Pressemitteilung 1. Seite Hanna Klimpe, Kommunikation / Presse [email protected] Tel.: 040.328 14 – 172 Fax: 040.328 14 - 204 Hamburg, den 16. Oktober 2015 Spendenaufruf: 100.000 Euro für Flüchtlinge – Änderung des Spielplans Das Thalia engagiert sich seit Jahren stark in interkulturellen, interreligiösen und internationalen Fragestellungen. Seit dem Frühjahr 2013, als die Flüchtlingsfrage in den Ereignissen um Lampedusa immer mehr eskalierte, engagiert es sich ganz besonders in der Flüchtlingsdebatte – angefangen mit der Urlesung des Jelinek-Textes „Die Schutzbefohlenen“ in der St. PauliKirche. Seitdem ist die Flüchtlingsthematik ein kulturpolitischer Schwerpunkt des Hauses. Zu Beginn der Spielzeit rief das Thalia-Theater dazu auf, 100.000 Euro für Flüchtlinge zu sammeln. Nur vier Wochen später sind bereits 40.000 Euro gespendet worden. Das Geld geht ohne Umwege und Verwaltungskosten direkt an Hamburger Initiativen und Einrichtungen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Unterstützt werden z.B. das internationale Diakoniecafé „Why not?“, das Anlaufstelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ist und Sprachkurse vermittelt oder bei Behördengängen hilft; sowie der Verein „Sprachbrücke Hamburg“, der Gesprächsrunden für Migranten in vielen Hamburger Stadtteilen anbietet. Faktencheck: Olaf Scholz hat im März 2014 im überfüllten Thalia-Theater zur Flüchtlingsfrage unter dem Titel „Hamburg, Europa und die Grenzen“ eine Grundsatzrede gehalten. Vor kurzem sagte er, die Kernpunkte dieser Rede seien – auch angesichts der ungeheuren Dynamik der Flüchtlingsfrage – immer noch Maxime seines politischen Handelns. Wir laden ein zum Faktencheck – die Rede ist nachzulesen und zu überprüfen auf http://www.thaliatheater.de/h/index.php?id=760&lgn=1 . Außerdem hat das Thalia angesichts der aktuellen politischen Lage den Spielplan geändert: Luk Perceval hat sich entschlossen, anstelle des Materials „La Promesse / Das Versprechen“ der Brüder Dardenne John Steinbecks Roman Früchte des Zorns zu inszenieren. Steinbecks Epos ist einer der ersten Romaen, der die Flucht nach Westen und die Hoffnung auf ein besseres Leben eindrücklich anhand der inneramerikanischen Migration während der Großen Depression erzählt hat. Die Inszenierung wird am 23. Januar als Eröffnung der Lessingtage im Thalia Theater Premiere feiern. Zwei dokumentarische Projekte mit jungen Flüchtlingen werden schon seit Monaten vorbereitet: In 'anˌkɔmən – Unbegleitet in Hamburg erarbeitet der Regisseur Gernot Grünewald mit acht minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen eine szenische Collage, die am 24.Oktober im Thalia in der Gaußstraße Premiere feiert und u.a. in Zusammenarbeit mit dem „Why not?“, Anlaufstelle für viele Flüchtlingskinder, entstanden ist. Am 26.+27. November wird dort außerdem das musikalische Theaterstück DO IT! Klang Spiel Raum aufgeführt. Das Projekt von den Hamburger Symphonikern und dem Thalia Theater ist in Zusammenarbeit mit der Elbinselschule in Hamburg-Wilhelmsburg entstanden und zeigt, wie Musik die Grenzen der Sprache überwinden kann. Schließlich ist die Stemann-Inszenierung Die Schutzbefohlenen, die zum Holland Festival in Amsterdam, dem Berliner Theatertreffen und den Mülheimer Theatertagen eingeladen wurde, wieder auf dem Spielplan. Auch in dieser Spielzeit wird es nach jeder SchutzbefohlenenVorstellung Tischgespräche zwischen Zuschauern und Akteuren geben, bei denen z.B. auch Flüchtlingsinitiativen vorgestellt werden. Die nächste Vorstellung der Schutzbefohlenen ist am 30. Oktober zu sehen. Pressemitteilung 2. Seite ANHANG: Flüchtlingsdebatte: Änderung des Spielplans und Spendenaufruf STÜCKTEXTE ˈanˌkɔmən Unbegleitet in Hamburg Premiere am 24. Oktober um 17 Uhr im Thalia in der Gaußstraße (Ballsaal / Probebühne IV) Ankommen – viele der über 1300 unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, die in Hamburg