Lichtpolarisation

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Lichtpolarisation
– ein Beispiel für den Kollaps der Wellenfunktion
1
Einleitung
Stets ein grosser Kritikpunkt an der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik (= orthodoxe Position) war der Kollaps der Wellenfunktion, also die Aussage, dass sich die Wellenfunktion bei einer
Messung schlagartig verändert und durch den gemessenen Wert neu definiert wird. So verrückt dieser
Kollaps in der Theorie auch scheinen mag, er hat aufgrund experimenteller Beobachtungen durchaus
seine Berechtigung. Als Beispiel dafür betrachten wir hier die Polarisation des Lichts.
2
Polarisation in der klassischen Elektrodynamik
Verständnis des Lichts in der klassischen Elektrodynamik (1864) nach J.C. Maxwell (1831 – 1879):
Licht = em-Welle = Wellenartige Ausbreitung einer Kombination aus einem elektrischen und einem
~ und B-Feld
~
magnetischen Feld. Estehen stets senkrecht zur Ausbreitungsrichtung ~r.
~
Polarisationsrichtung ≡ Schwingungsrichtung des E-Feldes
einer em-Welle.
~
(Linear) Polarisiertes Licht besteht aus lauter em-Wellen, bei denen das E-Feld
in derselben Richtung
senkrecht zur Ausbreitungsrichtung schwingt.
Unpolarisiertes Licht besteht aus vielen em-Wellen mit allen möglichen Polarisationsrichtungen. Alle
Polarisationsrichtungen kommen gleich häufig vor.
Lichtintensität = “an einem Ort pro Zeitspanne ankommende Lichtenergie”; die Intensität der einzelnen
em-Welle ist gemäss Theorie proportional zum Quadrat des Betrags des elektrischen Feldvektors:
~ 2
I ∼ |E|
Polarisationsfilter lässt nur em-Wellen mit bestimmter Polarisationsrichtung passieren und kann demnach auf zwei Arten verwendet werden:
• Polarisator: aus unpolarisiertem Licht wird polarisiertes, aber gleichzeitig auch schwächeres
(= weniger intensives) Licht.
• Analysator: überprüft die Polarisation des durchgehenden Lichts, indem eben mehr oder
weniger Licht das Filter passiert.1
1
Historisch-sprachlich heisst es im physikalischen Zusammenhang das Filter. Es ist nach neuer Rechtschreibung aber
1
2.1
Was passiert gemäss der klassischen Elektrodynamik beim Durchgang von unpolarisiertem Licht durch ein Polarisationsfilter?
Nehmen wir an, das Polarisationsfilter ist so ausgerichtet, dass es vertikal polarisiertes Licht durchlässt.
~ 0 beim Polarisationsfilter an. Dieser weicht um den θ von
Nun komme eine em-Welle mit Feldvektor E
der Durchlassrichtung des Polarisationsfilters ab:
In der klassischen Theorie lässt das Polarisationsfilter nun nur die vertikale Komponente des elektrischen
~ 1 hinter dem Filter beträgt somit:
Feldes passieren. Der Betrag des elektrischen Feldvektors E
~ 1 | = |E
~ 0 | · cos θ
|E
In der klassischen Elektrodynamik hat damit die Intensität der einzelnen em-Welle abgenommen. Im
Vergleich mit der alten Intensität I0 beträgt die neue Intensität I1 :
~ 2
I ∼ |E|
~ 1 |2
I1
|E
=
= cos2 θ
~ 0 |2
I0
|E
⇒
Die noch vorhandene Intensität der einzelnen em-Welle berechnet sich also mit dem Faktor cos2 θ.
Da alle Polarisationswinkel θ gleich häufig vorkommen sollen, können wir aus diesem Resultat folgern,
welcher Bruchteil der Gesamtintensität das Polarisationsfilter passiert. Die Winkelhäufigkeitsverteilung
1 2
. Damit folgt für den Erwartungswert (= statistischer Durchschnitt) des passierenden
beträgt ̺(θ) = 2π
Intensitätsanteils:3
Z 2π
Z 2π
2π
1
cos2 θ
I1
1 1
1
I1
dθ =
· (θ + sin θ cos θ) =
· (2π + 0) =
· ̺(θ) dθ =
=
I0
I0
2π
2π 2
4π
2
0
0
0
Somit liefert uns die klassische Theorie die folgenden beiden Resultate:
• Trifft unpolarisiertes Licht auf ein Polarisationsfilter, so wird seine Gesamtintensität beim
Durchgang durch das Filter auf 50 % reduziert.
