesteuert
werden,
bei
denen
ohne
"zu"
aber
vom
Komplementverb?
A.3. Der Eindruck einer Steuerung durch das eingebettete Verb entsteht
dadurch, daß Infinitive ohne 'zu' nur dann ohne Verlust eines Arguments
unifiziert werden können, wenn der Infinitiv kein DA besitzt, d.h. nur
bei ergativen Verben. Bei 'zu'-Infinitiven geht ein DA deswegen nicht
verloren, weil 'zu' das externe Argument, und somit auch DA, blockiert.
Der Verlust eines Arguments ist nur dadurch zu vermeiden, daß statt der
monosententialen Struktur ein S-Komplement generiert wird.
4. Weshalb tritt bei Infinitiven ohne "zu" ein Passiveffekt auf, nicht aber
bei denen mit "zu"?
A.4. Der Passiveffekt ist der durch die Unifikation eingetretene Verlust
des DA. Dies hat deshalb den Anschein eines Passivs, weil dieses eine
Agumentreduktionskonstruktion
ist,
in
der
ebenfalls
das
DA
fehlt
(s.Haider 1986a). Bei Infinitiven mit 'zu' fehlt der Effekt, weil dort
das duch 'zu'blockierte Argument über Kontrolle interpretiert wird.
5. Wie kommt es dazu, daß bei Infinitiven ohne "zu" in gewissen Fällen nur
das Subjektspronamen nicht aber das Objektspronomen voranstellbar ist?
A.5. Das Objektspronomen ist genau dann nicht voranstellbar, wenn ein SKomplement
vorliegt.
Dieses
liegt
dann
vor, wenn Unifikation
nicht
- 108 -
möglich ist. Dies ist dann nicht möglich, wenn das DA des Infinitivs
syntaktisch präsent sein soll, OOB ßubjektspronomen ist voranstellbar,
weil die Wackernagelposition in seiner regierenden Kategorie liegt. In
der regierenden Kategorie des Objekts aber gibt es keine WP.
6. Wie ergibt sich der Zusammenhang zwischen unbeschränkter Voranstellbarkeit und Passiveffekt?
A.6. Der Passiveffekt tritt bei der Unifikation auf, d.h. in der moncr
sententialen Struktur. In diesen Strukturen sind alle Pronomina
'um-
stellbar', d.h. sie können in der INFL benachbarten Position generiert
werden.
7. Was ist die grammatische Ursache dafür, daß die nichtsentiale Variante
bei Kontroll-Infinitiven
im Deutschen
fakultativ
aber im Niederlän-
dischen obligatorisch ist?
A.7. Die grammatische Kausalkette beginnt mit einem Unterschied
in der
VerbalproJektion. In Kombination mit der V-zweit-Eigenschaft ergibt sich
in Infinitivkonstruktionen eine INFL-ProJektion die nicht an regierten
Positionen auftreten kann. Wird anstelle der monosententialen - so diese
möglich ist - die sententiale Struktur generiert, so muß Extraposition
eintreten. Dadurch gelangt die INFL-ProJektion an eine nicht-regierte
Position.
- 109 -
Anmerkungen
Für Hinweise und Anregungen bedanke ich mich bei Tilman HÖHLE, Klaus
NETTER und Martin PRINZHORN sowie bei den Diskussionsteilnehmern des GGSTreffens Konstanz 1985.
^
Obligat monosententiale Infinitivkomplemente
mit
'zu' werden in
Haider (1986e, Kap.?) analysiert.
2
Wenn, wie in Haider (1986d) angenommen wird, die INFL-Position im
Deutschen
die
COMP-Position
ist,
so ergibt
sich
ein
Zusammenhang
zwischen der Wackernagelposition und der Klitisierung in romanischen
Sprachen.
In
beiden
Nachbarschaft
Adjazenz
von
obligat
Klitisierung
mit
Fällen
INFL
und
tritt
auf. In
es
kommt
das
den
unbetonte
romanischen
außerdem
dem Trägerelement
von
zu
Pronomen
Sprachen
einer
in
der
ist
die
morphologischen
INFL. Im Deutschen ist es
lediglich eine positioneile Annäherung an die Grundposition von INFL,
und
zudem
ist
es
hat
eine
Konstituenten
ohne
Hypothese
eine
fakultative
Interessqante
INFL:
Diese
9tellun&2Pig9nZDhöft:
Konsequenz
haben
für
genau
Dies*
sententiale
dann
keine
Wackernagelposition, wenn es stimmt, daß diese eine Position an der
INFL benachbarten Satzspitze ist.