leben, würden das gern. „Ankommen“ in Deutschland heißt für sie aber zunächst: radiologische Handwurzeluntersuchung zur Alterseinschätzung, Ämter- und Behördengänge, eine neue, zunächst unverständliche Sprache. Aus ihren Heimatländern vor Krieg, Rekrutierung und Ausbeutung geflüchtet, sind die Jugendlichen nach einer langen, oft gefährlichen Reise in Hamburg gelandet. Das Vertraute verloren, sind sie nun der Unsicherheit ausgesetzt, ob sie bleiben dürfen, wenn sie 18 werden. Im biografischen Projekt „ˈanˌkɔmən“ erzählen junge Geflüchtete von ihrem Leben hier – vom Start in der Erstaufnahmeeinrichtung, von den Vormündern, die sich ihrer annehmen, vom Deutsch lernen, von ihrem Alltag, von ihren Träumen und Hoffnungen. Regisseur Gernot Grünewald, 2011 mit dem Hauptpreis des Körber Studios Junge Regie ausgezeichnet, hat bei den Lessingtagen 2015 im Thalia bereits seine Inszenierung „Kinder | Soldaten“ gezeigt. Nun schafft eine Gruppe der Hamburger Jugendlichen gemeinsam mit ihm ihren eigenen Raum im Theater – und lädt ein, ihren Eindruck von Deutschland, von Hamburg, vom Ankommen, aber auch Erzählungen über ihre Herkunft zu teilen. In installativen Situationen entsteht ein Mosaik aus Hoffnungen, Wünschen und Lebensrealitäten, die in einem begehbaren Parcours für das Publikum erfahrbar werden. Denn die Jugendlichen haben uns sehr viel zu erzählen: nicht nur über sich selbst – sondern auch, wie unsere Willkommenskultur aussieht – und was das über eine Gesellschaft aussagt. Achtung, durch die installative Anordnung gibt es nur eine begrenzte Kartenanzahl. Regie Gernot Grünewald Bühne Michael Köpke Projektleitung & Dramaturgie Anne Rietschel Theaterpädagogik Sophie Arlt In Kooperation mit why not? Café´- Deutschkurse – Beratung und dem CJD Hamburg Gefördert vom DO IT! Klang Spiel Raum Ein musikalisches Theaterstück mit Flüchtlingskindern Am 26. November um 16 Uhr sowie am 27. November um 10 Uhr im Thalia in der Gaußstraße Grundlage für das Projekt mit Kindern, die erst kurze Zeit in Hamburg sind, ist ein kammermusikalisches Werk der Hamburger Symphoniker. Der erste Schritt geht über das Hören: Wie nehmen Kinder die Musik wahr? Welche Empfindungen entstehen dabei? Welche Bilder stellen sich ein? Wie bewegen sich Pressemitteilung 3. Seite Kinder zu der Musik? Aus den Vorstellungen, aus den Bewegungen und Improvisationen entwickeln die Kinder in Zusammenarbeit mit den Musikern und Theaterprofis eigene Ideen für Szenen mit und ohne Sprache. Es entsteht so ein musikalisches Stück Theater mit Tanz und Bewegung. Ein Projekt von den Hamburger Symphonikern und dem Thalia Theater in Zusammenarbeit mit der Elbinselschule in Hamburg-Wilhelmsburg Leitung Johanna Franz (Hamburger Symphoniker), Christina Fritsch (Thalia Theater) Projektberatung Herbert Enge (Thalia Theater) Eintritt 10 Euro / ermäßigt 8 Euro / Karten 040. 32 81 44 44 / www.thalia-theater.de Eröffnung der Lessingtage 2016 Früchte des Zorns von John Steinbeck A-Premiere am 23. Januar um 19.30 Uhr im Thalia Theater B-Premiere am 24. Januar um 19 Uhr im Thalia Theater Es gab eine Zeit, da war die wohl berühmteste Ost West Verbindung der USA, die Route 66, eine Fluchtroute für den unendlichen Treck der Migranten, die vor den Missernten und der Armut in Oklahoma und Arkansas fliehen und ins Gelobte Land zogen: nach Kalifornien. Die Menschen fliehen, weil sich die riesigen Weizenfelder im Mittleren Westen als Folge erbarmungsloser Monokultur in eine „Dust Bowl“, eine Staubschüssel, verwandelt hatten. In seinem Jahrhundertroman „Früchte des Zorns“, 1939 in den USA erschienen, erzählt John Steinbeck das Schicksal der Großfamilie Joad, die, wie viele tausende Andere, die Pachtzinsen nicht mehr bezahlen können und dem Ruf „Go West!“ folgen, in der Hoffnung, auf den kalifornischen Obstplantagen eine neue Existenzgrundlage zu finden. „Wir haben es schwer gehabt hier. Und da unten wird alles anders sein – viel Arbeit und alles schön grün und kleine weiße Häuser und überall Orangen.