Dies entspricht den realen Messresultaten.
• Hinter dem Filter ist das Licht nicht mehr unpolarisiert. Vielmehr entspricht die Polarisationsrichtung aller em-Wellen hinter dem Filter seiner Durchlassrichtung. Wir sprechen
von vollständig polarisiertem Licht.
Wir können zunächst nicht sagen, ob dieses Resultat der Realität entspricht oder nicht, denn dazu
muss eine weitere Messung stattfinden, die ebenfalls genau verstanden sein will. . .
nicht mehr falsch Filter in allen Bereichen als maskulines Substantiv zu verwenden.
2
◦
1
100 % verteilt auf
R 360 , also im Bogenmass und ohne Prozente eben 2π .
3
Wir verwenden: cos2 x dx = 12 (x + sin x cos x) + C.
2
2.2
Was passiert gemäss der klassischen Elektrodynamik beim Durchgang von vollständig
polarisiertem Licht durch ein Polarisationsfilter?
Nehmen wir wiederum an, das Polarisationsfilter ist so ausgerichtet, dass es vertikal polarisiertes Licht
~1
durchlässt. Nun komme vollständig polarisiertes Licht beim Polarisationsfilter an. Die Feldvektoren E
der einzelnen em-Wellen können zwar unterschiedlich lange sein, also unterschiedliche Beträge aufweisen,
zeigen aber alle in dieselbe Richtung, gegeben durch den Winkel θ relativ zur Durchlassrichtung des
Polarisationsfilters:
~ 2 einer em-Welle und für die Intensität hinter Polarisationsfilter
Für den durchgelassene Feldkomponente E
folgt damit sofort wieder:
~ 2 |2
|E
I2
=
= cos2 θ
2
~
I1
|E1 |
~ 2 | = |E
~ 1 | · cos θ ⇒
|E
Da wir es mit vollständig polarisiertem Licht zu tun haben, in dem nur der Winkel θ vorkommt, gilt diese
Beziehung nun auch sofort für die Gesamtintensität des Lichts:
I2
= cos2 θ
I1
Halten wir auch hier die Resultate der klassischen Theorie fest:
• Trifft vollständig polarisiertes Licht auf ein Polarisationsfilter, so wird seine Gesamtintensität beim Durchgang durch das Filter auf den Anteil cos2 θ reduziert. Dabei ist θ der
Winkel zwischen der eintreffenden Polaristationsrichtung und der Durchlassrichtung des
Filters.
Dies entspricht wiederum den realen Messresultaten. Insbesondere bemerkenswert sind die Verlustlosigkeit für θ = 0◦ und die komplette Auslöschung der Welle für θ = 90◦ .
• Hinter dem Filter entspricht die Polarisationsrichtung des Lichts wiederum der Durchlassrichtung des Filters.
3
2.3
Die Kombination dreier Polarisationsfilter in der klassischen Elektrodynamik
Betrachten wir nun drei Polarisationsfilter hintereinander. Zunächst treffe unpolarisiertes Licht auf das
erste Filter. Dahinter ist das Licht senkrecht polarisiert. Das zweite Polarisationsfilter besitze eine Durchlassrichtung mit Winkel θ1 zur Senkrechten. Die Durchlassrichtung des dritten Filters wiederum sei
gegenüber der Durchlassrichtung von Filter 2 um den Winkel θ2 gedreht:
Aus den bisherigen Überlegungen erhalten wir für die Intensität des Lichts hinter dem dritten Filter:
I0
1
· cos2 θ1 · cos2 θ2
I3 = I2 · cos2 θ2 = I1 · cos2 θ1 · cos2 θ2 = I0 · · cos2 θ1 · cos2 θ2 =
| {z }
2
2
| {z }
=I
2
=I1
Dieses Intensitätsresultat lässt sich experimentell gut bestätigen. Es erscheint in dieser Form sehr gut
nachvollziehbar, beinhaltet aber doch Erstaunliches: Stellen Sie sich vor, die Durchlassrichtung von Polarisationsfilter 3 liege horinzontal, also im 90◦ -Winkel zur Durchlassrichtung von Filter 1. Gäbe es kein
Filter 2, so würde kein Licht das Filter 3 passieren. Erst durch das Einfügen des Filters 2 kann das Licht
das Filter 3 passieren. Das ist doch recht bemerkenswert.