3
Man könnte versucht
sein, hinter der Ungrammatikalität
dieses
Satzes auch eine andere Ursache zu vermuten. Beispielsweise müßte das
vorangestellte
Wenn
das
Komplement
Pronomen
eine Leerstelle
diese
nicht
korrekt
des Pronomens enthalten.
bindet,
wird
der
Satz
ungrammatisch. Ich will auf diese Frage hier deshalb nicht eingehen,
weil genügend eindeutige Evidenz für ein nicht-sententiales Komplement
vorliegt.
^
Diese Charakterisierung
möglicherweise zu restriktiv:
ist angesichts der folgenden Beispiele
- 110 -
i) (?) weil es ihr Jemand zu lesen versprochen hat
ii) (?) weil ihn mir Jemand zu konsultieren geraten hat
T.Höhle verdanke ich folgendes erstaunliche Beispiel eines 'langen'
Passivs bei einem Verb mit Dativobjekt:
iii) Der Erfolg wurde uns nicht auszukosten erlaubt
Auch Bech (1955 § 12?) vermerkt,daß die zweite Beschränkung, i.e. kein
eigenes Objekt zu besitzen, als Bedingung für die nichtsententiale
Struktur
eine
interessante
Ausnahme
besitzt.
Das
Komplement
von
scheinen ist stets nicht-sentential obwohl dieses Verb ein Dativobjekt
regieren kann.
iv) Er schien uns krank zu sein
^
Außer man analysiert Auxiliare als Raising-Verben mit sententialem
Komplement (vgl. Hoekstra 1984), was ich aber nicht tue.
°
Die
oben
(s.Fn.) erwähnten
Ausnahmen
sind
möglicherweise
nur
scheinbare Ausnahmen. Das fragliche nominale Objekt ist ein Dativ.
Dieser kann auch mit Auxiliaren auftreten:
i) Mir war, als ob
Wenn das Matrixverb ein Dativobjekt hat, ist Unifikation mit einem
dativhaltigen Komplement ausgeschlossen:
ii)? weil ihr das Buch Jemand zu lesen versprochen hat
iii)* weil ihr das Buch ihm Jemand zu schenken versprochen hat
Es scheint hier wiederum die Formatbeschränkung wirksam zu sein, die
garantiert, daß die B-Zuweisung eindeutig bleibt.
'
Die folgende unvollständige Liste von Verben mit monosententialem
Komplement ist Bech (1955) entnommen: ablehnen, anbieten, anfangen,
anheben, aufhören, beabsichtigen, bedauern, befürchten, beginnen, be-
- 111 -
haupten, belieben, bereuen, beschließen, bezweifeln, drohen, erwägen,
geloben, getrauen, glauben, hoffen, planen, riskieren, vergessen, verlernen, vermögen, versuchen, verstehen, vorgeben, wagen, zustimmen.
8
BECH (1955 §138) vermerkt, daß nichtpronominale AKK-NPs in der
Reihenfolge Acl-Subjekt - Acl-Objekt auftreten. Weiters findet man in
diesem Abschnitt zwei interessante Beispiele, die gegen die Annahme,
daß das Acl-Subjekt eine Matrix-NP ist, sprechen,
i) ich ließ das Buch ihn holen
ii) ...was meine Existenz mich als eine reiche empfinden ließ
^
Dies deckt sich mit den Eigenschaften der Klitikverschiebung im
Italienischen.
"Q Prinzip (3) scheint auch letzlich das auslösende Moment für das Vzweit-Phänomen zu sein. Wenn INFL sich in COMP befindet, so ist INFLMarkierung
nur
über
V-Verschiebung
oder
INFL-Verschiebung
zu
erreichen. Diese zwei Prozesse charokterlsieren eine V-z«eit-8procbe
(vgl. Haider 1986d).
'"
Aus
dieser
Analyse
geht
nicht
hervor,
weshalb
sich
im
Niederländischen im Unterschied zum Deutschen bei Restrukturierung die
Reihenfolge der Verben ändert.
'2
Theoretisch gibt es zwei Möglichkeiten der Generierung: Entweder
sie werden als S'generiert und es kommt zu S'-Tilgung, wie Chomsky
(1981) für englische Acl-Konstruktionen vorschlägt, oder sie werden
als S basisgeneriert.
- 112 -
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