“ „Wirklich überall Orangen?“ – „Na, vielleicht nicht überall, aber beinah.“ Die Alten sterben schon unterwegs, die anderen erwartet am Zielort neues Elend und Fremdenhass. Luk Perceval eröffnet die Lessingtage 2016 mit einem internationalen, mehrsprachigen Ensemble und erzählt eine Urgeschichte der Migration. Es ist die Geschichte einer Familie, die aufbricht, um anderswo ein neues Leben zu suchen, und nach der langen, beschwerlichen Reise in eine vermeintlich bessere Zukunft findet sie sich in einer Realität wieder, in der alle Versprechen uneingelöst bleiben. Weitere Vorstellung am 5. Februar um 20 Uhr Eintritt Premiere 74 – 15 Euro Eintritt weitere Vorstellungen 52 – 20 Euro / Karten 040. 32 81 44 44 / www.thalia-theater.de Pressemitteilung 4. Seite Uraufführung Die Schutzbefohlenen von Elfriede Jelinek Ab 30. Oktober um 20 Uhr wieder im Spielplan des Thalia Theater In den letzten Jahren starben an den EU Außengrenzen weit über 20.000 Menschen. Die Katastrophe vor Lampedusa 2013 war eine von vielen. Diejenigen, die Europa über lange Flüchtlingstrecks erreichen, werden in Massenunterkünften untergebracht oder leben auf der Straße; ihnen werden die Bürgerrechte entzogen, sie dürfen weder arbeiten noch einen Wohnsitz haben, und warten – zum Teil jahrelang - auf die Anerkennung ihrer Asylanträge. Die meisten von ihnen warten vergeblich und werden wieder abgeschoben. Die spektakuläre Besetzung der Wiener Votivkirche durch pakistanische Flüchtlinge im Frühjahr 2013 war der unmittelbare Anlass für Elfriede Jelineks neuen Theatertext „Die Schutzbefohlenen“. Im September 2013 fand die Erstpräsentation des Textes in Hamburg statt. Dort verbanden sich Schauspieler des Thalia-Theaters mit Lampedusa-Flüchtlingen zu einer gemeinsamen künstlerischen Aktion in der St. Pauli-Kirche, wo afrikanische Flüchtlinge der Lampedusa-Gruppe Kirchenasyl gesucht haben. Gewidmet sind Jelineks „Schutzbefohlene“ all jenen, die an der Flüchtlingspolitik der Europäer scheitern. Die Autorin leiht den Flüchtlingen ihre Stimme und lässt sie die Menschenwürde einfordern, die Europa als seine Erfindung so gerne für sich reklamiert. Nicolas Stemanns Inszenierung dieses Textes aktiviert alle unlösbaren Fragen, die ein stellvertretendes Sprechen für Flüchtlinge durch europäische Schauspieler aufwirft. Es spielen Thalia-Schauspieler, Gäste und ein Flüchtlingschor. Die Flüchtlinge, die ursprünglich hart am Rande der Legalität auf der Bühne standen, wirken mittlerweile, dank der Änderung von Bundesgesetzen, völlig legal mit. Dennoch: die Lage ist insgesamt eskaliert. Die Flüchtlinge aus den anderen Kontinenten der Welt legen mehr und mehr ihre Demut ab, fangen an, sich zu artikulieren und politisch zu organisieren. Dies gilt auch für den Flüchtlingschor, der im Thalia auf der Bühne steht. Die Mitwirkenden aktualisieren fortlaufend ihre Texte. Die Premiere von Stemanns Inszenierung war bei der Eröffnung des Festivals „Theater der Welt“ 2014 und wenig später war sie beim Hollandfestival in Amsterdam zu sehen. Die Hamburger Premiere war im Herbst 2014. Außerdem waren die „Schutzbefohlenen“ zur Eröffnung des Berliner Theatertreffens 2015 eingeladen. Jetzt steht die Inszenierung wieder auf dem Spielplan des Thalia-Theaters. Im Anschluß an die Vorstellung gibt es Tischgespräche: Begegnungen zwischen Publikum, Flüchtlingen und Schauspielern des Thalia-Theaters. Regie & Bühne Nicolas Stemann Bühnenbildmitarbeit Anja Hertkorn Kostüme Katrin Wolfermann Musik Daniel Regenberg, Nicolas Stemann Live-Musik Daniel Regenberg Video Claudia Lehmann Dramaturgie Stefanie Carp Ensemble Thelma Buabeng, Ernest Allan Hausmann, Felix Knopp, Isaac Lokolong, Daniel Lommatzsch, Barbara Nüsse, Dennis Roberts, Sebastian Rudolph und ein Flüchtlingschor Eintritt 52 – 20 Euro Karten 040. 32 81 44 44 / www.thalia-theater.de