Damit hinter Filter 3 kein Licht mehr vorhanden ist, muss einer der beiden Winkel θ1 oder θ2 gleich
90◦ sein.4 Hier beispielsweise eine Situation mit θ2 = 90◦ :
4
Ob θ1 + θ2 = 90◦ oder Filter 3 auf eine horizontale Durchlassrichtung eingestellt ist, spielt keine Rolle!
4
3
Eine Zwischenüberlegung: Das Versagen der klassischen Theorie
So weit, so gut. Die klassische Elektrodynamik scheint alles bestens zu erklären. Da braucht es doch gar
keine Quantenphysik!?
Allerdings ist seit Einsteins Deutung des Fotoelektrischen Effekts im Jahr 1905 klar, dass Licht
aus einzelnen Teilchen, sogenannten Photonen besteht. Anstelle einer kontinuierlichen Beleuchtung aus
Millionen von Photonen pro Sekunde können wir also auch nur ein einzelnes Photon auf die Anordnung
loslassen. Und dann sollte eine vernünftige Theorie doch Auskunft über das Verhalten eines solchen
Photons geben können! Aber genau da versagt die klassische Theorie.
Zunächst könnte man denken, dass ein Photon einer einzelnen (klassischen) em-Welle entspricht.
Doch gegen diese “Übersetzung” spricht ein klarer experimenteller Befund: Entspräche das Photon einer
einzelnen em-Welle, so müsste sich sein Energieinhalt (seine “Intensität”) in Abhängigkeit der Stellung
der Polarisationsfilter verändern. Genau das ist aber nicht der Fall. Stattdessen stellt man fest:
• Im Beispiel mit den drei hintereinander gereihten Polarisationsfiltern beträgt die Wahrscheinlichkeit,
dass ein einzelnes Photon aus einer Lichtquelle, die unpolarisiertes Licht aussendet, hinter Filter 3
ankommt:
1
P (“Photon passiert alle 3 Filter”) = · cos2 θ1 · cos2 θ2
2
Die Passierwahrscheinlichkeit für das einzelne Photon entspricht also der Beschreibung der Intensitätsabnahme in der klassischen Theorie.
• Falls das Photon hinter Filter 3 ankommt, so ist sein Energieinhalt immer noch genau gleich gross
wie bei seiner Aussendung. Es hat also auf seinem Weg keine Energie resp. “Intensität” verloren.
Die Kombination dieser beiden Befunde lassen sich mit der klassischen Theorie nicht erklären. Das
klassische Feldkonzept kommt offensichtlich an seine Grenze. . .
4
Polarisation als Quantenzustand von Photonen
Nun müssen wir uns selbstverständlich darüber klar werden, wie die Quantenphysik die Polarisation des
Lichts beschreibt. Das Polarisationsexperiment mit den 3-Filtern will ja schlussendlich schlüssig erklärt
sein. Hier also die quantenmechanischen Ideen zum Thema polarisiertes Licht.
Licht = Strom aus einzelnen Photonen (= Lichtteilchen) mit verschiedenen Quanteneigenschaften und
quantenmechanischem Verhalten. Der Wert einer Eigenschaft unbestimmt, solange er nicht gemessen wird. Dies gilt insbesondere für die Polarisation.
Polarisationszustand (6= Polarisationsrichtung!): Die Polarisation eines Photons wird durch eine
quantenmechanische Zustandsfunktion Ψ beschrieben. Allerdings gibt Ψ keine exakte Polarisationrichtung des Photons vor, sondern beinhaltet vielmehr die Information, mit welcher Wahrscheinlichkeit das Photon ein Polarisationsfilter mit bestimmter Durchlassrichtung passiert.
Der Zustand Ψ beinhaltet stets eine einzige Durchlassrichtung, für welche die Passierwahrscheinlichkeit 100 % beträgt. Diese Richtung wird typischerweise auch als Polarisation(srichtung) des
Photons bezeichnet, auch wenn das Photon im quantenmechanischen Sinn keine Polaristion besitzt,
wenn nicht gerade gemessen wird!
