Bedeutung kondensierter Tannine und Polyphenoloxidase in Futterbau und Wiederkäuerernährung PD Dr. Martin Gierus Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung - Grünland und Futterbau/Ökologischer Landbau - Christian Albrechts Universität zu Kiel Einleitung Die hohen Gehalte an schnell abbaubarem Protein verschiedener Futterpflanzen können bei einem ungünstigen Protein-Energie-Quotienten des Futters von den Pansenmikroorganismen der Wiederkäuer nur unzureichend verwertet werden. Erhöhte Proteinabbauraten bedingen geringere N-Nutzungseffizienzen und steigern zugleich das Risiko von N-Verlusten, die als Nitratfrachten im Sickerwasser besonders unter Beweidung zur Umweltbelastung beitragen können. Diesbezüglich besteht ein vermehrtes Interesse an der Wirkung von sekundären Pflanzeninhaltsstoffen wie kondensierten Tanninen oder dem Enzym Polyphenoloxidase (PPO). Die Reaktion der PPO im Rotklee kann zur Bildung von Chinon-Protein-Komplexen führen. Analog zu kondensierten Tanninen sind diese ProteinKomplexe vor enzymatischem Abbau durch pflanzeneigene Proteine und Mikroorganismen im Pansen geschützt. Es kann aber auch eine direkte Hemmung der pflanzlichen Proteasen durch die Chinone und kondensierten Tannine stattfinden. Ergebnisse wie ein verringerter Proteinabbau in Silage, verringerte Milch- und Blutharnstoffgehalte sowie geringere ruminale Ammoniak-N-Gehalte bei Wiederkäuern, die jeweils für Rotklee und Hornklee im Vergleich zu Weißklee oder Luzerne festgestellt wurden, sind in zahlreichen Studien dokumentiert. Ziel ist es, eine Steigerung der Quantität und Qualität des „home grown proteins“ aus geeigneten Bewirtschaftungssystemen zu erreichen. Dies bedeutet, den Anteil langsam abbaubares Protein im Grundfutter zu erhöhen, was zu einem reduzierten Zukauf UDP-reiches Kraftfutter in Milchvieh/Futterbaubetriebe führen kann und somit maßgeblich zu einem reduzierten NVerlust im Betrieb beiträgt. Beitrag der Phenol-Protein-Komplexierung zur Steigerung der N-Nutzungseffizienz Kondensierte Tannine bilden keine einheitliche Gruppe in Pflanzen. Sie weisen eine Vielzahl an Strukturen vor. In höheren Pflanzen leiten sich die Phenole zum Teil von Phenylalanin ab, ein Produkt des Shikimisäurewegs. Grundsteine für die Bildung kondensierter Tannine in Futterpflanzen sind Flavan-3-ols, davon sind Catechin und Epicatechin die wichtigsten. Die PPO ist ein weit verbreitetes Enzym, das in den Pflanzen in den Thylakoiden der Chloroplasten enthalten ist. Bei Zerstörung des Pflanzengewebes katalysiert PPO die Oxidation von o-Diphenolen zu o-Quinonen (Diphenolase Aktivität) unter Verbrauch von molekularem Sauerstoff. Diese Reaktion ist allgemein unter dem Begriff „enzymatische Bräunungsreaktion“ in der Literatur bekannt und ist häufig bei Obst- und Gemüse-Produkten anzutreffen. Diese Enzymreaktion dient der Pflanze als Abwehrmechanismus gegenüber Fraßfeinden, wird aber auch als genereller Stressfaktor angesehen. Die Bedeutung der kondensierten Tannine und PPO ist in Tabelle 1 zusammengefasst. Tab. 1. Potentielle Vorteile von Futterpflanzen mit kondensierten Tanninen oder PPOAktivität in der Wiederkäuerernährung Änderung Prozess Bereich Reduzierung Proteolyse bei der Vergärung im Silo Pflanze Steigerung Absorption essentieller Aminosäuren, mit anschließender Steigerung der Tierleistung (Fleisch, Milch, Wolle) Tier Verlagerung Harn-N Ausscheidung Æ Kot-N Ausscheidung Tier Reduzierung Methanemission von Wiederkäuern Tier Reduzierung Blähsucht (bei Leguminosen) Tier Reduzierung Mineralisationsrate von C und N im Boden Boden Die Wirkung kondensierter Tannine und der PPO sind überwiegend in Leguminosen nachzuweisen. Die PPO-Aktivität wurde bislang hauptsächlich in Rotklee festgestellt (Jones et al., 1995). Leguminosen wie Hornklee und Esparsette können zwar einen mäßigen bis hohen Gehalt kondensierter Tannine aufweisen, ihre agronomische Relevanz in der Ertragsbildung von Grünlandbeständen ist jedoch aufgrund der geringen Verbreitung begrenzt. Die bedeutendsten Futterleguminosen sowie deren mittlere Gehalte an kondensierten Tanninen sind in Tab. 2 dargestellt. Für Milchvieh/Futterbaubetriebe