(Linear) Polarisiertes Licht besteht aus lauter Photonen mit identischem Polarisationszustand Ψ . D.h.,
die Wahrscheinlichkeit für die Passage eines Polarisationsfilters ist für alle Photonen dieselbe.
Unpolarisiertes Licht besteht aus Photonen, in deren Gesamtheit jede Polarisationsrichtung (im oben
definierten Sinn!) mit gleicher Wahrscheinlichkeit/Häufigkeit vorkommt.
5
Lichtintensität = “an einem Ort pro Zeitspanne ∆t ankommende Teilchenzahl N ”:
I∼
N
∆t
Polarisationsfilter bewirken Polarisationsmessungen der Photonen. Für jedes Photon wird durch das
Polarisationsfilter “der Zufall befragt”, ob es das Filter passiert oder nicht. Dabei ist eine Passage
des Photons umso wahrscheinlicher, je näher seine Polarisationsrichtung (im oben definierten Sinn!)
an der Durchlassrichtung des Filters liegt. Ist θ der Winkel zwischen diesen beiden Richtungen, so
beträgt die Passierwahrscheinlichkeit nicht ganz unerwarteter Weise:
P (“Photon passiert Filter”) = cos2 θ
Nach diesen Erläuterungen dürfte Ihnen klar sein: die Polarisationsfilter sind die entscheidenden Orte,
denn dort findet eine Messung der Photonen statt, wo der Zufall aufgrund der im Polarisationszustand
Ψ enthaltenen Wahrscheinlichkeit entscheidet, ob das Photon das Polarisationsfilter passiert.
Falls das Photon das Filter passiert, ist die Auswirkung auf seinen Polarisationszustand quantenmechanisch drastisch: Der alte Polarisationszustand Ψalt geht vollkommen vergessen. Der neue Polarisationszustand Ψ ist derjenige, bei dem die Polarisationsrichtung (= “100 %-Richtung”) der Durchlassrichtung
des eben passierten Polarisationsfilters entspricht.
Was hier beschrieben wird, ist der Kollaps der Wellenfunktion als Folge einer Messung. Der
Polarisationszustand Ψ des Photons wird durch die Messung neu definiert!
Schliesslich sei auch noch angemerkt: In der quantenmechanischen Beschreibung des Durchgangs
durch ein Polarisationsfilter verliert ein passierendes Photon keinerlei Energie! Es bleibt als Teilchen
komplett erhalten, nur sein Polarisationszustand Ψ hat sich verändert.
4.1
Die Kombination dreier Polarisationsfilter in der Quantenphysik
Überprüfen wir zum Schluss noch, ob im Falle dreier Polarisationsfilter hintereinander die quantenmechanische Erklärung ebenfalls die beobachteten Resultate liefert.
Von einem Photon vor dem ersten Filter kennen wir im Grunde genommen nichts. Wir wissen nur,
1
. Damit beträgt die mittlere
dass alle Polarisationsrichtungen ϑ0 gleich wahrscheinlich sind ̺(θ) = 2π
Passierwahrscheinlichkeit eines beliebigen Photons:
Z 2π
2π
cos2 θ
1
1 1
1
dθ =
· (θ + sin θ cos θ) =
· (2π + 0) =
hP (“Photon passiert 1. Filter”)i =
2π
2π
2
4π
2
0
0
Somit passieren im statistischen Mittel 50 % aller Photonen das 1. Filter. Dahinter übernehmen die
Photonen als Polarisationsrichtung die senkrechte Durchlassrichtung des 1. Filters und wir erhalten für
die Wahrscheinlichkeit eines solchen Photons, auch das 2. Filter zu passieren:
P (“Photon passiert 2. Filter”) = cos2 θ1
Analog gilt für ein Photon, welches das 2. Filter erfolgreich passiert hat:
P (“Photon passiert 3. Filter”) = cos2 θ2
Zusammengefasst erhalten wir für die Wahrscheinlichkeit, dass ein Photon alle drei Filter passiert:
P (“Photon passiert alle drei Filter”) =
1
· cos2 θ1 · cos2 θ2
2
Da die Wahrscheinlichkeit für ein einzelnes Teilchen der statistischen Häufigkeit vieler Teilchen entspricht,
haben wir damit gezeigt, dass diese Mathematik auch für die Lichtintensität gilt:
I3 =
I0
· cos2 θ1 · cos2 θ2
2
6
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