sind die Verbindungen von Quinonen/kondensierten Tanninen und Proteinen von großer Bedeutung. Durch die PPO-Aktivität (und Bildung von Quinonen) sowie durch die Wirkung kondensierter Tannine wird der rasche Proteinabbau in den Vormägen gehemmt, was eine erhöhte N-Nutzungseffizienz erwarten lässt. Versuche mit Milchkühen zeigten eine höhere Stickstoffausscheidung in Milch und Harn, wenn Luzernesilage (keine PPO-Aktivität oder kondensierte Tannine) im Vergleich Rotkleesilage verfüttert wurde (Broderick et al., 2000; Broderick et al., 2001). Tab. 2. Mittlerer Gehalt an kondensierten Tanninen in verschiedenen Futterpflanzen zu Kondensierte Tannine Art (g kg-1 DM) Lotus pedunculatus Sumpf-Hornklee 77,0 Lotus corniculatus Hornklee 21,0 Hedysarum coronarium Sulla 45,0 Coronilla varia Bunte Kronwicke 30,0 Ornithopus sativus Serradela 24,0 Trifolium pratense Rotklee 1,7 Medicago sativa Luzerne 0,5 Holcus lanatus Wolliges Honiggras 1,2 Lolium perenne Dt. Weidelgras 1,1 Chicorium intybus Chicoree 4,2 Veränderungen der PPO-Aktivität und die dadurch bedingte Bildung von Quinonen bei Rotklee können durch unterschiedliche Gehalte an Substraten (z.B. o-Diphenole) verursacht werden. Wie bei kondensierten Tanninen auch, variiert die PPO-Aktivität in Abhängigkeit von Sorte, dem Pflanzenorgan und dem Wachstumsstadium. Neben diesen Einflussgrößen spielt die Witterung und besonders das Nutzungsregime eine entscheidende Rolle (Gierus et al., 2006). Der positive Effekt kondensierter Tannine und PPO-Aktivität auf die Proteinqualität von Futterpflanzen wird bereits nach Schnitt/Verbiss der Pflanze vermutet. Studien zur Aktivität pflanzeneigener Proteasen sind überwiegend auf die Untersuchung des Ablaufes der Seneszenz und Mobilisierung von Reserven ausgerichtet (Morris et al., 1996). Durch die Aktivität der Proteasen können bei günstigen Temperaturen, Feuchtigkeit und Veränderung des pH Wertes über 50-60% des Proteins vom ursprünglichen Zustand in der Pflanze zu NPN abgebaut werden (McKersie, 1981; Messman et al. 1994). Der Proteinabbau ist im Silo sehr ausgeprägt, was durch den Zusammenhang mit der Verweildauer des Grüngutes im Silo und mit der Vorbereitung (Anwelkungsgrad, Einsatz von Zusatzstoffe, u. a.) zu erklären ist. Einige Studien zeigen allerdings, dass auch in den frühen Stadien nach Futteraufnahme auf der Weide die pflanzeneigenen Proteasen einen deutlichen Einfluss auf die Proteolyse nehmen können (Kingston-Smith et al., 2003). Aus den unterschiedlichen sekundären Pflanzeninhaltsstoffen und deren Wirkung in den Vormägen der Wiederkäuer ist ein deutlicher Einfluss auf die Veränderung der Proteinqualität durch kondensierte Tannine und die PPO-Aktivität zu erkennen. Es ergeben sich daraus potentielle Merkmale, die als Indikatoren zur Optimierung der N- Nutzungseffizienz in der Grünlandwirtschaft bzw. als Zuchtziele für Futterpflanzen eingesetzt werden können. Literatur: Broderick, G.A., Walgenbach, R.P., Maignan, S., 2001. Production of lactating dairy cows fed alfalfa or red clover silage at equal dry matter or crude protein contents in the diets. J. Dairy Sci. 84, 1728-1737. Broderick, G.A., Walgenbach, R.P., Sterrenburg, E., 2000. Performance of lactating dairy cows fed alfalfa or red clover silage as the sole forage. J. Dairy Sci. 83, 1543-1551. Gierus, M., Eickler, B., Taube, F., 2006. Veränderung der Polyphenoloxidase-Aktivität in Rotklee in Abhängigkeit der Bewirtschaftung. Mitt. Ges. Pflanzenbauwiss. 18, 34-35. Jones, B.A., Hatfield, R.D., Muck, R.E, 1995a. Screening legume forages for soluble phenols, polyphenol oxidase and extract browning. J. Sci Food Agric. 67, 109-112. Kingston-Smith, A.H., Bollard, A.L., Armstead, I.P., Thomas, B.J., Theodorou, M.K., 2003. Proteolysis and cell death in clover leaves is induced by grazing. Protoplasma, 220, 119-129. Messman, M.A., Weiss, W.P., Koch, M.E., 1994. Changes in total and individual proteins during drying, ensiling, and ruminal fermentation of forages. J. Dairy Sci. 77, 492-500. Morris, K., Thomas, H., Rogers, L.J., 1996. Endopeptidases during the development and senescence of Lolium temulentum leaves. Phytochemistry, 41, 377-384.